Beschluss vom 11.11.2009 -
BVerwG 6 B 22.09ECLI:DE:BVerwG:2009:111109B6B22.09.0

Leitsätze:

1. In der Beendigung einer besonderen Auslandsverwendung liegt weder im Hinblick auf den früheren Beruf eines Soldaten auf Zeit noch auf die aktuelle Erfüllung der Wehrpflicht ein Eingriff in die Berufsfreiheit.

2. Mit einem Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann die gerichtliche Feststellung eines bestimmten Rechtswidrigkeitsgrundes nicht verlangt werden.

Beschluss

BVerwG 6 B 22.09

  • VG Karlsruhe - 26.01.2009 - AZ: VG 9 K 3863/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. November 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Graulich und Dr. Möller
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 26. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Revisionszulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 34 Satz 2 WPflG i.V.m. § 135 Satz 3, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das berechtigte Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Fortsetzungsfeststellungsklage verneint, die er im Hinblick auf die mit Bescheid des Gebirgssanitätsregiments vom 4. April 2005 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Sanitätskommandos IV vom 26. Juli 2005 verfügte vorzeitige Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung erhoben hat. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass er durch diese Entscheidung in seiner Ehre und Würde sowie seiner Berufsausübungsfreiheit verletzt worden sei und dass diese Verletzung ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der Form des Rehabilitationsinteresses begründet habe. Mit dieser Rüge kann der Kläger nicht durchdringen.

3 a) In der Entscheidung durch Prozessurteil statt durch Sachurteil liegt ein Verfahrensmangel, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht (Beschlüsse vom 4. Juli 1968 - BVerwG 8 B 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113> = Buchholz 448.0 § 34 WPflG Nr. 7 S. 5 f. und vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 3 B 76.04 - juris Rn. 9). Dementsprechend ist ein Verfahrensfehler gegeben, wenn die Vorinstanz eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Fehlens eines berechtigten Interesses im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts für unzulässig erklärt, richtigerweise jedoch in der Sache hätte entscheiden müssen (Beschlüsse vom 16. Oktober 1989 - BVerwG 7 B 108.89 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 211 S. 41, vom 17. Dezember 2001 - BVerwG 6 B 61.01 - NVwZ-RR 2002, 323 <325>, vom 4. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 und vom 24. Oktober 2006 - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 S. 4 f.).

4 Für die Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO genügt jedes nach vernünftigen Erwägungen schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art (Urteil vom 12. September 1989 - BVerwG 1 C 40.88 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 206 S. 37 sowie Beschlüsse vom 17. Dezember 2001 a.a.O. S. 324 und vom 24. Oktober 2006 a.a.O. S. 5). Ein Rehabilitationsinteresse erfüllt diese Voraussetzungen, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist (Beschluss vom 18. Juli 2000 - BVerwG 1 WB 34.00 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 11 S. 23), namentlich weil der Betroffene durch die behördliche Maßnahme in seinem Persönlichkeitsrecht oder anderen Grundrechtspositionen in diskriminierender Weise beeinträchtigt worden ist (vgl. Beschlüsse vom 17. Dezember 2001 a.a.O. S. 324 und vom 4. Oktober 2006 a.a.O. S. 4). Dabei kann sich eine solche Beeinträchtigung auch aus der Begründung der streitigen Verwaltungsentscheidung oder den Umständen ihres Zustandekommens ergeben (Urteil vom 19. März 1992 - BVerwG 5 C 44.87 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 244 S. 87).

5 b) Nach diesen Maßstäben wird ein schutzwürdiges Rehabilitationsinteresse des Klägers entgegen seiner Ansicht nicht unter dem Gesichtspunkt begründet, dass die auf § 29 Abs. 7 WPflG gestützte Beendigung seiner besonderen Auslandsverwendung in Gestalt einer Wehrübung vor Ablauf der in dem Einberufungsbescheid festgesetzten Zeit im Falle ihrer Rechtswidrigkeit als Eingriff in einen ausgeübten Beruf als Stabsfeldwebel der Reserve zu qualifizieren wäre. Denn Berufscharakter hat im Soldatenrecht neben dem Dienstverhältnis eines Berufssoldaten nur der wie dieses in freiwilliger und einvernehmlicher Weise begründete Status eines Soldaten auf Zeit. Demgegenüber erfüllt der Wehrpflichtige auf Grund des einseitigen Hoheitsaktes der Einberufung eine öffentliche Dienstleistungspflicht. Hierin kann eine berufliche Tätigkeit nicht erblickt werden (Urteil vom 28. Februar 1973 - BVerwG 8 C 116.70 - BVerwGE 42, 20 <24> = Buchholz 448.0 § 29 WPflG Nr. 8 S. 27; vgl. auch: Urteil vom 31. Januar 1980 - BVerwG 2 C 16.78 - BVerwGE 59, 361 <365> = Buchholz 238.4 § 55 SG Nr. 8 S. 8). Das zweijährige Dienstverhältnis des Klägers als Soldat auf Zeit hatte bereits im Jahr 1966 geendet. Zu der hier in Rede stehenden besonderen Auslandsverwendung in Gestalt einer Wehrübung in der vorgesehenen Zeit vom 22. November 2004 bis zum 22. Juni 2005 war er im Rahmen seiner weiter bestehenden Wehrpflicht auf der Grundlage der §§ 6a, 23 WPflG durch den Einberufungsbescheid vom 17. November 2004 herangezogen worden.

6 c) Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Rehabilitationsinteresses darauf beruft, er sei durch die von ihm für rechtswidrig erachtete vorzeitige Beendigung der Wehrübung und die damit verbundene Entlassung aus dieser in seiner Ehre und Würde verletzt worden, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass diese Maßnahme, die § 29 Abs. 7 WPflG für den Fall vorsieht, dass der Übungszweck einer Wehrübung nicht mehr erreicht werden kann, für sich genommen dem Ansehen des Wehrübenden nicht abträglich ist und auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit nicht ohne Weiteres eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen zur Folge hat. Denn sie stellt von ihrer Art her keine Maßregelung, sondern im Gegenteil eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar (Steinlechner/Walz, WPflG, 7. Aufl. 2009, § 29 Rn. 47).

7 Auch aus der konkreten Begründung der Entlassungsverfügung vom 4. April 2005 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 26. Juli 2005 ergibt sich unmittelbar keine die Ehre und Würde des Klägers beeinträchtigende Wirkung. In ihr wird lediglich ausgeführt, der Zweck der Wehrübung sei infolge der vorzeitigen Rückführung (Repatriierung) des Klägers nach Deutschland, die auf der Grundlage einer medizinischen Indikation stattgefunden habe, weggefallen.

8 Ferner hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt, dass die Entscheidung zur Repatriierung des Klägers am 5. März 2005 Grundlage und Voraussetzung der hier streitgegenständlichen Beendigungs- und Entlassungsverfügung war, aber auch im Zusammenhang damit ein Rehabilitationsinteresse des Klägers wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Recht verneint. Denn der Kläger macht zwar zutreffend geltend, dass die Rechtswidrigkeit der Repatriierung grundsätzlich die Rechtswidrigkeit der daran anknüpfenden vorzeitigen Beendigung der Wehrübung zur Folge haben muss. Gleichwohl vermag die für den Erlass der Repatriierungsentscheidung maßgebliche und von dem Kläger als ehrverletzend erachtete Annahme, bei ihm habe sich eine zunehmend akute Belastungsreaktion und Anpassungsstörung entwickelt, die ihn für die Fortsetzung des Einsatzes in Afghanistan verwendungsunfähig gemacht habe, unter dem Aspekt der Rehabilitation ein berechtigtes Interesse für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Beendigungs- und Entlassungsverfügung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht zu begründen. Ungeachtet des gestuften Verhältnisses, in dem diese Entscheidungen stehen, sind sie im Hinblick auf ein an ihre Begründung anknüpfendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse ebenso unabhängig voneinander, wie sie je für sich angefochten werden und separat in Bestandskraft erwachsen können. Der Kläger hat zudem erfolgreich Rechtsschutz im Hinblick auf die erledigte Entscheidung seiner Repatriierung gesucht. Auf seinen Antrag hin hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 11. Mai 2006 - BVerwG 1 WB 44.05 - (juris) festgestellt, dass die Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes des Klägers am 5. März 2005 rechtswidrig war. Bereits mit dieser Entscheidung ist dem Begehren des Klägers, wegen des von ihm als ehrkränkend empfundenen Verhaltens seiner Vorgesetzten Genugtuung in Form der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der ergriffenen Maßnahme zu erlangen, entsprochen worden. Dabei kommt dem Umstand keine Bedeutung zu, dass die Gründe des Beschlusses allein darauf abstellen, im Rahmen der Repatriierung des Klägers hätten die erforderliche Ermessensbetätigung durch den zuständigen truppendienstlichen Vorgesetzten und die gebotene Anhörung des Klägers nicht stattgefunden, und die Frage der Verwendungsfähigkeit des Klägers für den weiteren Auslandseinsatz zum Zeitpunkt seiner Rückführung nach Deutschland ausdrücklich offen lassen. Denn mit einem Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann die gerichtliche Feststellung eines bestimmten Rechtswidrigkeitsgrundes nicht verlangt werden (vgl. Beschlüsse vom 5. September 1984 - 1 WB 131.82 - BVerwGE 76, 258 <260 f.> und vom 23. November 1995 - BVerwG 8 C 9.95 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 280 S. 16), erst recht nicht in der hier gegebenen Konstellation der gestuften Entscheidungen in Bezug auf eine erledigte Maßnahme der nächsten Entscheidungsstufe. Hinzu kommt, dass entgegen dem Vortrag des Klägers kein Anhaltspunkt dafür besteht, die vorzeitige Beendigung der Wehrübung könnte eine etwa mit der Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Auslandseinsatzes verbundene ehrkränkende Wirkung verstärkt haben. Bereits mit der um mehrere Monate vorgezogenen Rückkehr des Klägers aus Afghanistan war offenkundig, dass die Wehrübung für ihn anders verlaufen war, als im Einberufungsbescheid vorgesehen, so dass nicht ersichtlich ist, inwiefern der Kläger durch die formale Beendigung der Übung einen zusätzlichen Ansehensverlust erlitten haben könnte.

9 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.