Beschluss vom 08.06.2010 -
BVerwG 1 WB 47.09ECLI:DE:BVerwG:2010:080610B1WB47.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.06.2010 - 1 WB 47.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:080610B1WB47.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 47.09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Major Grabis und
den ehrenamtlichen Richter Stabsfeldwebel Kadach
am 8. Juni 2010 beschlossen:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung einer Auslandsdienstreise und begehrt stattdessen eine entsprechende nachträgliche Kommandierung.

2 Der 1980 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Derzeit wird er beim ...kommando ... in K... als ...feldwebel verwendet.

3 Der Antragsteller war vom .... bis ... ... 2009 als Mitglied einer Prüfgruppe nach § 78 BHO (unvermutete Prüfungen) beim 19. Deutschen Einsatzkontingent ISAF in Mazar-e-Sharif/Afghanistan und Termez/Usbekistan eingesetzt. Der Einsatz erfolgte aufgrund der (undatierten) Dienstreiseanordnung Nr. 48/ 2009 des Bundesministeriums der Verteidigung - FüL -, die nach übereinstimmender Darstellung der Beteiligten am .... ... 2009 verfügt wurde. Auftrag und Zusammensetzung der Prüfgruppe sowie Einzelheiten zur Durchführung des Einsatzes ergeben sich aus der „Weisung Nr. 02/2009 zum Einsatz einer Prüfgruppe nach § 78 BHO beim 19. Deutschen Einsatzkontingent ISAF“ des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr vom .... ... 2009.

4 Mit Schreiben vom .... ... 2009 legte der Antragsteller gegen seine Entsendung im Status eines Dienstreisenden Beschwerde ein. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte diesen zusammen mit seiner Stellungnahme vom 10. August 2009 dem Senat vor.

5 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Sein Antrag vom .... ... 2009 auf eine Abschlagszahlung für den Auslandsverwendungszuschlag sei abgelehnt worden, weil er als Dienstreisender erst ab dem 15. Tag im Einsatzland Anspruch darauf habe; bei einer Kommandierung in das Einsatzland wäre ihm der Auslandsverwendungszuschlag vom ersten Tag an gezahlt worden. Aus dem ablehnenden Bescheid der Einsatzwehrverwaltungsstelle ISAF des 19. Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom .... ... 2009 ergebe sich, dass beim Deutschen Einsatzkontingent ISAF 20 temporäre Dienstposten für Prüfpersonal gemäß § 78 BHO eingerichtet seien. Auch habe er während der Dienstreise feststellen müssen, dass Angehörige des Einsatzführungskommandos, nämlich Oberstleutnant R... und Hauptbootsmann G..., im selben Zeitraum wie er, jedoch auf Kommandierungsbasis, im Einsatzland Dienst geleistet hätten. Er fühle sich daher benachteiligt und ihm sei ein finanzieller Schaden entstanden. Außerdem wären im Falle einer Kommandierung „die Einsatztage angerechnet“ worden.

6 Der Antragsteller beantragt,
die Dienstreiseanordnung aufzuheben und ihn nachträglich für den Verwendungszeitraum in das Einsatzland zu kommandieren.

7 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

8 Der Antrag sei unzulässig, weil der Reisezeitraum abgelaufen und damit Erledigung eingetreten sei und der Antragsteller kein Feststellungsinteresse für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag habe.

9 Der Antrag sei darüber hinaus unbegründet. Der Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, in das Einsatzland kommandiert zu werden. Nach den Versetzungsbestimmungen sei eine Dienstreise anzuordnen, wenn der Soldat einzelne, bestimmte Aufgaben aufgrund seiner Dienststellung wahrnehme; die disziplinare Unterstellung wechsle dabei nicht. Eine Kommandierung sei zu verfügen, wenn die vorübergehende anderweitige Verwendung des Soldaten in einer allgemeinen Dienstleistung bestehe, wobei in der Regel zugleich die disziplinare Unterstellung wechsle. Diese Vorschriften würden durch Sonderregelungen für Verwendungen im Ausland konkretisiert. Durch den Befehl des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr vom 11. Februar 2009 seien die zuvor noch vorhandenen temporären Dienstposten für Prüfgruppen gemäß § 78 BHO gestrichen worden. Bereits aus diesem Grund sei eine Dienstreise anzuordnen gewesen. Der Antragsteller habe außerdem im Einsatzland lediglich einzelne Aspekte seiner dienstlichen Aufgaben gemäß der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung zu erfüllen gehabt; die Durchführung einer Prüfung gemäß § 78 BHO stelle keine allgemeine Kontingentaufgabe dar. Gegen eine Kommandierung spreche schließlich, dass es widersinnig wäre, einen Prüfer nach § 78 BHO mittels Kommandierung demjenigen zu unterstellen, den er zu überprüfen habe. Soweit sich der Antragsteller auf das Schreiben der Einsatzwehrverwaltungsstelle ISAF berufe, sei dieser offensichtlich weder die Neufassung des § 58a Abs. 3 BBesG noch die neue Befehlslage des Einsatzführungskommandos bekannt gewesen. Aus einer rechtsfehlerhaften Kommandierung einzelner Soldaten sei kein Anspruch für den Antragsteller herzuleiten.

10 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - und die Akten der Parallelverfahren BVerwG 1 WB 45.09 , 1 WB 46.09 , 1 WB 48.09 , 1 WB 49.09 und 1 WB 50.09 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

11 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

12 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat die Beschwerde des Antragstellers gegen die Dienstreiseanordnung des Bundesministeriums der Verteidigung - FüL - zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet (§ 21 Abs. 1 WBO).

13 1. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, für den Zeitraum vom .... bis .... ... 2009 zum 19. Deutschen Einsatzkontingent ISAF kommandiert zu werden, hat sich durch Ablauf des Verwendungszeitraums erledigt und ist damit unzulässig.

14 Zwar hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Schreiben vom 21. und 26. Mai 2010 mitgeteilt, es sei grundsätzlich möglich, die Anordnung der Dienstreise rückwirkend in eine Kommandierung umzuwandeln, allerdings wegen des tatsächlich nicht erfolgten Unterstellungswechsels nur in Form einer (ausnahmsweisen) Kommandierung ohne Unterstellungswechsel. Damit wäre dem Antragsteller aber nicht gedient, weil er einerseits die nachträgliche Kommandierung nur aus dem Grund wünscht, doch noch den Auslandsverwendungszuschlag zu erhalten, und weil andererseits der Zuschlag nach § 1 Satz 1 der Auslandsverwendungszuschlagsverordnung (AuslVZV) i.d.F. der Bek. vom 8. April 2009 (BGBl I S. 809) regelmäßig nur gezahlt wird bei Verwendungen in einem Verband, einer Einheit oder Gruppe sowie im polizeilichen Einzeldienst. Die Gewährung des Zuschlags setzt also, wie auch die Formulierung „im polizeilichen Einzeldienst“ deutlich macht, bei Soldaten die Zugehörigkeit zu einer geschlossenen militärischen Einheit (im weiteren Sinne) voraus. Die Kommandierung ohne Unterstellungswechsel führt aber nicht zu einer vollständigen Integration in die Einheit, zu der die Kommandierung erfolgt, so dass die Voraussetzungen für die letztlich begehrte Gewährung des Auslandsverwendungszuschlags nicht erfüllt wären (vgl. auch Plog/Wiedow/Schmidt, BBG, Stand April 2010, § 58a BBesG Rn. 5). Die ausnahmsweise Gewährung des Auslandsverwendungszuschlags ohne Zugehörigkeit zu einem Verband, einer Einheit oder einer Gruppe, wie sie in § 1 Satz 2 AuslVZV geregelt ist, kommt hier nicht in Betracht.

15 2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist auch als Feststellungsantrag unzulässig (§ 19 Abs. 1 Satz 3 WBO).

16 Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die keinen Befehl im Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehrdienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO, ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solcher Antrag ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschluss vom 8. August 2007 - BVerwG 1 WB 8.07 -) in entsprechender Anwendung der Vorschrift grundsätzlich auch dann zulässig, wenn sich - wie hier - das Begehren bereits vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung erledigt hat. § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO in der seit dem 1. Februar 2009 geltenden Fassung (Bekanntmachung vom 22. Januar 2009, BGBl I S. 81) verlangt hierfür von dem jeweiligen Antragsteller nicht mehr die förmliche Stellung eines Feststellungsantrages. Der Antragsteller muss aber - weiterhin - das erforderliche Feststellungsinteresse substanziiert geltend machen (vgl. Beschluss vom 25. März 2010 - BVerwG 1 WB 42.09 - <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen>).

17 Das berechtigte Interesse an der Feststellung kann sich aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Zusätzlich kommt ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 24. März 2009 - BVerwG 1 WB 46.08 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 52 m.w.N.).

18 Allerdings hat in Fällen, in denen - wie hier - die Erledigung der Hauptsache bereits vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten ist und sich der Antragsteller auf die Absicht bezieht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, das für die Schadensersatzklage zuständige allgemeine Verwaltungsgericht oder Zivilgericht über sämtliche den geltend gemachten Anspruch betreffenden Rechtsfragen in eigener Zuständigkeit zu befinden; für die Fortsetzung des Wehrbeschwerdeverfahrens mit einem Feststellungsantrag vor dem Wehrdienstgericht fehlt insoweit das Feststellungsinteresse (stRspr, vgl. Beschluss vom 8. August 2007 - BVerwG 1 WB 8.07 - m.w.N.). Soweit der Antragsteller vorträgt, ihm sei dadurch, dass er als Dienstreisender und nicht aufgrund einer Kommandierung entsandt worden sei, ein finanzieller Nachteil oder Schaden entstanden, kann er eventuelle finanzielle Forderungen daher gerichtlich nur unmittelbar mit einer Klage auf Zahlung des Auslandsverwendungszuschlags oder mit einer entsprechenden Schadensersatzklage bei dem zuständigen allgemeinen Verwaltungsgericht oder Zivilgericht geltend machen.

19 Ein Rehabilitierungsinteresse liegt nicht vor. Das Rehabilitierungsinteresse setzt voraus, dass der angefochtenen Maßnahme oder Entscheidung selbst eine diskriminierende Wirkung zuzuschreiben ist oder der Antragsteller Umstände vorträgt, die entweder objektiv gesehen im Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung auf eine Diskriminierungsabsicht oder auf eine tatsächlich durch die angegriffene Entscheidung eingetretene Diskriminierung schließen lassen (vgl. Beschluss vom 24. März 2009 a.a.O. m.w.N.). Es ist nicht zu erkennen, dass sich das Bundesministerium der Verteidigung oder das Einsatzführungskommando der Bundeswehr beim Einsatz der Prüfgruppe, deren 26 Mitglieder sämtlich auf der Grundlage von Dienstreiseanordnungen entsandt wurden, von unsachlichen, etwa gezielt benachteiligenden oder ehrverletzenden, Gesichtspunkten haben leiten lassen. Auch das Vorbringen des Antragstellers, ihm wären im Falle einer Kommandierung „die Einsatztage angerechnet“ worden, begründet schon für sich genommen keinen rehabilitierungsbedürftigen Nachteil. Abgesehen davon sind die Vorgesetzten des Antragstellers bei dienstlichen Beurteilungen nicht gehindert, die im Einsatzland erbrachten Leistungen unabhängig von der Rechtsform der Entsendung gebührend zu würdigen. Auf der anderen Seite wäre ein spezieller Beurteilungsbeitrag nach Abschluss der Auslandsverwendung auch bei einer Kommandierung von weniger als vier Wochen Dauer nicht zwingend zu erstellen (Nr. 505 Buchst. a ZDv 20/6).

20 Hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr hat der Antragsteller nichts vorgetragen. Auch sonst sind Umstände, aus denen sich die Gefahr ergibt, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung gerade zulasten des Antragstellers zu erwarten ist, nicht ersichtlich.

21 Wie sich aus den Entscheidungen des Senats vom heutigen Tage in den Parallelsachen BVerwG 1 WB 45.09 u.a. ergibt, wäre der Antrag im Übrigen auch unbegründet gewesen.

22 3. Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorliegen.