Beschluss vom 08.03.2006 -
BVerwG 8 PKH 7.06ECLI:DE:BVerwG:2006:080306B8PKH7.06.0

Beschluss

BVerwG 8 PKH 7.06

  • VG Greifswald - 15.12.2005 - AZ: VG 1 A 318/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. März 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:

Der Antrag des Klägers, ihm für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15. Dezember 2005 Prozesskostenhilfe zu gewähren und ihm einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1 Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald war nicht zu entsprechen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht gegeben, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO liegt vor. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weicht das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3 Zwar ist der Kläger zu der (verlegten) mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2005 nicht ordnungsgemäß geladen worden (1.), dieser Verfahrensfehler führt aber in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht zugleich zu einem Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (2.). Auch sonst kann das angefochtene Urteil nicht auf dem Verfahrensmangel beruhen (3.).

4 1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindesten zwei Wochen zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung zu laden. Für den ursprünglich auf den 15. Dezember 2005, 10.00 Uhr anberaumten Termin ist dies hinsichtlich des Klägers ausweislich der bei den Gerichtsakten befindlichen Zustellungsurkunde (Bl. 25) am 15. September 2005, und damit rechtzeitig, geschehen.

5 Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2005, beim Gericht eingegangen am 8. Dezember 2005, u.a. mitgeteilt hatte, die Fahrt von seinem Wohnort nach Greifswald sei wegen des Beginns der mündlichen Verhandlung um 10.00 Uhr am Terminstag mit der Bahn nicht zu bewältigen, hat das Gericht mit Verfügung vom 9. Dezember 2005 den ursprünglich anberaumten Termin förmlich aufgehoben und weiter die "Abladung" der Beteiligten verfügt. Außerdem wurde in derselben Verfügung neuer Termin auf den 15. Dezember 2005 um 11.00 Uhr bestimmt und die Ladung der Beteiligten verfügt. Eine Abkürzung der Ladungsfrist erfolgte nicht. Die neue Ladung ist dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde (Bl. 39 der Gerichtsakten) am 10. Dezember 2005 und damit verspätet zugestellt worden.

6 2. Dieser Verfahrensfehler führt bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht zugleich zu einem Verstoß gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO). Eine zu kurzfristige Terminsanberaumung und Ladung zur mündlichen Verhandlung kann zwar zugleich zu einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs führen (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1997 - BVerwG 8 B 2.97 - Buchholz 310 § 102 VwGO Nr. 21 m.w.N., Eichberger in Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, § 138 Rn. 102); der Ladungsmangel muss aber dazu geführt haben, dass der Beteiligte den Termin nicht wahrnehmen konnte, weil er entweder von der Anberaumung des Termins keine Kenntnis erlangte oder ihm die Wahrnehmung des Termins nicht mehr zumutbar war. Davon kann hier keine Rede sein. Der Termin wurde lediglich um eine Stunde nach hinten verschoben, um damit dem Kläger die Möglichkeit zu eröffnen, doch am Terminstag mit der Bahn anzureisen. Hätte das Gericht, statt den ursprünglichen Termin förmlich aufzuheben und eine neue Ladung der Beteiligten zu verfügen, dem Kläger lediglich mitgeteilt, das Gericht werde im Hinblick auf die Bahnverbindung mit der Verhandlung jedenfalls nicht vor 11.00 Uhr beginnen, wäre die ursprüngliche ordnungsgemäße Ladung wirksam geblieben und das Gericht hätte - wenn es wie angekündigt verfahren wäre - sich in jeder Beziehung prozessordnungsgemäß verhalten. Nichts anderes hätte gegolten, wenn das Gericht die Abkürzung der Ladungsfrist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf drei Tage verfügt hätte. Auch das wäre unter den gegebenen Umständen nicht zu beanstanden gewesen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger durch die Terminsverschiebung um eine Stunde wegen des formal fehlerhaften Vorgehens des Gerichts in seiner Möglichkeit, an der Sitzung teilzunehmen und dem Gericht den gesamten aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt vorzutragen, beeinträchtigt worden sein könnte. Dementsprechend hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 14. Dezember 2005, mit dem er um Aufhebung des Termins bat, nicht etwa die Nichteinhaltung der Ladungsfrist gerügt, sondern stattdessen geltend gemacht, über seinen Antrag auf Bereitstellung einer Fahrkarte zur Wahrnehmung des Termins sei noch nicht entschieden worden. Auch mit der vorliegenden Beschwerdebegründung macht der Kläger lediglich geltend, er habe auf seinen Antrag auf Terminsverlegung vom 14. Dezember 2005 keine Nachricht erhalten.

7 Insoweit liegt aber kein fehlerhaftes Verfahren des Verwaltungsgerichts vor. Dem Kläger war mitgeteilt worden, er solle am 13. Dezember 2005 gegen 16.00 Uhr telefonisch wegen der Fahrkarte nachfragen. Dies hat er ohne ersichtlichen Grund unterlassen. Auf sein Telefax vom 14. Dezember 2005 konnte das Gericht nicht mehr antworten, weil der Kläger nach eigenen Angaben nicht über einen Telefonanschluss verfügte und auch kein Telefax empfangen konnte. Er hatte sein Telefax bei einem Copy-Center abgesandt. Durch einen Anruf bei dem Gericht hätte er sowohl am 13. Dezember 2005 nach 16.00 Uhr als auch am 14. Dezember 2005 erfahren können, dass das Gericht eine Fahrkarte bestellt hatte und der Kläger sich diese bei einem Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn ausdrucken lassen konnte. Da der Kläger entgegen der Absprache mit dem zuständigen Richter einen solchen Anruf ohne ersichtlichen Grund unterlassen hat, hat er es selbst zu vertreten, dass ihm die entsprechende Information nicht rechtzeitig zuging. Dies alles ist dem Kläger aus dem ihm übersandten Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2005 und aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils im Einzelnen bekannt. Einwendungen gegen diese Darstellung hat er mit der Beschwerde nicht erhoben.

8 3. Das angefochtene Urteil kann auch nicht auf dem Verstoß gegen die Ladungsfrist des § 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO beruhen. Das Verwaltungsgericht hat die vorliegende Restitutionsklage zu Recht abgewiesen, weil ein Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 ZPO - alle anderen Restitutionsgründe kommen ohnehin nicht in Betracht - nicht vorliegt. Zu Unrecht hat sich der Kläger auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22. Januar 2004 (VIZ 2004, 166) berufen. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung eine hier nicht vorliegende Fallgestaltung betrifft - Entzug von Bodenreformland nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages - und im Übrigen auch nicht ein dem mit der Restitutionsklage angegriffenen früheren Urteil des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 580 Nr. 6 ZPO zu Grunde liegendes Urteil aufgehoben hat, ist das genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf das Rechtsmittel der Bundesrepublik Deutschland durch Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Große Kammer) vom 30. Juni 2005 (NJW 2005, 2907) aufgehoben worden.

Beschluss vom 11.04.2006 -
BVerwG 8 B 7.06ECLI:DE:BVerwG:2006:110406B8B7.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.04.2006 - 8 B 7.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:110406B8B7.06.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 7.06

  • VG Greifswald - 15.12.2005 - AZ: VG 1 A 318/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. April 2006
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze, die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und den Richter
am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Die Gegenvorstellungen des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 8. März 2006 werden zurückgewiesen.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 15. Dezember 2005 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 31 457,23 € festgesetzt.

Gründe

1 1. Der als „Gegendarstellung“ bezeichnete Schriftsatz des Klägers vom 4. April 2006, mit dem dieser sich gegen den Beschluss des Senats vom 8. März 2006 wendet, gibt dem Senat keine Veranlassung, seinen Beschluss zu ändern. Die Ausführungen des Klägers enthalten gegenüber der Beschwerdebegründung vom 14. Januar 2006 keine neuen rechtlich erheblichen Gesichtspunkte. Insbesondere konnte weder das Verwaltungsgericht Greifswald noch der Senat das Verfahren aussetzen und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorlegen, weil die Rechtsordnung eine solche Vorlage nicht vorsieht. Entgegen den Ausführungen des Klägers hat der Senat auch nicht festgestellt, „dass dem Beschwerdeführer das Recht auf rechtliches Gehör ... versagt worden ist“. Vielmehr hat der Senat gerade ausgeführt, dass der Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts bei der Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nicht geeignet war, den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen. Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.

2 2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß vertreten ist. Vor dem Bundesverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte nach § 67 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Der Kläger ist darauf in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hingewiesen worden. Da die Beschwerde diesem Erfordernis nicht genügt, ist sie als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen ist sie auch unbegründet, wie der Senat in dem Beschluss vom 8. März 2006, mit dem der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, im Einzelnen ausgeführt hat.

3 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf den §§ 47, 52 GKG.