Beschluss vom 12.12.2007 -
BVerwG 9 B 2.07ECLI:DE:BVerwG:2007:121207B9B2.07.0

Beschluss

BVerwG 9 B 2.07

  • VGH Baden-Württemberg - 05.10.2006 - AZ: VGH 8 S 967/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 5. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 33 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf alle Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) richtet sich vor allem gegen die Behandlung des in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrags. Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Antrag nicht entsprochen, weil zum einen das Beweisthema nicht entscheidungserheblich sei und es sich zum anderen um einen Ausforschungsbeweisantrag handele. Mit seinem gegen die erstgenannte - selbstständig tragende - Begründung gerichteten Einwand, die vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegte Rechtsauffassung sei unzutreffend, kann die Beschwerde bereits deshalb nicht durchdringen, weil dieser Einwand nicht die Verfahrensgestaltung, sondern die materielle Rechtsanwendung betrifft. Demgemäß ist ein Verfahrensfehler nicht schlüssig dargetan, ohne dass es auf den gegen die zweite Begründung gerichteten Einwand ankäme. Auch er ist im Übrigen nicht stichhaltig, denn auch im Verwaltungsprozess müssen unter Beweis gestellte Tatsachen nicht nur schlicht behauptet, sondern substanziiert dargetan werden.

3 Soweit die Beschwerde außerdem durch Bezugnahme auf die Ausführungen im Berufungszulassungsantrag, mit denen eine mangelnde Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht dargelegt werden sollte, entsprechende Aufklärungsmängel im berufungsgerichtlichen Verfahren geltend macht, wird sie dem Begründungserfordernis des § 133 Abs. 3 VwGO nicht gerecht. Abgesehen von Bedenken, die sich insoweit aus der pauschalen Verweisung auf das frühere Vorbringen ergeben (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15), versäumt sie es nämlich, nachvollziehbar zu begründen, warum sich dem Berufungsgericht hinsichtlich der in dem Berufungszulassungsantrag bezeichneten Umstände eine - in der Berufungsverhandlung nicht beantragte - weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. zu den Darlegungsanforderungen an eine Aufklärungsrüge Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.).

4 2. Ebenso wenig kann die Beschwerde mit der Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) durchdringen. Auch insoweit ist dem Begründungserfordernis nicht Genüge getan, weil die Beschwerde nicht die Rechtssätze benennt, mit denen das Berufungsurteil und das von ihr herangezogene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 1996 (BVerwG 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 = NVwZ 1996, 1016) angeblich voneinander abweichen sollen.

5 3. Die erhobene Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) rechtfertigt gleichfalls nicht die Zulassung der Revision.

6 Die Beschwerdeschrift beschränkt sich streckenweise darauf, die Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils nach Art einer Berufungsbegründung anzugreifen, ohne Fragen von fallübergreifender Bedeutung herauszuarbeiten. Das gilt für die Ausführungen im Teil 1 unter II 1 ebenso wie für diejenigen im Teil 2 unter A II 1 und 2.

7 Im Rahmen ihrer Ausführungen zum Lärmschutz (Teil 1 unter II 2) formuliert die Beschwerde die Frage,
inwieweit im Außenbereich belegene, bisher im Grunde lärmtechnisch wenig belastete landwirtschaftliche Anwesen mit dem Argument, man betreibe Landwirtschaft und würde sich insofern auch lärmtechnisch automatisch im Dorfgebiet definieren, eine hohe Lärmauflast ohne Anordnung von Maßnahmen des aktiven und passiven Lärmschutzes hinnehmen müssen.

8 Ungeachtet von Bedenken gegen die Klärungsfähigkeit dieser Frage, die aus den verwendeten vagen Formulierungen resultieren, wird die Beschwerde auch in dieser Hinsicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht; sie enthält keinerlei Angaben zur Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage, die sich mit Rücksicht auf die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, dass das Wohnhaus der Kläger mit Lärmwerten von maximal 46,1 dB(A) in der Nacht und damit weniger als selbst dem für Wohngebiete geltenden Grenzwert (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV) belastet werden wird, keineswegs von selbst versteht. Unabhängig davon bedarf die Frage, welche Immissionsgrenzwerte für ein landwirtschaftliches Anwesen im Außenbereich maßgeblich sind, nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. § 2 Abs. 2 Satz 2 der 16. BImSchV bestimmt ausdrücklich, dass bauliche Anlagen im Außenbereich nach Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 der Vorschrift entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit zu beurteilen sind. Das lässt, wie das Bundesverwaltungsgericht schon in seiner bisherigen Rechtsprechung zugrunde gelegt hat, ohne Weiteres den Schluss zu, für landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich seien die Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV einschlägig (vgl. Beschluss vom 30. Dezember 1996 - BVerwG 11 VR 25.95 - NVwZ-RR 1997, 525 <529>).

9 Auch mit ihren Ausführungen zu „Anforderungen und Regelungsdichte an eine infrastrukturprojektfertigende Umweltverträglichkeitsstudie“ (Teil 2 unter A II 3 und 4) zeigt die Beschwerde keinen Klärungsbedarf auf. Sie wirft - mit einigen Variationen in der Formulierung - im Kern die Frage auf, ob eine behördliche Trassenwahl schon dann keinen Bestand haben kann, wenn in einer im vorangegangenen Planfeststellungsverfahren gefertigten Umweltverträglichkeitsstudie Auswahlkriterien ohne notwendige Gewichtung verwandt worden sind, oder ob es ausreicht, wenn die Planfeststellungsbehörde die Gewichtung der für die Trassenwahl maßgeblichen Gesichtspunkte nachholt. Diese Fragestellung bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren.

10 Maßstab für die gerichtliche Beurteilung der behördlichen Trassenwahl war das für die hier in Rede stehende Landesstraße einschlägige fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot des § 37 Abs. 5 Satz 1 StrG BW. Auslegung und Anwendung dieser landesrechtlichen Bestimmung sind vom Revisionsgericht grundsätzlich nicht nachzuprüfen (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Revisibilität könnte die gestellte Frage vielmehr nur erlangen, wenn übergeordnete bundesrechtliche Maßstabsnormen, an denen die Auslegung und Anwendung der landesrechtlichen Vorschrift zu messen sind, ihrerseits ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwerfen würden (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 7. März 1996 - BVerwG 6 B 11.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.). Das ist nicht ansatzweise dargetan; die Beschwerde hat einen bundesrechtlichen Prüfungsmaßstab überhaupt nicht benannt.

11 Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung als reines Verfahrensgesetz (vgl. Beschluss vom 10. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 27.05 - Buchholz 406.251 § 11 UVPG Nr. 4 Rn. 18 m.w.N.) keine materiell-rechtlichen Vorgaben für die planerische Abwägung enthält. Beschränkt sich eine im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung gefertigte Umweltverträglichkeitsstudie nicht darauf, Auswirkungen der geprüften Alternativtrassen auf die Umwelt zu beschreiben und umweltfachlich zu bewerten, sondern nimmt sie mit rechtlich anfechtbaren Erwägungen die materiell-rechtliche Abwägungsentscheidung vorweg, so ist die Planfeststellungsbehörde dadurch nicht gehindert, mit eigenständigen, dem Abwägungsgebot standhaltenden Erwägungen die Trassenwahl zu treffen, ohne eine Wiederholung der Umweltverträglichkeitsprüfung veranlassen zu müssen.

12 Soweit die Beschwerde sich zur Geltendmachung weiterer Grundsatzfragen auf den Berufungszulassungsantrag der Kläger stützt, der wiederum auf die erstinstanzliche Klagebegründung und eine Anlage dazu verweist, ist dem Darlegungserfordernis nicht Rechnung getragen. Die Beschwerde hat es - jedenfalls - versäumt, in dieser Hinsicht einen Bezug zum angegriffenen Berufungsurteil herzustellen.

13 4. Die Beschwerde verweist ergänzend auf die Stellungnahme einer „Arbeitsgruppe UV-Bewertung“ vom 10. Januar 2007. Diese Bezugnahme ist nicht geeignet, unter weiteren selbstständigen Gesichtspunkten Revisionszulassungsgründe darzulegen. Dem Begründungserfordernis wird eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht, soweit der bevollmächtigte Rechtsanwalt sich lediglich Ausführungen der von ihm vertretenen Partei oder eines Dritten zu eigen macht, ohne dass erkennbar wird, dass er hierauf bezogen eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs vorgenommen hat (vgl. Beschluss vom 13. Juli 1989 - BVerwG 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1 S. 2). Die pauschale Bezugnahme in der Beschwerdebegründung auf die genannte Stellungnahme lässt eine eigene Sichtung, Prüfung und Durchdringung nicht erkennen, zumal die Angaben in der Beschwerdeschrift zu den in der Stellungnahme angesprochenen Zulassungsgründen zum Teil nicht einmal zutreffen. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wird darin nämlich nicht thematisiert. Unabhängig davon entsprechen die in Bezug genommenen Ausführungen nicht den Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde; teils verfehlen sie gänzlich den rechtlichen Gehalt der Zulassungsgründe (so die Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Versuch, das Zulassungsbegehren auf angebliche Verfahrensfehler im Planfeststellungsverfahren und im erstinstanzlichen Klageverfahren zu stützen), teils versäumen sie es jedenfalls, den geltend gemachten Zulassungsgrund sowohl in den ihn begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substanziiert darzutun (so die Ausführungen zu angeblichen Verfahrensfehlern im Berufungsverfahren; vgl. zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen wiederum den Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.).

14 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.