Beschluss vom 11.11.2002 -
BVerwG 7 B 75.02ECLI:DE:BVerwG:2002:111102B7B75.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.11.2002 - 7 B 75.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:111102B7B75.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 75.02

  • VG Greifswald - 23.04.2002 - AZ: VG 6 A 1653/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. November 2002
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23. April 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 255 645 € festgesetzt.

Der Kläger beansprucht die Rückübertragung eines Hausgrundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Veräußerung des umstrittenen Vermögenswerts an die Stadt Greifswald im Jahre 1937 nicht auf eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG zurückzuführen sei.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Der Kläger verkennt grundlegend, dass er mit der von ihm gerügten "Verletzung förmlichen und materiellen Rechts", die er durch Angriffe auf die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht untermauert, zwar eine bereits zugelassene Revision begründen kann, nicht jedoch die von ihm erst erstrebte Zulassung dieses Rechtsmittels. Diese setzt die Geltendmachung einer der in § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe voraus. Soweit sich dem Vorbringen des Klägers zu diesen Zulassungsgründen etwas entnehmen lässt, kann es jedoch ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde führen.
1. Der Kläger meint, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, dass sich das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich mit der "Wingolf-Entscheidung von 1956" des ORG Herford befasse und darüber entscheide, ob die dort niedergelegten Grundsätze weiterhin gelten sollten. Er hält offenbar für klärungsbedürftig im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob Altherrenverbände von Studentenverbindungen generell als von den Nationalsozialisten nach § 1 Abs. 6 VermG verfolgt angesehen werden müssten; denn diese Feststellung entnimmt er dem von ihm zitierten Urteil des ORG Herford vom 27. November 1956 - ORG/II/172 - und macht insoweit auch ausdrücklich eine Abweichung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts von diesem Urteil geltend. Eine zulässige Abweichungsrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wird damit zwar nicht erhoben, weil das Oberste Rückerstattungsgericht nicht zu den in dieser Norm genannten Gerichten gehört, der Vortrag des Klägers verdeutlicht aber, aus welchem Grund er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst. Der geltend gemachte Klärungsbedarf besteht jedoch nicht. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob und inwieweit es sich überhaupt um eine klärungsfähige Rechtsfrage oder um eine der Revisionsinstanz nicht zugängliche Tatsachenfrage handelt; denn es liegt auf der Hand, dass nicht alle Altherrenverbände von Studentenverbindungen als politisch von den Nationalsozialisten verfolgt angesehen werden müssen, sondern dies sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles richtet, die anhand der dazu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (zuletzt Urteile des Senats vom 22. Februar 2001 - BVerwG 7 C 12.00 - BVerwGE 114, 68 <70 ff.> m.w.N., sowie vom 2. August 2001 - BVerwG 7 C 28.00 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 60) beurteilt werden müssen. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem herangezogenen Urteil des ORG Herford entnehmen. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass sich diese Entscheidung - mag ihr Leitsatz auch generell gefasst sein - mit konfessionell gebundenen Vereinigungen befasst und nicht ohne weiteres auf alle Altherrenverbände übertragbar ist.
2. Auch die von dem Kläger gerügten Verfahrensmängel sind nicht erkennbar.
a) Der Kläger sieht eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO darin, dass das Verwaltungsgericht zwischen konfessionellen und nicht konfessionellen Verbindungen hinsichtlich ihrer politischen Verfolgung differenziere, ohne den Sachverhalt insoweit näher geklärt zu haben. Der Verfahrensverstoß liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat es vor dem Hintergrund der Verschiedenartigkeit der seinerzeit existierenden Studentenverbindungen lediglich abgelehnt, die durch das Oberste Rückerstattungsgericht anerkannte Verfolgung konfessioneller Studentenverbindungen und ihrer Altherrenverbände ohne weiteres auf alle Verbindungen zu erstrecken, sondern dies davon abhängig gemacht, ob solche nicht konfessionellen Vereinigungen von entsprechenden Maßnahmen betroffen waren. Dies hat es im Falle des Klägers verneint. Soweit der Kläger dem entgegenhält, dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang die Vorgänge um den "Corpsbruder" A. außer Acht gelassen habe (S. 4 der Beschwerdebegründung), ist nicht nachvollziehbar, inwieweit diese Vorgänge ausgehend von der dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugrunde liegenden Rechtsauffassung von Bedeutung hätten sein können; denn Anhaltspunkte für eine den konfessionellen Verbindungen vergleichbare Verfolgung des Klägers ergaben sich daraus nicht.
b) Ebenso haltlos ist der Vorwurf des Klägers, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Dieser Verstoß soll darin liegen, dass das Gericht von einer "Verwertung" des Verbindungshauses entsprechend dem Beschluss der Mitgliederversammlung ausgegangen sei, ohne dass der Kammervorsitzende einen entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung gegeben habe. Das Haus sei nämlich nicht verwertet worden, wie es die Mitgliederversammlung ursprünglich tatsächlich gewollt habe, sondern, wie der - im Einzelnen in der Beschwerdebegründung dargelegte - Geschehensablauf zeige, einfach weggegeben worden, um der Konfiszierung zuvor zu kommen. Diese Rüge geht ebenso wie die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Einzelheiten des Kaufvertrages über das Haus nicht zur Kenntnis genommen, bereits daran vorbei, dass für das Gericht allein erheblich war, ob der E n t s c h l u s s zur Verwertung des Hauses vom Wille der Mehrheit der Mitglieder getragen war. Im Übrigen weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass das Verwaltungsgericht gar keine Veranlassung hatte, in diesem Zusammenhang weitere Fragen an den Kläger zu richten, weil er zu den Modalitäten der Durchführung des Kaufvertrages bereits im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren vorgetragen hatte und es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass er insoweit aus seiner Sicht entscheidungserhebliche Umstände verschwiegen hatte.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.