Beschluss vom 11.06.2008 -
BVerwG 4 B 37.08ECLI:DE:BVerwG:2008:110608B4B37.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.06.2008 - 4 B 37.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:110608B4B37.08.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 37.08

  • VGH Baden-Württemberg - 29.01.2008 - AZ: VGH 8 S 2748/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 29. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf alle drei Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Die geltend gemachten Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) genügen nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Darlegung einer Divergenz setzt voraus, dass ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz benannt wird, auf welchen das vorinstanzliche Gericht die angegriffene Entscheidung gestützt hat, und dass zum anderen ein dem widersprechender, die Entscheidung tragender Rechtssatz eines der gesetzlich benannten Divergenzgerichte zu der gleichen Frage aufgezeigt wird.

3 1.1 Soweit der Kläger, der sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzung einer bestehenden Turnhalle auch als Festhalle wendet, unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 19. November 1990 - BVerwG 4 B 162.90 - geltend macht, das Berufungsgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Charakter der nach der Genehmigung zulässigen Veranstaltungen befasst und sei nur deswegen zu dem Ergebnis gekommen, es handele sich um eine Anlage für kulturelle und sportliche Zwecke, zeigt er keinen Rechtssatzwiderspruch auf. Er setzt vielmehr lediglich seine Auffassung der Auffassung des Berufungsgerichts entgegen und behauptet, es handele sich bei der Nutzung als Festhalle um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte. Darauf fußt auch die zweite Divergenzrüge, die sich in dem Vorwurf erschöpft, das Berufungsgericht habe sich der Frage, ob die Halle angesichts der genehmigten Nutzung als Vergnügungsstätte anzusehen sei, nicht gestellt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 24. Februar 2000 (- BVerwG 4 C 23.98 - Buchholz 406.12 § 9 BauNVO Nr. 7) geltend macht, er habe einen Anspruch auf Einhaltung des Gebietscharakters, wird nicht beachtet, dass der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage des § 34 Abs. 2 BauGB einen „Widerspruch zum Gebietscharakter“ geprüft und verneint hat (UA S. 12 f.).

4 1.2 Bei der (dritten) Divergenzrüge zeigt der Kläger schon keinen Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auf, geschweige denn einen Rechtssatzwiderspruch. Die Rüge erschöpft sich in dem Vorwurf, das Berufungsgericht gehe völlig unzutreffend davon aus, dass die Genehmigung von 12 Veranstaltungen lediglich 12 Kalendertage erfasse.

5 1.3 Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht weiche von dem Urteil des 7. Senats vom 16. Mai 2001 (- BVerwG 7 C 16.00 - Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 16) ab, weil sich aus dieser Entscheidung ergebe, dass einer Auflage, die lediglich abstrakt einzuhaltende Lärmwerte festsetze, kein Regelungscharakter zukomme, verkennt er, dass das Berufungsgericht diese Rechtsprechung seiner Einschätzung zugrunde gelegt hat. Auf dieser Grundlage kommt das Gericht - unter Hinweis auf den maßgeblichen Immissionsort - zu dem Ergebnis, dass die Auflage unmissverständlich festlege, welche Immissionsgrenzwerte die Beurteilungspegel der der Hallenbenutzung zuzurechnenden Geräusche nicht überschreiten dürften (UA S. 16); die Auflage sei daher als hinreichend bestimmt anzusehen (UA S. 16). Mit seiner Rüge wendet sich der Kläger nur gegen diese einzelfallbezogene Würdigung. Die behauptete Divergenz wird damit nicht aufgezeigt.

6 1.4 Soweit der Kläger geltend macht, eine Abweichung von dem genannten Urteil des 7. Senats liege auch deswegen vor, weil das Berufungsgericht statt der Freizeitlärmrichtlinie die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) zugrunde gelegt habe, wird - ungeachtet der Darlegungsanforderungen - zum einen nicht beachtet, dass es nicht um eine immissionsschutzrechtlich begründete Anwendbarkeit der Sportanlagenlärmschutzverordnung geht, sondern das Gericht die Regelungen bei der Prüfung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme als Orientierungshilfe zur Bewertung der Lärmimmissionen der (nicht sportbezogenen) Veranstaltungen herangezogen hat. Zum anderen wird verkannt, dass dem in Bezug genommenen Urteil eine andere Fallkonstellation zugrunde lag: In jenem immissionsschutzrechtlich zu beurteilenden Fall ging es um drei in räumlichem Zusammenhang stehende Anlagen. Die Anwendbarkeit der Freizeitlärmrichtlinie hing von der - in tatsächlicher Hinsicht klärungsbedürftigen - Frage ab, ob diese Anlagen als einheitlich zu beurteilender „Freizeitbereich“ anzusehen waren, der die Nutzung der Sporthalle umfasst und dieser aus immissionsschutzrechtlicher Sicht ihren eigenständigen Charakter nimmt.

7 2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328).

8 2.1 Die als Grundsatzrüge eingekleidete Frage zur hinreichenden Bestimmtheit der Festsetzung von Lärmgrenzwerten in einer Baugenehmigung zielt auf die Umstände des Einzelfalls ab und entzieht sich einer fallübergreifenden, verallgemeinerungsfähigen Klärung (vgl. auch Beschluss vom 15. November 2007 - BVerwG 4 B 52.07 -).

9 2.2 Die weitere - sinngemäße - Frage, ob Auflagen, die auf Lärmgrenzwerte verweisen und die Nutzung zahlenmäßig begrenzen, ausreichend sind oder ob konkrete Maßnahmen festzulegen sind, welche die Einhaltung der entsprechenden Grenzwerte sichern, zielt - wie sich der Begründung entnehmen lässt - lediglich darauf, die vorinstanzliche Würdigung der Sach- und Rechtslage nach Art einer Berufungsbegründung anzugreifen. Abgesehen davon hat das Berufungsgericht festgestellt, dass bei Vornahme bestimmter, in der Stellungnahme des TÜV genannter Maßnahmen die Beurteilungspegel eingehalten werden können (UA S. 18 f.). Es hat damit zugrunde gelegt, dass sich Dritte, die eine Genehmigung anfechten, mit Nebenbestimmungen zu ihrem Schutz nur dann zufrieden geben müssen, wenn diese zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sind (vgl. dazu Beschluss vom 26. Mai 2005 - BVerwG 4 B 29.05 -). Einen über diesen Gesichtspunkt hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

10 2.3 Soweit der Kläger rügt, der Nachbar werde zur Polizei gemacht, fehlt es bereits an der Formulierung einer klärungsbedürftigen Frage.

11 3. Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Rüge, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von dem erstinstanzlichen eingeholten Gutachten abgewichen und hätte ein weiteres Gutachten einholen müssen, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

12 Ein Tatsachengericht kann sich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die von einer Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden (Urteil vom 7. Juli 1978 - BVerwG 4 C 79.76 u.a. - BVerwGE 56, 110 <127>, Beschluss vom 4. Dezember 1991 - BVerwG 2 B 135.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 238, S. 67). Gutachterliche Stellungnahmen, die - wie hier im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - von einem Beteiligten eingeholt und als Parteivortrag in das Verfahren eingeführt werden, sind insoweit nicht anders zu behandeln (Beschluss vom 13. März 1992 - BVerwG 4 B 39.92 - NVwZ 1993, 268). Die Einholung zusätzlicher Sachverständigengutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen liegt nach § 98 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts (Urteil vom 23. Mai 1989 - BVerwG 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 76 <90>, Beschluss vom 7. März 2003 - BVerwG 6 B 16.03 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 55). Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten absieht, obwohl die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung sich ihm hätte aufdrängen müssen (stRspr vgl. nur Urteil vom 26. April 2007 - BVerwG 4 C 12.05 - BVerwGE 128, 358 Rn. 71).

13 Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar seinerseits ein Gutachten (Messbericht) vorgelegt und gegen die von dem Beigeladenen vorgelegte gutachterliche Stellungnahme des TÜV - wie sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 24. Januar 2008 und seinem am 28. Januar 2008 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz ergibt - Einwendungen erhoben. Das Berufungsgericht hat sich aber mit dem Messbericht auseinandergesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Messung mit Blick auf den Immissionsort an einem entscheidenden Mangel leide (UA S. 19). Auch auf den nachgereichten Schriftsatz des Klägers ist das Berufungsgericht eingegangen (UA S. 19). Vor diesem Hintergrund genügt es nicht, unter Bezugnahme auf den Messbericht (erneut) Mängel hinsichtlich der vom Gericht zugrunde gelegten gutachterlichen Stellungnahme zu behaupten. Es bedarf vielmehr der Darlegung, dass das vom Gericht verwertete Gutachten in sich widersprüchlich ist, oder dass sich aus den Gutachten selbst Zweifel an der Sachkunde oder Unabhängigkeit des Gutachters ergeben oder dass es sich um besonders schwierige Fachfragen handelt, die ein spezielles, bei den bisherigen Gutachtern nicht vorausgesetztes Fachwissen erfordern. Solche Mängel hat der Kläger nicht aufgezeigt. Soweit er darauf verweist, dass das Berufungsgericht „immer wieder insbesondere auf eine Veranstaltung abstellt“, wird kein verfahrensrechtlicher Mangel in Bezug auf die Sachverhaltsaufklärung geltend gemacht, sondern die rechtliche Würdigung des Gerichts, dass sich die gesamte Problematik auf eine einzige Veranstaltung im Jahr verengt (UA S. 19), als unzutreffend angegriffen. Damit lässt sich eine Verfahrensrüge nicht begründen.

14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 163 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.