Beschluss vom 09.08.2007 -
BVerwG 9 B 13.07ECLI:DE:BVerwG:2007:090807B9B13.07.0

Beschluss

BVerwG 9 B 13.07

  • OVG Rheinland-Pfalz - 27.09.2006 - AZ: OVG 9 C 10441/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. August 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland) vom 27. September 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Das angefochtene Urteil weist keinen Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG auf. Der Kläger rügt zu Unrecht, das Flurbereinigungsgericht sei nicht gemäß § 139 FlurbG besetzt gewesen, weil Vizepräsident des OVG a.D. Fritzsche an der Entscheidung mitgewirkt habe. Nach § 139 FlurbG verhandelt und entscheidet das Flurbereinigungsgericht in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern, zwei landwirtschaftlichen Beisitzern und einem dritten Beisitzer, der die Befähigung zum höheren Dienst der Flurbereinigungsbehörden besitzen muss und mindestens drei Jahre in Flurbereinigungsangelegenheiten tätig gewesen sein soll. Die gesetzliche Zusammensetzung des Flurbereinigungsgerichts berücksichtigt, dass die Entscheidung über flurbereinigungsrechtliche Streitigkeiten regelmäßig spezielle Kenntnisse über Möglichkeiten und Methoden des Flurbereinigungsverfahrens sowie der landwirtschaftlichen Betriebs- und Bewertungslehre erfordert (so Schoof, in: Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 7. Aufl. 1997, § 139 Rn. 1). Zudem ist das Flurbereinigungsgericht nicht nur darauf beschränkt, die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden zu überprüfen, sondern kann nach § 144 FlurbG auch eigene Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen und insoweit behördliche Entscheidungen abändern. Das Gesetz bestimmt allerdings keine darüber hinausgehenden Merkmale, die ein Fachbeisitzer aufweisen müsste, z.B. die Zugehörigkeit zur Verwaltung oder dort einer bestimmten Laufbahn. Die gesetzlichen Merkmale können etwa von Juristen, Vermessungsingenieuren oder Landwirten mit der entsprechenden Befähigung erfüllt werden (vgl. Urteil vom 13. Juli 1961 - BVerwG 1 C 120.59 - RzF - 3 - zu § 139 Abs. 2 FlurbG).

3 Die Voraussetzungen, unter denen danach ein Fachbeisitzer tätig sein kann, erfüllt Vizepräsident des OVG a.D. Fritzsche. Die langjährige Tätigkeit als Vorsitzender des Flurbereinigungsgerichts vermittelt hinreichend die von § 139 Abs. 2 Satz 2 FlurbG geforderte Qualifikation. Dem Begriff der „Flurbereinigungsangelegenheiten“ ist eine Beschränkung auf eine Tätigkeit in der Flurbereinigungsverwaltung nicht zu entnehmen, so dass die Aufgabe des Fachbeisitzers auch von früheren Richtern wahrgenommen werden kann. Hätte der Gesetzgeber bestimmte Personengruppen von der Funktion des Fachbeisitzers ausschließen oder nur Fachbeisitzer aus der Flurbereinigungsverwaltung berufen lassen wollen, wie die Beschwerde offenbar meint, hätte sich dies im Gesetz niederschlagen müssen (Urteil vom 13. Juli 1961 a.a.O.).

4 Ohne Erfolg bleiben auch die Grundsatzrügen. Es mag dahin stehen, ob die Beschwerde den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Bezug auf die Auslegung von § 6 Abs. 3 FlurbG hinreichend dargelegt hat. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts voraus. Denn jedenfalls kommt der von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfenen Frage grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu.

5 Soweit dies dem Vorbringen zu entnehmen ist, hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob § 6 Abs. 3 FlurbG mit dem sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung nach Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebot der Rechtsmittelklarheit vereinbar ist. Danach ist die Begründung des Flurbereinigungsbeschlusses „zwei Wochen lang nach der Bekanntmachung“ zur Einsichtnahme auszulegen. Dadurch, dass nicht bestimmt sei, was „nach“ der Bekanntmachung genau bedeute, könne die Begründung auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist ausgelegt werden. Die Beschwerde meint, bei dieser Gesetzesauslegung ermangele das Flurbereinigungsgesetz einer ordnungsgemäßen Fristenregelung, weil ein Betroffener bei Auslegung der Begründung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist sich nicht rechtzeitig Kenntnis von deren Inhalt verschaffen könne. Sei die gesetzliche Fristenregelung aber nicht mit der Verfassung vereinbar, sei von einer Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO und damit der Rechtzeitigkeit des Widerspruchs des Klägers auszugehen.

6 Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. An einer Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die als vermeintlich grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Rechtsfrage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts oder bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt (Beschluss vom 27. August 1996 - BVerwG 8 B 165.96 - Buchholz 401.1 § 7h EStG Nr. 1). So verhält es sich hier. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass § 6 Abs. 3 FlurbG die Auslegung während zweier Wochen „nach Bekanntmachung“ anordnet. Das kann sowohl vom Gesetzeswortlaut wie auch vom Sinn und Zweck des Gesetzes nur bedeuten, dass die Auslegung zu erfolgen hat, sobald der Flurbereinigungsbeschluss bekannt gemacht worden ist. Die Auslegungsfrist nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FlurbG ist eine gesetzliche Frist, für deren Berechnung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten (§ 115 Abs. 2 FlurbG). Da es für den Anfang der Auslegungsfrist auf die Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses ankommt, nach der die Zweiwochenfrist beginnt, kann nach § 187 Abs. 1 BGB der Tag der Bekanntmachung bei der Fristberechnung nicht mitberechnet werden (vgl. dazu Urteil vom 15. Dezember 1983 - BVerwG 5 C 26.83 - RdL 1984, 67 <68>). Der Sinn der Auslegung besteht darin, den Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich über den Inhalt der nicht bekannt zu machenden Begründung zu informieren und ggfs. dann innerhalb der Rechtsmittelfrist Widerspruch einzulegen. Das kann nur erreicht werden, wenn die Auslegungsfrist unmittelbar an die Bekanntmachung anschließt.

7 Soweit die Beschwerde darüber hinaus als grundsätzlich klärungsbedürftig rügt, das Flurbereinigungsgericht hätte Nachsicht im Rahmen des § 134 Abs. 3 i.V.m. § 134 Abs. 2 FlurbG gewähren müssen, weil der Ortsvorsteher Landau-Nussdorf eine falsche Auskunft über die Offenlegung des Flurbereinigungsbeschlusses gegeben habe, ist sie unzulässig. Sie genügt den Darlegungsanforderungen nach § 133 VwGO nicht, weil sie keine zu klärende Rechtsfrage formuliert. Vielmehr macht sie lediglich eine unzutreffende Rechtsanwendung durch das Flurbereinigungsgericht geltend. Zudem hat das Flurbereinigungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Widerspruchsfrist mit dem ersten Tag der Bekanntmachung beginnt, so dass es auf den Zeitpunkt der Offenlegung des Begründungsteils und damit auf die unzutreffende Auskunft des Ortsvorstehers nicht ankommen kann (UA S. 6, 8).

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.