Beschluss vom 07.07.2004 -
BVerwG 1 B 6.04ECLI:DE:BVerwG:2004:070704B1B6.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.07.2004 - 1 B 6.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:070704B1B6.04.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 6.04

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.10.2003 - AZ: OVG 4 A 1677/02.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juli 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Oktober 2003 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie legt den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die in einem Revisionsverfahren verallgemeinerungsfähig beantwortet werden kann. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die Beschwerde hält es für grundsätzlich klärungsbedürftig, wie der Begriff der "unmittelbaren extremen Gefährdungslage" im Sinne des § 53 Abs. 6 AuslG zu verstehen ist, insbesondere ob er "ein Versterben innerhalb der nächsten 24 Stunden oder einem Monat oder gar sechs Monaten" nach der Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat voraussetzt. Sie legt indes schon nicht dar, inwiefern es auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die für das Revisionsgericht bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), in einem Revisionsverfahren auf diese Frage überhaupt ankommen soll. Die Beschwerde wirft in diesem Zusammenhang verschiedene Fragen zur Gefährdung von Rückkehrern in die Demokratische Republik Kongo auf, in denen jeweils unterstellt wird, dass eine Lebensgefahr sich zwar nicht in den ersten Tagen nach der Rückkehr, wohl aber innerhalb eines absehbaren Zeitraums realisiert. Sie legt indes nicht dar, dass diese tatsächlichen Annahmen vom Berufungsgericht festgestellt oder zugrunde gelegt worden sind. Derartiges lässt sich der Berufungsentscheidung in der Tat auch nicht entnehmen. So hat das Berufungsgericht zum drohenden Hungertod festgestellt, es bestehe aufgrund der Versorgungslage mit Nahrungsmitteln in
Kinshasa und Umgebung weder für männliche noch für weibliche Personen die konkrete Gefahr, aus Mangel an Nahrungsmitteln nicht überleben zu können; Anfangsschwierigkeiten für allein stehende zurückkehrende Asylbewerber ließen sich mit Unterstützung kirchlicher oder sonstiger karitativer Einrichtungen überwinden (BA S. 11, 12). In Wahrheit wendet sich die Beschwerde mit ihren Fragen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts und will die tatrichterliche Einschätzung der Gefahrenlage durch ihre eigene Einschätzung ersetzen.
Hierauf kann aber eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht gestützt werden. Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass eine extreme allgemeine Gefahrenlage, bei der die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ausnahmsweise nicht gilt, nicht voraussetzt, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat eintreten. Danach kann eine solche Gefahrenlage beispielsweise auch dann bestehen, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (Beschluss vom 26. Januar 1999 - BVerwG 9 B 617.98 -
Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 14 = NVwZ 1999, 668). Auf diese, auch vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Rechtsprechung, geht die Beschwerde nicht ein und zeigt insoweit auch keinen weitergehenden Klärungsbedarf auf.
Die außerdem von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob es für die allgemeine Bewertung der unmittelbaren Gefahrenlage in grundsätzlicher Hinsicht genügt, dass diese aus den jeweils günstigen Passagen der verschiedenen Lageberichte der letzten Jahre zusammengestellt wird, oder ob hierfür die aktuelle wirtschaftliche, soziale und ökonomische Situation des Jahres der Entscheidung zugrunde zu legen ist, ist ohne weiteres im zuletzt genannten Sinne zu beantworten (§ 77 Abs. 1 AsylVfG), ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Auch mit dieser Frage wendet sich die Beschwerde in erster Linie gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, ohne sich im Einzelnen mit den Entscheidungsgründen und der Auskunftslage auseinander zu setzen und insoweit einen Revisionszulassungsgrund aufzuzeigen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= § 83 b AsylVfG i.d.F. des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I 718) nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).