Beschluss vom 09.03.2007 -
BVerwG 1 B 170.06ECLI:DE:BVerwG:2007:090307B1B170.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.03.2007 - 1 B 170.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:090307B1B170.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 170.06

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 25.07.2006 - AZ: OVG 1 LB 70/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger turkmenischer Volkszugehörigkeit, wendet sich mit seiner Klage gegen den Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung (§ 51 Abs. 1 AuslG a.F., jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG). Seine auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 Die Beschwerde rügt der Sache nach, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es zu Unrecht über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden habe. In der ersten Instanz sei zwar eine mündliche Verhandlung anberaumt, aber nicht unter Teilnahme des Klägers durchgeführt worden, weil im Vorwege bereits geklärt gewesen sei, dass der Widerruf ohne Rücksicht auf den Individualvortrag des Klägers aufzuheben sei, und entsprechend mit den Verfahrensbeteiligten seitens des Gerichts abgesprochen worden sei, dass ein Erscheinen des Klägers untunlich sei.

3 Hiermit zeigt die Beschwerde nicht auf, dass das Berufungsgericht § 130a VwGO fehlerhaft ausgelegt und angewendet und damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. auch den den Beteiligten bekannten Beschluss des Senats vom 7. Februar 2007 - BVerwG 1 B 286.06 ).

4 Der Gesetzgeber hat - wie sich aus dem Zusammenhang mit § 84 Abs. 2 VwGO erschließt - das vereinfachte Berufungsverfahren nach § 130a VwGO nur unter der Voraussetzung zugelassen, dass in erster Instanz eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat oder dem Berufungskläger jedenfalls eröffnet war. Eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung ist danach unzulässig, wenn der Klage in erster Instanz durch Gerichtsbescheid stattgegeben wurde (vgl. Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 58). Dies macht die Beschwerde indessen nicht geltend. Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht ausweislich der Niederschrift vom 15. September 2005 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Kläger nicht erschienen ist, wobei nach den Angaben der Beschwerde in den in Rede stehenden Fällen eine entsprechende Absprache mit dem Gericht getroffen wurde. Damit hat der Kläger auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und die damit verbundene Gelegenheit, persönlich vor Gericht vorzutragen, verzichtet (vgl. zur Zulässigkeit einer Entscheidung nach § 130a VwGO in dem - hier nicht gegebenen - Fall eines Verzichts auf mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO das erwähnte Urteil vom 14. März 2002 a.a.O. m.w.N.). Das Berufungsgericht war hierdurch an einer Entscheidung nach § 130a VwGO nicht gehindert. Der Umstand, dass es - wie die Beschwerde darlegt - auf den Vortrag des Klägers nach der damaligen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts für den Erfolg der Klage nicht ankam, ändert hieran nichts. Die Beschwerde zeigt schließlich auch nicht auf, dass sich das Berufungsgericht durch Anhörung einen eigenen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Klägers hätte verschaffen müssen (vgl. auch Beschluss vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259).

5 Die Beschwerde macht weiter geltend, das Berufungsgericht sei seiner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht nachgekommen, indem es nicht weiter „zum Vortrag des Klägers bezüglich der Gefährdung durch seine turkmenische Volkszugehörigkeit im Zusammenhang mit seiner familiären Situation nachgeforscht“ habe. Es hätte, wie die Beschwerde weiter ausführt, nahe gelegen, den Sachverhalt durch eine persönliche Anhörung des Klägers aufzuklären.

6 Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise auf. Es fehlt bereits an der erforderlichen hinreichend konkreten Darlegung, hinsichtlich welcher entscheidungserheblicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden haben soll. Darüber hinaus legt die Beschwerde nicht - wie geboten - dar, welche tatsächlichen Feststellungen, die zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätten, aufgrund seiner Anhörung voraussichtlich getroffen worden wären. Soweit die Beschwerde ausführt, einem Bericht des Institute of War and Peace vom 23. August 2005 zufolge komme es in der Heimat des Klägers - Kirkuk - zu willkürlichen Verhaftungen von Turkmenen durch kurdische Sicherheitskräfte, zeigt die Beschwerde nicht auf, inwiefern insoweit entscheidungserhebliche Umstände in einer persönlichen Anhörung des Klägers hätten aufgeklärt werden können.

7 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.