Beschluss vom 09.07.2013 -
BVerwG 3 B 100.12ECLI:DE:BVerwG:2013:090713B3B100.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.07.2013 - 3 B 100.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:090713B3B100.12.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 100.12

  • Bayerischer VGH München - 10.09.2012 - AZ: VGH 9 B 11.1216

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Juli 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und Rothfuß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. September 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der Streitwertbeschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. Juli 2010 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. September 2012 für alle Rechtszüge auf jeweils 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich gegen eine tierschutzrechtliche Anordnung, mit der ihm unter anderem auferlegt wird, seinen Galloway-Rindern in der Winterzeit einen Witterungsschutz einzurichten, ganzjährig hygienisch einwandfreies Wasser zur Verfügung zu stellen und regelmäßig oder bei Bedarf eine Klauenpflege durchzuführen. Seine hiergegen gerichtete Klage blieb in beiden Instanzen erfolglos.

2 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegt vor.

3 1. Der Rechtssache kommt die mit Blick auf tierschutzrechtliche Anordnungen mit längerfristigen Wirkungen (Dauerverwaltungsakte) geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Grundsätzliche Bedeutung kann eine Rechtssache nur dann haben, wenn sie eine Frage aufwirft, die in einem Revisionsverfahren allgemein klärungsfähig und klärungsbedürftig ist.

4 In der Rechtsprechung ist geklärt, dass das Vorliegen eines Dauerverwaltungsakts von der rechtlichen Bedeutung der getroffenen Regelung abhängig ist. Einen Dauerverwaltungsakt kennzeichnet, dass die mit ihm getroffene Regelung nicht mit einer einmaligen Befolgung erledigt ist, sondern innerhalb der Geltungsdauer oder bis zum Erlass eines neuen Verwaltungsakts fortdauernd Geltung beansprucht und damit in ihrer Wirkung wesensgemäß auf Dauer angelegt ist (stRspr, Urteile vom 5. August 1965 - BVerwG 1 C 69.62 - BVerwGE 22, 16 <22 f.>, vom 28. Februar 1997 - BVerwG 1 C 29.95 - BVerwGE 104, 115 <120> und vom 26. Januar 2012 - BVerwG 3 C 1.11 - BVerwGE 141, 376 <377 f.>).

5 Vor diesem Hintergrund entzieht sich die Frage
„Stellt die nach § 16a Satz 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. § 2 Nr. 1 TierSchG erfolgende Anordnung der Behörde einen Dauerverwaltungsakt dar?“
einer allgemeingültigen Klärung, weil die hier angesprochene Rechtsgrundlage den Gestaltungsspielraum tierschutzrechtlicher Anordnungen von deren Erforderlichkeit abhängig macht, ersichtlich aber nicht auf Dauerverwaltungsakte beschränkt. Aus dem gleichen Grund ist auch die Frage
„Stellt die nach § 16a Satz 2 Nr. 1 TierSchG gesetzlich zulässige Anordnung der Behörde im Einzelfall zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 Nr. 1 TierSchG einen Dauerverwaltungsakt dar?“
einer allgemeingültigen Klärung nicht zugänglich. Sollte sie sich konkret oder allgemein auf Einzelfälle beziehen, ist auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung ein weitergehender grundsätzlicher, d.h. über den Fall hinausweisender Klärungsbedarf nicht dargetan.

6 Als Variante seiner Ausgangsfrage wirft der Kläger die weitere Frage auf
„Welche Sach- und Rechtslage ist maßgeblich bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Anordnungen nach § 16a Satz 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. § 2 Nr. 1 TierSchG?“,
und nimmt dazu Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der für die Beurteilung einer gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Klage regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist. Wie bereits aufgezeigt, handelt es sich bei tierschutzrechtlichen Anordnungen nach § 16a Satz 2 Nr. 1 TierSchG jedoch nicht notwendig um Dauerverwaltungsakte, weshalb sich anknüpfend an die genannte Rechtsprechung keine allgemeingültige Aussage zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung tierschutzrechtlicher Anordnungen treffen lässt. Einen darüber hinausgehenden, vom Vorliegen eines Dauerverwaltungsakts losgelösten Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

7 Im Übrigen dürfte das Berufungsgericht zwar zu Unrecht einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung insgesamt verneint haben. Das allerdings führt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht notwendig zur Rechtswidrigkeit der Anordnung. Denn zur Verhütung künftiger Verstöße gegen das Tierschutzrecht kann sie auch dann erforderlich im Sinne von § 16a Satz 2 Nr. 1 TierSchG geblieben sein, wenn der Kläger seine Rinder zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts artgerecht gehalten haben sollte. Das liegt nicht fern, nachdem zwischen den Beteiligten auf der Grundlage der vorinstanzlichen Feststellungen grundsätzliche Differenzen in der Haltung der Rinder verblieben zu sein scheinen.

8 2. Die gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts gerichteten Verfahrensrügen im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dringen nicht durch.

9 a) Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe seinen Antrag, den von ihm benannten oder einen anderen Sachverständigen zu den zum Zeitpunkt der Anordnung gegebenen Schutzvorkehrungen gegen Witterungseinflüsse einzuvernehmen (Beweisantrag Nr. 2, Bl. 297 d.A.), unter Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO abgelehnt, ist ein Verfahrensfehler bereits nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Nachdem das Berufungsgericht diesen Antrag mit Blick auf das bereits vorliegende Gutachten des Sachverständigen Dr. S. abgelehnt hat, hätte die Beschwerde näher darlegen müssen, weshalb das Berufungsgericht das ihm nach § 98 VwGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO eröffnete Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, mithin sich ihm eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Dem wird die Beschwerde nicht gerecht, denn sie begnügt sich damit, schriftsätzliche Ausführungen und gutachterliche Aussagen wiederzugeben und diesen Urteilsauszüge unvermittelt gegenüberzustellen. Nichts anderes gilt, sollte der Kläger mit dem Hinweis auf seine schriftsätzlichen Beweisanregungen rügen wollen, dass das Gericht diesen verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen sei.

10 Aus demselben Grund greift auch die gleichlaufende Rüge nicht durch, das Berufungsgericht habe es unterlassen, zur Frage der Geeignetheit der Anlegung befestigter Futterstellen Sachverständigenbeweis zu erheben (Beweisantrag Nr. 1, Bl. 297 d.A.). Die Beschwerde geht bereits darüber hinweg, dass das Berufungsgericht diesen Beweisantrag deshalb abgelehnt hat, weil die Anordnung dem Kläger nicht auferlegt, die Futterstellen durch Beton oder Ähnliches zu befestigen.

11 b) Auch die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) bleibt ohne Erfolg.

12 Der Kläger meint, das Berufungsgericht habe eine Aussage des Landratsamts zu einer Tränkestelle übergangen und daher eine Feststellung getroffen, die damit in Widerspruch stehe. Tatsächlich besteht jedoch kein Widerspruch, denn der Kläger geht an dem Zusammenhang der Aussage vorbei. Diese bezieht sich auf den Bach als Tränke und steht daher nicht in Widerspruch zu der Annahme, eine Tränke in Futterplatznähe sei nicht vorhanden gewesen. Ein Gehörsverstoß ist mit dem Vorbringen daher schon deshalb nicht aufgezeigt worden. Weiter rügt der Kläger in gleichem Zusammenhang, das Berufungsgericht habe in nicht nachvollziehbarer Weise angenommen, er sei bei der Kontrolle nach einer weiteren Tränke gefragt worden. Damit übergeht der Kläger jedoch, dass das Berufungsgericht den Sachverhalt lediglich ebenso wie das Verwaltungsgericht gewürdigt hat, wo Veterinärdirektor Dr. H. ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung berichtet hat, der Kläger sei bei der Kontrolle gefragt worden, ob eine künstliche Tränkevorrichtung vorhanden sei (vgl. auch Schriftsatz des Beklagten vom 13. November 2009, Bl. 71 d.A.).

13 Ebenso wenig wird mit der Wiedergabe seines Einwands, die Zwangsgeldandrohung sei mehrdeutig und unverständlich, und den Hinweisen auf die Behandlung dieses Einwands durch das Gericht ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dargetan. Das Berufungsgericht hat dieses Klagevorbringen im Tatbestand skizziert, den Inhalt der Zwangsgeldandrohung anhand ihres Wortlauts festgestellt und auf dieser Grundlage die Androhung als wirksam und verhältnismäßig beurteilt. Angesichts dessen lässt sich nicht ernstlich in Abrede stellen, das es sich mit diesem Einwand auseinander gesetzt hat. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem behaupteten Protokollierungsmangel und dem den Berichtigungsantrag ablehnenden Beschluss, mit denen sich die Behauptung des Klägers, das Berufungsgericht habe „prüfungslos die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt“, nicht belegen lässt.

14 Schließlich rügt der Kläger, das Berufungsgericht habe sich nicht mit seinen Behauptungen auseinander gesetzt, dass er seine Tiere täglich kontrolliere sowie kranke und verletzte Rinder absondere und dass das kranke Rind seit seiner Geburt Probleme mit den Klauen gehabt habe, wozu er fachliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Seiner Auffassung nach hätte das Berufungsgericht andernfalls erkannt, dass hierzu zwingend weitere Beweise hätten erhoben werden müssen, wobei festgestellt worden wäre, dass die angeordneten Maßnahmen nicht erforderlich gewesen seien.

15 Der Kläger setzt mit dieser Folgerung jedoch lediglich seine Auffassung jener des Berufungsgerichts entgegen. Besondere Umstände, aufgrund derer die Annahme gerechtfertigt wäre, das Berufungsgericht habe das geltend gemachte Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und erwogen, legt er nicht dar. Im Übrigen wäre es Sache des Klägers gewesen, die hier bemängelte Beweiserhebung zu beantragen. Dass sich diese dem Berufungsgericht selbst hätte aufdrängen müssen, ergibt sich nicht.

16 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Bei der Bemessung ist zu berücksichtigen, dass insgesamt sechs tierschutzrechtliche Anordnungen angegriffen werden. Angesichts des Umfangs der betroffenen Tierhaltung ist deren wirtschaftliche Bedeutung für den Kläger mit dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG nicht erfasst. Dem mit der Klage verfolgten Interesse angemessen ist vielmehr eine Verdoppelung dieses Wertes. Die Änderungsbefugnis ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.