Beschluss vom 12.10.2009 -
BVerwG 6 PB 28.09ECLI:DE:BVerwG:2009:121009B6PB28.09.0

Leitsatz:

Das Mitglied einer Jugend- und Auszubildendenstufenvertretung hat im Verhältnis zum örtlichen Jugendvertreter keinen vorrangigen Weiterbeschäftigungsanspruch.

  • Rechtsquellen
    BPersVG § 9

  • OVG Lüneburg - 07.05.2009 - AZ: OVG 17 LP 29/07 -
    Niedersächsisches OVG - 07.05.2009 - AZ: OVG 17 LP 29/07

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.10.2009 - 6 PB 28.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:121009B6PB28.09.0]

Beschluss

BVerwG 6 PB 28.09

  • OVG Lüneburg - 07.05.2009 - AZ: OVG 17 LP 29/07 -
  • Niedersächsisches OVG - 07.05.2009 - AZ: OVG 17 LP 29/07

In der Personalvertretungssache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Oktober 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Vormeier
beschlossen:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen - vom 7. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2 1. Die Abweichungsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Der angefochtene Beschluss weicht nicht vom Senatsbeschluss vom 2. November 1994 - BVerwG 6 P 39.93 - (BVerwGE 97, 68 = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 10) ab, soweit dieser nicht ohnehin durch neuere Senatsrechtsprechung überholt ist.

3 Das im vorgenannten Senatsbeschluss (a.a.O. S. 77 ff. bzw. S. 9 f.) angesprochene Problem des Einstellungsstopps stellt sich hier nicht (vgl. dazu ferner Beschlüsse vom 13. September 2001 - BVerwG 6 PB 9.01 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 22 und vom 30. Mai 2007 - BVerwG 6 PB 1.07 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 28 Rn. 4). Über die Auswirkungen einer Besetzungssperre auf die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG ist zu entscheiden, wenn Stellen vorhanden sind, deren Zweckbestimmung auf die Qualifikation des Jugendvertreters zugeschnitten ist, so dass der Besetzung der Stelle mit dem Jugendvertreter ohne den Einstellungsstopp nichts im Wege stünde (vgl. Beschluss vom 1. November 2005 - BVerwG 6 P 3.05 - BVerwGE 124, 292 <309> = Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 25 Rn. 47). Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bereits an einer derartigen Widmung seitens der dafür zuständigen und verantwortlichen Stelle der Antragstellerin.

4 Nach der neueren Senatsrechtsprechung ist, wenn eine der Qualifikation des Jugendvertreters entsprechende Zweckbestimmung des Haushaltsgesetzgebers nicht vorliegt, ein freier Arbeitsplatz nicht deswegen vorhanden, weil eine im maßgeblichen Zeitpunkt freie Stelle ohne Verstoß gegen das Haushaltsrecht mit dem Jugendvertreter besetzt werden könnte. In Ermangelung entsprechender Vorgaben ist die Dienststelle nicht gezwungen, auf ihr zu Gebote stehenden freien Stellen Arbeitsplätze zu schaffen, die auf die Qualifikation von Jugendvertretern zugeschnitten sind, die ihre Weiterbeschäftigung geltend machen. Bei der Entscheidung über die Mittelverwendung obliegt ihr keine Prüfpflicht zugunsten des Jugendvertreters, deren Erfüllung der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Auf dieser Ebene der Entscheidungsfindung beschränkt sich die Wirkung von § 9 BPersVG auf eine Missbrauchskontrolle: Die Weiterbeschäftigung ist ausnahmsweise dann zumutbar, wenn die Entscheidung über die Zweckbestimmung der Mittelverwendung erkennbar das Ziel verfolgte, die Weiterbeschäftigung des Jugendvertreters zu verhindern. Die Entscheidung darüber, ob freie Stellen überhaupt in Anspruch genommen werden sollen und welche fachlichen Anforderungen gegebenenfalls zu stellen sind, ist als Wahrnehmung einer typischen Arbeitgeberfunktion von den Verwaltungsgerichten im Rahmen des Verfahrens nach § 9 Abs. 4 BPersVG nicht auf ihre Richtigkeit oder auch nur Plausibilität hin zu überprüfen. Vor Willkürentscheidungen ist der Jugendvertreter gleichwohl geschützt. Seine Weiterbeschäftigung ist zumutbar, wenn die Entscheidung der Dienststelle über die Verwendung freier Stellen erkennbar das Ziel verfolgte, seine Anstellung zu verhindern (vgl. Beschlüsse vom 1. November 2005 a.a.O. S. 300 ff. bzw. Rn. 30 ff., vom 11. März 2008 - BVerwG 6 PB 16.07 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 30 Rn. 9 und vom 26. Mai 2009 - BVerwG 6 PB 4.09 - juris Rn. 15). Diese Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht und in zutreffender Weise seiner Entscheidung zugrunde gelegt.

5 2. Mit seiner Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommt der Beteiligte zu 1 gleichfalls nicht zum Zuge.

6 Er will ausweislich der auf Seite 11 seiner Beschwerdebegründung formulierten Rechtsfragen geklärt wissen, ob der Weiterbeschäftigungsanspruch eines Mitgliedes der Jugend- und Auszubildendenstufenvertretung Vorrang hat gegenüber demjenigen eines Mitgliedes der örtlichen Jugend- und Auszubildendenvertretung und wie dieser Anspruch innerhalb des Geschäftsbereichs der übergeordneten Dienststelle zu sichern ist.

7 a) Es bestehen bereits durchgreifende Bedenken dagegen, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen entscheidungserheblich sind.

8 Das Oberverwaltungsgericht hat im hier interessierenden Zusammenhang - ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz in Dienststellen des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie außerhalb der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, der Ausbildungsdienststelle des Beteiligten zu 1 - Folgendes festgestellt: „Bei der Bundesnetzagentur sind ab dem Haushaltsjahr 2007 (ab 1. Januar 2007) fünf Einstellungsmöglichkeiten im mittleren Dienst vorhanden gewesen, die mit Elektronikern für Geräte und Systeme besetzt werden konnten. Diese Dauerstellen sind ohne Ausschreibung mit Jugendvertretern der Bundesnetzagentur besetzt worden, die einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 9 Abs. 2 BPersVG geltend gemacht hatten.“ (Beschlussabdruck S. 12).

9 Der Beteiligte zu 1 schließt daraus, zwischen ihm als Mitglied der Hauptjugendvertretung und fünf örtlichen Jugendvertretern der Bundesnetzagentur habe eine Konkurrenzsituation bestanden. Diese Annahme trifft jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen zu, die weder festgestellt noch behauptet wurden.

10 aa) Nach ständiger Senatsrechtsprechung kommt es für die Beantwortung der Frage, ob für den Jugendvertreter ein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz zur Verfügung steht, auf den Zeitpunkt der Beendigung der Berufsausbildung an; nach diesem Zeitpunkt frei werdende Arbeitsplätze sind nicht zu berücksichtigen (vgl. Beschlüsse vom 29. März 2006 - BVerwG 6 PB 2.06 - Buchholz 250 § 9 BPersVG Nr. 26 und vom 19. Januar 2009 - BVerwG 6 P 1.08 - juris Rn. 24). Maßgeblicher Stichtag war hier der 25. Januar 2007; an diesem Tag wurde dem Beteiligten zu 1 vom Prüfungsausschuss das Ergebnis der Abschlussprüfung bekannt gegeben (§ 21 Abs. 2 BBiG). Die genannten fünf Arbeitsplätze bei der Bundesnetzagentur waren nicht für den Beteiligten zu 1 verfügbar, soweit sie erst nach dem 25. Januar 2007 frei geworden sind.

11 bb) Sie standen für den Beteiligten zu 1 ebenfalls nicht zur Verfügung, soweit sie vor dem 25. Januar 2007 mit örtlichen Jugendvertretern der Bundesnetzagentur besetzt worden sind, die gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG ihre Weiterbeschäftigung verlangt hatten. Zwar kann sich der öffentliche Arbeitgeber regelmäßig nicht auf die Besetzung eines innerhalb der letzten drei Monate vor Ausbildungsende frei gewordenen Arbeitsplatzes berufen, weil er innerhalb dieses Zeitraumes gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG mit einem Übernahmeverlangen des Jugendvertreters rechnen muss (vgl. Beschluss vom 1. November 2005 a.a.O. S. 305 bzw. Rn. 37). Im vorliegenden Fall musste die Antragstellerin jedoch nicht mit einem sich auf die Bundesnetzagentur erstreckenden Übernahmeverlangen des Beteiligten zu 1 rechnen, weil es nach der damaligen Senatsrechtsprechung auch für Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenstufenvertretungen lediglich auf freie Arbeitsplätze in der Ausbildungsdienststelle ankam (vgl. Beschluss vom 1. November 2005 a.a.O. S. 296 bzw. Rn. 21). Die Senatsrechtsprechung wurde insoweit erst mit dem Beschluss vom 19. Januar 2009 (a.a.O. Rn. 34) geändert.

12 cc) Eine Konkurrenzsituation konnte gleichfalls nicht auftreten, soweit am 25. Januar 2007 bei der Bundesnetzagentur mindestens ein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz existierte, der weder besetzt noch nach Maßgabe der genannten Dreimonatsregel zugunsten eines anderen Jugendvertreters zu reservieren war. In diesem Fall war der Arbeitsplatz mit dem Beteiligten zu 1 zu besetzen.

13 dd) Die mit der Grundsatzrüge vorgestellte Konkurrenzsituation konnte sich nur ergeben, soweit einer der genannten fünf Jugendvertreter bei der Bundesnetzagentur ebenfalls am 25. Januar 2007 oder in den folgenden drei Monaten danach die Abschlussprüfung bestanden hat; im letztgenannten Fall kam er in den Genuss der erwähnten Reservierungsregel. Dass genau diese Fallkonstellation gegeben war, ist weder vom Oberverwaltungsgericht festgestellt noch vom Beteiligten zu 1 behauptet worden (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 92a Satz 2 ArbGG).

14 b) Abgesehen davon haben die in der Beschwerdebegründung aufgeworfenen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung. Sie lassen sich nämlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen und vorliegender Senatsrechtsprechung eindeutig beantworten, so dass es ihrer Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

15 aa) Das Mitglied einer Jugend- und Auszubildendenstufenvertretung hat im Verhältnis zum örtlichen Jugendvertreter keinen vorrangigen Weiterbeschäftigungsanspruch. Seinem erhöhten Schutzbedarf wird dadurch Rechnung getragen, dass in die Arbeitsplatzbetrachtung alle Dienststellen im Geschäftsbereich der übergeordneten Dienststelle einbezogen werden, während es bei dem örtlichen Jugendvertreter nur auf dessen Ausbildungsdienststelle ankommt (vgl. Beschluss vom 19. Januar 2009 a.a.O. Rn. 25 ff.). Bezogen auf die einzelne Dienststelle ist das Schutzniveau beider Gruppen von Jugendvertretern gleichwertig. § 9 BPersVG bietet daher keinen Maßstab für die Auswahl, wenn mehrere Jugendvertreter um knappe Arbeitsplätze konkurrieren. Die Auswahl findet nach den allgemeinen Grundsätzen statt, wie sie für Bewerber ohne Personalvertretungsfunktionen gültig sind.

16 bb) Zum Schutz eines Mitgliedes der Jugend- und Auszubildendenstufenvertretung bedarf es keiner Ausschreibung. Macht dieses nach Maßgabe von § 9 Abs. 2 BPersVG ein Übernahmeverlangen geltend, so entsteht zu seinen Gunsten ein gesetzliches Arbeitsverhältnis. Dem Auflösungsantrag des öffentlichen Arbeitgebers nach § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG kann nur stattgegeben werden, wenn bei Ausbildungsende in keiner Dienststelle im Geschäftsbereich der übergeordneten Dienststelle ein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz zur Verfügung stand. Darauf bezieht sich die Ermittlungspflicht des Gerichts (vgl. zum Untersuchungsgrundsatz im Auflösungsprozess: Beschlüsse vom 1. November 2005 a.a.O. S. 306 f. bzw. Rn. 38 ff. und vom 26. Mai 2009 a.a.O. Rn. 5 ff.). Das Mitglied einer Jugend- und Auszubildendenstufenvertretung läuft daher nicht Gefahr, aus Unkenntnis über die Arbeitsplatzlage in den Dienststellen des Geschäftsbereichs den ihm gebührenden Schutz zu verlieren.

17 cc) Im Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG kann sich der öffentliche Arbeitgeber mit Erfolg auf die Besetzung von Arbeitsplätzen nur berufen, soweit er sie im Einklang mit der Schutzvorschrift des § 9 BPersVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung vorgenommen hat. Dies ist selbstverständlich und gilt auch für miteinander konkurrierende Weiterbeschäftigungsverlangen von Jugendvertretern.

Beschluss vom 21.06.2010 -
BVerwG 6 PB 28.09ECLI:DE:BVerwG:2010:210610B6PB28.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.06.2010 - 6 PB 28.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:210610B6PB28.09.0]

Beschluss

BVerwG 6 PB 28.09

  • Niedersächsisches OVG - 07.05.2009 - AZ: OVG 17 LP 29/07

In der Personalvertretungssache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Juni 2010
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge
beschlossen:

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde auf 5 000 € festgesetzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2, § 33 Abs. 1 und 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG analog).