Beschluss vom 08.09.2003 -
BVerwG 2 DW 3.03ECLI:DE:BVerwG:2003:080903B2DW3.03.0

Beschluss

BVerwG 2 DW 3.03

In dem Wiederaufnahmeverfahren hat der 2. Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. September 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. H. M ü l l e r
beschlossen:

  1. Die Anträge des Technischen Regierungsamtmannes ...
  2. auf Wiederaufnahme des durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2003 - BVerwG 1 DB 1.03 - rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens werden auf seine Kosten verworfen.

I


Das Bundesamt ... hatte mit Bescheiden vom 6. Juni 2001, 24. Juli 2001, 17. August 2001 und 14. Dezember 2001 wegen schuldhaft unerlaubten Fernbleibens vom Dienst in verschiedenen Zeiträumen den Verlust der Dienstbezüge des Beamten festgestellt. Das Bundesdisziplinargericht erhielt die angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide mit Beschluss vom 27. September 2002 überwiegend aufrecht. Die hiergegen von dem Beamten eingelegte Beschwerde hat der 1. Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch Beschluss vom 26. Februar 2003 - BVerwG 1 DB 1.03 - zurückgewiesen.
Am 24. Juli 2003 hat der Beamte Restitutionsklage erhoben mit dem Antrag, den rechtskräftigen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2003 einschließlich der angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide aufzuheben. Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf einem psychiatrischen Fachgutachten vom 26. Februar 2002, das, wie sich aufgrund einer neuen Urkunde - Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ... vom 24. Juni 2003 in einem gleichgelagerten Verlustfeststellungsverfahren - nunmehr herausgestellt habe, unvollständig und damit falsch sei. Vorsorglich beantragt der Beamte, sein Begehren als Antrag auf Aufhebung von Disziplinarmaßnahmen zu werten und entsprechend zu entscheiden.

II


1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Restitutionsklage gegenüber dem rechtskräftigen Beschluss des 1. Disziplinarsenats vom 26. Februar 2003 ist unzulässig. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für ein g e r i c h t l i c h e s Wiederaufnahmeverfahren gegenüber einer rechtskräftigen disziplinargerichtlichen Entscheidung, die in einem Verfahren gemäß § 121 BDO - Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verlustfeststellungsbescheiden nach § 9 BBesG - ergangen ist.
Um eine solche Entscheidung handelt es sich bei dem angegriffenen rechtskräftigen Beschluss vom 26. Februar 2003. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens waren Verlustfeststellungsbescheide, die vor In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) am 1. Januar 2002 (vgl. Art. 27 des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 9. Juli 2001, BGBl I S. 1510) ergangen waren. Wie sich aus der Übergangsbestimmung des § 85 Abs. 5 BDG ergibt, richtet sich auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes das Beschwerdeverfahren nach bisher geltendem Recht (§ 121 BDO), wenn der Verlustfeststellungsbescheid vor In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes ergangen ist (ständige Rechtsprechung des 1. Disziplinarsenats, grundlegend Beschluss vom 31. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 33.01 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 21 = ZBR 2003, 101). Dementsprechend ist in dem rechtskräftigen Beschluss vom 26. Februar 2003 die Beschwerde auch als gemäß § 85 Abs. 5 BDG, § 121 Abs. 5 BDO zulässig angesehen worden.
Unter der Geltung der Bundesdisziplinarordnung gibt es keine gesetzliche Grundlage für ein gerichtliches Wiederaufnahmeverfahren bei unanfechtbaren Entscheidungen gemäß §§ 121, 90 BDO. Zwar ist nach § 97 Abs. 2 BDO die Wiederaufnahme des Verfahrens auch gegenüber der rechtskräftigen Entscheidung eines Disziplinargerichts zulässig. Voraussetzung einer solchen Wiederaufnahme ist jedoch, dass auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt worden ist. Die Feststellung des Verlusts der Dienstbezüge nach § 9 BBesG ist keine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Gesetzes, sondern ein Verwaltungsakt, auch wenn sein Erlass ein schuldhaftes Fernbleiben vom Dienst und damit eine Pflichtverletzung des Beamten nach § 73 Abs. 1 Satz 1, § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG voraussetzt. Gegenüber einem Verwaltungsakt ist nur ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG durch Antrag bei der Behörde, die die Feststellung getroffen hat, nicht aber eine Wiederaufnahme des Verfahrens vor den Disziplinargerichten zulässig (stRspr, z.B. Beschluss vom 20. Januar 1994 - BVerwG 2 DW 6.93 - m.w.N.; ebenso der 1. Disziplinarsenat, vgl. Beschluss vom 29. März 1999 - BVerwG 1 DB 7.97 - BVerwGE 113, 322 sowie der für das Beamtenrecht zuständige Senat, vgl. Urteil vom 27. Januar 1994 - BVerwG 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 und Beschluss vom 2. Juli 1998 - BVerwG 2 B 130.97 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 9).
Der Umstand, dass die nach dem Übergangsrecht hier noch anzuwendende Bundesdisziplinarordnung für Verfahren nach § 121 ein gerichtliches Wiederaufnahmeverfahren nicht vorsieht, verstößt nicht gegen die Rechtsweggarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Diese Vorschrift garantiert keinen Instanzenzug, sondern lediglich e i n e volle Rechts- und Tatsacheninstanz (vgl. BVerfGE 11, 232 <233>; 78, 88 <99>; 78, 214 <226>; 87, 48 <61>). Aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt sich kein Anspruch auf Zulassung eines Wiederaufnahmeantrags über die einfach rechtlichen Verfahrensordnungen hinaus (BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 1992 - BVerfG 1 BvR 666/91 - juris).
Der Beamte kann sich für die Zulässigkeit der Restitutionsklage auch nicht mit Erfolg auf die Tatsache stützen, dass in dem jetzt geltenden Bundesdisziplinargesetz eine dem § 121 BDO entsprechende Vorschrift nicht mehr enthalten ist und deshalb für Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen Verlustfeststellungsbescheide, die ab dem 1. Januar 2002 erlassen werden, die Verwaltungsgerichtsordnung unmittelbar gilt (vgl. Beschluss des 1. Disziplinarsenats vom 31. Januar 2002 a.a.O.; Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., 2003, vor § 62 Rn. 1 ff.) und damit über § 153 VwGO grundsätzlich u.a. auch eine Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO zulässig sein kann. Die davon abweichende übergangsweise Fortgeltung der Regelungen der Bundesdisziplinarordnung bei Altverfahren verletzt nicht das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG). Dem Bundesgesetzgeber bleibt es unbenommen, im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bei der Neuregelung des Bundesdisziplinarverfahrensrechts das Rechtsbehelfsverfahren für Verlustfeststellungsbescheide, die erst nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes erlassen werden, neu zu ordnen. Die unterschiedliche Behandlung ist nicht willkürlich. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Wiederaufnahmeverfahrensrecht.
In den nach der Bundesdisziplinarordnung zu beurteilenden Verlustfeststellungs-Altverfahren kann nach rechtskräftigem Abschluss des Gerichtsverfahrens anstelle eines gerichtlichen Wiederaufnahmeverfahrens - wie nach neuem Recht möglich - ein diesem Rechtsinstitut nachgebildetes behördliches Verfahren nach § 51 VwVfG stattfinden. Gegen eine sich daran anschließende negative Behördenentscheidung stehen dem Beamten dann die entsprechenden Rechtsbehelfe zu.
2. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unzulässig.
Dieser Antrag ist mit dem Hauptantrag identisch. Indem der Beamte unter Bezugnahme auf seinen Hauptantrag ("heutigen Antrag") die "Aufhebung von Disziplinarmaßnahmen" beantragt, begehrt er der Sache nach nichts anderes als die Aufhebung der genannten Verlustfeststellungsbescheide, die er fälschlich als "Disziplinarmaßnahmen" bezeichnet. Für die Zulässigkeit des Hilfsantrags gilt damit das für den Hauptantrag Gesagte entsprechend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 BDO.