Beschluss vom 09.04.2003 -
BVerwG 7 B 20.03ECLI:DE:BVerwG:2003:090403B7B20.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.04.2003 - 7 B 20.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:090403B7B20.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 20.03

  • VG Berlin - 30.12.2002 - AZ: VG 22 A 73.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. April 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerinnen tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 355 112 € festgesetzt.

Die Klägerinnen beanspruchen nach dem Vermögensgesetz die Rückübertragung eines Einfamilienhausgrundstücks, das 1938 von ihrem jüdischen Rechtsvorgänger veräußert und 1952 von der Rechtsnachfolgerin des Erwerbers an den Rechtsvorgänger der Beigeladenen verkauft wurde. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen stellte die Entschädigungsberechtigung der Klägerinnen fest und lehnte die Rückübertragung wegen redlichen Erwerbs des Rechtsvorgängers der Beigeladenen ab. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage abgewiesen, weil der Erwerber mangels ihm zurechenbarer manipulativer Einflussnahme auf den Grundstücksverkauf von Privat das Grundstück redlich erworben habe. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerinnen hat keinen Erfolg.
Die allein erhobene Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 86 Abs. 1 VwGO) führt nicht zur Zulassung der Revision. Der Senat stellt Bedenken dagegen, dass der geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur Sachaufklärung in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise dargelegt ist, zurück. Die Aufklärungsrüge bleibt jedenfalls in der Sache ohne Erfolg. Die Beschwerde behauptet, dass hinsichtlich einiger tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden habe; so sei das Verwaltungsgericht nicht den Fragen nachgegangen,
- ob die zum Abschluss des notariellen Kaufvertrags bevollmächtigte Ehefrau des Rechtsvorgängers der Beigeladenen über eine ordnungsgemäße Vollmacht verfügt und die Notarin dies überprüft habe,
- wie die Bezeichnung des Verkaufsgegenstands als "Intelligenzheim" zu verstehen sei,
- ob das Grundstück der Grundstückskontrollverordnung vom 27. Juli 1950 unterlegen habe,
- ob der Rechtsvorgänger der Beigeladenen bei Eintritt in den Ruhestand seine bisherige Mietwohnung hätte aufgeben müssen,
- ob sich die Verkäuferin des Grundstücks in einer Zwangslage befunden habe und
- wie hoch der Verkehrswert des Grundstücks gewesen sei.
Eine Aufklärung der Fragen zur ordnungsgemäßen Vollmacht, zur Aufgabe der Mietwohnung bei Eintritt in den Ruhestand, zur Zwangslage der Verkäuferin und zum Verkehrswert des Grundstücks musste sich dem Verwaltungsgericht schon deswegen nicht aufdrängen, weil es hierauf nach seiner Rechtsauffassung nicht ankam. In den Entscheidungsgründen ist im Einzelnen dargelegt,
- dass sich aus der erteilten Vollmacht kein Hinweis auf eine manipulative Verschleierung beim Erwerb des Grundstücks ergebe,
- dass das Innehaben einer Mietwohnung dem Erwerb eines Einfamilienhausgrundstücks nicht entgegengestanden habe,
- dass der Rechtsvorgänger der Beigeladenen sich eine eventuelle Zwangslage der Verkäuferin nicht zunutze gemacht habe und
- dass nicht der Verkehrswert des Grundstücks, sondern der von der Preisstelle festgesetzte höchstzulässige Kaufpreis maßgeblich gewesen sei.
Die insoweit erhobene Aufklärungsrüge zielt in Wahrheit gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die dem materiellen Recht zugeordnet ist; mit derartigen Angriffen lässt sich die Zulassung der Verfahrensrevision nicht erreichen. Gleiches gilt für die Frage, was es mit der Bezeichnung des Grundstücks als "Intelligenzheim" auf sich habe. Das Verwaltungsgericht hat den Standpunkt vertreten, dass damit ein Eigenheim eines Mitglieds der Bevölkerungsgruppe der "Intelligenz" gemeint gewesen sei, der der Rechtsvorgänger der Beigeladenen als Geisteswissenschaftler und Präsident, später Vizepräsident der Deutschen Akademie der Wissenschaften angehört habe. Diese Rechtsauffassung ist, selbst wenn sie in der Sache nicht zutreffen sollte, jedenfalls nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die Auslegung des Begriffs gehört zum materiellen Recht. Der Frage, ob der Grundstücksverkauf der Grundstückskontrollverordnung unterlag, hätte das Verwaltungsgericht allenfalls dann nachgehen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass die Ausreiseabsicht der in Ost-Berlin wohnenden Verkäuferin des Grundstücks den staatlichen Stellen bekannt war (vgl. § 4 Abs. 1 der Verordnung). Dazu bringt die Beschwerde nichts vor. Gegen eine solche Kenntnis spricht der Hinweis in der vom Amt für Grundstückskontrolle erteilten Siedlungsgenehmigung vom 6. September 1952, wonach das Grundstück nicht den Bestimmungen der Grundstückskontrollverordnung unterlag. Angesichts dessen musste das Verwaltungsgericht nicht klären, ob der Grundstücksverkauf mangels Genehmigung des Amts für Grundstückskontrolle i.S. des § 12 Abs. 1 der Verordnung unwirksam war.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.