Beschluss vom 09.11.2006 -
BVerwG 1 B 50.06ECLI:DE:BVerwG:2006:091106B1B50.06.0

Beschluss

BVerwG 1 B 50.06

  • Sächsisches OVG - 10.02.2006 - AZ: OVG A 5 B 627/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. November 2006
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. Februar 2006 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt einen Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2 Die Beschwerde rügt, dass sich das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2005 nicht nochmals der Mühe einer neuerlichen Sachprüfung unterzogen habe, sondern trotz des Widerspruchs des Klägers durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden und die abweisenden Sachgründe seiner früheren - aufgehobenen - Entscheidung wortgleich übernommen habe. Die Beschwerde hält deshalb die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob das Gericht sich auf seine bisherigen Sacherwägungen und tatsächlichen Feststellungen im Verfahren ohne erneute Prüfung auch in seiner neuerlichen Entscheidung in der Sache beschränken kann, wenn die Sache nach erfolgreich eingelegtem Rechtsmittel vom Gericht nächster Instanz zur anderweitigen Verhandlung zurückverwiesen wird.

3 Diese Frage kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen, weil sie ohne weiteres zu verneinen ist und deshalb nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Denn das Berufungsgericht muss selbstverständlich nach Aufhebung seiner Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits durch das Bundesverwaltungsgericht in dem weiteren Berufungsverfahren den gesamten Prozessstoff erneut prüfen und bewerten.

4 Abgesehen davon legt die Beschwerde auch nicht dar, dass sich die von ihr aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren überhaupt stellen würde. Sie geht davon aus, dass das Berufungsgericht sich „ohne erneute Prüfung“ auf seine früheren Erwägungen und Feststellungen (in der ersten Berufungsentscheidung) beschränkt hat, also nicht in eine erneute Rechts- und Tatsachenprüfung eingetreten ist. Sie folgert dies aus den weitgehend wortgleichen Entscheidungsgründen des angefochtenen zweiten Berufungsbeschlusses und wohl zusätzlich aus dem Umstand, dass das Oberverwaltungsgericht wiederum im sog. vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Entgegen der Ansicht der Beschwerde lässt der Umstand, dass das Gericht die Klage nahezu mit derselben Begründung wie in der - aus prozessualen Gründen - aufgehobenen ersten Entscheidung abgewiesen hat, noch nicht den Schluss zu, dass es zuvor nicht in eine erneute sachliche Prüfung eingetreten ist. Ebenso wenig kann dies daraus hergeleitet werden, dass das Berufungsgericht erneut im Wege des Beschlussverfahrens nach § 130a VwGO entschieden hat. Eine solche Verfahrensweise ist, sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen, auch nach Zurückverweisung der Sache zulässig (vgl. Beschlüsse vom 7. April 2004 - BVerwG 3 B 73.03 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 63 und vom 12. November 2004 - BVerwG 1 B 33.04 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 66). Der Vorwurf der fehlenden erneuten Prüfung kann im Übrigen auch deshalb nicht zutreffen, weil das Berufungsgericht neue Erkenntnisquellen in das Verfahren eingeführt und verwertet hat (vgl. den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9. Mai 2005, BA S. 12) sowie in den Entscheidungsgründen die neue Prozesslage dargestellt und die Änderung der Rechtslage durch das neue Aufenthaltsgesetz berücksichtigt hat. Auch aus dem Hinweis in dem zurückverweisenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, dass in dem erneuten Berufungsverfahren auch „eine etwa geltend gemachte individuelle Gefahr“ zu prüfen wäre, kann die Beschwerde nichts für sich herleiten. Sie zeigt nämlich nicht auf und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Kläger im erneuten Berufungsverfahren ein zusätzliches individuelles Rückkehrrisiko geltend gemacht hat.

5 Auch wenn den Ausführungen der Beschwerde sinngemäß eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu entnehmen sein sollte, könnte dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn mit ihrem Vorbringen ist weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch ein sonstiger Verfahrensfehler des Berufungsgerichts schlüssig dargelegt. Dass das Berufungsgericht bei der angefochtenen Entscheidung erheblichen neuen Tatsachenvortrag des Klägers außer Acht gelassen hätte, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Auch ist die Entscheidung im Sinne von § 122 Abs. 2, § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit hinreichenden und nachvollziehbaren Entscheidungsgründen versehen. Einen Anspruch auf eine bestimmte Abfassung der Entscheidungsgründe - wie etwa das Verbot einer Verwendung von Textbausteinen oder hier der Wiederholung einer früheren Begründung in einer aus anderen Gründen aufgehobenen Entscheidung - gibt es nicht. Im Kern wendet sich die Beschwerde wohl auch mehr gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Rahmen der Gefahrenprognose, die das Berufungsgericht bei seiner erneuten Entscheidung nicht anders als bei seiner früheren Entscheidung getroffen hat. Etwaige Mängel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung wären aber grundsätzlich - und so auch hier - nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen.

6 Auch die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Beschwerde hält folgende Fragen für klärungsbedürftig:
1. Kann eine extreme Gefahrenlage aufgrund des Verlustes der Semi-Immunität gegen Malaria tropica von in den Kongo zurückkehrenden volljährigen Asylbewerbern deshalb verneint werden, weil das Sterberisiko nicht (erg.: gegenüber) demjenigen der in der Demokratischen Republik Kongo lebenden Kleinkindern gesteigert ist?
2. Können in die Demokratische Republik Kongo zurückkehrende Asylbewerber bei einem festgestellten Durchschnittseinkommen von 100 US$ pro Jahr auf den Kauf eines Moskitonetzes und die Kosten für die Imprägnierung verwiesen werden, wenn damit die Gefahr der Ansteckung mit Malaria um 50 % gesenkt wird?

7 Entgegen der Ansicht der Beschwerde handelt es sich bei diesen Fragen nicht um Rechtsfragen, sondern um Fragen, die im Rahmen der Sachverhalts- und Beweiswürdigung von den Tatsachengerichten zu klären und zu beantworten sind. Dies hat der Senat zu entsprechenden Rügen der Prozessbevollmächtigten des Klägers in seinem Beschluss vom 29. Juni 2005 - BVerwG 1 B 176.04 - im Einzelnen ausgeführt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

8 Die in diesem Zusammenhang am Ende der Beschwerdebegründung erhobene Aufklärungsrüge genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde teilt schon nicht mit, welche konkreten weiteren Ermittlungen das Berufungsgericht hätte vornehmen sollen und inwieweit der Kläger im Berufungsverfahren auf eine solche Aufklärung hingewirkt hat oder sie sich dem Berufungsgericht von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.

9 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.