Beschluss vom 08.03.2007 -
BVerwG 1 WB 44.06ECLI:DE:BVerwG:2007:080307B1WB44.06.0

Leitsätze:

-

Die Wiederholungsgefahr als Gegenstand eines behaupteten

Fortsetzungsfeststellungsinteresses setzt die konkret absehbare Möglichkeit voraus,

dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung zu Lasten des

jeweiligen Antragstellers wie die angefochtene Maßnahme zu erwarten ist.

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    BVerwG, Beschluss vom 08.03.2007 - 1 WB 44.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:080307B1WB44.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 44.06

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Lübeck und
Hauptmann Brandau
als ehrenamtliche Richter
am 8. März 2007 beschlossen:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I

1 Der 1956 geborene Antragsteller wendet sich gegen seine Kommandierung zur Dienstleistung vom ... Bundesministeriums der Verteidigung zur 1./Lazarettregiment ... in B. vom 5. April bis zum 31. Mai 2006. Er ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 31. Juli 2010 enden. Zum Hauptmann wurde er mit Wirkung vom 1. April 1993 ernannt. Zum 1. Juli 2002 wurde er in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 eingewiesen.

2 Vom 14. Januar 1998 bis zum 29. Februar 2004 war der Antragsteller vom Dienst freigestellter Sprecher des Gesamtvertrauenspersonenausschusses (GVPA) beim Bundesministerium der Verteidigung. Während dieses Zeitraumes wurde er jeweils unter Nutzung von Planstellen des zbV-Etats zunächst im Stab ... des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn und seit dem 1. April 2003 im ... Bundesministerium der Verteidigung in Bonn verwendet.

3 Nachdem der Antragsteller im Januar 2004 erneut in den GVPA, jedoch nicht in die Funktion des Sprechers dieses Gremiums gewählt worden war und damit die Notwendigkeit einer weiteren Freistellung vom Dienst entfiel, kommandierte ihn das Personalamt der Bundeswehr (PersABw) für die Zeit vom 1. März 2004 bis zum 31. März 2006 zum ...stab ... des Bundesministeriums der Verteidigung in Berlin zur Dienstleistung.

4 Das PersABw eröffnete dem Antragsteller in einem Personalgespräch am 3. April 2006, es beabsichtige dessen Versetzung zum Stab 1./LazRgt ... in B. mit einer Verwendungsdauer bis zum 30. Juni 2008, sodann dessen Versetzung ab 1. Juli 2008 zur 2./LazRgt ... in B. auf den Dienstposten Sanitätsdienstoffizier und Kompaniechef mit einer Verwendungsdauer bis zum 31. Juli 2010. Bis zur endgültigen Entscheidung sei vorgesehen, den Antragsteller vom 5. April bis zum 31. Mai 2006 zur 1./LazRgt ... in B. zu kommandieren.

5 Die vorbezeichnete Kommandierung ordnete das PersABw sodann mit Fernschreiben vom 3. April 2006 sowie mit Kommandierungsverfügung Nr. 0239 vom selben Tage an.

6 Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 10. April 2006 Beschwerde ein und rügte, die Kommandierung sei ihm „ohne gehörigen Vorlauf“ am 3. April 2006 eröffnet worden. Sie leide an Verfahrensfehlern; darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 14 SBG vor.

7 Mit Bescheid vom 2. Mai 2006 wies der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - die Beschwerde des Antragstellers zurück und lehnte zugleich eine vorläufige Aussetzung der Kommandierung ab.

8 Mit Fernschreiben vom 29. Mai 2006 teilte das PersABw dem Kommandeur LazRgt ... mit der Bitte um Bekanntgabe an den Antragsteller mit, es sei nunmehr dessen Versetzung zur 1./LazRgt ... mit Wirkung zum 1. September 2006 sowie die Verlängerung der mit Verfügung Nr. 0239 vom 3. April 2006 ausgesprochenen Kommandierung bis zum 31. August 2006 beabsichtigt, um das Anhörungsverfahren zu der angekündigten Versetzung sachgerecht abschließen zu können. Nachdem sich der Personalrat beim Bundesministerium der Verteidigung am 6. und 20. Juli 2006 zu der in Aussicht genommenen Versetzung des Antragstellers geäußert hatte, ordnete das PersABw mit Fernschreiben vom 28. Juli 2006 sowie mit Verfügung vom 9. August 2006 die Versetzung des Antragstellers zur 2./LazRgt ... in B. (Dienstposten Sanitätsdienstoffizier/Kompaniechef) zum 1. September 2006 mit einer voraussichtlichen Verwendungsdauer bis zum 31. August 2008 an.

9 Zuvor hatte der Antragsteller gegen den Beschwerdebescheid des BMVg mit Schreiben vom 16. Mai 2006 die gerichtliche Entscheidung beantragt. Diesen Antrag hat der BMVg - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 11. August 2006 dem Senat vorgelegt.

10 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die angefochtene Kommandierungsverfügung vom 3. April 2006 habe sich (auch in ihrer Korrekturfassung vom 21. Juni 2006, mit der die Kommandierung zur 1./LazRgt ... bis zum 31. August 2006 verlängert worden sei,) durch Zeitablauf erledigt. Gleichwohl habe er ein vehementes Interesse an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit, welches sich aus einer jederzeit drohenden Wiederholungsgefahr ergebe. Die Versetzung zur 2./LazRgt ... aufgrund der fernschriftlichen Verfügung des PersABw vom 28. Juli 2006 sei bis zum 31. August 2008 befristet. Dienstzeitende sei für ihn voraussichtlich der 31. Juli 2011. Mithin werde in seine Rechte mindestens ein weiteres Mal nach den Versetzungsrichtlinien eingegriffen. Die Wiederholungsgefahr werde sich in dem Moment konkretisieren, zu dem er, der Antragsteller, ein weiteres Mal versetzt werden müsse. Vor seiner Pensionierung stünden noch Personalmaßnahmen an, die gegebenenfalls Kommandierungen voraussetzten, oder Kommandierungen ins Einsatzland. Er habe im Übrigen die Versetzung bzw. den Dienstpostenwechsel auf einen nach Besoldungsgruppe A 13 g bewerteten Dienstposten beantragt. Es sei ihm außerdem nach wie vor unverständlich, warum die von ihm am 15. März 2006 beantragte Anhörung der zuständigen Vertrauensperson nicht durchgeführt worden sei. Ferner sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum nicht die Möglichkeit bestanden habe, ihn auf eine Stelle der Besoldungsgruppe A 13 g zu versetzen. Offensichtlich sei seine hervorragende letzte planmäßige Beurteilung vom 15. Dezember 2004 insoweit unberücksichtigt geblieben. Er habe sich ab dem vierten Quartal 2004 auf verschiedene Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13 beworben; alle Stellen seien jedoch entweder im so genannten Ringtauschverfahren oder von außen besetzt worden.

11 Er beantragt
festzustellen, dass die Kommandierungsverfügung Nr. 0239 des PersABw vom 3. April 2006 rechtswidrig ist,
hilfsweise
festzustellen, dass die Antragsgegnerin rechtswidrig gehandelt hat, indem sie
1. die rechtzeitige Bekanntgabe der Kommandierungsverfügung vom 3. April 2006 dem Antragsteller gegenüber unterlassen hat,
2. den Antragsteller vor Erlass der Kommandierungsverfügung nicht beteiligt hat,
3. die Personalvertretung entgegen der Erlass- und Gesetzeslage vor Erlass der Kommandierungsverfügung nicht beteiligt hat,
4. den Antrag des Antragstellers auf Beteiligung der Vertrauensperson gemäß § 23 Abs. 1 SBG vom 15. März 2006 vor Erlass der Kommandierungsverfügung nicht berücksichtigt hat,
5. den Antrag des Klägers auf ein Personalgespräch vom 15. März 2006 vor Erlass der Kommandierungsverfügung nicht berücksichtigt hat,
6. den Kläger gegen seinen Willen und entgegen der Erlasslage mit Verfügung vom 3. April 2006 kommandiert hat, obwohl der Antragsteller seit dem 26. Januar 1996 bis auf Weiteres Mitglied des GVPA beim BMVg ist,
7. nach Beendigung der Freistellung des Antragstellers für den GVPA beim BMVg seit dem 1. April 2004 mit dem Erlass der Kommandierungsverfügung vom 3. April 2006 gegen das Benachteiligungsverbot des § 14 Abs. 1 SBG verstoßen hat.

12 Der BMVg beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

13 Er hält den Antrag für unzulässig. Durch den Ablauf der Kommandierung habe sich die vom Antragsteller gerügte Maßnahme erledigt. Ein Feststellungsinter-esse seitens des Antragstellers sei nicht erkennbar. Seit der Versetzungsverfügung des PersABw vom 28. Juli 2006 scheide die Möglichkeit weiterer Kommandierungen vom Stabsquartier des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn zum Lazarettregiment ... in B. im Sinne einer Wiederholungsgefahr aus. Der Antragsteller werde nunmehr endgültig seit dem 1. September 2006 auf einem Dienstposten der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung bei der 2./LazRgt ... geführt. Diese Versetzungsmaßnahme gebe dem Antragsteller Planungssicherheit bis zum 31. August 2008 an einem vom ihm persönlich bevorzugten Stationierungsstandort und sei im Übrigen nach Anhörung des zuständigen Beteiligungsorgans erfolgt. Die vom Antragsteller behauptete erneut mögliche Benachteiligung als Mitglied des GVPA sei höchst ungewiss. Das derzeitige Mandat im GVPA ende im Frühjahr 2008. Es bestehe keinerlei gesicherte Erwartung, dass der Antragsteller in einem im Jahr 2008 neu zu wählenden GVPA noch vertreten sein werde. In der Sache sei die angefochtene, dem Antragsteller fernmündlich bereits am 13. März 2006 angekündigte Kommandierungsverfügung rechtmäßig und leide nicht an Verfahrensfehlern.

14 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg - PSZ I 7 - 331/06 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - C, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

15 Der Antrag ist unzulässig.

16 Das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, die Kommandierungsverfügung Nr. 0239 des PersABw vom 3. April 2006 (betreffend den Kommandierungszeitraum vom 5. April bis 31. Mai 2006) aufzuheben, hat sich durch Zeitablauf erledigt. Dies gilt auch für die erste Korrekturfassung dieser Verfügung vom 21. Juni 2006, mit der die Kommandierung bis zum 31. August 2006 verlängert worden ist. Das bestätigt der Antragsteller in den Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18. September 2006 und 27. Februar 2007 ausdrücklich. Diesem Umstand hat der Antragsteller in verfahrensrechtlicher Hinsicht dadurch Rechnung getragen, dass er nach der auch im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 15.01 - Buchholz 442.40 § 30 LuftVG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 165 und vom 22. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 1.05 - Buchholz 236.1 § 28 SG Nr. 6 <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N.) einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt hat.

17 Ein derartiger Antrag setzt ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich dieses Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Zusätzlich kommt auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 - BVerwGE 119, 341 = NZWehrr 2004, 163 und - BVerwG 1 WB 24.03 - Buchholz 236.110 § 6 SLV 2002 Nr. 1, vom 22. Januar 2004 - BVerwG 1 WB 34.03 - jeweils m.w.N., vom 4. November 2004 - BVerwG 1 WB 29.04 - und vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 WB 19.04 -). Ein Feststellungsinteresse in diesem Sinne muss der Antragsteller spezifiziert darlegen und geltend machen.

18 Ein Feststellungsinteresse in diesem Sinne steht dem Antragsteller nicht zur Seite. Er stützt sein Feststellungsinteresse ausschließlich auf eine „Wiederholungsgefahr“. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass weiterhin im Wesentlichen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bestehen wie in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erledigten Maßnahme maßgebenden Zeitpunkt. Außerdem ist erforderlich, dass die konkret absehbare Möglichkeit besteht, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung zu Lasten des Antragstellers wie die angefochtene Maßnahme zu erwarten ist (Beschluss vom 22. Juni 2005 a.a.O. <insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Eine Wiederholungsgefahr im dargelegten Sinne besteht schon deshalb nicht, weil in naher Zukunft eine erneute Entscheidung des PersABw über eine - kurzfristige - Kommandierung des Antragstellers zur 1./LazRgt ... in B. nicht zu erwarten ist. Der Antragsteller ist inzwischen durch die Versetzungsverfügung des Pers- ABw vom 9. August 2006 zum 1. September 2006 zur 2./LazRgt ... in B. mit einer voraussichtlichen Verwendungsdauer bis zum 31. August 2008 versetzt worden. Gegen diese Entscheidung des PersABw hat er ausweislich der Akten keinen Rechtsbehelf eingelegt. Welche Verwendungsentscheidungen das
PersABw nach Ablauf dieser Verwendungsdauer und nach Ablauf des derzeitigen Mandats des Antragstellers im GVPA treffen wird, ist zur Zeit völlig offen. Der Antragsteller selbst trägt keine konkreten Anhaltspunkte für eine zu erwartende gleiche oder gleichartige Entscheidung wie die streitbefangene Kommandierung vor. Vor diesem Hintergrund sind die Vorbedingungen der Annahme einer Wiederholungsgefahr unter jedem denkbaren Gesichtswinkel nicht erfüllt. Dies gilt entsprechend für die Hilfsanträge des Antragstellers, die inhaltlich lediglich eine Konkretisierung seines Hauptantrags darstellen.

19 Soweit der Antragsteller außerdem im gerichtlichen Verfahren sinngemäß die Art und Weise der Personalführung im Zusammenhang mit der Kommandierungsentscheidung des PersABw beanstandet, hat er diesen Sachverhalt nicht in seinen Feststellungsantrag einbezogen. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Personalführung des Bundesministeriums der Verteidigung oder einer personalbearbeitenden Stelle im Allgemeinen nicht Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung sein kann; auch hat ein Soldat im Rahmen des § 17 Abs. 1 WBO insoweit keinen Anspruch auf dienstaufsichtliches Einschreiten militärischer Vorgesetzter (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 14. Juli 2004 - BVerwG 1 WB 18.04 - und vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 2.05 -).

20 Die vom Antragsteller erstmals im gerichtlichen Antragsverfahren gerügte Unterlassung seiner Versetzung auf einen nach Besoldungsgruppe A 13 bewerteten Dienstposten kann der Senat im Übrigen nicht in seine Beurteilung einbeziehen, weil dieser Streitgegenstand nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen ist; dieser Streitgegenstand stellt sich deshalb unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 20. Juli 1995 - BVerwG 1 WB 118.94 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 11 = NZWehrr 1996, 65 und vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 53.06 - m.w.N.) als unzulässige Klageerweiterung dar.

21 Von einer Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten hat der Senat abgesehen, weil er die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 WBO nicht für gegeben erachtet.