Beschluss vom 08.07.2016 -
BVerwG 2 B 13.16ECLI:DE:BVerwG:2016:080716B2B13.16.0

Beschluss

BVerwG 2 B 13.16

  • VG Potsdam - 12.09.2012 - AZ: VG 2 K 724/10
  • OVG Berlin-Brandenburg - 11.11.2015 - AZ: OVG 4 B 26.12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juli 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Günther
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 26 455,68 € festgesetzt.

Gründe

1 Die zulässige, auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

2 1. Der Kläger ist Alleinerbe seiner im März 2008 verstorbenen Ehefrau. Diese war seit 1991 als Lehrerin zunächst im Angestelltenverhältnis im Schuldienst des Beklagten tätig. 1998 wurde sie zur Beamtin auf Probe und im Jahr 2001 zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt. Nach dem Wortlaut der Ernennungsurkunden erfolgten die Ernennungen jeweils "in Teilzeitbeschäftigung bei einem Umfang von zwei Dritteln der regelmäßigen Arbeitszeit". Gegen die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit in Teilzeit erhob sie Widerspruch, der mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid im April 2003 zurückgewiesen wurde.

3 Die vom Kläger im Juni 2009 beantragte besoldungs- und versorgungsrechtliche Gleichstellung seiner Ehefrau mit Vollzeitbeamten wurde im Dezember 2009 abgelehnt. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei unbegründet. Den geltend gemachten Ansprüchen des Klägers stehe die in Bestandskraft erwachsene Teilzeitanordnung entgegen. Die Teilzeitanordnung sei zwar wegen eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 GG und in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage rechtswidrig gewesen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses sei sie jedoch nicht nichtig gewesen.

5 Es liege zunächst kein besonders schwerwiegender Fehler i.S.v. § 44 Abs. 1 VwVfG BB vor. Dieser ergebe sich nicht daraus, dass eine Ermächtigungsgrundlage für die unfreiwillige antragslose Teilzeitbeschäftigung gefehlt habe. Nur Fälle "absoluter Gesetzlosigkeit" führten bei dem Fehlen einer gesetzlichen Grundlage zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Dies sei aber nur der Fall, wenn das Verhalten einer Behörde jeder gesetzlichen Grundlage entbehre und damit als willkürlich einzustufen sei. Teilzeitanordnungen seien hingegen unter bestimmten Voraussetzungen zulässiges Verwaltungshandeln. Die erforderliche besondere Schwere sei nicht gegeben, weil nicht erkennbar sei, dass der Beklagte wider besseren Wissens oder mit dem Ziel der Rechtsverletzung und somit willkürlich gehandelt habe. Auch der Umstand des Verstoßes gegen das Grundgesetz begründe aus sich heraus nicht die besondere Schwere.

6 Die zu beurteilenden Fehler seien bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Teilzeitanordnung auch nicht offensichtlich gewesen. Das ergebe sich schon daraus, dass eine Vielzahl betroffener Beamter darauf verzichtet habe, gegen die Teilzeitanordnung vorzugehen. Dem stehe auch nicht der Einwand entgegen, die Beamten hätten um die Wirksamkeit ihrer Ernennung zu Beamten gefürchtet, weil eine solche Auffassung in der brandenburgischen Rechtsprechung erst viel später, nämlich im Jahr 2006, vertreten worden sei. An der Offensichtlichkeit mangele es auch deswegen, weil sich die Rechtswidrigkeit der Teilzeitanordnungen auch den damit befassten Verwaltungsgerichten nicht erschlossen habe. Klarheit bestehe insoweit erst seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2010 - 2 C 86.08 - (BVerwGE 137, 138). Auch das Bundesverfassungsgericht habe erst mit Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - (BVerfGE 119, 247) die Verfassungswidrigkeit einer entsprechenden niedersächsischen Regelung festgestellt. Entsprechende Regelungen habe es zudem in zahlreichen Ländern gegeben; in der Literatur sei die Rechtmäßigkeit solcher Regelungen kontrovers diskutiert worden. Ältere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 1989 etwa - 2 C 52.87 - (BVerwGE 82, 196) seien nicht zu berücksichtigen, weil es dort um die fehlerhafte Anwendung der jeweiligen Rechtsgrundlage gegangen sei, nicht aber deren Verfassungsmäßigkeit im Mittelpunkt gestanden habe.

7 2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde des Klägers beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

8 Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung in der "Frage der Nichtigkeit der ergangenen Teilzeitanordnung".

9 Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9).

10 Dies ist hier nicht der Fall. Denn die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Frage könnte nicht rechtsgrundsätzlich beantwortet werden. Sie zielt nicht auf eine weitergehende grundsätzliche Klärung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 44 VwVfG BB ab, sondern beschränkt sich auf die Anwendung des § 44 VwVfG BB auf eine vom Dienstherrn bereits in der Ernennungsurkunde ausgesprochene Teilzeitanordnung.

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes folgt aus § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 3 GKG.