Beschluss vom 09.03.2005 -
BVerwG 8 B 98.04ECLI:DE:BVerwG:2005:090305B8B98.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.03.2005 - 8 B 98.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:090305B8B98.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 98.04

  • VG Frankfurt/Oder - 25.08.2004 - AZ: VG 6 K 2316/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l , den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a u s e r
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. August 2004 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 57 200 € festgesetzt.

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin die Rückübertragung eines Grundstücks "Jenseits des Sees" in S. mit einer Gesamtgröße von 880 m², das heute Bestandteil eines 16 145 m² großen Grundstücks ist, auf dem von der Nationalen Volksarmee ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude, ein Gästehaus und ein Feierabendheim gebaut wurden. Ursprünglich gehörte das Grundstück dem Schwiegervater der Klägerin, der 1958 gestorben ist und von seiner Ehefrau zu 1/4 sowie seinem Sohn, dem Ehemann der Klägerin, zu 3/4 beerbt worden war. Der Ehemann der Klägerin verließ die DDR am 1. November 1958 ohne Beachtung der seinerzeit geltenden Meldebestimmungen. Das Grundstück wurde im Dezember 1958 "namens und in Vollmacht der Witwe Frieda Q." sowie "namens und in Vollmacht des Rates der Stadt W. und dieser in seiner Eigenschaft als staatlicher Treuhänder für Dr. med. Hans-Joachim Q." an das Eigentum des Volkes, Rechtsträger Rat des Kreises S., veräußert.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
Die Beschwerde ist begründet. Die Rechtssache hat zwar nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Urteil beruht aber auf einem Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
1. Die Revision hält die Frage für klärungsbedürftig, "ob § 1 Abs. 3 VermG zugunsten der Klägerin anzuwenden ist, nachdem für sie bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags am 12. Dezember 1958 Frau Ingeborg F. gehandelt hat, ohne eine notariell beurkundete Vollmacht von Frau Frieda Q., geborene D., vorzulegen und der Verkauf, betrieben durch den staatlichen Verwalter des Herrn Dr. Hans-Joachim Q. zugunsten der Nationalen Volksarmee, zu einem unangemessen niedrigen Preis erfolgte". Diese Frage bezeichnet keine abstrakte Rechtsfrage, sondern bezieht sich auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles. Im Übrigen würde sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG setzt voraus, dass der Vermögensgegenstand aufgrund unlauterer Machenschaften erworben wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kennzeichnet § 1 Abs. 3 VermG solche Eigentumsentziehungen, bei denen in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR und die sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen nicht "alles mit rechten Dingen" zugegangen ist (Urteil vom 28. April 1999 - BVerwG 8 C 5.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 1). Handelt bei einem Grundstücksverkauf eine Vertreterin ohne formgültige Vollmacht, so steht zwar die Wirksamkeit des zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts in Frage, eine unlautere Machenschaft im beschriebenen Sinn liegt darin aber noch nicht begründet.
Die weiterhin aufgezeigte Frage, ob der Verkauf durch den staatlichen Verwalter zugunsten der Nationalen Volksarmee zu einem unangemessen niedrigen Preis unter den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 3 VermG fällt, wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, sondern berührt den tatsächlichen Bereich, ob im vorliegenden Fall der Kaufpreis zu niedrig angesetzt worden ist.
2. Das angefochtene Urteil beruht auf einem dargelegten Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung ohne ausreichende Erforschung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts gebildet und damit § 108 Abs. 1 Satz 1 und § 86 Abs. 1 VwGO verletzt. Es ist davon ausgegangen, dass nach Lage der Akten für einen Machtmissbrauch staatlicher Stellen nichts ersichtlich sei. Vielmehr deute alles darauf hin, dass es bei dem Verkauf gemessen an den damaligen Verhältnissen mit rechten Dingen zugegangen sei. Dabei hat das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich auf den Bodenwert des unbebauten Grundstücks abgestellt und den Preis von 0,50 Mark/m² angesichts der der Kammer aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannter Bodenpreise nicht beanstandet und weiter ausgeführt, Besonderheiten, die eine Abweichung geboten hätten - wie eine besonders attraktive Lage oder Seelage - seien nicht ersichtlich. Wenn demnach nach Ansicht des Verwaltungsgerichts der Bodenwert im Falle einer besonders attraktiven Lage - insbesondere einer Seelage - anders zu beurteilen wäre, hätte es im Hinblick auf die Bezeichnung "Jenseits des Sees" und die bei den Akten befindliche, nicht eindeutige Flurkarte von Amts wegen genaue Feststellungen zur Lage des Grundstücks und deren evtl. Attraktivität treffen müssen. Denn die Höhe des Kaufpreises war für das Verwaltungsgericht erkennbar entscheidungserheblich für die Frage, ob beim Verkauf des Grundstücks unlautere Machenschaften im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG im Spiel waren.
Der Senat nimmt den Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts zum Anlass, das angefochtene Urteil gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.