Beschluss vom 07.05.2007 -
BVerwG 5 B 92.07ECLI:DE:BVerwG:2007:070507B5B92.07.0

Beschluss

BVerwG 5 B 92.07

  • VG Berlin - 30.11.2006 - AZ: VG 25 A 190.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. November 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 107 070,49 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

2 1. Der Rechtssache kommt nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die von ihr aufgeworfene Frage,
„Ist bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage einer Entscheidung für Grundvermögen im Rahmen der Degression gemäß § 7 Abs. 2 EntschG als maßgeblicher Schädigungszeitpunkt das Inkrafttreten der Verordnung vom 04.09.1952 bei der Inverwaltungnahme oder aber die später nachfolgende Inanspruchnahme nach dem Aufbaugesetz anzusehen?“,
wobei „in diesem Zusammenhang der Begriff ‚Entziehung’ in § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG [auslegungsbedürftig]“ sei,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Soweit sich diese Frage nach den nicht mit der Verfahrensrüge angegriffenen und daher bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts als entscheidungserheblich erweist, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, dass auch bei vorangehender staatlicher Verwaltung für den Zeitpunkt der „Entziehung“ grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Eigentumsverlustes abzustellen ist.

3 Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass den Klägern dem Grunde nach eine Entschädigung für ein von deren Rechtsvorgängern im Jahre 1939 erworbenes Grundstück zusteht, dessen Rückübertragung rechtskräftig wegen eines vorrangigen Anspruchs von Berechtigten nach § 1 Abs. 6 VermG abgelehnt worden war, für das im März 1963 eine vorläufige Verwaltung in das Grundbuch eingetragen worden war und das dann nach Ablehnung eines Kredits für Instandsetzungsarbeiten im Jahre 1979 mit Wirkung zum 1. November 1979 nach dem Aufbaugesetz in Anspruch genommen worden war. Im Streit steht allein, auf welchen Zeitpunkt für die Berechnung der Degression nach § 7 Abs. 1 EntschG abzustellen ist.

4 Es folgt bereits aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG, der auf den Zeitpunkt der „Entziehung“ des Vermögenswertes abstellt, dass nicht auf den Zeitpunkt jeder „Schädigung“ i.S.d. § 2 Abs. 4 i.V.m. § 1 VermG abzustellen ist, sondern den des vollständigen und endgültigen Verlustes des Eigentums an dem Vermögensgegenstand. Im Vermögensrecht, an das das Entschädigungsrecht anknüpft (s. VG Leipzig, Urteil vom 6. Dezember 2002 - 1 K 2442/01 - juris; VG Gera, Urteil vom 17. Juni 2003 - 3 K 43/00 GE - juris), wird zwischen dem Entzug des Eigentums z.B. durch Enteignung oder auf andere Weise bzw. dessen Veräußerung durch staatliche Verwalter oder nach Überführung in Volkseigentum durch den Verfügungsberechtigten an Dritte (§ 1 Abs. 1 VermG) bzw. der Übernahme in Volkseigentum (§ 1 Abs. 2 VermG) einerseits und einer staatlichen Verwaltung andererseits unterschieden (§ 1 Abs. 4 VermG). Die staatliche Verwaltung kann zwar eine Schädigung bewirken, bedeutet aber gerade noch keine Entziehung. Systematisch unterstreichen dies die besonderen Regelungen, die das Vermögensgesetz für die Wiedergutmachung der in der Anordnung der staatlichen Verwaltung liegenden Schädigung getroffen hat (§§ 11 ff. VermG), für die deren bloße Aufhebung für ausreichend gehalten wurde; das Vermögensgesetz selbst geht mithin für die in § 1 Abs. 4 VermG erfassten Fälle davon aus, dass mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung das Eigentum noch nicht entzogen war (so Beschluss vom 6. März 2000 - BVerwG 8 B 4.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 4 VermG Nr. 4). Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit dem in § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG genutzten Begriff der „Entziehung“ jegliche vermögens- oder entschädigungsrechtlich relevante „Schädigung“ hat erfassen wollen; soweit in der Gesetzesbegründung Bezug genommen wird auf die „Verhältnisse im Zeitpunkt des Schadenseintritts“ (BTDrucks 12/4887 S. 36), verweist dies nicht auf den umfassenderen Begriff der „Schädigung“.

5 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch sonst geklärt, dass die staatliche Verwaltung eines Vermögensgegenstandes für sich allein keine (endgültige) Entziehung des Vermögenswertes bzw. eine Schädigung „auf sonstige Weise“ bewirkt (s. etwa Urteile vom 2. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 46.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 5, vom 13. Dezember 2005 - BVerwG 8 C 13.04 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 45 und vom 22. Februar 2007 - BVerwG 5 C 4.06 -), und zwar auch dann nicht, wenn der staatlichen Verwaltung eine Entziehung der Eigentumsposition nachfolgt (Beschluss vom 6. März 2000 - BVerwG 8 B 4.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 4 VermG Nr. 4). Ob für die Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG anderes in Betracht zu ziehen ist, wenn sich die Anordnung der staatlichen Verwaltung als erste Stufe eines auf Entzug des Eigentums gerichteten Schädigungsprozesses darstellt, rechtfertigte die Zulassung der Revision hier nicht. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass „im vorliegenden Fall ‚Ausgangspunkt’ der Inanspruchnahme (des Grundstücks) nicht die staatliche Verwaltung, sondern der Umstand war, dass das Grundstück nicht weiter belastet werden konnte, die Finanzierung weiterer Baumaßnahmen also aus dem Staatshaushalt hätte erfolgen müssen“, mithin die Anordnung der staatlichen Verwaltung hier nicht ohne Weiteres in die endgültige Entziehung des Eigentums mündete.

6 Nicht auf revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf zum Begriff der „Entziehung“ in § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG bei der Grundstücksentschädigung weisen die Ausführungen des Beklagten (Beschwerdebegründung S. 2 f.) zur Einfügung des § 4 Abs. 2 Satz 4 EntschG zur Berechnung der Unternehmensentschädigung sog. vorgeschädigter Gesellschafteranteile in den Sonderfällen, in denen Berechtigter eine in Auflösung befindliche Gesellschaft ist und ein Geschäftsanteil vor Überführung in das Volkseigentum staatlich verwaltet oder in Volkseigentum überführt worden war (Art. 1 Nr. 4 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes vom 10. Dezember 2003, BGBl I S. 2471); auch die herangezogene Begründung des Gesetzentwurfes (BTDrucks 15/1180 S. 19) rechtfertigt keine Rückschlüsse auf die Auslegung und Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 3 EntschG.

7 2. Die Revision ist auch nicht wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

8 Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat (stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302 m.w.N.). Dies ist vorliegend schon nicht hinreichend bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

9 Das von der Beschwerde herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 45.94 - (Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 17) verhält sich zu dem Begriff der „Schädigung“ in § 6 Abs. 6a VermG, knüpft an den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. c VermG an und stellt - für die Bestimmung des Schädigungsgegenstandes - tragend darauf ab, dass „der Veräußerung des Betriebsvermögens der Gaststätte im Jahre 1970 (...) im Jahre 1961 die Anordnung der staatlichen Verwaltung des Unternehmens (§ 1 Abs. 4 VermG ) vorausgegangen (war), die vom Gesetzgeber ebenfalls als eine Schädigung des Unternehmens bewertet wird (§ 2 Abs. 4 VermG)“. Schon für die Anwendung des § 6 VermG folgt hieraus kein divergenzfähiger abstrakter Rechtssatz, demgemäß eine staatliche Verwaltung stets als erste Stufe eines schrittweisen Schädigungsprozesses zu bewerten sei. Für den weiterhin herangezogenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 2000 - BVerwG 8 B 4.00 - (Buchholz 428 §  1 Abs. 4 VermG Nr. 4), der ebenfalls einen Anspruch auf Unternehmensentschädigung nach § 6 VermG betrifft, macht die Beschwerde geltend, es sollten sich nach diesem Beschluss „Rückgabe und Berechtigung (...) nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Enteignung richten“, ohne auch nur im Ansatz aufzuzeigen, inwieweit das Verwaltungsgericht einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz gebildet haben sollte.

10 Soweit die Beschwerdebegründung sich mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (VG Greifswald, Urteil vom 22. November 2006 - 5 A 395/05 -; VG Dresden, Urteil vom 6. April 2005 - 14 K 1402/03 -; VG Gera, Urteil vom 17. Juni 2003 - 3 K 43/00 -; VG Dessau, Urteil vom 2. November 2004 - 3 A 70/04 -; VG Weimar, Urteil vom 9. September 2003 - 8 K 1740/00 -) auseinandersetzt, bezieht sie sich nicht auf eine divergenzfähige Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte.

11 3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

12 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1 GKG.