Beschluss vom 10.07.2008 -
BVerwG 3 B 97.07ECLI:DE:BVerwG:2008:100708B3B97.07.0

Beschluss

BVerwG 3 B 97.07

  • VG Münster - 20.04.2007 - AZ: VG 11 K 31/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Juli 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 20. April 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 362,40 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wendet sich als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter gegen die Rückforderung von Entschädigungsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz, die seiner Mutter wegen des Verlustes von landwirtschaftlichem Vermögen in Brandenburg gewährt worden waren.

2 Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

3 1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.

4 a) Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob die Fiktion des vollen Schadensausgleichs nach § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG auch dann eingreift, wenn das zurückgegebene Vermögen mit dem weggenommenen wirtschaftlich nicht zu vergleichen ist und ein erheblicher Restschaden vorliegt. Er möchte die Frage in Fällen wie dem vorliegenden verneinen, in denen ein landwirtschaftlicher Betrieb weggenommen, aber nur die Grundflächen ohne werthaltige Gebäude und ohne Inventar zurückgegeben wurden.

5 Darin liegt zum einen die Frage, ob, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb weggenommen wurde, in der Rückgabe seiner Betriebsflächen überhaupt ein Schadensausgleich zu sehen ist. Diese Frage rechtfertigt jedoch die Durchführung der Revision nicht. Nach § 342 Abs. 3 LAG findet die Rückforderung nach § 349 LAG statt, wenn nach dem 31. Dezember 1989 ein Schaden „ganz oder teilweise“ ausgeglichen wird. Für die Anwendung der Rückforderungsvorschrift reicht damit bereits eine Teilidentität bei der Schadensausgleichung aus. Das gilt auch, wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb weggenommen, aber nur seine Grundflächen zurückgegeben wurden; das zurückerhaltene Land ist in jedem Fall ein wesentlicher Teil des seinerzeit verlorenen landwirtschaftlichen Betriebes (Urteil vom 17. November 2005 - BVerwG 3 C 1.05 - ZOV 2006, 280; Beschluss vom 5. November 1999 - BVerwG 3 B 44.99 -).

6 Zum anderen ist die Frage angesprochen, wie weit der Schadensausgleich reicht, namentlich ob der Schaden auch in Ansehung der Gebäude und des Inventars als ausgeglichen gilt, wenn die Gebäude wertlos sind und das Inventar nicht mehr vorhanden ist. Auch hierzu bedarf es nicht der Durchführung der Revision. Nach § 349 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 LAG werden Wertminderungen sowie das Fehlen von Zubehör und Inventar nicht berücksichtigt. Der Wegnahmeschaden gilt also auch insoweit als ausgeglichen. Der vorliegende Rechtsstreit wirft hierzu keine Zweifelsfragen auf. In der Rechtsprechung des Senats ist auch geklärt, dass die Vorschrift verfassungsgemäß ist. Die gebotene Verhältnismäßigkeit stellt das Gesetz her, indem es dem Rückzahlungspflichtigen den Nachweis eröffnet, dass der Wert der erlangten Schadensausgleichsleistung geringer ist als der Rückforderungsbetrag; dann ist die Rückforderung gemäß § 349 Abs. 4 Satz 4 LAG auf den Wert der Schadensausgleichsleistung zu begrenzen (Urteil vom 19. Juni 1997 - BVerwG 3 C 40.96 - BVerwGE 105, 106 = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 3).

7 b) Des Weiteren hält der Kläger das rechtliche Verhältnis von § 349 LAG und § 8 EntschG für klärungsbedürftig. Er möchte geklärt wissen, ob die Schadensausgleichsleistungen im Sinne dieser Vorschriften bereits erbracht sein müssen oder ob es ausreicht, wenn die Entschädigungsentscheidung dem Grunde nach festgestellt wurde und die Bezifferung noch aussteht. Die Frage rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision; denn sie würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen.

8 Nach § 349 Abs. 1 Satz 3 LAG entfällt eine Rückforderung von Lastenausgleich, soweit andere gesetzliche Vorschriften vorsehen, dass Entschädigungsleistungen oder sonstige Ausgleichszahlungen wegen gewährter Ausgleichsleistungen gekürzt werden. Eine derartige andere gesetzliche Vorschrift ist § 8 Abs. 1 EntschG. Nach dessen Satz 1 ist, wenn der Berechtigte für zu entschädigende Vermögenswerte Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz erhalten hat, von der nach § 7 EntschG gekürzten Bemessungsgrundlage der von der Ausgleichsverwaltung nach den Vorschriften des Lastenausgleichsgesetzes bestandskräftig festgesetzte Rückforderungsbetrag abzuziehen. Nach Satz 2 gilt die der Ausgleichsverwaltung von der zuständigen Behörde mitgeteilte nach § 7 EntschG gekürzte Bemessungsgrundlage als Schadensausgleichsleistung in Geld im Sinne des § 349 Abs. 3 LAG. Durch diese Vorschriften sollen Doppelentschädigungen für ein und denselben Unrechtstatbestand vermieden werden (BTDrucks 12/2170 S. 11 zu Nr. 3; vgl. BVerfGE 102, 254 <328>), indem die bereits gewährte Hauptentschädigung grundsätzlich auf eine Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz oder nach dem Ausgleichsleistungsgesetz (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG) angerechnet wird. Dieses Ziel wird anders als bei § 1 Abs. 4 Nr. 1 EntschG nicht durch den Ausschluss der Entschädigung erreicht, sondern durch Kürzung ihrer Berechnungsgrundlage. Dabei stellt das Gesetz in Rechnung, dass die Entschädigung nach dem Entschädigungs- oder dem Ausgleichsleistungsgesetz ebenso wie die Restitution nach dem Vermögensgesetz eine Wiedergutmachung darstellt, die grundsätzlich als voller Schadensausgleich gilt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 EntschG, § 349 Abs. 3 Satz 4 LAG). Der Betroffene wäre mithin insoweit zur Rückzahlung des Lastenausgleichs verpflichtet. Das Ausgleichsamt soll jedoch lediglich den Rückforderungsbetrag berechnen und durch Bescheid feststellen; er wird alsdann von der nach § 7 EntschG gekürzten Bemessungsgrundlage der Entschädigung abgezogen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EntschG). Die Rückforderung der Hauptentschädigung selbst unterbleibt (§ 349 Abs. 1 Satz 3 LAG).

9 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die vorliegend umstrittene Rückforderung von Lastenausgleich nicht nach § 349 Abs. 1 Satz 3 LAG zu unterbleiben hat. Die Rückforderung knüpft nicht an eine Schadensausgleichsleistung im Wege der Entschädigung an, sondern an eine Restitution, mit der nach § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG der Wegnahmeschaden als ausgeglichen gilt. Eine Verrechnung des Rückforderungsbetrages ist daher insoweit von vornherein ausgeschlossen. Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass die Vermögensbehörde eine Entschädigungsberechtigung dem Grunde nach festgestellt hat, weil nicht der landwirtschaftliche Betrieb, sondern nur die Betriebsflächen zurückgegeben wurden. Selbst wenn sich insoweit noch ein Entschädigungsbetrag ergeben sollte - was wegen der nach § 6 Abs. 7 Satz 3 VermG gebotenen vollen Anrechnung des Werts der zurückgegebenen Grundstücke auf den Entschädigungsanspruch nicht zu erwarten ist -, käme auch insoweit eine Verrechnung nach § 8 EntschG jedenfalls dann nicht mehr in Betracht, wenn - wie hier - der Rückforderungsbetrag bereits in vollem Umfang geltend gemacht worden ist.

10 2. Dass „das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung erhebliche Rechtsfehler begangen hat, die befürchten lassen, dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung insgesamt gefährdet ist“, wie der Kläger meint, könnte die Zulassung der Revision im Verwaltungsprozess - anders als etwa im Zivilprozess (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) - für sich genommen nicht rechtfertigen. Zur Zulassung der Revision kann im Verwaltungsprozess insofern nur führen, wenn das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

11 Dass dieser Zulassungsgrund der Divergenz gegeben wäre, legt der Kläger nicht hinlänglich dar. Er hält dem Verwaltungsgericht zwar vor, dass es bei der Frage der Erheblichkeit des Restschadens wegen des Abrisses der Scheune eine unzutreffende Fassung des Bewertungsgesetzes und somit eine viel zu hohe Erheblichkeitsschwelle zugrunde gelegt habe. Eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. November 2005 - BVerwG 3 C 1.05 - (a.a.O.) ist damit aber nicht dargelegt. Das hätte erfordert, einen rechtlichen Obersatz aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu bezeichnen und diesem einen Obersatz des Verwaltungsgerichts gegenüberzustellen, auf dem das angefochtene Urteil beruht. Das leistet der Kläger nicht. Er rügt vielmehr lediglich eine aus seiner Sicht fehlerhafte Rechtsanwendung.

12 3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel können die Zulassung der Revision ebenfalls nicht rechtfertigen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

13 Die Aufklärungspflicht ist nicht verletzt (§ 86 Abs. 1 VwGO). Der anwaltlich vertretene Kläger hatte eine Beweiserhebung nicht beantragt. Eine weitere Sachaufklärung zu dem durch den Abriss der Scheune entstandenen Restschaden oder zur Frage der Objektidentität hätte sich dem Verwaltungsgericht aber nicht aufdrängen müssen. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass es am Kläger war nachzuweisen, dass der Wert der erlangten Schadensausgleichsleistung hinter dem Rückforderungsbetrag zurückblieb (§ 349 Abs. 4 Satz 4 LAG). Der Kläger hatte aber das ihm erstattete Wertgutachten nur unvollständig vorgelegt. Das Verwaltungsgericht hat weitere Ermittlungen mit der Erwägung abgelehnt, die Annahme liege fern, dass der Rückforderungsbetrag von 7 362,40 € den Wert aller zurückübertragenen landwirtschaftlichen Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 39,88 ha übersteigen könnte. Das lässt Ermessensfehler nicht erkennen.

14 Das Verwaltungsgericht hat auch das Gebot, dem Kläger rechtliches Gehör zu gewähren, nicht verletzt (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem vom Kläger nur in Teilen vorgelegten Wertgutachten ebenso auseinandergesetzt wie mit dessen sonstigem Vorbringen. Damit hat es den Klagevortrag zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Mehr gebietet die Verfahrensgarantie des Art. 103 Abs. 1 GG nicht. Sie fordert insbesondere nicht, dass das Gericht den Argumenten des Klägers folgt.

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.