Verfahrensinformation

Der 1980 geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger und reiste 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach erfolglosem erstem Asylverfahren stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im März 2003 zu seinen Gunsten ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Ausländergesetz fest. Im Juni 2003 erteilte ihm die Ausländerbehörde eine bis zum 17. Dezember 2003 gültige Aufenthaltsbefugnis, deren Verlängerung er allerdings erst am 22. Dezember 2003 beantragte. Im März 2005 - nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) - verlängerte die Ausländerbehörde die Aufenthaltsgenehmigung als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG bis zum März 2007. Den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom August 2005 lehnte sie ab, da der Kläger wegen der verspäteten Antragstellung im Dezember 2003 nicht, wie nach § 26 Abs. 4 AufenthG erforderlich, sieben Jahre ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei. Die Unterbrechung könne nicht nach § 85 AufenthG als unbeachtlich angesehen werden. Das Verwaltungsgericht Darmstadt und der Hessische Verwaltungsgerichtshof haben diese Auffassung bestätigt. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im März 2005 habe nur auf den Tag der Antragstellung (22. Dezember 2003) zurückgewirkt. In der Zeit zwischen dem 17. und dem 22. Dezember 2003 habe der Kläger weder eine Aufenthaltsbefugnis noch eine Duldung besessen. Er könne sich auch nicht mit Erfolg auf § 85 AufenthG berufen. Denn nach dieser Vorschrift könnten nur Unterbrechungen der „Rechtmäßigkeit des Aufenthalts“ bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben, nicht aber Unterbrechungen im Besitz eines Aufenthaltstitels. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision.


Pressemitteilung Nr. 74/2009 vom 10.11.2009

Zur Berechnung von Aufenthaltszeiten für eine Niederlassungserlaubnis

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute eine in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage zur Berechnung von Aufenthaltszeiten entschieden, wie sie für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis - hier aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) - erforderlich sind.


Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis setzt nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG u.a. voraus, dass der Ausländer "seit sieben Jahren" - d.h. ununterbrochen - im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ist. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, ob eine Unterbrechung, insbesondere wenn sie nur kurzfristig ist, in Anwendung von § 85 AufenthG geheilt werden kann. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht lassen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anwendbarkeit der Vorschrift in diesen Fällen bejaht.


Der Entscheidung liegt der Fall eines aus Eritrea stammenden Klägers zugrunde, der 1992 im Alter von zwölf Jahren ohne seine Eltern nach Deutschland eingereist war. Ihm war nach erfolglosem Asylverfahren im Jahre 2003 schließlich Abschiebungsschutz gewährt worden, weil ihm in Eritrea Gefahr für Leib und Leben drohe. Nachdem er im Anschluss daran zunächst Duldungen und eine Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz erhalten hatte, wurde ihm im März 2005 nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erteilt. Im August 2005 beantragte er die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Dieses Begehren blieb vor dem Verwaltungsgericht und dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte das Vorliegen einer anrechenbaren siebenjährigen Aufenthaltszeit, weil der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltsbefugnis im Dezember 2003 um vier Tage verspätet beantragt hatte. Die Unterbrechung könne nicht nach § 85 AufenthG geheilt werden, weil diese Vorschrift sich nur auf Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts, nicht aber auf Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes eines Aufenthaltstitels beziehe.


Dem ist der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts nicht gefolgt. Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass auch die Zeiten einer Duldung oder einer Aufenthaltsbefugnis vor dem 1. Januar 2005, die gemäß der Übergangsvorschrift in § 102 Abs. 2 AufenthG anzurechnen sind, nahtlos ineinander übergehen müssen. Es hat aber zu Unrecht eine Überbrückung von Unterbrechungszeiten nach § 85 AufenthG ausgeschlossen. Diese Vorschrift erfasst nach ihrem Sinn und Zweck auch Unterbrechungen des Besitzes von Aufenthaltstiteln und ermöglicht es der Behörde, nach pflichtgemäßem Ermessen Unterbrechungen bis zu einem Jahr außer Betracht zu lassen. Im vorliegenden Fall war angesichts der Bagatellunterbrechung von vier Tagen das behördliche Ermessen auf Null reduziert. Da der Kläger damit die erforderliche Aufenthaltszeit erfüllt hat, war das Verfahren zur Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.


BVerwG 1 C 24.08 - Urteil vom 10.11.2009


Urteil vom 10.11.2009 -
BVerwG 1 C 24.08ECLI:DE:BVerwG:2009:101109U1C24.08.0

Leitsätze:

1. Der für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4

AufenthG erforderliche Besitz einer Aufenthaltserlaubnis seit sieben Jahren setzt grundsätzlich voraus, dass die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen ebenso wie die nach § 102 Abs. 2 AufenthG anrechenbaren Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung nahtlos ineinander übergehen.

2. Die Vorschrift des § 85 AufenthG, nach der Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben können, ist auch auf Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes eines Aufenthaltstitels anwendbar.

Urteil

BVerwG 1 C 24.08

  • VGH Kassel - 16.09.2008 - AZ: VGH 9 UE 2371/07 -
  • Hessischer VGH - 16.09.2008 - AZ: VGH 9 UE 2371/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2009
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
für Recht erkannt:

  1. Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. September 2008 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger erstrebt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG).

2 Der 1980 geborene Kläger, ein eritreischer Staatsangehöriger, reiste 1992 als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland ein und beantragte im März 1994 Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - lehnte den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die dagegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit rechtskräftig gewordenem Urteil im März 2000 ab. Am 11. September 2001 beantragte der Kläger beim Bundesamt das Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich des Abschiebungsschutzes nach § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich Eritreas. Aufgrund eines entsprechenden Verpflichtungsurteils des Verwaltungsgerichts stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 3. März 2003 fest, dass bei dem Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich seines Herkunftsstaates vorliegen.

3 Auf den Antrag des Klägers vom 27. März 2003 erteilte die Ausländerbehörde der Beklagten ihm am 18. Juni 2003 eine bis zum 17. Dezember 2003 gültige Aufenthaltsbefugnis. Deren Verlängerung beantragte der Kläger erst am 22. Dezember 2003. Er erhielt von der Beklagten daraufhin zunächst Bescheinigungen über die Antragstellung und den Wegfall der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bis zur behördlichen Entscheidung. Am 10. März 2005 - nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes - erteilte die Beklagte dem Kläger eine bis zum 9. März 2007 geltende Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die inzwischen bis zum 12. September 2010 verlängert worden ist.

4 Am 29. August 2005 beantragte der Kläger die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Februar 2006 ab, da der Kläger wegen der verspäteten Antragstellung im Dezember 2003 nicht - wie für eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erforderlich - seit sieben Jahren ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei.

5 Mit seiner Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, die Beklagte hätte in seinem Fall die Regelung in § 85 AufenthG anwenden müssen, die es ermögliche derartige Bagatellunterbrechungen bei der Berechnung von Aufenthaltszeiten zu heilen.

6 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. September 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Der Kläger erfülle nicht die zeitlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG. Nach Satz 1 der Vorschrift könne einem Ausländer eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn er u.a. „seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis ... besitzt“. Das Gesetz fordere damit im Grundsatz den ununterbrochenen Besitz dieses Aufenthaltstitels, wobei nach der Übergangsvorschrift in § 102 Abs. 2 AufenthG die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 und nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Zeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens angerechnet werde. Der Kläger könne sich aber selbst im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung allenfalls auf anrechenbare Aufenthaltszeiten von rund vier Jahren und neun Monaten berufen. Denn wegen der Unterbrechung im Besitz des Aufenthaltstitels aufgrund der verspäteten Antragstellung im Dezember 2003 könnten die vorangegangenen Aufenthaltszeiten nicht angerechnet werden. In dem Zeitraum zwischen dem Ablauf der Aufenthaltsbefugnis am 17. Dezember 2003 und der Stellung des Verlängerungsantrags am 22. Dezember 2003 sei der Kläger nicht im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung gewesen. Ebenso wenig könne der Aufenthalt in diesem Zeitraum als geduldet qualifiziert werden. Die Unterbrechung könne auch nicht nach § 85 AufenthG außer Betracht bleiben, da die Vorschrift nur Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, nicht aber Unterbrechungen im Besitz eines Aufenthaltstitels erfasse. Denn der Gesetzgeber differenziere sowohl im Ausländergesetz 1990 als auch im Aufenthaltsgesetz bewusst zwischen Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts und Zeiten des Besitzes eines Aufenthaltstitels. Angesichts des Wortlauts der Vorschrift und der Systematik des Aufenthaltsgesetzes könnten auch teleologische Erwägungen nicht zu einer anderen Auslegung führen. Dem Gesetzgeber sei es unbenommen, gerade die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis als stärkstem Aufenthaltstitel von der ununterbrochenen Innehabung eines befristeten Aufenthaltstitels abhängig zu machen. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, da er nicht - wie erforderlich - seit fünf Jahren ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei.

7 Mit seiner Revision wendet sich der Kläger in erster Linie gegen die Annahme der Vorinstanzen, dass § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG grundsätzlich den ununterbrochenen Besitz des Aufenthaltstitels seit sieben Jahren verlangt. Dies ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Da mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen stärker als bei anderen Aufenthaltstiteln die in der Lebenswirklichkeit bereits tatsächlich vollzogene Integration ausländerrechtlich nachvollzogen werden solle, komme es bei Auslegung dieser Vorschrift mehr auf den faktischen Aufenthalt als auf den rechtlichen Status des Ausländers an. Ein ununterbrochener Titelbesitz sei daher nicht erforderlich. Jedenfalls sei die Regelung in § 85 AufenthG in Übereinstimmung mit Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung auf die vorliegende Unterbrechung entsprechend anzuwenden.

8 Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der vorinstanzlichen Urteile sowie unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21. Februar 2006 zu verpflichten, den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

9 Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

II

10 Die Revision des Klägers ist begründet. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG schon daran scheitert, dass der Kläger im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht die erforderlichen zeitlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt. Denn es ist unter Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass § 85 AufenthG auf Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes des Aufenthaltstitels (hier: einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005) nicht anwendbar ist. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht selbst abschließend entscheiden kann, ob bei dem Kläger die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4
AufenthG vorliegen, war die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

11 1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens auf Neubescheidung des Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung in der Tatsacheninstanz, hier also im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung am 16. September 2008. Es ist deshalb auf die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) abzustellen, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten.

12 Nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt (Abschnitt 5: Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 AufenthG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 102 Abs. 2
AufenthG wird auf die Frist für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet. Ferner wird gemäß § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens auf die Frist angerechnet. Nach § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG kann für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, § 35
AufenthG entsprechend angewandt werden.

13 Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach diesen Bestimmungen müssen grundsätzlich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der Tatsacheninstanz erfüllt sein. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung einer Klage auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach alter Rechtslage (§ 24 Abs. 1 AuslG 1990; vgl. Urteil vom 22. Januar 2002 - BVerwG 1 C 6.01 - BVerwGE 115, 352 <355>; anders noch Urteil vom 24. Mai 1995 - BVerwG 1 C 7.94 - BVerwGE 98, 313 <319>). An dieser Rechtsprechung ist auch unter Geltung des Aufenthaltsgesetzes für den neu geschaffenen unbefristeten Aufenthaltstitel der Niederlassungserlaubnis im Grundsatz festzuhalten. Hiervon ist auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen.

14 Erforderlich ist danach zunächst, dass der Kläger im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung, also am 16. September 2008, im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes war und dass er diesen Aufenthaltstitel - unter Berücksichtigung der einschlägigen Anrechnungsvorschriften - seit sieben Jahren besaß. Dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Sinne von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG war, steht außer Frage. Denn zum einen galt die ihm zuvor nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis aufgrund seines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend und zum anderen stand ihm zu diesem Zeitpunkt auch aufgrund der fortbestehenden Feststellung des Bundesamts zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 53 Abs. 6 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG) weiterhin ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu, wie dies auch durch die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch die Beklagte im Folgemonat bestätigt worden ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verfügte der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt auch über die nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderlichen vorangegangenen Zeiten eines solchen Titelbesitzes „seit sieben Jahren“.

15 a) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass mit der Voraussetzung des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis „seit sieben Jahren“ grundsätzlich ein ununterbrochener Titelbesitz während dieses Zeitraums verlangt wird. Dies entspricht der bisherigen Auslegung vergleichbarer Formulierungen im Ausländergesetz 1990 (etwa in § 24 Abs. 1 AuslG; vgl. Urteile vom 24. Mai 1995 a.a.O. S. 320 und vom 22. Januar 2002 a.a.O. S. 355). Dass der Gesetzgeber mit dem Aufenthaltsgesetz trotz Verwendung der gleichen Formulierung insoweit etwas Abweichendes regeln wollte, ist nicht ersichtlich. An dem Erfordernis eines grundsätzlich durchgehenden Titelbesitzes ist deshalb - entgegen der Ansicht der Revision - auch im Rahmen von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG festzuhalten (vgl. jetzt auch die neue Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009, GMBl. 2009, S. 878 zu 26.4 .8 Abs. 2). Allerdings stehen dabei Zeiten, in denen der Ausländer zwar keinen Aufenthaltstitel besessen hat, er aber nach der vom Gericht inzident vorzunehmenden Prüfung einen Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel gehabt hat, den Zeiten des Titelbesitzes gleich (vgl. Urteil vom 22. Januar 2002 a.a.O. S. 356).

16 Das Erfordernis eines grundsätzlich durchgehenden Titelbesitzes gilt auch im Rahmen der Anrechnung der Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 gemäß § 102 Abs. 2 AufenthG. Diese Anrechnungsvorschrift ist, auch wenn ihr Wortlaut nicht eindeutig erscheint, im Lichte der von § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG geforderten qualifizierten Aufenthaltszeit - in Gestalt eines ununterbrochen legalen Aufenthalts, dokumentiert durch den Besitz eines Aufenthaltstitels - und deren Sinn und Zweck auszulegen. Setzt schon die maßgebliche Anspruchsnorm einen ununterbrochenen Titelbesitz voraus, so spricht viel dafür, dass dieser Grundgedanke auch der Übergangsvorschrift für die Anrechnung von Zeiten des Titelbesitzes nach altem Recht zugrunde liegt (vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 19. Mai 2008 - 11 S 942/08 - InfAuslR 2008, 300). Auch aus der Begründung des Gesetzentwurfs und dem dort angeführten Sinn und Zweck der Übergangsregelung ergibt sich, dass eine Anrechnung grundsätzlich nur bei ununterbrochenem Besitz der genannten Titel stattfinden soll. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs des Zuwanderungsgesetzes (BTDrucks 15/420 S. 100, zu § 102) ging es dem Gesetzgeber mit der Übergangsregelung darum, „die Ausländer nicht zu benachteiligen, die nach dem Aufenthaltsgesetz nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, jedoch nach dem Ausländergesetz - zum Teil seit vielen Jahren - lediglich eine Duldung erhielten“. Der Gesetzgeber wollte also sowohl die Duldungs- als auch die Aufenthaltsbefugniszeiten den Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach neuem Recht gleichstellen. Dass er darüber hinaus die Altfälle auch noch dadurch begünstigen wollte, dass er auf einen durchgehenden legalen - oder hier ausnahmsweise auch einen geduldeten - Aufenthalt, dokumentiert durch den Besitz eines entsprechenden Titels, verzichten wollte, lässt sich daraus nicht herleiten. Auch nach bisherigem Recht konnten grundsätzlich nur ununterbrochene Besitzzeiten der Aufenthaltsbefugnis zu einem unbefristeten Daueraufenthalt nach § 35 AuslG führen. Dass von diesem Erfordernis, das letztlich auch als Indiz für eine stabile Integration gilt, in den Übergangsfällen des § 102 Abs. 2 AufenthG abgesehen werden sollte, ist nicht ersichtlich. Für eine unterschiedliche Behandlung von Aufenthaltsbefugnis- und Duldungszeiten gibt die Vorschrift ebenfalls keinen Anhalt.

17 b) Ist danach erforderlich, dass die Zeiten des Besitzes einer Duldung oder Aufenthaltsbefugnis nach § 102 Abs. 2 AufenthG ebenso wie die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nahtlos ineinander übergehen, so liegt im Falle des Klägers in dem Zeitraum vom 18. bis 22. Dezember 2003 eine Unterbrechung dieser Zeiten vor, weil er vom Ablauf der befristeten Aufenthaltsbefugnis am 17. Dezember 2003 an bis zur Stellung seines Verlängerungsantrags am 22. Dezember 2003 weder einen Aufenthaltstitel noch eine Duldung besaß und auch nicht über eine gleichwertige Rechtsposition verfügte. Dies führt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings nicht zu einem Verfall der vorangegangenen Aufenthaltsbefugnis- oder Duldungszeiten, weil die Unterbrechung durch eine entsprechende Anwendung von § 85 AufenthG geheilt werden kann.

18 aa) Nach § 85 AufenthG können Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben. Diese Vorschrift, die wörtlich der Vorgängervorschrift des § 97 AuslG 1990 entspricht, ist vorliegend für die Beurteilung der Unterbrechung maßgeblich, weil insoweit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Die Vorschrift erfasst zwar ihrem Wortlaut nach nur Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, ist aber nach Systematik, Sinn und Zweck der Regelung entsprechend auch auf Unterbrechungen in Zeiten des Titelbesitzes anwendbar. Dabei kann dahinstehen, ob bereits die Vorgängervorschrift in diesem erweiternden Sinne auszulegen war. Die Frage war, wie das Berufungsgericht im Einzelnen dargestellt hat, schon seinerzeit umstritten, ohne dass das Bundesverwaltungsgericht sich hierzu ausdrücklich geäußert hätte. Jedenfalls die Vorschrift des § 85 AufenthG ist dahingehend zu verstehen, dass sie auch Unterbrechungen in Zeiten des Titelbesitzes erfasst. Auch wenn die Vorschrift in ihrem Wortlaut nicht verändert worden ist, ist doch beachtlich, dass sie systematisch nicht mehr wie die Vorgängerregelung bei den Übergangsvorschriften, sondern bei den Vorschriften über das Verwaltungsverfahren in Kapitel 7 Abschnitt 3 des Aufenthaltsgesetzes eingeordnet worden ist. Zudem hat sie eine neue Überschrift erhalten; anstelle von „Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts“ ist sie nunmehr mit „Berechnung von Aufenthaltszeiten“ überschrieben. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber der Vorschrift eine allgemeine Wirkung beigemessen hat, was eher auf einen weiten Anwendungsbereich hindeutet. Für eine Erstreckung auf Unterbrechungen in Zeiten des Titelbesitzes spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber selbst als einen von zwei Beispielsfällen für die Anwendung der Vorschrift den verspäteten Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung angeführt hat (BTDrucks 15/420 S. 97). Wenn er die Vorschrift in dem vergleichsweise häufiger vorkommenden Fall des Erfordernisses von Besitzzeiten des Aufenthaltstitels nicht für einschlägig gehalten hätte, hätte es nahegelegen, auf eine derart eingeschränkte Wirkung der Vorschrift bei verspäteter Antragstellung hinzuweisen.

19 Entscheidend spricht schließlich der Sinn und Zweck der Bestimmung für eine solche Auslegung. Sie soll es der Ausländerbehörde ermöglichen, im Rahmen ihres Ermessens Unterbrechungszeiten bis zu einem Jahr außer Betracht zu lassen und damit flexibel etwa auf unverschuldete oder auch nur geringfügige Unterbrechungen - auch im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - zu reagieren. Warum diese Flexibilität, insbesondere bei geringfügigen Bagatellunterbrechungen, nur der Berechnung von Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts vorbehalten bleiben sollte, nicht aber die Berechnung von Besitzzeiten des Aufenthaltstitels ergreifen sollte, leuchtet nicht ein. Im Übrigen geht der Gesetzgeber auch sonst von einem grundsätzlichen Gleichklang der Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts und des Besitzes eines Aufenthaltstitels aus, wenn er gerade in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 26 Abs. 4 AufenthG (BTDrucks 15/420 S. 80) darauf hinweist, dass die Wartezeit „von acht Jahren auf sieben Jahre verkürzt“ wird, „um den unter dem Ausländergesetz bestehenden Wertungswiderspruch zu den Einbürgerungsvorschriften zu vermeiden: Nach § 35 Abs. 1 AuslG kann dem Ausländer, der seit acht Jahren eine Aufenthaltsbefugnis besitzt, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden; als Inhaber einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis hat er dann - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - unmittelbar einen Einbürgerungsanspruch nach § 85 Abs. 1 AuslG.“ Wenn der Gesetzgeber die Besitzzeiten des § 26 Abs. 4 AufenthG auf die Zeit des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland, wie sie für den Einbürgerungsanspruch - jetzt nach § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) - erforderlich ist, in dieser Weise bezogen hat, spricht viel dafür, dass er auch die Frage der Unterbrechungszeiten gleichartig behandelt wissen wollte. Für den Achtjahreszeitraum nach § 10 StAG gilt aber gemäß § 12b Abs. 3 StAG, dass Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts außer Betracht bleiben, wenn sie darauf beruhen, dass der Ausländer nicht rechtzeitig die erstmals erforderliche Erteilung oder die Verlängerung des Aufenthaltstitels beantragt hat. Ein Gleichklang mit dieser Regelung ist nur gewahrt, wenn im Aufenthaltsgesetz die Vorschrift des § 85 AufenthG auch auf die erforderlichen Besitzzeiten eines Aufenthaltstitels nach § 26 Abs. 4 AufenthG angewandt und der Behörde damit im Rahmen ihres Ermessens eine Möglichkeit eröffnet wird, insbesondere geringfügige Unterbrechungen zu heilen. Dies entspricht im Übrigen auch der Auffassung, die der neuen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 zugrunde liegt (GMBl. 2009, S. 878 zu 26.4 .8 Abs. 2 letzter Satz; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 24. Juli 2009 - 18 B 1661/08 - juris Rn. 31 ff., VGH Kassel, Beschluss vom 16. Juli 2007 - 11 TP 1155/07 - ZAR 2007, 332; Maaßen, in: Kluth u.a., Zuwanderungsrecht, § 4 Rn. 770; Hailbronner, AufenthG, Rn. 8 zu § 9, Rn. 22 zu § 26, Rn. 19 zu § 35).

20 bb) Ist danach § 85 AufenthG auch auf Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG anwendbar, gilt dies entsprechend auch für Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung nach § 102 Abs. 2 AufenthG. Auch wenn eine Duldung keinen rechtmäßigen Aufenthalt begründet, ist die Regelung des § 85 AufenthG nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der Übergangsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG ausnahmsweise auch auf die Fälle anzuwenden, in denen Lücken zwischen Zeiten des Besitzes von Duldungen oder zwischen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis und Duldungszeiten entstanden sind. Der Gesetzgeber des Aufenthaltsgesetzes hat nach der Verbesserung des Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen - etwa in Fällen eines zielstaatbezogenen Abschiebungsverbots nach § 25 Abs. 3 AufenthG - mit der Übergangsregelung in § 102 Abs. 2 AufenthG die vor dem 1. Januar 2005 erteilten Duldungen der Sache nach einer Aufenthaltsbefugnis gleichgestellt, um die früher auf eine Duldung angewiesenen Ausländer nicht zu benachteiligen (BTDrucks 15/420 S. 100). Es entspricht daher dem Sinn und Zweck der Regelung, in dieser besonderen Übergangssituation auch bei Anwendung von § 85 AufenthG Duldungszeiten nachträglich ausnahmsweise wie Aufenthaltsbefugniszeiten und damit wie Titelbesitzzeiten zu behandeln.

21 cc) Die hier streitige Unterbrechungszeit im Dezember 2003 bleibt danach in entsprechender Anwendung von § 85 AufenthG bei der Berechnung der anrechenbaren Zeiten einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vor dem 1. Januar 2005 außer Betracht. Das der Behörde in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen ist angesichts des geringfügigen Zeitraums von nur vier Tagen zwischen dem Ablauf der Aufenthaltsbefugnis am Mittwoch, dem 17. Dezember 2003, und der Stellung des Verlängerungsantrags am Montag, dem 22. Dezember 2003, auf Null reduziert.

22 c) Dies hat zur Folge, dass zugunsten des Klägers auch die vor der Unterbrechung liegenden durchgehenden Duldungs- und Aufenthaltsbefugniszeiten, über die er jedenfalls seit der Feststellung eines Abschiebungsverbots durch das Bundesamt am 3. März 2003 verfügte, nach § 102 Abs. 2 AufenthG anzurechnen sind. Bei Berücksichtigung dieser Zeiten und der ebenfalls anzurechnenden Zeit des vorangegangenen Asylverfahrens nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG war der Kläger im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung am 16. September 2008 bereits seit sieben Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Denn zu den Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die dem Kläger vom 1. Januar 2005 bis zur Berufungsentscheidung zustand, kommen die Zeiten des Besitzes einer Duldung und einer Aufenthaltsbefugnis oder einer gleichwertigen Rechtsposition vom 4. März 2003 bis zum 31. Dezember 2004 hinzu, abzüglich der Unterbrechungszeit von vier Tagen im Dezember 2003. Dabei kann dahinstehen, ob dem Kläger von der Stellung des Verlängerungsantrags am 22. Dezember 2003 an bis zum 31. Dezember 2004 ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der damaligen landesrechtlichen Erlasslage zustand, da diese Zeit wegen der ihm von der Beklagten erteilten Bescheinigung über den Wegfall der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht jedenfalls der Zeit des Besitzes einer Duldung gleichsteht und schon deshalb nach § 102 Abs. 2 AufenthG anzurechnen ist. Ferner ist nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Zeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens auf die Frist anzurechnen. Darunter fällt auch das Asylverfahren, das - wie hier - der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vorangegangen ist, die nach § 102 Abs. 2 AufenthG anzurechnen ist. Im Fall des Klägers, der zwei Verfahren vor dem Bundesamt durchgeführt hat, kann dahinstehen, welches dieser Verfahren anzurechnen ist. Denn auch bei Berücksichtigung nur des zweiten, kürzeren Verfahrens, das vom 11. September 2001 bis zur Zuerkennung von Abschiebungsschutz durch das Bundesamt nach § 53 Abs. 6 AuslG mit Bescheid vom 3. März 2003 gedauert hat, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung insgesamt ein anrechenbarer Zeitraum von sieben Jahren erreicht (durchgehende anrechnungsfähige Zeiten oder Titelbesitzzeiten ab 11. September 2001 bis 16. September 2008 abzüglich der 4-tägigen Unterbrechungszeit). Der Umstand, dass es sich bei dem zweiten Verfahren vor dem Bundesamt nicht um ein auf Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung gerichtetes Verfahren handelte, sondern nur um ein Wiederaufgreifensverfahren zu Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (jetzt § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG), steht nach Auffassung des Senats einer Anrechnung der Zeit im Rahmen von § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nicht entgegen. Denn nach Sinn und Zweck der Vorschrift spricht auch angesichts der Aufwertung des subsidiären Schutzes durch das Aufenthaltsgesetz und die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (Qualifikationsrichtlinie) viel dafür, sämtliche Verfahren vor dem Bundesamt, in denen um Schutz nach Art. 16a Abs. 1 GG oder § 60 AufenthG nachgesucht wird, als Asylverfahren im Sinne dieser Bestimmung anzusehen und grundsätzlich jeweils das letzte Verfahren vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen anzurechnen. Gerade im Fall des Klägers wäre es nur schwer verständlich, warum das unmittelbar zum humanitären Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 3 AufenthG führende Verfahren vor dem Bundesamt nicht auf die Frist nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angerechnet werden sollte.

23 2. Erfüllt der Kläger danach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zeitlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG, ist das Verfahren zur Prüfung der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts kann der Senat hierüber nicht selbst abschließend entscheiden.

24 a) Allerdings wird das Berufungsgericht dabei nicht auf die erleichterten Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 35
AufenthG abstellen können. Nach § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG kann für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres eingereist sind, § 35 AufenthG entsprechend angewandt werden. Damit sollte Kindern mit einem humanitären Aufenthaltsrecht unter den gleichen Voraussetzungen die Aufenthaltsverfestigung ermöglicht werden, wie sie bei Kindern gelten, die einen zum Zweck der Familienzusammenführung erteilten Aufenthaltstitel besitzen (BTDrucks 15/420 S. 80). Dies bedeutet, dass die Kinder mit humanitärer Aufenthaltserlaubnis die entsprechenden Voraussetzungen für eine Aufenthaltverfestigung erfüllen müssen, wie sie für Kinder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen in § 35 AufenthG gefordert werden. Das ist bei dem Kläger indes nicht der Fall. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfüllt der im Alter von 12 Jahren eingereiste Kläger nicht, weil er nicht - wie erforderlich - im Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen war. Aber auch die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG liegen bei ihm nicht vor. Diese Bestimmung setzt u.a. voraus, dass der Ausländer volljährig und seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist (Nr. 1). Sie sieht damit die privilegierte Erteilung einer Niederlassungserlaubnis auch an volljährig gewordene Kinder vor, erfasst aber, wie sich aus einer Zusammenschau mit Satz 1 und der Gesamtregelung des Kindernachzugs in diesem Abschnitt ergibt, nach ihrem Sinn und Zweck nur die Fälle, in denen eine schon während der Minderjährigkeit erteilte Aufenthaltserlaubnis wegen Ablaufs des Fünfjahreszeitraums erst nach Eintritt der Volljährigkeit zu einem Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis führt. Die Aufenthaltserlaubnis, die die Grundlage für die spätere Verfestigung des Aufenthalts bildet, muss also dem minderjährigen Kind erteilt worden sein, allenfalls der Ablauf des Fünfjahreszeitraums kann nach Eintritt der Volljährigkeit liegen (vgl. Marx, in: GK AufenthG, Stand Juni 2008, § 35 Rn. 68, 72). Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der privilegierten Aufenthaltsverfestigung für Kinder. Verlangt aber § 35 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, dass die Aufenthaltserlaubnis zum Kindernachzug dem Minderjährigen erteilt worden ist, so muss dies - übertragen auf die humanitäre Aufenthaltserlaubnis - auch bei entsprechender Anwendung der Vorschrift nach § 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG gelten. Selbst wenn man hierbei nicht auf die erste Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz ab Januar 2005 abstellen, sondern zugunsten des Klägers den Beginn der Duldungs- und Aufenthaltsbefugniszeiten im Sinne von § 102 Abs. 2 AufenthG als maßgeblich ansehen würde (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 29. Mai 2007 - 11 S 2093/06 - AuAS 2007, 179 Rn. 13; Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz a.a.O. zu 35.1.1.3.7), läge dieser erst nach Eintritt seiner Volljährigkeit im August 1998.

25 b) Das Berufungsgericht wird deshalb prüfen müssen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 9 Abs. 2 AufenthG vorliegen. Hinsichtlich der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG könnte es darauf ankommen, ob der Kläger sich auf die Übergangsregelung des § 104 Abs. 2 Satz 2 AufenthG berufen kann. Danach gilt dieses Erfordernis nicht, wenn der Kläger vor dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis war. Hierbei wäre gegebenenfalls zu klären, ob der Kläger vor dem 1. Januar 2005 - also bis zum 31. Dezember 2004 - einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach altem Recht hatte, der nach der Rechtsprechung des Senats dem Besitz einer Aufenthaltsbefugnis gleichstehen würde. Ebenso wird zu klären sein, ob die inzwischen erfolgte rechtskräftige Verurteilung des Klägers zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen im April 2009 der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis mit Blick auf § 9 Abs. 2 Nr. 4
AufenthG entgegensteht.

26 Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.