Beschluss vom 10.11.2004 -
BVerwG 8 PKH 5.04ECLI:DE:BVerwG:2004:101104B8PKH5.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.11.2004 - 8 PKH 5.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:101104B8PKH5.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 PKH 5.04

  • VG Halle - 26.02.2004 - AZ: VG 3 A 518/01 HAL

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Dr. H a u s e r
beschlossen:

Der Antrag des Beigeladenen zu 4, ihm für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 26. Februar 2004 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Der Antrag des Beigeladenen zu 4 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, weil die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) entspricht schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO; eine Divergenz liegt darüber hinaus auch nicht vor. Der geltend gemachte Verfahrensmangel ist unbegründet (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 11). Die Beschwerde muss die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Diese Voraussetzungen erfüllt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
a) Soweit die Beschwerdebegründung dahin zu verstehen sein sollte, dass das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts abweichend von der Rechtsprechung des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts den abstrakten Rechtssatz enthalte, entscheidend für eine Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 lit. b VermG sei nur der "letzte Zugriff" auf das Eigentum in Form des Entschädigungsfeststellungsbescheids mit der Folge, dass keine diskriminierende Enteignung vorliege, wenn dieser keinen diskriminierenden Charakter habe und ein diskriminierender "erster Zugriff" geheilt werden könne, trifft dies nicht zu. Das Urteil des Verwaltungsgerichts enthält keinen solchen Rechtssatz. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr darauf abgestellt, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 1 lit. b VermG durch den Enteignungsakt und eine ihm nachfolgende diskriminierend geringe Entschädigung gekennzeichnet ist. Eine Differenzierung zwischen "erstem" und "letztem" Zugriff, wie die Beschwerde meint, hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen.
b) Das Bundesverwaltungsgericht hat in der von der Beschwerde angeführten Entscheidung vom 24. Juli 2003 - BVerwG 7 C 1.03 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 18) ausgeführt, dass Gegenstand des Schädigungstatbestands gemäß § 1 Abs. 1 lit. b VermG nicht das bloße Unterbleiben einer in der DDR üblichen Entschädigung, sondern der diskriminierende Zugriff auf das Eigentum ist. Erfasst sind grundsätzlich nur solche Enteignungen, bei denen gegenüber den Betroffenen in bewusster Abkehr von den ansonsten für Bürger der DDR geltenden Vorschriften Entschädigungsbestimmungen zur Anwendung kamen, die den diskriminierenden Zugriff auf das Eigentum erleichtern sollten (a.a.O. S. 59). Davon weicht das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung nicht ab, wenn es auf die Festsetzung der Entschädigungssumme im Feststellungsbescheid abstellt. Die Verknüpfung zwischen Zugriff und beabsichtigter diskriminierend geringer Entschädigung hat das Verwaltungsgericht gesehen (vgl. S. 13 des Urteils). Im Übrigen ist der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2003 auch zu entnehmen, dass § 1 Abs. 1 lit. b VermG durch den Zugriffsakt und eine ihm nachfolgende diskriminierend geringe Entschädigung gekennzeichnet ist.
c) Die Beschwerde meint weiterhin, das Verwaltungsgericht verkenne in seiner Entscheidung den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz, dass eine diskriminierende Enteignung vorliege, wenn das Grundstück gegen eine geringere Entschädigung enteignet worden sei als sie bei ausschließlich DDR-Bürgern gehörenden Grundstücken festgesetzt worden wäre. Damit ist nicht der Zulassungsgrund der Divergenz angesprochen. Die behauptete fehlerhafte Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatzes ist keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Eine solche läge nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einem vom Bundesverwaltungsgericht oder Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz ausdrücklich oder konkludent einen dem widersprechenden Rechtssatz entgegengestellt hätte. Das ist hier nicht der Fall. Mit Angriffen gegen die Tatsachenwürdigung und die Rechtsanwendung im Einzelfall kann eine Abweichungsrüge nicht begründet werden.
2. Auch der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensfehler greift nicht durch. Die Aufklärungsrüge erfordert die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 9). Es muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Hiervon kann vorliegend nicht die Rede sein. Die Beklagte und die Beigeladenen haben weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass der angesetzte Betrag für den Gebäudewert von 1 775 M anzuzweifeln ist und hierüber eine Beweisaufnahme angeregt. Die Folgerung des Verwaltungsgerichts, dass der für den Gebäudewert angesetzte Betrag von 1 775 M weder willkürlich noch grob sachwidrig angesetzt worden ist, ist im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen, dass das Hauptgebäude seit dem Jahre 1970 vollständig baupolizeilich gesperrt war, wegen des schlechten Bauzustandes nahezu vollständig abgerissen worden war und die vorhandenen Nebengebäude ausweislich der Beschreibung in der Wertermittlung des Sachverständigen in keinem guten baulichen Zustand waren, plausibel und nachvollziehbar. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Bewertung der Gebäude musste sich damit dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen.