Beschluss vom 12.06.2006 -
BVerwG 1 B 80.06ECLI:DE:BVerwG:2006:120606B1B80.06.0

Beschluss

BVerwG 1 B 80.06

  • Bayerischer VGH München - 17.02.2006 - AZ: VGH 13a B 05.30781

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Juni 2006
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund, die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Februar 2006 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil seine Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

2 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt.

3 Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
„ob der Instanzrichter im Hinblick auf Artikel 10 EG die Qualifikationsrichtlinie (Artikel 11 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates der Europäischen Union vom 29.04.2004) bei seiner Entscheidung bereits vor der Umsetzung berücksichtigen und heranziehen kann (so VGH Baden-Württemberg) oder ob die Anwendung dieser Qualifikationsrichtlinie erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist in Betracht kommt (so VGH München)“. (Beschwerdebegründung S. 2 f.)

4 Die aufgeworfene Frage sei klärungsbedürftig, weil das Verwaltungsgericht in dem erstinstanzlichen Urteil die Qualifikationsrichtlinie als Auslegungshilfe herangezogen habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Voraussetzungen für den Widerruf des asylrechtlichen Schutzes nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht vorlägen. Demgegenüber habe das Berufungsgericht eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie vor Ablauf der Umsetzungsfrist abgelehnt und den Widerruf des Bescheids zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft als rechtmäßig angesehen. Da auch der VGH Baden-Württemberg die Berücksichtigung von EG-Richtlinien während des Laufs deren Umsetzungsfrist durch den Instanzrichter im Rahmen der gemeinschaftskonformen Auslegung nationaler Rechtsnormen für zulässig ansehe, bedürfe diese zwischen den Obergerichten streitige Rechtsfrage einer Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht.

5 Damit und mit dem weiteren Beschwerdevorbringen wird eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise dargelegt. Soweit die Beschwerde die Frage der Vorwirkung der Richtlinie 2004/83/EG für klärungsbedürftig hält, zeigt sie nicht - wie erforderlich - auf, inwiefern es in dem angestrebten Revisionsverfahren aufgrund der von der Vorinstanz festgestellten und nicht mit beachtlichen Rügen angegriffenen Tatsachen auf diese Frage ankäme. Das Berufungsgericht hat eine grundlegende Änderung der Verhältnisse im Irak bejaht; der Kläger habe wegen dieser Änderung bei einer Rückkehr in den Irak zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in absehbarer Zukunft keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG (UA S. 8). Die Beschwerde macht nicht ersichtlich, inwiefern sich insoweit bei Berücksichtigung von Artikel 11 der Richtlinie 2004/83/EG in einem Revisionsverfahren ein für den Kläger günstigeres Ergebnis ergeben könnte. Die Beschwerde verweist insoweit lediglich auf das erstinstanzliche Urteil, wonach im Rahmen von § 73 Abs. 1 AsylVfG zu untersuchen sei, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht vorübergehend sei, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden könne (Beschwerdebegründung S. 2 Mitte). Diese Kriterien hat aber auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt (UA S. 8), es hat die Gefährdungslage im konkreten Fall nur abweichend gewürdigt. Mit Angriffen gegen die tatsächliche Würdigung in dem angegriffenen Urteil ließe sich die Zulassung der Revision jedoch nicht erreichen. Im Übrigen geht die Beschwerde nicht auf das Urteil des Senats vom 1. November 2005 ein (BVerwG 1 C 21.04 - DVBl 2006, 511 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen), das sich grundlegend mit der Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG befasst. Das Berufungsgericht hat sich hierauf ausdrücklich bezogen (UA S. 13). In dem Urteil wird auch geklärt, dass es für den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nicht darauf ankommt, ob dem Ausländer wegen allgemeiner Gefahren im Herkunftsstaat eine Rückkehr unzumutbar ist (a.a.O. Rn. 24). Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern ein weitergehender oder erneuter Klärungsbedarf bestehen soll.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.