Beschluss vom 07.12.2012 -
BVerwG 9 BN 3.12ECLI:DE:BVerwG:2012:071212B9BN3.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.12.2012 - 9 BN 3.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:071212B9BN3.12.0]

Beschluss

BVerwG 9 BN 3.12

  • Hessischer VGH - 18.04.2012 - AZ: VGH 5 C 2625/10.N

In der Normenkontrollsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Dezember 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. April 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2 1. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) dringt nicht durch.

3 Die Beschwerde macht geltend, die angefochtene Entscheidung weiche vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1966 - 2 BvR 179/64, 476 und 477/64 - (BVerfGE 20, 257) ab, weil der Verwaltungsgerichtshof erstens angenommen habe, dass es keinen eigenständigen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff gebe, zweitens davon ausgegangen sei, dass bei grundstücksbezogenen öffentlichen Leistungen der Grundstückseigentümer auch dann zum Gebührenschuldner gemacht werden könne, wenn ihm kein Nutzungsrecht zukomme, und drittens davon ausgegangen sei, dass § 10 des Hessischen Gesetzes über kommunale Abgaben (HessKAG) keine Regelung über den Gebührenschuldner enthalte. Damit ist eine Divergenz nicht hinreichend dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dazu hätte die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennen müssen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof einem in der herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz widersprochen hat (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.

4 Divergenz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die angegriffene Entscheidung und der von der Beschwerde in Bezug genommene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht auf der Anwendung derselben Rechtsvorschrift beruhen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts betraf keine Benutzungsgebühr nach § 10 HessKAG, sondern Gebühren, die nach § 80 GWB im Verfahren vor der Kartellbehörde zur Deckung der Verwaltungskosten erhoben werden. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht auch nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass das Grundgesetz einen eigenständigen Gebührenbegriff enthält, aus dem sich unmittelbar Maßstäbe für die Rechtmäßigkeit von Gebührenregelungen ergeben. Es hat in dem genannten Beschluss vielmehr - kompetenzrechtlich - darauf abgestellt, dass sich Gebühren von Steuern im Sinne von Art. 105, 106 GG dadurch unterscheiden, dass sie als Entgelt für die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen erhoben werden (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9-12/98 - BVerfGE 108, 1 <13 f.>). Dass das Grundgesetz keinen eigenständigen Gebührenbegriff normiert, wird im Übrigen in dem - vom Verwaltungsgerichtshof zutreffend zitierten - Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - (BVerfGE 50, 217 <225 f.>) ausdrücklich festgestellt.

5 Es ist ferner nicht erkennbar, dass die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, der Grundstückseigentümer könne hier deshalb zur Abwassergebühr herangezogen werden, weil die öffentliche Leistung - die Beseitigung des Abwassers - für das jeweilige Grundstück erbracht werde und deshalb auch dem Eigentümer zugute komme, von einem im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1966 aufgestellten Rechtssatz abweicht. Dies ist schon deshalb fernliegend, weil der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts keine grundstücksbezogene Benutzungsgebühr, sondern - wie oben ausgeführt - eine Verwaltungsgebühr betraf. Der Verwaltungsgerichtshof stellt im Übrigen die o.g. kompetenzrechtliche Aussage des Bundesverfassungsgerichts nicht in Abrede, sondern wendet sie auf den vorliegenden Fall an, wenn er der Auffassung ist, dass die Heranziehung des Eigentümers wegen des Grundstücksbezugs der Abwasserbeseitigung gerechtfertigt sei.

6 Schließlich kann die Beschwerde aus der Auslegung des § 10 HessKAG durch den Verwaltungsgerichtshof keine Divergenz herleiten. Sie legt nicht nachvollziehbar dar, weshalb das Gericht mit der Annahme, § 10 HessKAG enthalte keine Regelung über den Gebührenschuldner, zugleich den Rechtssatz aufgestellt haben soll, eine gesetzliche Beschränkung sei verfassungsrechtlich auch nicht geboten. Abgesehen davon hat der Verwaltungsgerichtshof auch nicht die Auffassung vertreten, dass der Satzungsgeber gesetzlich ermächtigt sei, den Kreis der Gebührenschuldner beliebig festzulegen. Das Gericht ist vielmehr in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass der Satzungsgeber bei Benutzungsgebühren, die - wie hier die Abwassergebühr - grundstücksbezogen sind, entscheiden muss, ob auf die dem einzelnen Grundstück erbrachte Gesamtleistung abgestellt wird und dementsprechend der Grundstückseigentümer als „mittelbarer Verursacher“ gebührenpflichtig sein soll, oder ob wegen des auch personenbezogenen Charakters der Leistung der jeweilige Mieter oder sonst obligatorisch oder dinglich Nutzungsberechtigte als unmittelbarer Verursacher zur Gebühr herangezogen werden soll (vgl. Beschluss vom 13. August 1996 - BVerwG 8 B 23.96 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 82 S. 59 f.).

7 2. Auch die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bleibt ohne Erfolg.

8 Die Frage, „ob das Hessische KAG die Gemeinden ermächtigt, in ihren Satzungen für grundstücksbezogene Nutzungsgebühren pauschal auf die Rechtsposition als Grundstückseigentümer abzustellen“, rechtfertigt die Zulassung der Revision bereits deshalb nicht, weil sie allein die Auslegung und Anwendung nicht revisiblen Rechts betrifft. Davon abgesehen liegt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch dann nicht vor, wenn unterstellt wird, dass die Beschwerde geklärt wissen will, ob der Grundstückseigentümer auch dann Schuldner einer Abwassergebühr sein kann, wenn er kein Nutzungsrecht am Grundstück besitzt. Die Beschwerde benennt insoweit schon keine bundesrechtliche Maßstabsnorm und legt nicht dar, dass deren Auslegung ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwirft (vgl. zu diesem Erfordernis Beschluss vom 10. Mai 2006 - BVerwG 10 B 56.05 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 101 Rn. 12; stRspr). Sie greift auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs an, dass die Beseitigung des Abwassers eine öffentliche Leistung ist, die nicht nur den Nutzern des Grundstücks, sondern auch dem Eigentümer zugute kommt, weil sie auch für das Grundstück selbst erbracht wird. Diese Annahme ist auch nicht zu beanstanden. Dass der Satzungsgeber für diesen Fall einer (auch) grundstücksbezogenen Benutzungsgebühr nicht den jeweiligen Mieter oder sonst obligatorisch oder dinglich Nutzungsberechtigten zum Gebührenschuldner machen muss, sondern stattdessen aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität an das Grundstückseigentum anknüpfen darf, ist geklärt (vgl. Beschluss vom 13. August 1996 a.a.O.). Die Beschwerde zeigt nicht auf, weshalb der vorliegende Rechtsstreit Gelegenheit zur Fortentwicklung der Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren geben könnte. Bezugspunkt für die Gebührenpflicht des Eigentümers ist danach offenkundig dessen Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Entsorgung seines Grundstücks (vgl. Mildner, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2012, § 6 Rn. 818); insoweit kommt ihm die öffentliche Leistung der Abwasserbeseitigung zugute. Ob der Eigentümer die Abwasserbeseitigung daneben auch noch als Nutzer des Grundstücks in Anspruch nimmt, ist für die Anknüpfung der Gebührenpflicht an die formale Eigentümerstellung unerheblich. Deshalb kommt es auf den von der Beschwerde hervorgehobenen Umstand, dass Eigentum und Nutzungsrecht hier wegen der Bestellung des Nießbrauchs auseinander fallen (vgl. Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 C 8.08 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 27 Rn. 25), nicht an. Erst recht kann es nicht darauf ankommen, ob die öffentliche Leistung den Eigentümer von einer gegenüber dem Nießbrauchsberechtigten bzw. dessen Mietern bestehenden Pflicht zur ordnungsgemäßen Ver- und Entsorgung des Grundstücks befreit, wie die Beschwerde meint.

9 Dass vorliegend der Inhaber des dinglichen Nießbrauchsrechts am Grundstück des Antragstellers nach dessen Vorbringen im Normenkontrollverfahren zahlungsunfähig geworden ist, gibt ebenfalls keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Denn es ist Sache des Grundstückseigentümers Vorkehrungen zu treffen, um die Überwälzung der Gebührenlast auf den Nießbraucher als denjenigen, dem der Ertrag aus dem Grundstück zusteht, auch für den Fall der Zahlungsunfähigkeit zu sichern (vgl. Beschluss vom 13. August 1996 a.a.O. S. 60).

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.