Beschluss vom 11.12.2003 -
BVerwG 6 B 64.03ECLI:DE:BVerwG:2003:111203B6B64.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.12.2003 - 6 B 64.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:111203B6B64.03.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 64.03

  • OVG Rheinland-Pfalz - 30.07.2003 - AZ: OVG 2 A 10770/03.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n und V o r m e i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

1. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen verleihen der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
a) Der Kläger hält "die Frage der Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes im juristischen Prüfungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz hinsichtlich des Ausschlusses von der mündlichen Prüfung nach Absolvierung und Bewertung eines Teils der im Ersten Staatsexamen zu erbringenden Prüfungsleistung, konkret: der Klausuren" für grundsätzlich bedeutsam. Er möchte geklärt wissen, "ob angesichts des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG durch den Ausschluss von der weiteren Prüfung nach den Klausuren der Gesetzgeber die Punktegrenze, bis zu der der Prüfling zur mündlichen Prüfung zugelassen wird und ab der er von der weiteren Erbringung von Prüfungsleistungen ausgeschlossen wird, selbst festlegen muss oder ob er diese Festlegung dem Verordnungsgeber übertragen darf". Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen.
Die grundsätzlichen Fragen zur Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes sind in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Danach verlangt der in Art. 20 GG verankerte und gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch für die Landesgesetzgebung geltende Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet "wesentlich" in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" (BVerfGE 98, 218 <251>). Der Vorbehalt des Gesetzes ist auch im Bereich des Prüfungsrechts zu beachten, soweit dieses den Zugang zu bestimmten Berufen regelt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber, wenn er einen Regelungsbereich nicht umfassend selbst ordnet, jedenfalls die Leitentscheidungen treffen muss, welche die Reglungsbefugnis des zur weiteren Rechtssetzung ermächtigten Verordnungsgebers nach Tendenz und Programm berechenbar macht (Urteil vom 1. Dezember 1978 - BVerwG 7 C 68.77 - BVerwGE 57, 130 <137>). Danach muss der Gesetzgeber im Bereich der prüfungsrechtlich geregelten Berufszulassungsvoraussetzungen Ziele und Inhalte der Ausbildung festlegen, zu deren Erfolgskontrolle die Prüfung dient.
Es ist nicht dargelegt, dass ein Revisionsverfahren zu weiteren Erkenntnissen führen könnte. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts zum Landesrecht hat der Gesetzgeber nämlich die erforderlichen Leitentscheidungen selbst getroffen. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Bestehensgrenze des § 9 Abs. 4 Satz 1 JAPO ihre Ermächtigungsgrundlage in § 7 Abs. 1 Nr. 2 JAG findet und dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 Satz 2 JAG selbst entschieden hat, dass bereits ein Versagen in dem schriftlichen Teil der Prüfung zum Nichtbestehen führt. Das Gericht hat weiter dargelegt, dass der Gesetzgeber zu erkennen gegeben habe, dass die früher gesetzlich geregelte Bestehensgrenze (§ 8 Abs. 4 Satz 3 JAG 1970), der gemäß die Prüfung nicht bestanden war, wenn in der schriftlichen Prüfung mehr als vier Einzelnoten oder die Gesamtnote jeweils geringer als 4,00 Punkte waren, im Grundsatz Bestand behalten sollte.
Von den Klausuren des Klägers sind, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, fünf mit weniger als vier Punkten bewertet worden, außerdem hat der Kläger in der Summe nur 30,5 Punkte erzielt. Das Nichtbestehen der Prüfung ergibt sich nach dem Landesrecht sowohl dann, wenn mehr als vier Aufsichtsarbeiten geringer bewertet sind als mit 4,00 Punkten als auch dann, wenn die Summe der Einzelbewertungen 32,00 Punkte unterschreitet. Jedenfalls die auf die Bewertung von mehr als vier Aufsichtsarbeiten abstellende Regelung der Juristischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung entspricht der früheren gesetzlichen Regelung, auf die nach den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts der Gesetzgeber Bezug genommen hat. Unter diesen Umständen hat der Gesetzgeber, soweit hier von Bedeutung, die Grenzen der Verordnungsermächtigung bestimmt und die erforderlichen Leitentscheidungen getroffen.
b) Die weitere Frage nach der Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung zielt auf die Prüfung, ob eine Bestehensregelung wie diejenige des § 9 Abs. 4 Satz 1 JAPO von der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsvorschriften über "Bewertung von Prüfungsleistungen" gedeckt ist. Diese Fragestellung berücksichtigt nicht, dass § 7 Abs. 1 Nr. 2 JAG nicht lediglich zum Erlass von Rechtsvorschriften über die Bewertung von Prüfungsleistungen, sondern weitergehend dazu ermächtigt, nähere Regelungen "über das Verfahren der juristischen Staatsprüfungen einschließlich Art, Zahl, Gegenstand und Bewertung der Prüfungsleistungen" zu treffen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass die weitergehende, die Bewertung von Prüfungsleistungen lediglich einschließende Ermächtigung zu Vorschriften "über das Verfahren der juristischen Staatsprüfungen" nicht zum Erlass einer Regelung wie derjenigen des § 9 Abs. 4 Satz 1 JAPO ermächtigen kann. Im Übrigen ist diese Frage jedenfalls in erster Linie auf die Auslegung des Landesrechts gerichtet, die dem Revisionsgericht grundsätzlich verschlossen ist.
c) Der Kläger hält ferner für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig, ob eine landesverordnungsrechtliche Vorschrift die Prüfer von dem "Überdenkensverfahren" für prüfungsspezifische Bewertungen ausschließen kann mit der Folge, dass (sinngemäß:) das Prüfungsamt die entsprechende Bewertung selbst vornehmen kann. § 3 Abs. 4 Satz 2 JAG schreibt vor, dass über den Widerspruch der Präsident des Prüfungsamtes "unter Beteiligung der betreffenden Prüfer" entscheidet. Das bedeutet nach den weiteren Darlegungen des Berufungsgerichts aber nicht, dass jeder Widerspruch die Einschaltung der betreffenden Prüfer verlangt. § 3 Abs. 4 Satz 2 JAG steht danach unter dem Vorbehalt näherer Regelungen über das Verfahren in der Prüfungsordnung. Eine solche Regelung enthält nach dem Verständnis des Oberverwaltungsgerichts § 9 Abs. 7 Satz 1 JAPO. Danach erhält der Prüfer nur dann Gelegenheit zur Überprüfung der Einwendungen und Abänderung der Bewertung, wenn auf Grund des Widerspruchs nach summarischer Prüfung ein Bewertungsfehler nicht ausgeschlossen ist. Letztere Wendung versteht das Oberverwaltungsgericht dahin, dass sich die Möglichkeit eines Fehlers ergeben muss. An die Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht ist der beschließende Senat gebunden. Mit einer Kritik daran kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt werden.
Es ist auch nicht klärungsbedürftig, dass das Landesrecht die Einschaltung der Prüfer zum Zwecke des "Überdenkens" der Prüfungsentscheidung von gewissen Voraussetzungen abhängig machen darf. In der Rechtsprechung des beschließenden Senats ist nämlich geklärt, dass der Anspruch auf verwaltungsinternes Kontrollverfahren zum Zwecke des Überdenkens der prüfungsspezifischen Wertungen - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht (weitgehend) voraussetzungslos besteht, sondern substantiierte Einwände im Sinne "wirkungsvoller Hinweise" auf Bewertungsfehler voraussetzt (Urteil vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 <138 f.>). Nichts anderes ergibt sich aus dem von dem Kläger angeführten Urteil vom 1. Juni 1995 - BVerwG 2 C 16.94 - (BVerwGE 98, 324 <330 f.>). Weiterhin ist geklärt, dass auch das Verfahren des "Überdenkens" der Prüfungsentscheidungen, soweit es für einen effektiven Schutz des Grundrechts der Berufsfreiheit erforderlich ist, in seinen wesentlichen Merkmalen vom Gesetzgeber festgelegt werden muss (Urteil vom 24. Februar 1993, a.a.O., S. 141) und dass dieses Verfahren der Korrektur von Bewertungsfehlern gleich welcher Art einschließlich solcher Fehler dient, die im gerichtlichen Verfahren nicht mit Erfolg gerügt werden können (vgl. Urteil vom 24. Februar 1993, a.a.O., S. 137; Urteil vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - BVerwGE 109, 211 <214>).
Hängt nach der dargelegten Rechtsprechung ein Anspruch auf ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren unter Beteiligung der Prüfer davon ab, dass der Prüfling seine Einwendungen "substantiiert" vorbringt, so begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, wenn hierzu eine "summarische Prüfung" des Prüfungsamtes unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Bewertungsfehlers erfolgt und dies in einer Rechtsverordnung bestimmt ist. Daraus folgt zugleich, dass auch die Frage der "verfassungs- und prüfungsrechtlichen Grenzen" für einen Ausschluss der Prüfer von dem "Überdenkensverfahren" durch Rechtsverordnung keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, das hierzu berufen ist (vgl. Urteil vom 4. Mai 1999 - BVerwG 6 C 13.98 - Buchholz 421.0 Prüfungsrecht Nr. 395, S. 20), lässt der Widerspruch des Klägers Bewertungsfehler der Prüfer nämlich nicht erkennen. Ob das Oberverwaltungsgericht bei der Erörterung der Einwendungen des Klägers in der Widerspruchsbegründung (Urteil S. 15 ff.) den in § 9 Abs. 7 Satz 1 JAPO an den Prüfling zulässigerweise gestellten Darlegungsanforderungen in jeder Beziehung gerecht geworden ist oder ob es diese, wie der Kläger meint, überspannt hat, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.