Beschluss vom 08.12.2006 -
BVerwG 5 B 65.06ECLI:DE:BVerwG:2006:081206B5B65.06.0

Beschluss

BVerwG 5 B 65.06

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 22.03.2006 - AZ: OVG 12 A 2644/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Dezember 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt, Dr. Franke
und Dr. Brunn
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 9 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.

2 Die Revision kann nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Der Vortrag in der Beschwerdebegründung, das Bundesverwaltungsgericht habe zum gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I „bisher ausdrücklich über die Rechtsfrage eines unter strafrechtlichen Gesichtspunkten erzwungenen Aufenthaltes noch nicht entschieden“, führt zu keiner Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Vielmehr ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I bereits geklärt, dass auch ein Zwangsaufenthalt einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann. Denn nach dieser Vorschrift hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Umstände, die ein solches Verweilen erkennen lassen, sind nicht nur solche, die dem Willen des Betreffenden entsprechen. Vielmehr schließen Zwang und (allgemein) Unfreiwilligkeit einen gewöhnlichen Aufenthalt nicht aus (BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 - BVerwG 1 C 25.96 - Buchholz 402.240 § 63 AuslG 1990 Nr. 1 = NVwZ-RR 1997, 751 = juris Rn. 17), wobei in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der Aufenthalt in einer Haftanstalt nur beispielhaft für einen Zwangsaufenthalt angeführt ist. Der Grund für den Zwang und die Unfreiwilligkeit - im Haftfall war der Zwang rechtmäßig, im Streitfall der Klägerin auf der Grundlage der instanzgerichtlichen Feststellungen rechtswidrig - ist für die Frage nach dem gewöhnlichen Aufenthalt ohne Bedeutung, weil es bei den Umständen im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I nicht auf deren Ursachen, sondern allein darauf ankommt, dass sie ein nicht nur vorübergehendes Verweilen erkennen lassen. Folglich steht eine Rechtsverletzung Dritter der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes nicht entgegen (BSG, Urteil vom 14. April 1983 - 10 RKg 15/82 - juris Rn. 11).

3 Die Revision kann auch nicht nach §§ 133, 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugelassen werden. Zwar trägt die Beklagte vor, die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts könne „nicht mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes in Einklang gebracht werden“. Das genügt aber zur Begründung einer Divergenz nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht. Vielmehr müsste dazu ein die Entscheidung des Berufungsgerichts tragender abstrakter Rechtssatz angegeben und aufgezeigt werden, dass und inwiefern dieser von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 = NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 16). Eine solche Gegenüberstellung voneinander abweichender Rechtssätze enthält die Beschwerdebegründung nicht.

4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.