Beschluss vom 12.08.2003 -
BVerwG 4 BN 49.03ECLI:DE:BVerwG:2003:120803B4BN49.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.08.2003 - 4 BN 49.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:120803B4BN49.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 49.03

  • Bayerischer VGH München - 07.05.2003 - AZ: VGH 26 N 01.684

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und Prof. Dr. R o j a h n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Divergenzrügen greifen nicht durch.
a) Das Normenkontrollurteil enthält keinen Rechtssatz, der in Widerspruch zu Ausführungen im Senatsurteil vom 5. November 1999 - BVerwG 4 CN 3.99 - (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 137) steht. Nach Ansicht der Vorinstanz ist bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials grundsätzlich nicht nur das Interesse eines Betriebsinhabers zu berücksichtigen, den vorhandenen Betrieb weiter zu nutzen, sondern auch sein betriebliches Erweiterungsinteresse (UA S. 6). Dies leitet das Normenkontrollgericht nicht nur in verbaler, sondern auch in sachlicher Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht aus dem von ihm ausdrücklich zitierten Urteil vom 5. November 1999 her, in dem der Senat dargelegt hat, dass als potenziell abwägungserheblich nicht nur das Interesse an der weiteren Ausnutzung eines vorhandenen Betriebsbestandes, sondern auch das Bedürfnis nach einer künftigen Betriebsausweitung anzusehen ist. Die unter diesem Blickwinkel weiterhin geltend gemachte Abweichung von dem Senatsbeschluss vom 10. November 1998 - BVerwG 4 BN 44.98 - (Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 99) liegt ebenfalls nicht vor. Auch in dieser Entscheidung wird hervorgehoben, dass zu den abwägungserheblichen Belangen der Landwirtschaft das Interesse eines Landwirts an der Erhaltung seines Betriebs einschließlich einer normalen Erweiterung gehört, gleichzeitig aber klargestellt, dass vom Betriebsinhaber selbst noch als unklar bezeichnete Betriebserweiterungsabsichten nicht berücksichtigt werden müssen. Das Normenkontrollurteil liegt auf dieser Linie. Der Antragsteller hat nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts zwar Erweiterungsabsichten gegenüber dem Antragsgegner geäußert, seine Pläne aber nicht näher konkretisiert. Er hat sich nach den Angaben im angefochtenen Urteil damit begnügt, unklare Erweiterungsmöglichkeiten zu formulieren, und im Übrigen auf den allgemeinen Hinweis beschränkt, ihm müsse eine betriebliche Erweiterung im üblichen Umfang zugebilligt werden (UA S. 6).
b) Das Normenkontrollgericht hat keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der mit Aussagen kollidiert, die der Senat in den vom Antragsteller genannten Entscheidungen vom 19. Februar 1992 - BVerwG 4 NB 11.91 - (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 63), vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 4 CN 1.98 - (Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 136) und vom 16. Dezember 1999 - BVerwG 4 CN 7.98 - (Buchholz 406.11 § 215 a BauGB Nr. 5) gemacht hat. Danach stellt das Interesse, vor zusätzlichem Verkehrslärm verschont zu bleiben, ebenso wie das Interesse, vor Lärmbelästigungen auch unterhalb der Erheblichkeitsschwelle bewahrt zu bleiben, einen abwägungserheblichen Belang dar. Diese Rechtssätze finden sich in wörtlicher Wiederholung oder in sinngemäßer Wiedergabe im Normenkontrollurteil wieder. Die Vorinstanz führt aus, dass das Interesse des Antragstellers an der Vermeidung der Verkehrsimmissionen durch den zu erwartenden Kraftfahrzeugverkehr unmittelbar entlang der Westgrenze seines Grundstücks einen abwägungsbeachtlichen Belang darstelle, da sich die Rechtsordnung gegenüber den Belangen des Verkehrslärmschutzes und ihrer Relevanz für die Bauleitplanung nicht neutral verhalte. Sie fügt hinzu, dass abwägungsrelevant auch Lärmeinwirkungen sein könnten, die nicht die Schwelle erreichten, bei deren Überschreiten nach den einschlägigen technischen Regelwerken Lärmschutzmaßnahmen zwingend geboten sind (UA S. 9). Der Antragsteller hält der Vorinstanz unter Hinweis auf die Schlüsse, die sie aus der schalltechnischen Untersuchung vom 20. März 2003 gezogen hat, der Sache nach vor, dem Bedeutungsgehalt nicht gerecht geworden zu sein, der sich aus den zuvor aufgestellten abstrakten Rechtssätzen ergibt. Selbst wenn dieser Vorwurf zuträfe, wäre damit ein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargelegt. Die fehlerhafte Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht formulierten, vom Tatrichter nicht als solchen in Frage gestellten Rechtssatzes stellt keine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift dar.
c) Auch für eine Abweichung vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember 2002 - 1 BvR 1402/01 - (UPR 2003, 143) gibt das Beschwerdevorbringen nichts her. Das Normenkontrollgericht hat nicht verkannt, dass vor dem Hintergrund des Art. 14 GG durch einen Bebauungsplan Eigentümerbefugnisse nicht weiter eingeschränkt werden dürfen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Es hat in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts geprüft, ob sich der Zweck, den als Teil eines Biotopverbundnetzes ökologisch bedeutsamen und das Ortsbild prägenden Obstbaumkomplex zu erhalten, mit einem geringeren Eingriff in das Eigentum des Antragstellers erreichen lässt. Eine unverhältnismäßige Belastung stellt die auf § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB gestützte Festsetzung nach seiner Einschätzung deshalb nicht dar, weil die Einschränkung dadurch ausgeglichen wird, dass die übrige Grundstücksfläche in erhöhtem Maße baulich genutzt werden kann, und weil der Antragsteller durch die ihm auferlegten Bindungen in der baulichen Ausnutzbarkeit seines Grundstücks im Vergleich zu anderen Grundstückseigentümern nicht schlechter gestellt wird. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, in welcher Richtung sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember 2002 weitergehende Anforderungen sollten ergeben können.
2. Der geltend gemachte Verfahrensverstoß liegt nicht vor.
Nach Ansicht der Beschwerde hat das Normenkontrollgericht den Angaben, die der Bürgermeister des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, eine Bedeutung zuerkannt, die es ihnen auch unter Berücksichtigung des bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung zuzubilligenden Freiraums nicht hätte beimessen dürfen. Der Antragsteller meint, den Aufstellungsunterlagen entnehmen zu können, dass der Gemeinderat des Antragsgegners entgegen den Bekundungen des Bürgermeisters eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn die von ihm ausgeübte Landwirtschaft nicht als Hobby-, sondern als landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb eingestuft worden wäre. Aus seinem eigenen Vorbringen ergibt sich indes, dass die umstrittene Einordnung für die Festsetzung als Mischgebiet keine ausschlaggebende Rolle gespielt haben kann. Er macht selbst nicht geltend, dass der Gemeinderat je nach dem Ergebnis der Prüfung, ob im Plangebiet landwirtschaftliche Betriebe vorhanden sind oder nicht, vor der Wahl stand, ein Mischgebiet oder ein Dorfgebiet auszuweisen. Er räumt ein, dass die Festsetzung eines Dorfgebiets zu keiner Zeit als Planungsziel verfolgt wurde, sondern allenfalls als Gegenstand einer späteren Planänderung für den Fall in Erwägung gezogen wurde, dass es in dem Baugebiet wider Erwarten doch zu Konflikten zwischen Wohn- und landwirtschaftlicher Nutzung kommen sollte. Als Alternative zur Festsetzung als Mischgebiet stand nach seinen Angaben zur Diskussion allein die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets. Seine Schilderung der Aufstellungsvorgänge lässt es nachvollziehbar erscheinen, dass der Antragsgegner von seiner ursprünglichen Vorstellung, ein allgemeines Wohngebiet auszuweisen, im Hinblick auf die Anforderungen, die sich aus dem Immissionsschutzrecht ergeben, im Laufe des Verfahrens abgerückt ist. Dagegen bezeichnet der Antragsteller keine Unterlagen, die sich als Beleg dafür werten lassen, dass der Gemeinderat die letztlich getroffene Entscheidung, statt eines allgemeinen Wohngebiets ein Mischgebiet festzusetzen, an die Voraussetzung geknüpft hat, im Plangebiet nicht auf einen landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betrieb Rücksicht nehmen zu müssen. Fehlt es an Anhaltspunkten, die auf einen solchen Bedingungszusammenhang hindeuten, so war es dem Normenkontrollgericht nicht verwehrt, vornehmlich auf der Grundlage der Erläuterungen des Bürgermeisters zu der Überzeugung zu gelangen, dass es für die rechtliche Beurteilung des angegriffenen Bebauungsplans nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Antragsteller mit seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit einem Hobby oder einem Nebenerwerb nachgeht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.