Verfahrensinformation

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Bezug auf 16 Verfahren.


Der Kläger zu 1 ist Nießbrauchberechtigter, der Kläger zu 2 Eigentümer eines denkmalgeschützten Anwesens. Seit den 1980er Jahren führen sie in Bezug auf dieses Anwesen zahlreiche, zum Teil sich über viele Jahre erstreckende Prozesse wegen Gebührenforderungen gegen die Stadt. Mit der Entschädigungsklage begehren sie eine angemessene Entschädigung für Nachteile, die ihnen aus ihrer Sicht infolge unangemessener Dauer dieser Verfahren entstanden sind.


Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat den Klagen i.H.v. jeweils 7 100 €  stattgegeben. Er hat die Klage hinsichtlich einer Vielzahl der Verfahren bereits als unzulässig angesehen, weil die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren für eine Anwendung des § 198 Abs. 1 GVG nicht erfüllt seien. Soweit die Klage nach Maßgabe der Übergangsvorschrift zulässig sei, hätten die Kläger infolge einer nicht gerechtfertigten Verfahrensverzögerung jeweils einen immateriellen Nachteil in der zugesprochenen Höhe erlitten. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision zu Klärung der Frage zugelassen, ob und inwieweit inhaltlich zusammenhängende Verfahren im Rahmen des § 198 GVG und des Art. 23 ÜGRG jeweils isoliert oder gemeinsam zu betrachten seien.


Beschluss vom 14.11.2016 -
BVerwG 5 C 10.15 DECLI:DE:BVerwG:2016:141116B5C10.15D0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.11.2016 - 5 C 10.15 D - [ECLI:DE:BVerwG:2016:141116B5C10.15D0]

Beschluss

BVerwG 5 C 10.15 D

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. November 2016
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
beschlossen:

Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Vormeier und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen wegen Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.

Gründe

1 Der Ablehnungsantrag bleibt ohne Erfolg.

2 1. Der Senat kann über den Antrag auf der Grundlage der dem Prozessbevollmächtigten der Kläger bereits mitgeteilten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter vom 14. November 2016 entscheiden. Diese genügen den Anforderungen des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 9 A 50.07 - NVwZ-RR 2008, 140 Rn. 2). Zu diesen dienstlichen Äußerungen hat auch der Prozessbevollmächtigte der Kläger in einem weiteren Schriftsatz vom 14. November 2016 zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs ausführlich Stellung genommen. Soweit er darin behauptet, eine Passage der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Vormeier sei "nicht genau zu lesen", ist dies zum einen angesichts seiner intensiven Auseinandersetzung hiermit nicht nachzuvollziehen. Zum anderen hat er die angeblich nicht genau zu lesende Passage - entgegen seiner Ankündigung - dem Schriftsatz nicht als Anlage beigefügt.

3 2. Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit findet nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des betreffenden Richters zu rechtfertigen. Maßgebend ist dabei, ob vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2007 - 9 A 50.07 - NVwZ-RR 2008, 140 Rn. 5 und vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - juris Rn. 37 m.w.N.). Solche Gründe liegen hier nicht vor.

4 a) Der Prozessbevollmächtigte der Kläger trägt vor, der von dem Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier für den 14. November 2016 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung sei "unverständlich" und "entgegen den Erfordernissen gemäß Art. 13 EMRK" vorbereitet worden. Der gesamte Sach- und Streitstand lasse sich ohne vorherige Zwischenentscheidungen bezüglich der beantragten Aussetzungen bzw. ohne vorherige Hinweise des Gerichts nicht in einem eintägigen Verhandlungstermin, der erst um 11.45 Uhr beginne, angemessen verhandeln.

5 Bei vernünftiger Würdigung der gesamten Umstände gibt die vorgenannte Rüge keinen Anlass, an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Das gilt zunächst, soweit ihre Unvoreingenommenheit damit in Frage gestellt wird, sie hätten es unterlassen, durch vorherige Zwischenentscheidungen und richterliche Hinweise auf eine Abschichtung des Streitstoffs hinzuwirken. Dies stellt keinen objektiven Ablehnungsgrund dar. Das Gericht ist grundsätzlich nicht gehalten, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Streitstoffes hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung nach der mündlichen Verhandlung ergibt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 180 Rn. 38 und Beschluss vom 9. September 2016 - 9 B 78.15 - juris Rn. 4 m.w.N.). Gerade die mündliche Verhandlung soll es dem Gericht ermöglichen, auf der Grundlage einer Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Beteiligten eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger trägt auch keine objektiven Anhaltspunkte dafür vor, die darauf schließen lassen, dass seine Befürchtung zutrifft, die abgelehnten Richter betrachteten die mündliche Verhandlung nur als "lästige Formalie".

6 Ebenso wenig lassen sich aus der vom Prozessbevollmächtigten der Kläger zunächst erbetenen und nunmehr gerügten Anberaumung der mündlichen Verhandlung um 11.45 Uhr objektive Anhaltspunkte für eine Parteilichkeit der abgelehnten Richter entnehmen. Selbst wenn sich die der Terminierung zugrunde liegende Einschätzung, das Verfahren in dem Termin erschöpfend behandeln zu können, als letztlich nicht zutreffend erwiese, gäbe dies keinen objektiven Hinweis auf eine Voreingenommenheit der abgelehnten Richter. Das Revisionsgericht hat als Spruchkörper unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung darüber zu befinden, ob sich der Streitstoff des Revisionsverfahrens an diesem Sitzungstag bewältigen lässt oder ob es einer Fortsetzung oder Vertagung bedarf.

7 Soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger auch deshalb Zweifel an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter hegen sollte, weil die Ablehnung seines Antrages auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier prozessual fehlerhaft gewesen sei, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Annahme eines objektiven Ablehnungsgrundes. Dass ein abgelehnter Richter bei der rechtlichen Beurteilung - hier der prozessualen Voraussetzungen für eine Terminverlegung - eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, reicht nämlich, selbst wenn die Ansicht rechtsirrig wäre, regelmäßig und so auch hier nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 4 B 71.91 - NJW 1992, 1186 <1187> und vom 20. Oktober 2011 - 9 B 86.11 - juris Rn. 3 m.w.N.). Dies gilt auch, soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger vorbringt, die abgelehnten Richter hätten in Bezug auf seine Person strengere Maßstäbe für das Vorliegen erheblicher Verlegungsgründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO "als in eigener Sache" angelegt.

8 b) Der Prozessbevollmächtigte der Kläger trägt zur Begründung seines Ablehnungsantrages des Weiteren vor, die "Ablehnung jeder Kommunikation" zu seinem "Ersuchen um eine Terminverlegung" sei "unverständlich" und stehe "im klaren Widerspruch" zum Handeln der abgelehnten Richter "in eigener Sache". Jedenfalls in Anbetracht der gesamten Umstände, wie sie auch den heute eingeholten und dem Prozessbevollmächtigten der Kläger übermittelten dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Vormeier und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen zu entnehmen sind, durfte ein verständiger Beteiligter aus der Ablehnung, kurz vor der mündlichen Verhandlung noch weitere verfahrensbezogene Telefongespräche mit einem der Beteiligten zu bereits schriftsätzlich behandelten und durch (abgelehnte) Anträge eingeführten Fragen zu führen, nicht auf die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter schließen.

9 c) Gleiches gilt, soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger beanstandet, der Vorsitzende Richter sei in seiner dienstlichen Äußerung nicht darauf eingegangen, "dass die erste Terminverlegung nicht allein auf Antrag" der Kläger erfolgt sei.

Urteil vom 14.11.2016 -
BVerwG 5 C 10.15 DECLI:DE:BVerwG:2016:141116U5C10.15D0

Leitsätze:

1. Der entschädigungsrechtliche Begriff des Verfahrens (Art. 23 ÜberlVfRSchG, §§ 198 ff. GVG) knüpft an den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens an. Bei der Rechtsverfolgung verschiedener prozessualer Ansprüche liegt nur dann ein Gerichtsverfahren im entschädigungsrechtlichen Sinne vor, wenn die Streitgegenstände in einem Ausgangsverfahren verbunden sind und verbunden bleiben.

2. Für die "Einleitung" des Verfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG und damit für den Beginn des materiellen Bezugsrahmens des Entschädigungsanspruchs ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens anhängig gemacht worden ist.

3. Eine im Stammverfahren zuerkannte Entschädigung für die bis zur Abtrennung erlittenen immateriellen Nachteile ist nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG auf die im abgetrennten Verfahren zu gewährende Entschädigung anzurechnen.

4. Zu den im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehören jedenfalls solche Beschwerden nicht, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren.

  • Rechtsquellen
    EMRK Art. 6 Abs. 1, Art. 13, 35 Abs. 1
    GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
    ÜberlVfRSchG Art. 23 Satz 1, 2 und 4
    GVG § 198 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 und 2, Abs. 6 Nr. 1, § 201 Abs. 3 Satz 1
    VwGO § 43 Abs. 2, § 54 Abs. 1, § 60 Abs. 1, § 67 Abs. 5 Satz 1, § 86 Abs. 1 und 3, § 90 Satz 2, § 93 Satz 2, § 104 Abs. 3 Satz 2, § 108 Abs. 2, § 117 Abs. 2 Nr. 4 und 5, Abs. 3 Satz 1, § 119 Abs. 1 und 2 Satz 2, § 120 Abs. 2, §§ 121, 138 Nr. 6, § 139 Abs. 3 Satz 3 und 4, § 142 Abs. 1 Satz 1, § 146 Abs. 2, § 153 Abs. 1
    ZPO § 47 Abs. 1, § 139 Abs. 4, § 283 Satz 1, §§ 318, 590 Abs. 1

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.11.2016 - 5 C 10.15 D - [ECLI:DE:BVerwG:2016:141116U5C10.15D0]

Urteil

BVerwG 5 C 10.15 D

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Februar 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Bezug auf dreizehn Gerichtsverfahren.

2 Der Kläger zu 1 ist Nießbrauchsberechtigter und der Kläger zu 2 Eigentümer eines denkmalgeschützten Anwesens in W. Die Kläger haben in Bezug auf dieses Anwesen gegen die Stadt W. zahlreiche verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten geführt, die sich zum Teil über viele Jahre erstreckten. In diesen Verfahren standen im Wesentlichen Abgabenbescheide der Stadt W. im Streit. Zudem ging es um Ansprüche auf Erlass und Änderung von Abrechnungsbescheiden, deren Vollstreckung oder Vollstreckungsandrohung, die Erstattung des von der Stadt W. Erlangten nach der Aufhebung von Gebührenbescheiden sowie um Zinsansprüche. Zwei Verfahren betrafen Restitutionsklagen gegen Urteile des Verwaltungsgerichts W. in den abgabenrechtlichen Streitigkeiten.

3 Mit der am 3. Juni 2012 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Klage haben die Kläger die Überlänge der Verfahren gerügt und die Gewährung einer angemessenen Entschädigung für immaterielle Nachteile begehrt. Außerdem haben sie die Feststellung beantragt, dass ihnen alle materiellen Nachteile zu ersetzen seien, die als adäquat kausale Folge erheblicher Grundrechtsverletzungen entstanden seien oder entstehen würden.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat der Klage zum Teil stattgegeben. Er hat die Beklagte verurteilt, an die Kläger jeweils eine Entschädigung in Höhe von 7 100 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen. Darüber hinaus hat er festgestellt, dass die Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 - 1 E 633/98 vor dem Verwaltungsgericht W. unangemessen war. Zum überwiegenden Teil hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf sieben Verfahren hat er sie bereits als unzulässig angesehen, weil die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG für eine Anwendung des § 198 Abs. 1 GVG nicht erfüllt seien. Dabei ist er entgegen der Auffassung der Kläger davon ausgegangen, dass mehrere Verfahren nicht schon dann als ein Gerichtsverfahren im Sinne der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG und der Anspruchsgrundlage des § 198 GVG anzusehen seien, wenn deren Streitgegenstände in einem unmittelbaren Zusammenhang zueinander ständen. Vielmehr sei jede Klage isoliert zu betrachten. Soweit die Übergangsvorschrift des Weiteren darauf abstelle, dass ein abgeschlossenes Verfahren Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei oder noch werden könne, bedeute dies, dass die Beschwerde dort zulässigerweise, also insbesondere auch unter Wahrung der Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK erhoben worden sei oder noch erhoben werden könne. Handele es sich wie im Falle der überlangen Verfahrensdauer um eine fortdauernde Verletzung eines Konventionsrechts und sei ein effektiver Rechtsbehelf nicht vorhanden, beginne die Frist mit dem Ende der Situation. Dementsprechend werde die Frist bei Beschwerden wegen der Verletzung des Rechts auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK mit der Zustellung der verfahrensabschließenden Entscheidung in Lauf gesetzt. Die Einhaltung der Frist sei für jedes einzelne Verfahren gesondert zu prüfen. Mit Blick auf Art. 35 Abs. 1 EMRK und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sogenannten fortdauernden Situation sei entgegen der Auffassung der Kläger keine Auslegung dahin geboten, Verfahren aufgrund eines engen sachlichen Zusammenhangs wie im Falle der Verfahren gegen Gebührenbescheide und deren Vollzug als Einheit zu betrachten mit der Folge, dass die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK erst mit dem Abschluss des letzten Verfahrens aus diesem Sachzusammenhang beginne. Des Weiteren sei die aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland gezogene Schlussfolgerung der Kläger nicht gerechtfertigt, es sei seit dieser Entscheidung sicher gewesen, dass der deutsche Gesetzgeber den von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelf schaffen werde, weshalb es nicht zum Rechtsverlust führen könne, wenn ein Kläger auf den Gerichtshof vertraut und auf den neuen Rechtsbehelf gewartet habe, statt innerhalb von sechs Monaten eine mangels Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe absehbar unzulässige Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu erheben. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Klage hinsichtlich sechs Verfahren nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG für zulässig erachtet hat, hat er aus den im Einzelnen dargelegten Gründen nur die Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 - 1 E 633/98 im Umfang von 71 Monaten als unangemessen angesehen. Zudem hat er angesichts der Verfahrensdauer von über 11 Jahren in der ersten Instanz auf einen schwerwiegenden Fall erkannt und zusätzlich zur Gewährung der Entschädigung die Feststellung der unangemessenen Verzögerung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausgesprochen. Die von den Klägern begehrte Feststellung der Entschädigungspflicht scheide hingegen aus, da die Kläger nicht aufgezeigt hätten, dass ihnen infolge der überlangen Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 - 1 E 633/98 materielle Nachteile entstanden seien.

5 Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren mit einem Haupt- und zwei Hilfsanträgen weiter. Sie machen geltend, das gerichtliche Verfahren sei in vielfacher Hinsicht fehlerhaft gewesen, und rügen zudem die Verletzung materiellen Rechts.

6 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II

7 Dem Antrag der Kläger auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht zu entsprechen. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO ist ausgeschlossen, wenn - wie hier - in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, ein Endurteil verkündet worden ist (§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das folgt aus der Funktion der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Diese besteht darin, die Prozesslage (wieder-)herzustellen, in der die durch Verfassung und einfaches Prozessrecht für das gerichtliche Erkenntnisverfahren geforderten bzw. gewährleisteten Handlungen und Erklärungen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten noch stattfinden können. Ist aber eine die Instanz abschließende Entscheidung verkündet worden, kann das Gericht, schon weil es gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 318 ZPO an dieses Endurteil gebunden ist, es also auch nicht ändern oder aufheben kann, keine der Urteilsfindung vorausgehenden Verfahrenshandlungen mehr vornehmen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 1991 - 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 10 und vom 13. September 1999 - 6 B 61.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 57 S. 2).

8 Die zulässige Revision der Kläger ist hinsichtlich des Haupt- (I.), des ersten (II.) und des weiteren Hilfsantrages (III.) unbegründet.

9 I. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist nicht aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Ihm haftet zwar ein Verfahrensmangel an, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Entschädigungsklage im Hinblick auf die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren - ÜberlVfRSchG - vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) als unzulässig abgewiesen hat (1.). Dies führt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof, da sich die Klageabweisung aus materiellrechtlichen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). Eine Aufhebung und Zurückverweisung ist auch nicht wegen eines anderen Verfahrensfehlers geboten (3.).

10 1. Die Abweisung der Entschädigungsklage hinsichtlich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 als unzulässig anstatt als unbegründet ist verfahrensfehlerhaft.

11 Eine Entscheidung durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil stellt einen Verfahrensfehler dar, wenn sie auf einer fehlerhaften Anwendung einer prozessualen Vorschrift beruht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 1968 - 8 C 110.67 - BVerwGE 30, 111 <113>, vom 21. Juli 2014 - 3 B 70.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 68 Rn. 20 und vom 3. August 2016 - 1 B 79.16 - InfAuslR 2016, 449 Rn. 2, jeweils m.w.N.). Dem steht gleich, wenn die Vorinstanz eine materielle Norm in Verkennung ihrer Rechtsnatur als Prozessrechtsnorm behandelt und eine Klage aufgrund dessen zu Unrecht als unzulässig abweist. So verhält es sich hier.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG dem Prozessrecht zugeordnet und das Vorliegen ihrer Voraussetzungen als Sachurteilsvoraussetzung angesehen. Die Vorschrift gehört jedoch dem materiellen Recht an, soweit sie den zeitlichen Geltungsbereich der materiellrechtlichen Vorschriften des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren regelt. Demzufolge ist die Frage, ob ein Kläger gemäß Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG seinen Entschädigungsanspruch auf den nach § 173 Satz 2 VwGO im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbaren § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. Mai 2016 (BGBl. I S. 1254), stützen kann, eine solche der Begründetheit (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - B 10 ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 21).

13 2. Bei einer fehlerhaften Prozessabweisung der Klage kann das Revisionsgericht in der Sache entscheiden, wenn die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine hinreichende Grundlage für eine Sachentscheidung bieten und auch im Falle einer Zurückverweisung kein anderes Ergebnis möglich erscheint (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. April 2002 - 4 C 4.01 - BVerwGE 116, 169 <175> m.w.N.). So ist es hier. Die Klage ist bezüglich der genannten Verfahren unbegründet.

14 Nach Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG gilt das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten, also am 3. Dezember 2011, bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Bei den genannten Verfahren handelt es sich jeweils um ein Verfahren im Sinne des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG (a). Sie waren auch am 3. Dezember 2011 abgeschlossen (b). Deren Dauer war zu diesem Zeitpunkt aber weder Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, noch konnte sie es werden (c).

15 a) Für den Begriff des Verfahrens im Sinne des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG gilt die in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthaltene Legaldefinition des Gerichtsverfahrens. Dem steht nicht entgegen, dass Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG durchgängig den Begriff des Verfahrens verwendet. Dieser gegenüber dem Begriff des Gerichtsverfahrens allgemeinere Begriff wird auch in der Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ("ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren") aufgegriffen. Für einen identischen Begriffsinhalt spricht, dass grundsätzlich von einem planvollen Handeln des Gesetzgebers ausgegangen werden darf und dass dieser dementsprechend dem zentralen Begriff eines Regelungskomplexes, hier dem des Gerichtsverfahrens, mit dem Rechte und Pflichten zugewiesen werden, in den verschiedenen Vorschriften des Regelungskomplexes ein einheitliches Begriffsverständnis zugrunde legen wollte. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.). Daran fehlt es hier. Vielmehr unterstreicht der sich aus der Entstehungsgeschichte ergebende Zweck der Vorschrift den engen Zusammenhang zu § 198 GVG und dessen Abs. 6 Nr. 1. Mit der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG soll die Anwendung der Entschädigungsklage nach § 198 GVG auf Altfälle erstreckt werden, um weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu entlasten (BT-Drs. 17/3802 S. 31).

16 Nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung, wo die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren gilt. Der Begriff der "Einleitung" erfasst alle Formen, mit denen ein Verfahren in Gang gesetzt werden kann, unabhängig davon, ob dies durch Antrag oder Klageerhebung geschieht oder ein Verfahren von Amts wegen eingeleitet wird. Mit dem "rechtskräftigen Abschluss" ist die Beendigung durch formell rechtskräftige Entscheidung sowie durch anderweitige Erledigung des Verfahrens insbesondere durch Antrags- oder Klagerücknahme, Einstellung, Vergleich oder Erledigungserklärung gemeint (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 5 C 5.14 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 24).

17 Bei dem Begriff "Gerichtsverfahren" geht das Gesetz von einer Orientierung an der Hauptsache aus, so dass nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren ein eigenständiges Verfahren darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 15; BGH, Urteile vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/13 - NJW 2014, 2443 Rn. 11 und vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13 - BGHZ 199, 190 Rn. 20). Mit der Hauptsache ist im entschädigungsrechtlichen Kontext der geltend gemachte Anspruch gemeint, über den innerhalb eines Verfahrens eine Entscheidung des Gerichts erstrebt wird. Ausgehend davon knüpft das Gesetz den Begriff des Gerichtsverfahrens mit der Orientierung an der Hauptsache an den Streitgegenstand. Der Streitgegenstand wird auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach dem sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff bestimmt und als der prozessuale Anspruch verstanden, der durch die erstrebte, im Klageantrag umschriebene Rechtsfolge und den Klagegrund, d.h. den Lebenssachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2014 - 9 B 63.13 - NVwZ-RR 2014, 856 Rn. 13 m.w.N.; s.a. BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09 - BGHZ 189, 56 Rn. 3). Die Hauptsache kann dabei aus einem oder mehreren Streitgegenständen bestehen. Bei der Rechtsverfolgung verschiedener prozessualer Ansprüche ist für die Annahme eines Gerichtsverfahrens im entschädigungsrechtlichen Sinn (Art. 23 ÜberlVfRSchG, §§ 198 ff. GVG) entscheidend, dass die Streitgegenstände in einem Ausgangsverfahren verbunden sind und verbunden bleiben. Dieses Auslegungsergebnis ergibt sich anhand der anerkannten Auslegungskriterien (aa). Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen (bb).

18 aa) Die streitgegenstandsbezogene Betrachtung ist bereits im Gesetzeswortlaut angelegt. Der Begriff des Gerichtsverfahrens wird in den §§ 198 ff. GVG durchgängig im Singular verwandt (vgl. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG: "... infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens ..."; § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG: "Im Sinne dieser Vorschrift ist ... ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von ..."; § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG: "... das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt ..."). Hätte der Gesetzgeber einen Entschädigungsanspruch (auch) für Ansprüche begründen wollen, die lediglich in einem materiellen Sachzusammenhang stehen, aber prozessual in getrennten Verfahren verfolgt werden, wäre eine Formulierung angezeigt gewesen, die das hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, wie beispielsweise in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG "... infolge unangemessener Dauer von Gerichtsverfahren ..." oder in § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG "die Gerichtsverfahren, von deren Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt ...".

19 Das Begriffsverständnis wird in systematischer Hinsicht insbesondere durch § 90 Satz 2 VwGO gestützt. Diese Vorschrift bestimmt den Beginn der Rechtshängigkeit der Streitsache in Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens. Die danach mit der Zustellung der Klage rechtshängig werdende Streitsache wird gekennzeichnet durch den Streitgegenstand. Entsprechendes gilt für den mit der Rechtshängigkeit korrespondierenden Begriff der Rechtskraft, deren Wirkungen in § 121 VwGO geregelt sind. Danach binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Allein der Streitgegenstand gibt klar und eindeutig Auskunft, worüber das Gericht zu entscheiden hat.

20 Die Anknüpfung des Verfahrensbegriffs an den Streitgegenstand entspricht vor allem dem sich aus der Entstehungsgeschichte der §§ 198 ff. GVG ergebenden Gesetzeszweck und der Funktion des Rechtsschutzes bei überlangen Gerichtsverfahren. Dieser dient der Verwirklichung und Wahrung eines Verfahrensrechts. Die Regelungen der §§ 198 ff. GVG sollen den Anspruch eines Verfahrensbeteiligten aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - in der Fassung vom 22. Oktober 2010 (BGBl. 2010 II S. 1198) auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit durch einen effektiven Rechtsbehelf sichern. Hierzu wird dem betroffenen Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eingeräumt, sein Recht auf ein zügiges Gerichtsverfahren durch die Verzögerungsrüge durchzusetzen (präventive Wirkung) und im Falle einer Verletzung seines Rechts einen Ausgleich für erlittene Nachteile zu erhalten (kompensatorische Wirkung; BT-Drs. 17/3802 S. 1, 15 f. und 18). Im Hinblick auf das zu sichernde Verfahrensrecht ist eine streitgegenstandsbezogene Betrachtung geboten. Es wäre damit nicht vereinbar, wenn für das Gerichtsverfahren im entschädigungsrechtlichen Sinn ein materieller Sachzusammenhang von Ansprüchen, die in unterschiedlichen gerichtlichen Ausgangsverfahren verfolgt werden, als ausreichend angesehen wird.

21 Dieses Ergebnis wird durch weitere historisch-genetische Hinweise bestätigt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber auch bei auf Dauer angelegten Verfahren von einer formellen, an dem jeweiligen Streitgegenstand ausgerichteten Sichtweise ausgegangen ist. Denn er legt sich darauf fest, bei den auf Dauer angelegten Betreuungs- und Vormundschaftsverfahren den Rechtsgedanken zu beachten, wonach jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, entschädigungsrechtlich ein selbstständiges Verfahren darstellt (BT-Drs. 17/3802 S. 23).

22 bb) Eine abweichende Auslegung ist mit Blick auf die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht geboten. Das gilt auch und gerade unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung dieser Konvention hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 22).

23 Der Gerichtshof räumt dem staatlichen Gesetzgeber bei der gesetzlichen Ausgestaltung des von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelfs einen weiten Beurteilungsspielraum ein, damit dieser den Rechtsbehelf so ausgestalten kann, dass er mit seinem Rechtssystem und seiner Rechtstradition in Einklang steht (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 29. März 2006 - Nr. 36813/97, Scordino/Italien - NVwZ 2007, 1259 Rn. 189 und vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07, Taron/Bundesrepublik Deutschland - NVwZ 2013, 47 Rn. 41; s.a. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 24). Der vom Gerichtshof zugebilligte Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Art und Weise, wie der von Art. 13 EMRK verlangte Rechtsbehelf zur Verfügung gestellt und der Verpflichtung nach dieser Vorschrift nachgekommen werden soll, umfasst auch die Bestimmung, wie der Begriff des Gerichtsverfahrens inhaltlich ausgefüllt wird. Es gibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Grund zu der Annahme, dass der mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 eingeführte Rechtsbehelf die damit verfolgten Ziele nicht erreicht und daher den Anforderungen der Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK nicht genügt (vgl. EGMR, Urteile vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07 - NVwZ 2013, 47 Rn. 41 und vom 15. Januar 2015 - Nr. 62198/11, Kuppinger/Bundesrepublik Deutschland - NJW 2015, 1433 Rn. 126 und 139; s.a. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 24). Das gilt auch für den Inhalt des zentralen Begriffs des Gerichtsverfahrens.

24 Eine andere Beurteilung ist insbesondere nicht wegen des Urteils des Gerichtshofs vom 15. Januar 2015 (Nr. 62198/11 - NJW 2015, 1433) angezeigt. Der Gerichtshof hat den eingeführten Rechtsbehelf zur Rüge einer gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK überlangen gerichtlichen Verfahrensdauer in dieser Entscheidung lediglich mit Blick auf den hier nicht einschlägigen Art. 8 EMRK beanstandet. Die durch das Rechtsschutzgesetz eingeführten Bestimmungen würden nicht den konkreten Anforderungen gerecht, die an einen Rechtsbehelf zu stellen seien, mit dem der Staat seinen positiven Verpflichtungen aus Art. 8 EMRK in Verfahren nachkommen solle, die das Recht eines Elternteils auf Umgang mit seinem kleinen Kind zum Gegenstand habe (a.a.O. Rn. 141). Hieraus lässt sich für die inhaltliche Ausgestaltung des Begriffs des Gerichtsverfahrens nichts herleiten. Insbesondere ergibt sich daraus kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass eine Anbindung des Begriffs an den sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff als den zentralen prozessualen Maßstab aller innerstaatlichen Gerichtsverfahrensordnungen mit Konventionsrecht nicht vereinbar ist.

25 Die Annahme der konventionsgerechten Ausgestaltung des innerstaatlichen Verfahrensbegriffs wird vielmehr durch die vor dem Inkrafttreten der §§ 198 ff. GVG ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt. Der Gerichtshof hat in einem Verfahren drei Individualbeschwerden, denen verschiedene innerstaatlich als selbstständige Gerichtsverfahren geführte Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zugrunde lagen, die nach seiner Feststellung in hohem Maße zusammenhingen, so dass es zwischen ihnen allgemeine sachliche Verknüpfungen gab und die Beschwerden selbst bei der Schilderung des Sachverhalts und der Rügen aufeinander Bezug nahmen, lediglich gemäß Art. 42 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung verbunden (EGMR, Urteil vom 20. Januar 2011 - Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08, Kuhlen-Rafsandjani/Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 62) und diese auch im Übrigen konventionsrechtlich nicht als ein Verfahren behandelt. Denn er hat die Zulässigkeit der Individualbeschwerden für die innerstaatlichen Verfahren weitestgehend getrennt geprüft (EGMR, Urteil vom 20. Januar 2011 - Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08 - juris Rn. 70 ff.). In gleicher Weise ist der Gerichtshof auch in einem von beiden Klägern geführten Beschwerdeverfahren vorgegangen. Die Kläger hatten in jenem Verfahren eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Hinblick auf die Dauer von fünf Verwaltungsgerichtsverfahren und eines zivilgerichtlichen Amtshaftungsverfahrens gerügt. Der Gerichtshof prüfte auch in diesem Fall die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde für jedes innerstaatlich als selbstständiges Gerichtsverfahren geführte Verfahren gesondert, obwohl die Verfahren in einem engen materiellen Sachzusammenhang standen (vgl. EMRG, Urteil vom 7. Januar 2010 - Nr. 40009/04, von Koester/Bundesrepublik Deutschland - juris).

26 b) Ein Verfahren ist im Sinne von Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG "abgeschlossen", wenn es im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG endgültig erledigt ist. Das folgt aus dem aufgezeigten systematischen Zusammenhang zwischen § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG und Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG sowie der dargelegten Zielsetzung der Übergangsvorschrift. In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben waren die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 am 3. Dezember 2011 abgeschlossen.

27 aa) Das Verfahren 1 E 489/98 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am 15. Februar 2005 durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Kläger (mit Schriftsatz vom 11. Februar 2005) und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. (mit Schriftsatz vom 15. Februar 2005) beendet. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt, in dem die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten dem Gericht vorgelegen haben.

28 bb) Das Verfahren 1 E 421/99 wurde mit der nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO mit Ablehnung des Antrags der Kläger auf Zulassung der Berufung am 16. Juli 2003 eintretenden Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 20. März 2003 abgeschlossen. Abgelehnt ist der Zulassungsantrag - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs - nicht schon in dem Zeitpunkt, zu dem der Beschluss gefasst wird, sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem der Urkundsbeamte die Ausfertigung des ablehnenden Beschlusses - wie hier am 16. Juli 2003 - zur Zustellung hinausgibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. August 1992 - 2 BvR 1129/92 - NJW 1993, 51).

29 Die unter den Aktenzeichen 1 E 1838/03 und 1 K 504/07 geführten Restitutionsklagen der Kläger ändern daran nichts. Das durch Nichtigkeits- oder Restitutionsklage eingeleitete Wiederaufnahmeverfahren nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO bildet nach den vorstehenden Ausführungen zum Begriff des Gerichtsverfahrens entschädigungsrechtlich ein eigenständiges Gerichtsverfahren (s.a. BSG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - B 10 ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 23, 26 und Urteil vom 10. Juli 2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 16). Denn es hat einen anderen Streitgegenstand als die mit einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage angefochtene Entscheidung. Streitgegenstand der Wiederaufnahmeklage ist allein die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und des früheren - rechtskräftig abgeschlossenen - Verfahrens (Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 153 Rn. 20). Dem steht - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht entgegen, dass im Falle einer erfolgreichen Wiederaufnahmeklage das Gericht, soweit der Wiederaufnahmegrund reicht, gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 590 Abs. 1 ZPO in eine erneute Verhandlung der Hauptsache eintritt, die Rechtskraft des angefochtenen Urteils mit rückwirkender Kraft beseitigt und die Sache erneut rechtshängig wird (vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 21. Juni 1988 - 9 C 5.88 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 88 S. 98 m.w.N.; s.a. BSG, Urteil vom 24. September 1992 - 9a RV 39/91 - SozSich 1993, RsprNr. 4491). Es reicht für die Annahme eines Gerichtsverfahrens im Sinne des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG und damit auch des Verfahrens im Sinne von Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG nicht aus, dass gerichtlich verfolgte Klageansprüche gegebenenfalls einen inhaltlichen Bezug aufweisen. Entscheidend ist vielmehr, dass diese auch formal in einem Verfahren verbunden sind und verfolgt werden. Das trifft auf das durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossene Verfahren und das Verfahren der Wiederaufnahme nicht zu.

30 (cc) Das von dem Kläger zu 2 geführte Verfahren 1 E 1838/03, in dem der Kläger zu 1 gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beigeladen worden war, wurde am 18. September 2007 abgeschlossen. Haben - wie in jenem Verfahren - der Kläger und der notwendig Beigeladene eines Verfahrens einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, tritt die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO erst mit der Ablehnung des Rechtsmittels gegenüber dem letzten Beteiligten ein. Denn im Fall der notwendigen Beiladung kann gemäß § 65 Abs. 2 VwGO die Entscheidung nur einheitlich gegenüber allen Beteiligten ergehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat als letztes Rechtsmittel den Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers zu 1 durch Beschluss vom 17. September 2007 abgelehnt. Dessen Ausfertigung wurde vom Urkundsbeamten am 18. September 2007 zur Zustellung herausgegeben.

31 Die gegen die ablehnenden Zulassungsbeschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs von den Klägern beim Bundesverwaltungsgericht eingelegten und gemäß § 152 Abs. 1 VwGO nicht statthaften Beschwerden haben den Eintritt der formellen Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 26. April 2006 nicht verhindert.

32 Soweit die unter dem Aktenzeichen 1 K 504/07 geführte Restitutionsklage die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 26. April 2006 - 1 E 1838/03 - zum Gegenstand hat, wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Diese gelten hier entsprechend, so dass die Restitutionsklage dem auf den 18. September 2007 datierten Abschluss des Verfahrens 1 E 1838/03 nicht entgegensteht.

33 (dd) Das Verfahren 1 E 2114/05 wurde am 26. April 2006 gemäß § 106 Satz 1 VwGO durch Vergleich zwischen dem Kläger zu 2 und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. erledigt.

34 (ee) Das Verfahren 1 E 512/97 wurde mit Ablauf der Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. Februar 2004 am 5. Juli 2004 beendet (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 19).

35 Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof in der im Urteil fehlenden Entscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO über die Kosten des Beigeladenen, keinen Hinderungsgrund für den Abschluss des Verfahrens 1 E 512/97 gesehen hat. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat der Kläger zu 2 den insoweit nach § 120 Abs. 1 VwGO erforderlichen Antrag auf Ergänzung des Urteils nicht binnen der Zweiwochenfrist des § 120 Abs. 2 VwGO gestellt, wodurch die Rechtshängigkeit des übergangenen Antrags endete (BVerwG, Urteil vom 22. März 1994 - 9 C 529.93 - BVerwGE 95, 269 < 273 f.>).

36 Des Weiteren ist der Verwaltungsgerichtshof im Einklang mit Bundesrecht davon ausgegangen, es sei für die Annahme des Abschlusses des Verfahrens 1 E 521/97 unschädlich, dass das Urteil vom 17. Februar 2004 nicht gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren entscheide. Das Fehlen einer derartigen Entscheidung kann keinen Einfluss auf den Abschluss des Verfahrens haben, weil diese nicht Teil der gemäß § 161 Abs. 1 VwGO von Amts wegen im Urteil zu treffenden Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist (BVerwG, Beschluss vom 18. November 2002 - 4 C 5.01 - NVwZ-RR 2003, 246 m.w.N.).

37 Einen Antrag nach § 164 VwGO auf Kostenfestsetzung haben die Kläger nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht gestellt, so dass sich die Frage, ob eine ausstehende Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren einen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verhindern kann, hier nicht stellt (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 2 Rn. 13 und vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R - BSGE 118, 102 Rn. 23).

38 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht dahin erkannt, dass der Abschluss des Verfahrens 1 E 512/97 durch die Erhebung einer Anhörungsrüge in dem Verfahren 1 E 425/04 nicht verhindert wurde. Denn das Anhörungsrügeverfahren stellt ein eigenständiges Verfahren im Sinne von Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG dar. Die nach der Trennung der Verfahren erhobene Anhörungsrüge im Verfahren 1 E 425/04 kann daher keine Auswirkung auf die Dauer des hier insoweit allein streitgegenständlichen Verfahrens 1 E 512/97 haben. Aus dem gleichen Grund hat der Verwaltungsgerichtshof zutreffend angenommen, dass die nach Angaben der Kläger mit dem Verfahren 1 E 512/97 im Zusammenhang stehenden rechtshängigen zivilgerichtlichen Streitigkeiten dem Abschluss des Verfahrens 1 E 512/97 nicht entgegenstehen.

39 (ff) Das Verfahren 1 E 442/99 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am 1. Mai 2005 durch übereinstimmende Erledigungserklärungen des Klägers zu 1 (mit am 1. Mai 2005 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 30. April 2005) und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. (mit Schriftsatz vom 25. April 2005) beendet.

40 (gg) Das Verfahren 1 E 2113/05 wurde mit dem nach gerichtlichem Vergleich erlassenen Anerkenntnisurteil des Verwaltungsgerichts vom 26. April 2006 beendet.

41 c) Zu den im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehören jedenfalls solche Beschwerden nicht, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12 - NJW 2014, 218 Rn. 9, 14 ff. und BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 Rn. 12; s.a. BSG, Beschluss vom 27. Juni 2013 - B 10 ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 25). Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerde sechs Monate nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung erhoben werden. Das gilt sowohl für Beschwerden, die am 3. Dezember 2011 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits anhängig waren als auch für solche, die zu diesem Zeitpunkt noch anhängig gemacht werden konnten (aa). Die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK beginnt für die im Sinne von Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG abgeschlossenen Verfahren mit deren innerstaatlichem Abschluss (bb). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 8. Juni 2006 (Nr. 75529/01, Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland - NJW 2006, 2389) steht dem nicht entgegen (cc). Nach diesen rechtlichen Vorgaben fehlt es im Hinblick auf die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 an einer im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG anhängigen Beschwerde (dd).

42 aa) Für den Ausschluss jedenfalls solcher Beschwerden, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren, spricht vor allem der sich aus der Entstehungsgeschichte ergebende Zweck der Übergangsvorschrift, weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden. Die Gefahr einer Verurteilung besteht allein bei solchen Individualbeschwerden, die innerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK erhoben wurden, werden oder noch werden können. Sie ist nicht gegeben, wenn die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht eingehalten wurde, wird oder werden kann. Denn bei dieser Frist handelt es sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte um eine zwingende Vorschrift, die vom Gerichtshof von Amts wegen anzuwenden ist (EGMR <GK>, Urteil vom 29. Juni 2012 - Nr. 27396/06, Sabri Günes/Türkei - NJW 2012, 2943 Rn. 29) und die die zeitlichen Grenzen einer Überprüfung durch den Gerichtshof bestimmt (EGMR <GK>, Urteile vom 22. Mai 2012 - Nr. 5826/03, Idalov/Russland - Rn. 128 und vom 29. Juni 2012 - Nr. 27396/06 - NJW 2012, 2943 Rn. 40). Würde Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG die Anwendung des § 198 GVG auch für solche Altfälle eröffnen, die Gegenstand von Beschwerden sind, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren, ginge der Vermeidungszweck ins Leere (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12 - NJW 2014, 218 Rn. 15). Entsprechendes gilt für den weiteren Zweck der Übergangsvorschrift, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu entlasten (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 31). Auch dieser Zweck kann bei Beschwerden, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren, allenfalls eingeschränkt zum Tragen kommen.

43 Die Gesetzesmaterialien unterstreichen diesen Befund. Dort wird unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK ausgeführt, dass der Verfahrensabschluss nicht länger als sechs Monate zurückliegen darf (BT-Drs. 17/3802 S. 31; so auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12 - NJW 2014, 218 Rn. 9 und 15).

44 Das Auslegungsergebnis überschreitet nicht die Wortlautgrenze. Nach Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG gilt dieses Gesetz für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Zwar weist die Verwendung des Begriffs "anhängige Beschwerden" in Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG bei isolierter Betrachtung tendenziell in die entgegengesetzte Richtung. Denn nach der herkömmlichen Definition setzt die Anhängigkeit in der Regel nur voraus, dass ein verfahrenseinleitendes Schriftstück bei Gericht eingeht. Käme es hierauf allein an, hätte es genügt, im Weiteren das Verb "ist" zu verwenden. Stattdessen hat der Gesetzgeber die Formulierung "noch werden kann" hinzugefügt. Dies deutet darauf hin, dass in Bezug auf die Anhängigkeit von einem weiter gefassten Begriffsverständnis auszugehen ist. Die Möglichkeit, eine Beschwerde noch anhängig zu machen, stellt ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal mit einem konstitutiven Regelungsgehalt dahingehend dar, dass für die Anhängigkeit mehr erforderlich ist als nur die Einreichung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12 - NJW 2014, 218 Rn. 9 und 16 f.).

45 Die Auslegung des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG, wonach jedenfalls solche Beschwerden nicht zu den anhängigen Beschwerden zählen, die die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zweifelsfrei nicht wahren bzw. nicht wahren können, begegnet insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit dadurch Verfahren, deren Dauer am 3. Dezember 2011 nicht Gegenstand einer fristgerechten Beschwerde war und deren Abschluss zu diesem Zeitpunkt länger als sechs Monate zurücklag, vom zeitlichen Anwendungsbereich des § 198 GVG ausgeschlossen sind, weil eine Beschwerde nicht mehr fristgerecht anhängig gemacht werden kann, handelt es sich um eine für eine Fristenregelung typische und im Ergebnis hinzunehmende Ungleichbehandlung. Sie kann angesichts des weiten gesetzgeberischen Ermessens gerade hinsichtlich des Wirksamwerdens einer den Rechtsschutz verbessernden Neuregelung unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG nicht beanstandet werden. Zudem ist sie durch die Gesetzeszwecke sachlich hinreichend gerechtfertigt und demzufolge hinzunehmen.

46 bb) Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist bei nach Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG am 3. Dezember 2011 abgeschlossenen Verfahren für den Beginn der Sechsmonatsfrist in der Regel auf den Abschluss in der allgemeinen bzw. Fachgerichtsbarkeit abzustellen (vgl. insoweit EGMR, Urteil vom 20. Januar 2011 - Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08 - juris Rn. 76 f.). Ausnahmsweise ist die Zustellung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung maßgeblich, wenn ein Verfahrensbeteiligter - anders als die Kläger in den hier in Rede stehenden Verfahren - vor dem Urteil in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland vom 8. Juni 2006 gegen eine Entscheidung der allgemeinen bzw. Fachgerichtsbarkeit Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt hat (vgl. EGMR, Urteil vom 20. Januar 2011 - Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08 - juris Rn. 71).

47 Die Anbindung des Fristbeginns an den innerstaatlichen Abschluss auch bezüglich der Verfahren, die am 3. Dezember 2011 abgeschlossen waren, folgt aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sogenannten fortdauernden Situation. Danach wird die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK erst mit der Beendigung einer derartigen Situation in Gang gesetzt, wenn ein innerstaatlicher Rechtsbehelf zu ihrer Behebung fehlt (vgl. EGMR <GK>, Urteil vom 29. Juni 2012 - Nr. 27396/06 - NJW 2012, 2943 Rn. 54 sowie Beschluss vom 14. Oktober 2008 - Nr. 6817/02, Iordache/ Rumänien - Rn. 50, jeweils m.w.N.). Diesen Vorgaben entspricht die hier zu beurteilende Situation. Nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt die behauptete Verletzung des Anspruchs auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit eine fortdauernde Situation dar, für deren Behebung die Bundesrepublik Deutschland bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am 3. Dezember 2011 keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK bereitstellte (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010 - Nr. 25756/09 - juris Rn. 30 m.w.N.).

48 Der Begriff der fortdauernden Situation wird vom Gerichtshof für eine Sachlage verwandt, in der die Beschwerdeführer durch fortdauerndes Handeln seitens des Staates zu Opfern werden. Erforderlich ist eine unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers. Es genügt nicht, dass ein Ereignis über einen Zeitraum wesentliche Folgen hat (EGMR, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - Nr. 6817/02 - Rn. 49 m.w.N.). Eine entsprechende Sachlage wird unter anderem in Fallkonstellationen angenommen, in denen die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten einer Person ein Recht gewährt, das eine positive (Schutz-)Pflicht für den Konventionsstaat begründet (vgl. EGMR <GK>, Urteil vom 18. September 2009 - Nr. 16064/90 u.a., Varnava u.a./Türkei - NVwZ-RR 2011, 251 Rn. 148 f.). Hierzu zählt insbesondere auch das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK. Danach hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf unter anderem ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Der Begriff der "zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinne dieser Vorschrift umfasst auch Verfahren, die nach innerstaatlichem Recht dem "öffentlichen Recht" zugeordnet werden, wenn das Ergebnis - so wie auch bei den hier in Rede stehenden Verfahren - für private Ansprüche und Verpflichtungen entscheidend wäre (EGMR, Urteil vom 13. Juli 2006 - Nr. 38033/02, Stork/Bundesrepublik Deutschland - NVwZ 2007, 1035 Rn. 26). Mit dem Recht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK korrespondiert die Pflicht des Staates, über derartige Streitigkeiten innerhalb angemessener Frist zu verhandeln und zu entscheiden. Solange die Gerichte dieser Verpflichtung nicht nachkommen, begründet dies die fortdauernde Situation, dass das Recht des betroffenen Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit kontinuierlich verletzt wird.

49 cc) Das Auslegungsergebnis wird durch das Urteil in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland vom 8. Juni 2006 nicht in Frage gestellt.

50 Aus diesem Urteil ist - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht herzuleiten, dass zumindest für die Verfahren, deren innerstaatlicher Abschluss am 8. Juni 2006 nicht länger als sechs Monate zurücklag, die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift als erfüllt anzusehen seien bzw. die Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK seit dem 8. Juni 2006 erst mit dem rechtskräftigen Abschluss eines Entschädigungsverfahrens nach § 198 GVG beginne. Die Kläger führen insoweit aus, es sei seit dem Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juni 2006 als gesichert anzusehen gewesen, dass der deutsche Gesetzgeber den von Art. 13 EMRK geforderten Rechtsbehelf schaffen werde. Es könne nicht zum Rechtsverlust führen, wenn ein Verfahrensbeteiligter darauf vertraut und auf den neuen Rechtsbehelf gewartet habe, statt innerhalb von sechs Monaten nach dem innerstaatlichen Abschluss des Verfahrens eine absehbar unzulässige Beschwerde beim Gerichtshof einzulegen. Denn es sei zu erwarten gewesen, dass der Gerichtshof die Beschwerde, wenn sie nach dem Inkrafttreten des neuen Rechtsbehelfs noch anhängig gewesen wäre, mit dem Hinweis darauf als unzulässig abgewiesen hätte, es seien noch nicht alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft. Die Inanspruchnahme des erst nach einem langen völkerrechtswidrigen Zustand geschaffenen neuen Rechtsbehelfs könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine mangels Erschöpfung des Rechtsweges absehbar unzulässige Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig gemacht werde. Diese Ausführungen überzeugen schon deshalb nicht, weil die Prämisse der Kläger unzutreffend ist, der Gerichtshof werde nach dem 8. Juni 2006 die bei ihm anhängigen Beschwerden oder noch anhängig werdenden Beschwerden mangels Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe als unzulässig abweisen.

51 Der Gerichtshof hat Entsprechendes in seinem Urteil vom 8. Juni 2006 weder ausdrücklich erklärt noch angekündigt. Die Prämisse der Kläger ist durch nachfolgende Entscheidungen des Gerichtshofs widerlegt. Insoweit ist auf das Urteil des Gerichtshofs vom 2. September 2010 (Nr. 46344/06, Rumpf/Bundesrepublik Deutschland - NJW 2010, 3355) zu verweisen. Die diesem Urteil zugrunde liegende Beschwerde war am 10. November 2006, und damit nach dem Urteil in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland anhängig gemacht worden. Des Weiteren ist das Urteil des Gerichtshofs vom 20. Januar 2011 (Nrn. 21980/06, 26944/07 und 36948/08 - juris) anzuführen, das drei Individualbeschwerden zum Gegenstand hatte, denen verschiedene Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zugrunde lagen. Die Beschwerden stammten vom 29. Mai 2006, 6. Juni 2007 und 11. Juli 2008. Die vor dem Sürmeli-Urteil eingereichte Beschwerde vom 29. Mai 2006 erklärte der Gerichtshof ohne weitere Begründung für zulässig (a.a.O. Rn. 78). Auch die Zulässigkeit der beiden nach dem Sürmeli-Urteil eingereichten Beschwerden verneinte der Gerichtshof - entgegen der Annahme der Kläger - nicht wegen Nichterschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe. Hinsichtlich der Beschwerde vom 6. Juni 2007 erkannte er vielmehr dahin, dass diese innerhalb der Sechsmonatsfrist eingereicht worden sei. Dabei stellt er für den Beginn der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK auf die Zustellung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab, weil die Verfassungsbeschwerde noch anhängig gewesen sei, als das Sürmeli-Urteil ergangen sei. Vor Erlass des Sürmeli-Urteils habe ein Verfahrensbeteiligter zu Recht noch davon ausgehen können, dass die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein wirksamer Rechtsbehelf gegen überlange Verfahren sei, sodass dem Betroffenen zuzugestehen sei, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten (a.a.O. Rn. 71). Die Beschwerde vom 11. Juli 2008 wies der Gerichtshof dagegen mangels Einhaltung der Sechsmonatsfrist als unzulässig zurück. Insoweit sei es angemessen, die Sechsmonatsfrist ab dem Tag der letzten Entscheidung der Familiengerichte zu berechnen. Der Beschwerdeführer habe zwar die Dauer des den Gegenstand dieser Beschwerde bildenden familiengerichtlichen Verfahrens mit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht beanstandet. Da die Einlegung der Verfassungsbeschwerde aber ein Jahr nach dem Sürmeli-Urteil erfolgt sei, sei dies für den Beginn der Frist ohne Belang (a.a.O. Rn. 77).

52 Der aus den beiden Urteilen abzuleitende Befund wird durch das Urteil des Gerichtshofs vom 15. Januar 2015 (Nr. 62198/11 - NJW 2015, 1433) nicht entkräftet. Mit ihm wird zwar der Teil der am 29. September 2011 anhängig gemachten Beschwerde, der sich auf die behauptete Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK bezieht, mangels Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe als unzulässig zurückgewiesen (a.a.O. Rn. 127). Diese Einzelfall gebliebene Entscheidung bildet aber keine hinreichend tragfähige Grundlage für eine allgemeingültige Schlussfolgerung in Bezug auf die Behandlung von Beschwerden durch den Gerichtshof nach dem Erlass des Sürmeli-Urteils, zumal der Schwerpunkt der Entscheidung in der behaupteten Verletzung der staatlichen Verpflichtungen aus Art. 8 EMRK in Verfahren, die das Recht eines Elternteils auf Umgang mit seinem kleinen Kind zum Gegenstand haben, liegt.

53 dd) Gemessen an dem dargelegten rechtlichen Maßstab ist bezüglich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 zum maßgeblichen Zeitpunkt keine anhängige Beschwerde gegeben.

54 Hinsichtlich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03 und 1 E 2114/05 war beim Gerichtshof am 3. Dezember 2011 keine Beschwerde anhängig. Da deren Verfahrensabschluss zu diesem Zeitpunkt - wie dargelegt - jeweils länger als sechs Monate zurücklag, konnten auch keine Beschwerden unter zweifelsfreier Einhaltung der Sechsmonatsfrist mehr anhängig gemacht werden.

55 Die bezüglich der Verfahren 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs jeweils am 13. Oktober 2010 erhobenen Beschwerden wahren mit Blick auf deren dargelegten innerstaatlichen Abschluss nicht die Sechsmonatsfrist. Dies gilt bezüglich des Verfahrens 1 E 2113/05 unabhängig davon, ob das Verfahren mit der Verkündung des Anerkenntnisurteils in der mündlichen Verhandlung am 26. April 2006, mit der Zustellung der Sitzungsniederschrift an den letzten Beteiligten am 12. Mai 2006 oder mangels Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung erst nach Ablauf der Frist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO am 26. April 2007 als im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG abgeschlossen anzusehen ist.

56 3. Das erstinstanzliche Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof leidet an keinem weiteren Verfahrensfehler, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof berechtigt.

57 a) Die Kläger rügen zu Unrecht, das angefochtene Urteil leide an einem Verfahrensfehler, weil der Tatbestand völlig unzureichend sei, insbesondere nicht den Mindestanforderungen des § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO genüge, und das Urteil deshalb im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen sei.

58 Die Vorschrift des § 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils nach § 117 Abs. 2 VwGO. Mithin gehört zu den Gründen im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO auch der Tatbestand im Sinne von § 117 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (BVerwG, Vorlagebeschluss vom 23. Mai 1991 - 7 C 34.90 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 23 S. 23). In ihm ist nach § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Die Tatbestandsschilderung soll eine aus sich heraus verständliche Darstellung des gesichteten und geordneten Prozessstoffes geben und das Parteivorbringen beurkunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 314 Satz 1 ZPO; vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1979 - 5 C 83.77 - juris Rn. 29). Dem Begründungserfordernis genügt es, wenn der Urteilstatbestand den aus der Sicht des Gerichts für seine Entscheidung wesentlichen Sachverhalt wiedergibt. Denn für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers ist die materiellrechtliche Ansicht des entscheidenden Gerichts maßgeblich. Eine erschöpfende Wiedergabe aller Tatsachen und allen Vorbringens ist nicht nötig (BVerwG, Beschlüsse vom Beschluss vom 18. August 1976 - 4 B 121.76 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 10 S. 6 und vom 3. Dezember 1996 - 5 B 193.95 - juris Rn. 4). Ebenso wenig verlangen § 117 Abs. 2 Nr. 4 und 5 VwGO eine äußere Trennung des Tatbestandes von den Entscheidungsgründen. Es reicht daher aus, wenn die nach Sicht des Gerichts erforderlichen tatsächlichen Feststellungen in den Entscheidungsgründen enthalten sind (BVerwG, Beschluss vom 1. September 2010 - 9 B 80.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 41 Rn. 7 m.w.N.). Bezogen auf den Tatbestand ist eine Entscheidung im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO daher nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn sie in tatsächlicher Hinsicht so mangelhaft begründet ist, dass die Tatbestandsschilderung ihre doppelte Funktion nicht mehr erfüllen kann. Das ist der Fall, wenn ein Tatbestand vollständig fehlt, sich der Entscheidung die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen nicht - auch nicht kurz und knapp - entnehmen lassen oder diese als Entscheidungsgrundlage gänzlich unbrauchbar sind (BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1993 - 2 C 14.91 - juris Rn. 29 und vom 4. April 2012 - 4 C 8.09 u.a. - juris Rn. 571; Clausing/Kimmel, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 117 Rn. 17). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein.

59 Es ist weder überzeugend vorgetragen noch ersichtlich, dass das angefochtene Urteil keine tatsächlichen Feststellungen enthält oder diese gänzlich unbrauchbar und daher nicht geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen. Die aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs entscheidungserheblichen Tatsachen, insbesondere auch zu Gegenstand und Verlauf der einzelnen streitgegenständlichen Ausgangsverfahren finden sich im Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils. Dass die Kläger die Sachverhaltsdarstellung unter Zugrundelegung ihrer abweichenden Rechtsauffassung für nicht ausreichend erachten, macht die angefochtene Entscheidung nicht zu einer solchen ohne Begründung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO.

60 b) Ohne Erfolg bleibt auch die gesondert erhobene Rüge der Verletzung des § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO, die nach Ansicht der Kläger durch die rechtswidrige Bescheidung der Tatbestandsberichtigungsanträge der Kläger mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Mai 2015 "verdeutlicht" werde.

61 Soweit Verstöße gegen diese Vorschrift - wie hier - damit begründet werden, dass der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten oder Unklarheiten enthalte, können diese ausschließlich mit einem Berichtigungsantrag nach § 119 Abs. 1 VwGO geltend gemacht werden. Die Entscheidung über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung ist gemäß § 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO unanfechtbar. Das hat zur Folge, dass sie nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht der Nachprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht unterliegt. Eine Verfahrensrüge, die im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Vorentscheidung erhoben wird, ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn sie einen Mangel betrifft, der als Folge der beanstandeten Vorentscheidung weiterwirkend der angefochtenen Sachentscheidung anhaftet (BVerwG, Beschluss vom 11. September 2015 - 7 B 21.15 - juris Rn. 8). Von einem derartigen Ausnahmefall könnte zwar auch auszugehen sein, wenn die Vorinstanz den Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes überhaupt nicht geprüft hat (vgl. Clausing/Kimmel, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, § 119 Rn. 9 m.w.N.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Tatbestandsberichtigungsanträge in der Sache geprüft.

62 c) Erfolglos rügen die Kläger als verfahrensfehlerhaft, dass die Beklagte vor dem Verwaltungsgerichtshof unter Verletzung des § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO von einem Richter als Beistand vertreten worden sei, der zu dieser Zeit Mitglied eines Spruchkörpers dieses Gerichts gewesen sei.

63 Nach § 67 Abs. 5 Satz 1 VwGO dürfen Richter nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Das Vertretungsverbot umfasst seinem Sinn und Zweck nach auch das Auftreten als Prozessbeistand. Die Trennung von richterlicher Tätigkeit und dem Auftreten als Bevollmächtigter dient dazu, den Anschein einer Voreingenommenheit des Gerichts zu vermeiden und Interessenkollisionen von vornherein auszuschließen (vgl. BT-Drs. 16/3655 S. 89 f., 94 und 98). Hierfür ist es unerheblich, ob der Richter vor dem Gericht, dem er angehört, als Prozessvertreter oder Prozessbeistand tätig wird. Die Rüge hat aber keinen Erfolg, weil die Kläger nicht in einer § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Weise substantiiert darlegen, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Denn sie setzen sich - was erforderlich gewesen wäre - nicht damit auseinander, dass die Beklagte abgesehen davon auch ordnungsgemäß durch eine Bedienstete im Statusamt einer Oberstaatsanwältin vertreten war.

64 d) Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg.

65 Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nur solche Teile des Prozessstoffes berücksichtigen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Dies setzt deren Kenntnis vom Prozessstoff voraus. Darüber hinaus darf das Gericht seine Entscheidung nicht ohne einen vorherigen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützen, mit dem auch ein sorgfältiger Verfahrensbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2009 - 5 C 24.08 - juris Rn. 34 sowie Beschlüsse vom 5. Juni 2014 - 5 B 75.13 - juris Rn. 12 und vom 8. Juli 2016 - 2 B 64.15 - juris Rn. 19, jeweils m.w.N.). Eine Rüge der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juni 2009 - 5 B 16.09 - juris Rn. 12, vom 14. Juni 2013 - 5 B 41.13 - juris Rn. 3 und vom 31. August 2016 - 4 B 36.16 - juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Gemessen daran ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hier nicht festzustellen.

66 aa) Soweit die Kläger eine Gehörsverletzung darin sehen, dass der Verwaltungsgerichtshof ihren Antrag auf Tatbestandsberichtigung, insbesondere ohne hierzu vorab mündlich zu verhandeln und auch im Übrigen rechtswidrig, abgelehnt habe, bleibt die Rüge schon wegen der Unanfechtbarkeit des insoweit ablehnenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Mai 2015 erfolglos.

67 bb) Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe erst in der mündlichen Verhandlung und damit zu spät gebotene Hinweise erteilt, die außerdem zu wenig konkret gewesen seien (vgl. § 86 Abs. 3, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 139 Abs. 4 ZPO), genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Gehörsverletzung. Die Kläger haben jedenfalls nicht aufgezeigt, warum die Hinweise zu vage gewesen sind und was von ihnen noch vorgebracht worden wäre, wenn der Verwaltungsgerichtshof vor der mündlichen Verhandlung aus ihrer Sicht ordnungsgemäße Hinweise erteilt hätte.

68 cc) Das Vorbringen, die erteilten gerichtlichen Hinweise seien zudem zu spät, nämlich erst zu einem Zeitpunkt protokolliert worden, als der Kläger zu 2 wegen Erschöpfung nicht mehr verhandlungsfähig gewesen sei, ist nicht geeignet, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darzutun. Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet für das Gericht zwar gegebenenfalls eine Hinweispflicht, wenn und soweit dies zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung notwendig ist. Er verpflichtet das Gericht aber nicht, die Hinweise, die demjenigen erteilt wurden, dem rechtliches Gehör im Verfahren zu gewähren ist, auch zu protokollieren. Sofern das Prozessrecht vorsieht, dass ein gerichtlicher Hinweis aktenkundig zu machen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO) oder zu protokollieren (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO) ist, dient dies allein dem Nachweis bzw. der Dokumentation für das Rechtsmittelgericht.

69 dd) Ohne Erfolg rügen die Kläger die Ablehnung ihrer in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge auf Vertagung als gehörsverletzend. Auch insoweit sind bereits die Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht erfüllt. Die Kläger zeigen namentlich nicht substantiiert auf, was sie bei einer Vertagung noch hätten vortragen wollen und dass dies entscheidungserheblich gewesen wäre.

70 ee) An einer ordnungsgemäßen Geltendmachung der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör fehlt es auch, soweit die Kläger die Ablehnung ihres Antrags auf Gewährung eines Schriftsatznachlasses (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 Satz 1 ZPO) beanstanden. Die Kläger legen nicht in einer dem Darlegungserfordernis genügenden Weise dar, was sie bei Gewährung des Schriftsatznachlasses noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätten. Hierfür wäre erforderlich, dass die von ihnen insoweit angeführten Erwägungen den geltend gemachten Entschädigungs- und Feststellungsanspruch grundsätzlich zu stützen in der Lage sind. Das ist auf der Grundlage des Klägervortrags nicht ausreichend erkennbar. Ihren Ausführungen zu der beanstandeten unterlassenen Beiziehung der Akten der Eilverfahren und dazu, dass sie bei einer sach- und zeitgerechten Förderung der Hauptsacheverfahren die Eilverfahren nicht in dem erfolgten Umfang verloren hätten, ist ein hinreichend konkreter Bezug zum Entschädigungs- und Feststellungsanspruch nicht zu entnehmen. Gleiches gilt für das weitere Vorbringen, aus den nicht beigezogenen Akten der Eilverfahren hätte sich ergeben, dass das Rechtsschutzbegehren von Anfang an auch auf die Beseitigung von rechtswidrigen Vollzugsfolgen gezielt habe, ihnen zunächst kein bzw. kein hinreichend effektiver Rechtsschutz gewährt worden sei und hierdurch für sie unzumutbare Belastungen, auch mit Verfahrenskosten bewirkt worden seien. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang darauf abstellen, der Verwaltungsgerichtshof hätte ihre Klage mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG nicht als unzulässig, sondern unbegründet ansehen müssen, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies im Ergebnis eine für sie günstigere Entscheidung hätte herbeiführen können. Des Weiteren fehlt eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs. Die Kläger verhalten sich weder dazu, dass ein weiterer Vortrag nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs nicht mehr erforderlich erscheine (Verhandlungsniederschrift über die öffentliche Sitzung vom 11. Februar 2015 S. 9) noch dazu, dass sich weder in der mündlichen Verhandlung noch unmittelbar davor neue Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art ergeben hätten, zu denen eine Stellungnahme nicht möglich gewesen wäre. Der Vortrag der Kläger erschöpft sich vielmehr im Kern in abstrakt bleibenden allgemeinen Ausführungen. Ein solches Vorbringen ist nicht geeignet, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzuzeigen.

71 ff) Soweit die Kläger kritisieren, der Verwaltungsgerichtshof habe ihren Vortrag nicht berücksichtigt, wonach das Verfahren 1 K 504/07 zumindest für den Kläger zu 2 eine Fortsetzung des Verfahrens 1 E 1838/03 sei und die Streitgegenstände der Verfahren 1 E 1838/03, 1 K 504/07 und 1 K 484/13 teilidentisch seien, was nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte genüge, um eine fortgesetzte Situation anzunehmen, begründet dies nicht den Vorwurf einer Gehörsverletzung. Denn der Verwaltungsgerichtshof geht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auf dieses Vorbringen ein. Dass er dabei zu anderen Schlussfolgerungen als die Kläger kommt, begründet keinen Gehörsverstoß. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 4. März 2016 - 5 B 5.16 - juris Rn. 4 und vom 28. Juli 2016 - 8 B 22.15 - juris Rn. 2, jeweils m.w.N.).

72 gg) Die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, weil er den Klägern in dem angefochtenen Urteil vorgeworfen habe, rechtsmissbräuchlich zu handeln, wenn sie "sich mehr als neun Jahre nach Abschluss des Verfahrens 1 E 425/04 auf eine unterbliebene gerichtliche Entscheidung über die am 13. Januar 2006 erhobene Anhörungsrüge beriefen", ist unbeachtlich, weil sie nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO erhoben worden ist ((1)). Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ändert daran nichts ((2)).

73 (1) Die Revisionsbegründungsfrist endete nach der gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO vom Vorsitzenden verfügten letztmaligen Verlängerung bis zum Samstag, dem 31. Oktober 2015, am Montag, dem 2. November 2015 (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Die Rüge wurde erst mit Schriftsatz vom 28./30. Mai 2016 erhoben. Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger in dem ergänzenden Schriftsatz vom 2. November 2015, der innerhalb der verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen ist, namentlich auf den Schriftsatz vom 30. März 2015 Bezug genommen haben, in dem gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs als überraschend beanstandet wird. Der Bezugnahme ist nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Kläger das angefochtene Urteil auch gegenüber dem Revisionsgericht als Überraschungsentscheidung rügen. Denn die Inbezugnahme des Schriftsatzes vom 30. März 2015 ist nicht im Rahmen der Begründung einer vermeintlich den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung erfolgt, sondern im Zusammenhang mit den Ausführungen zu angeblichen Defiziten des Tatbestandes.

74 (2) Für die von den Klägern beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO ist kein Raum. Zwar kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich auch gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gewährt werden. So verhält es sich hier aber nicht. Die Kläger haben ihre Revision unter anderem mit Schriftsätzen vom 29. Mai 2015, 28. Juli 2015 und 2. November 2015 fristgerecht begründet. Mittels des Wiedereinsetzungsantrags wollen sie die fristgerechte Revisionsbegründung um die in Rede stehende Gehörsrüge ergänzen. Die nachträgliche Ergänzung der Revisionsbegründung kann jedoch nicht Gegenstand eines Wiedereinsetzungsantrags sein. Sie steht der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht gleich. Verfahrensrügen können nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist weder nachgeschoben noch durch ergänzendes Vorbringen nachträglich schlüssig gemacht werden (BVerwG, Urteile vom 28. September 1967 - 8 C 44.65 - BVerwGE 28, 18 <21 f.> und vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 9).

75 hh) Aus demselben Grund führt auch die wegen angeblich verspäteter Entscheidung über den Aussetzungsantrag zum zweiten Sachkomplex erhobene Rüge einer das rechtliche Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung nicht zum Erfolg. Diese wird im Kern auf drei Gründe gestützt, die jeweils erst nach dem 2. November 2015 unterbreitet wurden. So berufen sich die Kläger erstmals im Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 darauf, der Verwaltungsgerichtshof habe eine Überraschungsentscheidung erlassen, soweit er die Zulässigkeit der Klage zum zweiten Sachkomplex verneint und ihren Antrag, das Entschädigungsverfahren hinsichtlich der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren auszusetzen, abgelehnt habe. Außerdem führen sie erstmals in diesem Schriftsatz aus, der Verwaltungsgerichtshof hätte über ihren Antrag, das Entschädigungsverfahren hinsichtlich der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren auszusetzen, entscheiden müssen, bevor er den Beschluss vom 29. Januar 2015 zur Abtrennung des Entschädigungsverfahrens betreffend das Ausgangsverfahren 1 K 504/07 erlassen habe, was ihrer Ansicht nach ebenfalls zu einer Überraschungsentscheidung führt. In den Schriftsätzen vom 21. und 22. Dezember 2015 machen die Kläger erstmals im Zusammenhang mit der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend, über den Aussetzungsantrag hinsichtlich der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren sei nicht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung, sondern erst durch die Ladung bzw. im angefochtenen Urteil entschieden worden, statt ihnen zuvor gemäß ihrem Antrag auf Bewilligung eines Schriftsatznachlasses Kenntnis von den nunmehr zentralen Erwägungen des Gerichts zu geben, die teilweise von der Begründung des die Aussetzung ablehnenden Beschlusses vom 8. Juli 2013 abwichen, und eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen. Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ermöglicht keine andere Entscheidung. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen, die hier entsprechend gelten.

76 e) Die Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahrens und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK) geht fehl.

77 Dabei braucht hier nicht entschieden zu werden, welche Maßstäbe im Einzelnen anzulegen sind, um unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens bzw. effektiven Rechtsschutzes von einem Verfahrensmangel auszugehen, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zwingt (vgl. bezüglich des Grundsatzes des fairen Verfahrens etwa BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2012 - 2 WD 34.10 - Buchholz 450.2 § 91 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 31 sowie Beschlüsse vom 3. März 2008 - 8 B 95.07 - ZOV 2008, 109 f.; vom 27. Januar 2012 - 5 B 2.12 - juris Rn. 11 und vom 17. Juni 2016 - 2 B 101.15 - juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Denn es fehlt in jedem Fall an der erforderlichen, hinreichend substantiierten Darlegung eines derartigen Verstoßes.

78 aa) Das gilt zunächst für die von den Klägern behauptete, vom Verwaltungsgerichtshof herbeigeführte Überforderung des Klägers zu 2 als Prozessbevollmächtigten. Soweit die Kläger eine Überforderung insbesondere daraus herleiten, dass der Verwaltungsgerichtshof durch seine Verfahrensgestaltung ihren Prozessbevollmächtigten, den Kläger zu 2, gezwungen habe, die Rechtsverteidigung in dem Entschädigungsverfahren wiederholt parallel zu dem bei ihm zeitgleich anhängigen Verfahren 5 A 1992/13 zu betreiben, enthält ihr Vortrag keine substantiierten und nachvollziehbaren Angaben dazu, weshalb ihr Prozessbevollmächtigter ein oder mehrere Mandate nicht an einen vertretungsbereiten Anwalt abgegeben hat bzw. hat abgeben können. Dies wäre hingegen geboten gewesen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein überlasteter Rechtsanwalt grundsätzlich gehalten ist, das eine oder andere Mandat an einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt weiterzuleiten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Januar 2015 - 4 BN 18.14 - juris Rn. 10 und vom 13. Oktober 2015 - 9 B 31.15 - juris Rn. 14). Zu einer substantiierten Darlegung, warum der Prozessbevollmächtigte das Verfahren trotz angeblicher Überlastung weiterbetrieben hat, hätte auch deshalb Anlass bestanden, weil dieser bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 7. August 2013 vorgetragen hat, "der Umfang der an sich zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes bestehenden Rechtsverteidigungserfordernisse ist dabei derart, dass diese vom Unterzeichner schon seit Jahren nicht mehr vollständig geleistet werden können (...)". Soweit die Kläger weiter vortragen, an den Kläger zu 2 als Prozessbevollmächtigten seien durch die "faktisch erzwungene Mitwirkung" an den Verhandlungen vom 20. November 2014 und 11. Februar 2015 "gnadenlose" Anforderungen gestellt worden, legen sie nicht dar, inwiefern durch die Ladung eines Rechtsanwalts zu zwei im Abstand von drei Monaten anberaumten mündlichen Verhandlungen eine Überforderung eintritt. Hinsichtlich des weiteren Vorwurfs, der Verwaltungsgerichtshof habe die Verfahrensgrundrechte der Kläger, insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz auch in dem Verfahren 5 A 1992/13 verletzt, wird nicht aufgezeigt, inwiefern etwaige Verfahrensfehler in einem anderen Verfahren das Verfahren des Entschädigungsrechtsstreits in rechtlich relevanter Weise beeinflusst haben sollen.

79 bb) An einer ordnungsgemäßen Darlegung des Verfahrensfehlers fehlt es auch, soweit die Kläger eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren bzw. auf effektiven Rechtsschutz darin sehen, dass der Verwaltungsgerichtshof den beantragten Schriftsatznachlass trotz der nachdrücklich geltend gemachten Erschöpfung des Klägers zu 2 abgelehnt habe. Die Kläger haben - wie bereits erwähnt - nicht dargetan, was sie bei Gewährung des Schriftsatznachlasses noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätten.

80 cc) Soweit die Kläger die Rüge der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren darauf stützen, der Verwaltungsgerichtshof habe das Entschädigungsverfahren bis zur ersten mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2013 in Bezug auf die an sie gestellten Anforderungen "überbeschleunigt", jedoch über die von ihnen bereits seit der Klageerhebung begehrte Aussetzung der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung (negativ) entschieden, haben sie nicht substantiiert ausgeführt, inwiefern das angefochtene Urteil auf diesem vermeintlichen Verfahrensfehler beruhen soll. Dessen ungeachtet ist dieses erstmals im Schriftsatz vom 21. Dezember 2015 unterbreitete Vorbringen auch verfristet, und eine diesbezügliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus den dargelegten Gründen aus.

81 dd) Schließlich genügt auch das Vorbringen der Kläger, es sei mit dem Erfordernis der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, dass der Verwaltungsgerichtshof das Entschädigungsverfahren betreffend die Ausgangsverfahren 1 K 504/07 und 1 K 1297/12 abgetrennt und erst im Anschluss daran über den Antrag auf Aussetzung des Entschädigungsverfahrens hinsichtlich der zum zweiten Sachkomplex gehörenden Ausgangsverfahren entschieden habe, nicht den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Kläger beschränken sich insoweit auf die Darlegung einer bloßen Vermutung, indem sie ausführen, diese Vorgehensweise beeinträchtige ihren effektiven Rechtsschutz, "[...], wenn und soweit dies im Ergebnis dazu führt, dass [...] nun die Übergangsvorschrift des Art. 23 GRÜG nicht mehr genutzt werden kann und aufgrund der Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG das frühere Verfahren nicht mehr Gegenstand einer Klage gemäß § 198 GVG sein kann". Die Darlegung einer Vermutung stellt indes keine ordnungsgemäße Bezeichnung des Verfahrensmangels dar.

82 f) Soweit die Kläger einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz als Verfahrensfehler rügen, ist fraglich, ob ein Verstoß gegen eine das gerichtliche Verfahren regelnde Bestimmung beanstandet wird. Dies kann hier aber offengelassen werden, weil die von den Klägern in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensweisen jedenfalls nicht die Annahme rechtfertigen, dass der Verwaltungsgerichtshof einen derartigen Verstoß begangen hat.

83 aa) Eine das Ergebnis des Entschädigungsverfahrens beeinflussende, sachlich nicht gerechtfertigte Verletzung des Gleichheitssatzes wird von den Klägern nicht aufgezeigt, soweit sie geltend machen, in den Ausgangsverfahren seien an die anwaltliche Vertretung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar hohe Ansprüche gestellt worden verglichen mit der jahrelangen Nachsicht bzw. Begünstigung der beklagten Stadt W. durch das Verwaltungsgericht W. sowie im Vergleich zu den besonders großzügigen Anforderungen bzw. Kriterien für eine noch hinreichende Rechtsschutzgewährung durch das Ausgangsgericht. Der darin enthaltene Vorwurf der angeblich ungleichen Anforderungen an das Verhalten der Kläger und das Verhalten der Stadt W. in den Ausgangsverfahren richtet sich an das Verwaltungsgericht W. als Ausgangsgericht und bezieht sich nicht auf den Ablauf des Entschädigungsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof. Soweit die Kläger darüber hinaus den Gestaltungsspielraum beanstanden, den der Verwaltungsgerichtshof im Entschädigungsverfahren dem Verwaltungsgericht W. bezogen auf das jeweilige Ausgangsverfahren zuerkennt, wenden sie sich gegen die Auslegung und Anwendung des § 198 Abs. 1 GVG durch die Vorinstanz. Die Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im Rahmen der Sachprüfung berührt indessen ebenfalls nicht den Verfahrensablauf, also den Weg zum angefochtenen Urteil und die Art und Weise seines Erlasses (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 5 B 7.14 - juris Rn. 8 m.w.N.).

84 bb) Aus demselben Grund bezeichnen die Kläger auch keinen Mangel des Entschädigungsverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, soweit sie die Bewertung der nicht gerechtfertigten Verzögerung in den Ausgangsverfahren 1 E 633/98, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 durch den Verwaltungsgerichtshof als Beispiel für die angebliche Ungleichbehandlung anführen.

85 cc) Die Rüge, in der Ablehnung des beantragten Schriftsatznachlasses sei auch eine willkürliche prozessuale Ungleichhandlung zu Lasten der Kläger zu sehen, greift schon mangels ordnungsgemäßer Darlegung der Verfahrensrüge nicht durch. Es fehlt insoweit vor allem - wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt - an einer substantiierten Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs für die Ablehnung des Schriftsatznachlasses, ohne die die behauptete willkürliche Ungleichbehandlung nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist.

86 g) Auch die von den Klägern jedenfalls der Sache nach erhobene Rüge, der Verwaltungsgerichtshof sei seiner Pflicht zur umfassenden Ermittlung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht ordnungsgemäß nachgekommen, bleibt ohne Erfolg.

87 Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts liegt nur dann vor, wenn das Gericht die Aufklärung eines Sachverhalts unterlassen hat, auf den es nach seiner eigenen materiellrechtlichen Rechtsauffassung ankommt. Lehnt ein Gericht einen Beweisantrag zu Recht mit der Begründung ab, die mit ihm behauptete Tatsache sei für die Entscheidung unerheblich, liegt ein Aufklärungsmangel nur vor, wenn das Gericht entgegen seiner eigenen Erklärung die behauptete Tatsache doch als für die Entscheidung bedeutsam behandelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 1989 - 7 B 31.89 - juris Rn. 17). Das ist gegebenenfalls von dem Kläger schlüssig darzutun. Im Übrigen muss für die ordnungsgemäße Begründung einer Verletzung der Aufklärungspflicht grundsätzlich vorgetragen werden, welche Tatsachen auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig gewesen wären. Außerdem ist darzulegen, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern das angefochtene Urteil auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 5 C 8.15 - NJW 2016, 1602 Rn. 33 und Beschluss vom 26. September 2016 - 5 B 2.16 D - juris Rn. 9, jeweils m.w.N.). Lehnt ein Gericht eine beantragte Beweiserhebung ab, ist zudem darzutun, dass die Ablehnung im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. August 1995 - 9 B 397.95 - InfAuslR 1996, 28 m.w.N. und vom 6. Juni 2012 - 7 B 68.11 - UPR 2013, 107 Rn. 14). Dem wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht.

88 aa) Soweit die Kläger beanstanden, ihre "Aufklärungs-/Beweiserhebungsanträge zu einer erheblichen Unterauslastung des zuständigen Verwaltungsgerichts und Verwaltungsgerichtshofs in der streitgegenständlichen Zeit (mindestens von 2004 bis 2012) sowie zu einer vorrangigen Förderung zeitlich späterer Verfahren ohne sachgerechte Ermessensausübung" seien nicht als erforderlich angesehen worden, übersehen sie, dass es nach der maßgeblichen und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung übereinstimmenden (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 28 m.w.N.) Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs auf die von ihnen für erforderlich gehaltenen Ermittlungen für den Ausgang des Entschädigungsverfahrens nicht ankommt. Danach sind die Bearbeitungs- und Belastungsgegebenheiten des jeweils zuständigen Spruchkörpers für die Bemessung des dem Gericht zur Entscheidung zuzugestehenden Zeitraums nicht entscheidungserheblich. Demzufolge ist eine etwaige Unterauslastung der Ausgangsgerichte in gleicher Weise wie deren etwaige Überlastung für die Bemessung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums ohne Belang. Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit steht im Einklang mit Prozessrecht. Die Kläger tragen nichts dafür vor, dass der Verwaltungsgerichtshof die angefochtene Entscheidung gleichwohl entscheidungstragend auf die Bearbeitungs- und Belastungsgegebenheiten des jeweils zuständigen Spruchkörpers gestützt hat.

89 bb) Soweit die Kläger einen weiteren Aufklärungsmangel in Bezug auf die unterlassene "Beiziehung weiterer Verfahrensakten von im Sachzusammenhang stehenden Verfahren" sehen, geben sie in diesem Kontext die Aktenzeichen der betreffenden Verfahren nicht an. Soweit sie sich in anderem Zusammenhang auf Akten von Eilverfahren beziehen, zeigen sie nicht substantiiert auf, was sich aus diesen Akten ergeben hätte und inwiefern diese Erkenntnisse geeignet wären, die angefochtene Entscheidung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ebenso wenig setzen sie sich mit der Erwägung des Verwaltungsgerichtshofs auseinander, für die Bemessung der immateriellen Nachteile komme es auf die Belastung und Beeinträchtigung der Kläger durch andere von ihnen geführte Gerichtsverfahren, auch der Eilverfahren, nicht an.

90 h) Die Rüge der Kläger, die Voraussetzungen des § 93 Satz 2 VwGO für eine Abtrennung der sich auf die Ausgangsverfahren 1 K 504/07 - 1 K 484/13 sowie die Ausgangsverfahren 1 K 1297/12 und 1 K 348/13 beziehenden Entschädigungsverfahren hätten nicht vorgelegen, bleibt schon deshalb erfolglos, weil sie erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 bzw. vom 11. Februar 2016 erhoben worden und damit verspätet ist.

91 i) Weitere Verfahrensrügen werden von den Klägern auch bei wohlwollender Auslegung ihres Vorbringens jedenfalls nicht hinreichend substantiiert und fristgerecht erhoben.

92 II. Der erste Hilfsantrag, der nur für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrags gelten soll, ist unbegründet. Das Revisionsverfahren ist nicht auszusetzen, soweit es die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 K 504/07, 1 K 484/13, 1 E 2114/05, 1 K 768/09, 1 K 820/12, 1 K 1297/12, 1 K 348/13 betrifft. Aus den unter I. dargelegten Gründen scheidet eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof "im Übrigen", d.h. hinsichtlich der verbleibenden streitgegenständlichen Verfahren aus.

93 Der Senat lässt offen, ob die Unbegründetheit des Antrags auf Aussetzung der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03 und 1 E 2114/05 schon daraus folgt, dass auch für die Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 201 GVG die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG erfüllt sein müssen (vgl. hierzu BSG, Beschlüsse vom 27. Juni 2013 - B 10 ÜG 1/13 B - juris Rn. 11 und - B 10 ÜG 9/13 B - NJW 2014, 253 Rn. 20), was - wie dargelegt - nicht der Fall ist. Diese Frage bedarf hier keiner Entscheidung, weil jedenfalls auch bezüglich dieser Verfahren die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann das Entschädigungsgericht das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. Für den Begriff des Gerichtsverfahrens im Sinne des § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG gilt die Legaldefinition des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen unter I.2. a) verwiesen wird. Dementsprechend handelt es sich bei jedem der von den Klägern im ersten Hilfsantrag bezeichneten Gerichtsverfahren jeweils um ein eigenständiges Gerichtsverfahren. Der Entschädigungsanspruch hängt von den genannten Gerichtsverfahren nicht ab (1.) oder diese dauern nicht noch an (2.).

94 1. Eine Aussetzung bezüglich der Verfahren 1 K 504/07, 1 K 484/13, 1 K 820/12, 1 K 1297/12 und 1 K 348/13 scheidet schon deshalb aus, weil der geltend gemachte Entschädigungsanspruch nicht von deren Dauer abhängt.

95 Ein Anspruch nach § 198 GVG hängt im Sinne des § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG von der Dauer eines Gerichtsverfahrens ab, wenn und solange das Gerichtsverfahren noch Gegenstand der Entschädigungsklage ist. Das ist bezüglich der genannten Verfahren zu verneinen.

96 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Entscheidung über die unangemessene Dauer dieser Verfahren durch Beschlüsse vom 29. Januar 2015 und 9. Februar 2015 gemäß § 93 Satz 2 VwGO abgetrennt. Die Trennungsbeschlüsse sind gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.

97 2. Die Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05 und 1 K 768/09 sind zwar Gegenstand der Entschädigungsklage, da sie in der Klageschrift vom 2. Juni 2012 aufgeführt waren und die Entscheidung über die unangemessene Dauer dieser Verfahren nicht abgetrennt wurde. Keines dieser Verfahren dauert aber noch an.

98 Der Begriff "noch andauert" in § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG korrespondiert mit dem Begriff "beendet" in § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG sowie dem Begriff "rechtskräftiger Abschluss" in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG und weist demzufolge einen reziproken Begriffsinhalt auf. Ein Verfahren dauert daher noch an, solange es nicht durch rechtskräftige Entscheidung oder eine anderweitige Erledigung beendet worden ist. Das trifft auf die genannten Verfahren nicht zu.

99 Hinsichtlich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05 wird insoweit auf die vorstehenden Ausführungen unter I. 2. b) verwiesen. Das Verfahren 1 K 768/09 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am 6. September 2012 durch in der mündlichen Verhandlung abgegebene übereinstimmende Erledigungserklärungen des Klägers zu 2 und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. beendet.

100 III. Der für den Fall der Erfolglosigkeit des Haupt- und des ersten Hilfsantrages gestellte weitere Hilfsantrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils und Zuerkennung einer weiteren Entschädigung für immaterielle Nachteile nebst Rechtshängigkeitszinsen sowie Feststellung einer Entschädigungspflicht sowohl für alle weiteren immateriellen als auch für alle künftigen materiellen Nachteile hat keinen Erfolg.

101 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt, soweit es die Entschädigungsklage betrifft, zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn der Verwaltungsgerichtshof hat - wie unter I. 1. dargelegt - die Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG fehlerhafterweise dem Prozessrecht zugeordnet und daher die Entschädigungsklage hinsichtlich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 als unzulässig abgewiesen. Die Entscheidung über die Entschädigungsklage stellt sich aber im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil die Klage hinsichtlich dieser Verfahren - wie unter I. 2. aufgezeigt - aus demselben Grund unbegründet ist und den Klägern mit Blick auf die verbleibenden Verfahren die von ihnen geltend gemachte weitere Entschädigung nicht zusteht. Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof die Feststellungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das Zahlungsbegehren bezüglich des Verfahrens 1 K 768/09 ist unzulässig (1.). Ebenso ist die Zulässigkeit des Feststellungsbegehrens zu verneinen (2.). Das Zahlungsbegehren im Hinblick auf die übrigen streitgegenständlichen Verfahren ist unbegründet (3.).

102 1. Der mit Blick auf das Verfahren 1 K 768/09 gestellte Antrag des Klägers zu 2 auf Zahlung einer weiteren Entschädigung ist mangels Einhaltung der Wartefrist nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 2 VwGO unzulässig.

103 Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Einhaltung der Wartefrist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 5 Rn. 19; BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 228/13 - NJW 2014, 2588 Rn. 17 f.; BFH, Urteil vom 9. Juni 2015 - X K 11/14 - BFH/NV 2015, 1255 Rn. 11). Mit ihr soll dem Gericht hinreichend Zeit gegeben werden, auf die Verzögerungsrüge zu reagieren und das Verfahren in einer angemessenen Zeit abzuschließen oder in bereits verzögerten Verfahren eine Verlängerung der Verzögerung zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 42 m.w.N.). Sie ist in der Regel auch bei Verfahren zu wahren, die - wie das Verfahren 1 K 768/09, das am 22. Juni 2009 eingeleitet und am 6. September 2012 beendet worden ist - im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am 3. Dezember 2011 anhängig waren (vgl. Umkehrschluss zu Art. 23 Satz 5 ÜberlVfRSchG). Das ist hier nicht geschehen.

104 Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs haben die Kläger in dem Verfahren 1 K 768/09 mit einem am 16. Dezember 2011 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz vom 15. Dezember 2011 Verzögerungsrüge erhoben. Die Wartefrist endete mithin erst am Montag, dem 18. Juni 2012 (vgl. § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 173 Satz 2, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO). Die Entschädigungsklage wurde indessen bereits am 3. Juni 2012 und damit vor Ablauf der Wartefrist erhoben.

105 Die Einhaltung der Wartefrist war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Das Fristerfordernis des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG ist im Wege der teleologischen Reduktion dahin einzuschränken, dass es keine Anwendung findet, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der - hier am 18. Juni 2012 endenden - Sechsmonatsfrist abgeschlossen wurde (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 5 C 5.14 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 18 ff. m.w.N.). Das trifft auf das am 6. September 2012 beendete Verfahren 1 K 768/09 nicht zu.

106 2. Soweit die Kläger die Feststellung begehren, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihnen alle weiteren immateriellen Nachteile zu erstatten, handelt es sich um eine nach § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässige Klageänderung im Revisionsverfahren. Die Kläger haben im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof keine entsprechende Feststellung beantragt, sondern dort allein die Feststellung der Entschädigungspflicht für materielle Nachteile begehrt. Der auf alle weiteren materiellen Nachteile gerichtete Feststellungsantrag begegnet zwar unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität keinen durchgreifenden Zulässigkeitsbedenken (a). Die Kläger verfügen aber nicht über das hierfür nötige Feststellungsinteresse (b).

107 a) Der auf alle weiteren materiellen Nachteile gerichtete Feststellungsantrag ist nicht wegen des Vorrangs der Gestaltungs- oder Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) unzulässig. Wo eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht droht, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 5. Dezember 2000 - 11 C 6.00 - BVerwGE 112, 253 <256> und vom 4. Februar 2016 - 5 C 12.15 - LKV 2016, 216 Rn. 7, jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier.

108 Durch die Wahl der Feststellungsklage droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, da die Kläger ihr Begehren nicht in zulässiger Weise durch eine derartige Klage verfolgen können. Im Hinblick auf künftige Schäden gewährt die Feststellungsklage zudem einen wirkungsvolleren bzw. intensiveren Rechtsschutz als die auf Entschädigung der (bereits entstandenen) materiellen Nachteile gerichtete allgemeine Leistungsklage.

109 b) Für die begehrte Feststellung der Entschädigungspflicht hinsichtlich aller weiteren materiellen Nachteile fehlt den Klägern ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO.

110 Das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO stellt eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses dar. Darunter ist jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art zu verstehen (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 - 8 C 38.09 - BVerwGE 136, 75 Rn. 54 m.w.N.). Das Feststellungsinteresse muss spätestens im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 - 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 Rn. 19). Wird - wie hier - Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller Schäden erhoben, gehört hierzu insbesondere eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. zur vergleichbaren Konstellation bei § 256 Abs. 1 ZPO BAG, Urteil vom 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - juris Rn. 20; BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01 - NJW-RR 2006, 923 Rn. 11 jeweils m.w.N.). Daran mangelt es hier.

111 Weder aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs noch aus dem Revisionsvorbringen der Kläger ergeben sich hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihnen in der Zukunft weitere materielle Nachteile durch eine etwaig eingetretene sachlich nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerung entstehen können, die nicht bereits durch die anhängige Klage abzudecken gewesen wären. Jedenfalls ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schadenseintritts nicht ansatzweise dargetan.

112 3. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die von ihnen begehrte weitere Entschädigung für immaterielle Nachteile. Die Entschädigungsklage ist bezüglich der Verfahren 1 E 489/98, 1 E 421/99, 1 E 1838/03, 1 E 2114/05, 1 E 512/97, 1 E 442/99 und 1 E 2113/05 - wie unter I. 2. dargelegt - schon deswegen unbegründet, weil die Anwendung des § 198 Abs. 1 GVG mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG ausscheidet. Gleiches gilt - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - auch für das Verfahren 1 E 633/98 (a). Bezüglich der Verfahren 1 K 350/10, 1 K 565/07, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 sind die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG erfüllt (b). Die Dauer des Verfahrens 1 K 350/10 kann allerdings schon mangels Erhebung der erforderlichen Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG keinen Anspruch auf eine weitere Entschädigung begründen (c). Die Dauer der Verfahren 1 K 565/07, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 führt jedenfalls nicht auf eine höhere als die den Klägern durch das angefochtene Urteil zugesprochene Entschädigung (d).

113 a) Das Begehren der Kläger auf Zahlung einer weiteren Entschädigung für immaterielle Nachteile scheitert hinsichtlich des Verfahrens 1 E 633/98 bereits an dem materiellrechtlichen Erfordernis einer im Sinne des Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG am 3. Dezember 2011 bereits anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

114 Das Verfahren 1 E 633/98 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am 2. Juni 2005 durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Kläger (mit Schriftsatz vom 14. Mai 2005) und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. (mit am 2. Juni bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 30. Mai 2005) beendet. Es war nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs am 3. Dezember 2011 zwar Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, da sich die am 18. November 2011 beim Gerichtshof eingereichte Beschwerde bezüglich des Verfahrens 1 K 667/05 auch auf das Verfahren 1 E 633/98 bezogen hat. Diese Beschwerde wahrt im Hinblick auf das Verfahren 1 E 633/98 aber zweifelsfrei nicht die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK von sechs Monaten nach dem innerstaatlichen Verfahrensabschluss.

115 b) Für die Verfahren 1 K 350/10, 1 K 565/07, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 ist der Anwendungsbereich des § 198 Abs. 1 GVG nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG eröffnet. Für die Verfahren 1 K 350/10 und 1 K 777/09 folgt die Anwendbarkeit aus Art. 23 Satz 1 Alt. 1 ÜberlVfRSchG (aa). Für die Verfahren 1 K 565/07 und 1 K 667/05 findet das Gesetz nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG Anwendung (bb).

116 aa) Die Verfahren 1 K 350/10 und 1 K 777/09 waren - wie von Art. 23 Satz 1 Alt. 1 ÜberlVfRSchG vorausgesetzt - beim Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am 3. Dezember 2011 bereits anhängig.

117 Das am 14. April 2010 vom Verfahren 1 K 565/07 abgetrennte Verfahren 1 K 350/10 wurde erst mit Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 18. Mai 2011 abgeschlossen, die nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO mit Ablehnung des Antrags des Klägers zu 1 auf Zulassung der Berufung am 24. Februar 2012 eingetreten ist. Denn am 24. Februar 2012 hat der Urkundsbeamte die Ausfertigung des ablehnenden Beschlusses zur Zustellung herausgegeben. Dass der Verwaltungsgerichtshof für den innerstaatlichen Abschluss auf den 27. Februar 2012 abgestellt hat, an dem der ablehnende Beschluss dem Kläger zu 2 als Prozessbevollmächtigtem zugestellt wurde, ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Belang.

118 Die Anhängigkeit des am 24. Juni 2009 vom Verfahren 1 K 667/05 abgetrennten Verfahrens 1 K 777/09 wurde gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO am 2. Januar 2012 durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Kläger (mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2011) und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. (mit Schriftsatz vom 2. Januar 2012) beendet.

119 bb) Die Verfahren 1 K 565/07 und 1 K 667/05 waren - wie von Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG gefordert - am 3. Dezember 2011 abgeschlossen und deren Dauer in Anwendung der unter I. 2. c) dargelegten Anforderungen jeweils Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

120 Das Verfahren 1 K 565/07 wurde am 14. April 2010 gemäß § 106 Satz 1 VwGO durch Vergleich zwischen dem Kläger zu 1 und der in jenem Verfahren beklagten Stadt W. erledigt. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs war die Dauer dieses Verfahrens Gegenstand einer am 13. Oktober 2010 und damit innerhalb der Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK eingereichten Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

121 Entsprechendes gilt für das Verfahren 1 K 667/05. Dieses wurde mit Ablauf der Monatsfrist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs - 5 A 3081/09 - vom 11. Mai 2011 am Montag, dem 20. Juni 2011 (vgl. § 125 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO) rechtskräftig abgeschlossen. Der Antrag der Kläger auf Tatbestandsberichtigung vom 20. Mai 2011 ändert daran nichts. Denn der Tatbestand des Urteils vom 11. Mai 2011 wurde daraufhin nicht wie von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 518 Satz 1 ZPO vorausgesetzt durch eine entsprechende Entscheidung ergänzt, die den Klägern innerhalb der Frist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO zugestellt worden wäre.

122 Die Kläger haben in Bezug auf das Verfahren 1 K 667/05 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte am 18. November 2011 Beschwerde erhoben. Gleichwohl ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerde die Sechsmonatsfrist zweifelsfrei nicht gewahrt hat. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beginnt die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK mit dem Tag der Zustellung zu laufen, wenn der Betroffene - wie hier die Kläger nach § 116 Abs. 1 Satz 2 VwGO - einen Anspruch auf Zustellung einer Kopie der Entscheidung hat (EGMR, Urteil vom 29. August 1997 - Nr. 22714/93, 83/1996/702/894, Worm/Österreich - Rn. 33). Eine derartige Kopie ist den Klägern nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs am 19. Mai 2011 zugestellt worden, sodass die Beschwerde vom 18. November 2011 nicht zweifelsfrei verfristet war.

123 c) Aus der Dauer des Verfahrens 1 K 350/10 kann der Kläger zu 1 einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Entschädigung schon deshalb nicht ableiten, weil er die insoweit erforderliche Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG nicht erhoben hat. Soweit der Verwaltungsgerichtshof die am 16. Dezember 2011 eingegangene Verzögerungsrüge des Klägers zu 1 vom 15. Dezember 2011, die den Vorgaben des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG entspricht, als ausreichend erachtet hat, beruht das angefochtene Urteil auf einer Verletzung von Bundesrecht.

124 Die Erhebung einer Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG stellt eine materiellrechtliche Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs dar (BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 14 m.w.N.). Diese Anspruchsvoraussetzung gilt nach Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG auch für anhängige Verfahren, die bei dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden muss. Eine derartige Sachverhaltskonstellation liegt bezüglich des Verfahrens 1 K 350/10 nicht vor.

125 Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 3. Dezember 2011 war das Verfahren 1 K 350/10 vor dem erstinstanzlich mit der Sache befassten Verwaltungsgericht bereits abgeschlossen. Daher bedurfte es nach Art. 23 Satz 4 ÜberlVfRSchG im Hinblick auf eine etwaige in der ersten Instanz erfolgte Verzögerung keiner Verzögerungsrüge. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, das bei dem Inkrafttreten des Gesetzes noch anhängig war, greift die Vorschrift des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - ebenfalls nicht ein, weil das Verfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verzögert war (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 31 m.w.N.). Ob ein Verfahren bei dem Inkrafttreten des Gesetzes im Sinne des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG schon verzögert ist, bestimmt sich nach dem Maßstab des § 198 Abs. 3 Satz 2 GVG. Das folgt aus der ausdrücklichen Bezugnahme des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG auf § 198 Abs. 3 GVG. Dementsprechend kann die Verzögerungsrüge im Sinne von Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG nur erhoben werden, wenn im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird. Ein solcher Anlass besteht, wenn der Verfahrensbeteiligte Anhaltspunkte dafür hat, dass das Verfahren keinen angemessenen zügigen Fortgang nimmt. Es muss die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung bestehen. Andernfalls kann die Verzögerungsrüge ihre präventive Funktion nicht erfüllen (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 20). Am 3. Dezember 2011 bestand für den Kläger zu 1 kein Anlass für eine derartige Besorgnis. Das Berufungszulassungsverfahren war zu diesem Zeitpunkt erst etwa vier Monate anhängig. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1, der Kläger zu 2, hat die Verzögerungsrüge vom 15. Dezember 2011 ausdrücklich "höchst vorsorglich" erhoben und erklärt, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass eine weitere Intensivierung der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch das zweitinstanzliche Gericht drohen könnte. Demzufolge ist die nach Maßgabe des Art. 23 Satz 2 ÜberlVfRSchG unverzüglich erhobene Verzögerungsrüge vom 15. Dezember 2011 zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs nicht geeignet. Für das Verfahren 1 K 350/10 blieb es vielmehr bei der Notwendigkeit einer Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG, an der es nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils fehlt.

126 d) Den Klägern steht infolge der Dauer der Verfahren 1 K 565/07, 1 K 667/05 und 1 K 777/09 kein Anspruch auf Entschädigung ihrer immateriellen Nachteile zu, der über den ihnen jeweils zuerkannten Betrag von 7 100 € nebst Rechtshängigkeitszinsen hinausgeht.

127 Der Anspruch auf Entschädigung des immateriellen Nachteils folgt für alle drei Verfahren jeweils aus § 173 Satz 2 VwGO i.V.m. § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG. Danach wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Materieller Bezugsrahmen der geltend gemachten Entschädigungsansprüche ist gemäß § 198 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Nr. 1 GVG jeweils das gesamte verwaltungsgerichtliche Verfahren in den vorgenannten Ausgangsverfahren. Die Dauer der Verfahren bemisst sich danach vom Zeitpunkt seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss. Bezüglich der beiden aus einer Prozesstrennung hervorgegangenen Verfahren 1 K 667/05 und 1 K 777/09 ist für die Einleitung jeweils auf den Zeitpunkt der Erhebung der Klage im Stammverfahren 1 E 633/98 abzustellen (aa). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Ergebnis zutreffend dahin erkannt, dass lediglich die Dauer der Verfahren 1 K 667/05 und 1 K 777/09 unangemessen war, wodurch die Kläger jeweils nicht auf andere Weise wiedergutzumachende immaterielle Nachteile erlitten haben (bb). Das führt im Ergebnis allerdings nicht auf die geltend gemachte weitere Entschädigung. Denn die sich aus der unangemessenen Dauer der Verfahren 1 K 667/05 und 1 K 777/09 errechnende Entschädigung beträgt für jeden der Kläger insgesamt 5 700 € und bleibt damit hinter dem Betrag zurück, der ihnen vom Verwaltungsgerichtshof jeweils rechtskräftig zugesprochen worden ist.

128 aa) Für die "Einleitung" des Verfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 GVG und damit für den Beginn des materiellen Bezugsrahmens des Entschädigungsanspruchs ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens anhängig gemacht worden ist. Das gilt auch für Verfahren, die nach § 93 Satz 2 VwGO von einem anderen Verfahren abgetrennt werden. Mithin ist bezüglich eines durch Abtrennung entstandenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wie der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach zutreffend angenommen hat - insoweit auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Streitgegenstand des abgetrennten Verfahrens im Stammverfahren anhängig gemacht worden ist. Das ist hinsichtlich der Verfahren 1 K 667/05 und 1 K 777/09 mit Eingang der Klage in dem Stammverfahren 1 E 633/98 am 3. Juni 1998 der Fall gewesen. Das Ende des materiellen Bezugsrahmens eines durch Abtrennung entstandenen Verfahrens wird - wie bei jedem anderen Gerichtsverfahren auch - durch den Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung oder den Zeitpunkt der anderweitigen Erledigung des abgetrennten Verfahrens markiert.

129 Schon das dem Fachsprachgebrauch entsprechende Begriffsverständnis, von dem der Gesetzgeber in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ausgegangen ist, weist deutlich in die Richtung, dass mit der Einleitung im Sinne dieser Vorschrift das Anhängigmachen eines Streitgegenstandes bei Gericht gemeint ist. Denn der Begriff der Einleitung wird ausweislich der Gesetzesbegründung gemäß seinem juristischen Bedeutungsgehalt verwendet (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 22). In diesem Sinne setzt er im Verwaltungsprozessrecht die Einreichung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht oder die Erhebung des Rechtsschutzbegehrens zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle voraus (§ 81 Abs. 1 VwGO). Die in der Gesetzesbegründung erwähnte weitere Möglichkeit der Verfahrenseinleitung von Amts wegen ändert daran nichts. Sie bezieht sich erkennbar nur auf solche gerichtlichen Verfahren wie etwa den Strafprozess, in denen - anders als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - die Offizialmaxime Anwendung findet.

130 Diese Auslegung wird durch systematische Erwägungen gestützt. Der Verwaltungsprozess unterliegt der Dispositionsmaxime, die im Hinblick auf die Einleitung des Verfahrens durch die Vorschriften der §§ 81, 82 VwGO konkretisiert wird. Danach wird ein Rechtsstreit nur durch Klageerhebung oder Antragstellung anhängig. Dem liefe es zuwider, im Rahmen des § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ein Gerichtsverfahren auch durch eine seitens des Gerichts nach § 93 Satz 2 VwGO vorgenommene Verfahrenstrennung als eingeleitet zu betrachten. Denn durch die Abtrennung wird ein Streitgegenstand gerade nicht neu anhängig gemacht. Die Abtrennung setzt vielmehr einen bereits anhängigen Streitgegenstand voraus, der bzw. von dem ein abtrennbarer Teil aus Gründen der Zweckmäßigkeit verfahrenstechnisch abgesondert wird, um über ihn in einem eigenständigen, unter einem anderen Aktenzeichen geführten Verfahren zu entscheiden.

131 Für dieses Verständnis des Begriffs der Einleitung spricht in gewichtiger Weise die Zweckbestimmung des § 198 Abs. 1 GVG (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 18). Mit dem innerstaatlichen Rechtsbehelf gegen überlange Gerichtsverfahren in Form des Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG hat der Gesetzgeber - wie dargelegt - auf eine entsprechende Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte reagiert. Haftungsgrund für den gesetzlich normierten Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 GVG ist die Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechts eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2014 - 5 C 1.13 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 3 Rn. 37 m.w.N.). Der Verwirklichung und Wahrung dieses Verfahrensrechts wird in dem rechtlich gebotenen Maße nur dann Rechnung getragen, wenn die Dauer des abgetrennten Verfahrens von dem Zeitpunkt an berechnet wird, in dem der Verfahrensbeteiligte den Streitgegenstand des abgetrennten Verfahrens bei Gericht anhängig gemacht hat. Denn eine übermäßig lange Zeitspanne des Zuwartens auf eine gerichtliche Entscheidung über den Streitgegenstand oder auf dessen anderweitige Erledigung ist Anlass und Grund für den Rechtsbehelf. Diese Zeitspanne beginnt im Klageverfahren mit dem Eingang des Schriftsatzes oder mit der Erklärung zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 81 Abs. 1 VwGO), durch den bzw. durch die der Streitgegentand im Rahmen des Stammverfahrens anhängig gemacht wird. Das würde gänzlich vernachlässigt werden, wenn für den Beginn des materiellen Bezugsrahmens auf den Zeitpunkt der Abtrennung des Verfahrens durch das Gericht abgestellt würde. Zudem würde der Rechtsbehelf in diesem Fall seine Effektivität einbüßen. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Verfahrenstrennung würde Manipulationsgefahren bergen. Die Gerichte könnten die Trennung von Verfahren nach § 93 Satz 2 VwGO nutzen, um jedenfalls die Dauer des abgetrennten Verfahrens formal zu verkürzen und hierdurch einen andernfalls bestehenden Entschädigungsanspruch zu unterlaufen, zumal es im Belieben des Gerichts steht, welcher von den Streitgegenständen, die voneinander getrennt werden, unter dem bisherigen Aktenzeichen fortgeführt und welcher unter einem neuen Aktenzeichen geführt wird.

132 In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe beginnt der materielle Bezugsrahmen im Falle des Verfahrens 1 K 565/07 mit dem Eingang der diesbezüglichen Klageschrift beim Verwaltungsgericht am 10. Mai 2007 und endet mit dem - bereits erwähnten - Abschluss des Verfahrens am 14. April 2010. Der materielle Bezugsrahmen des in Bezug auf das Verfahren 1 K 667/05 geltend gemachten Entschädigungsanspruchs erstreckt sich von der Erhebung der Klage im Stammverfahren 1 E 633/98 am - wie erwähnt - 3. Juni 1998 bis zu der - dargelegten - Beendigung des Verfahrens 1 K 667/05 am 20. Juni 2011. Aus diesem Verfahren ist durch eine weitere Abtrennung das Verfahren 1 K 777/09 entstanden. Gegenstand des diesbezüglichen Entschädigungsanspruchs ist folglich der Zeitraum vom 3. Juni 1998 bis zu dem aufgezeigten Abschluss des Verfahrens 1 K 777/09 am 2. Januar 2012.

133 bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend angenommen, dass die Dauer des allein vom Kläger zu 1 geführten Verfahrens 1 K 565/07 nicht unangemessen im Sinne der Anspruchsgrundlage war ((1)), die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, aber in den Verfahren 1 K 667/05 ((2)) und 1 K 777/09 ((3)), an denen beide Kläger beteiligt waren, verletzt wurde.

134 (1) Die Dauer des Verfahrens 1 K 565/07 von 35 Monaten und vier Tagen erweist sich unter Berücksichtigung der relevanten Umstände des Einzelfalls nicht als unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

135 Die Verfahrensdauer ist unangemessen im Sinne dieser Vorschrift, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus konventions- und verfassungsrechtlichen Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eingetreten sind, bei Berücksichtigung des den Ausgangsgerichten insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 37 und 42 sowie vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 15 m.w.N.). In Übereinstimmung mit dem dargelegten rechtlichen Maßstab hat sich der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht zu Recht nicht von festen Zeitvorgaben oder abstrakten Orientierungs- bzw. Anhaltswerten leiten lassen, sondern eine Einzelfallprüfung vorgenommen (BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2013 - 5 C 23.12 D - BVerwGE 147, 146 Rn. 29 ff. und vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 16 m.w.N.). Die tatsächliche Würdigung und Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichtshofs ist im Hinblick auf die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien der Schwierigkeit des Verfahrens ((a)), seiner Bedeutung für den Kläger zu 1 ((b)) und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten ((c)) sowie mit Blick auf die Verfahrensführung durch das Gericht ((d)) nicht zu beanstanden.

136 (a) Der Schwierigkeitsgrad des Ausgangsverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist als überdurchschnittlich anzusehen. Die Bewertung des Verwaltungsgerichtshofs, das Verfahren 1 K 565/07 entspreche dem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad einer abgabenrechtlichen Streitigkeit, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung zwar im Hinblick auf die aufgeworfenen und zu lösenden Rechtsfragen stand. Ausgehend von den zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweisen des Verwaltungsgerichts vom 12. März 2010 waren die zu erörternden rechtlichen Gesichtspunkte überschaubar. Auch stellten sich danach keine Fragen, die über Standardprobleme eines Verwaltungsrechtsstreits hinausgehen, der einen Anspruch auf Rückzahlung vermeintlich zu Unrecht im Wege der Zwangsvollstreckung erlangter Abgaben, einschließlich eines Anspruchs auf Zahlung von Prozesszinsen zum Gegenstand hat. Mit diesem Befund kann die Bewertung der Schwierigkeiten aber - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - nicht ihr Bewenden haben. Ergänzend sind die sehr umfangreichen und inhaltlich zum Teil nicht leicht erschließbaren Ausführungen des Klägers zu 2, des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1, sowie der Umfang der vorgelegten Verwaltungsvorgänge in den Blick zu nehmen, wodurch dem Verfahren ein das normale Maß einer abgabenrechtlichen Streitigkeit überschreitender Schwierigkeitsgrad verliehen wird (vgl. BFH, Urteil vom 18. März 2014 - X K 4/13 - BFH/NV 2014, 1050 Rn. 27; BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 Rn. 34; BGH, Urteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12 - BGHZ 199, 87 Rn. 37; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13 - BGHZ 200, 20 Rn. 42 und vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - NJW 2014, 1183 Rn. 41).

137 (b) Dem Verwaltungsgerichtshof ist unter Berücksichtigung der von ihm insoweit getroffenen Feststellungen darin beizupflichten, dass der Kläger zu 1 wegen seines fortgeschrittenen Alters ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens hatte. Eine andere Bewertung ist vor allem nicht deshalb geboten, weil es in dem Verfahren lediglich um eine Geldforderung ging, die - wie den im Vergleich vom 14. April 2010 genannten Zahlen zu entnehmen ist - zwar nicht unbedeutend war, aber mangels entsprechender Anhaltspunkte für den Kläger zu 1 keine wirtschaftlich existenzielle Bedeutung hatte.

138 (c) Der Verwaltungsgerichtshof hat das in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich genannte Kriterium des "Verhaltens der Verfahrensbeteiligten" richtig erfasst, soweit er der Sache nach angenommen hat, dass im Einzelfall ausnahmsweise auch durch zulässiges Prozessverhalten eines Verfahrensbeteiligten herbeigeführte Verfahrensverzögerungen in dessen Verantwortungsbereich fallen können. Das gilt etwa für die beantragte Verlängerung von Begründungsfristen (BVerwG, Beschluss vom 26. September 2016 - 5 B 3.16 D - juris Rn. 37). Ebenso darf ein Verfahrensbeteiligter keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil daraus ziehen, dass er unstrukturierte umfangreiche Schriftsätze und Stellungnahmen bei Gericht einreicht oder Anträge (z.B. Befangenheitsanträge) stellt, denen das Gericht nachgehen muss, auch wenn dies letztlich nicht zur Kenntniserlangung oder Verfahrensförderung beiträgt oder sich in der Wiederholung immer gleichen Vorbringens erschöpft (BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 5 Rn. 40). Auf eine "Prozessverschleppungsabsicht" oder eine sonstige Vorwerfbarkeit des Verhaltens kommt es insoweit nicht an. Dem Gericht ist die Zeit, die zur ordnungsgemäßen Reaktion auf ein derartiges Verhalten erforderlich ist, nicht zuzurechnen (vgl. BGH, Urteile vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13 - VersR 2015, 575 Rn. 42 und vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 - FamRZ 2014, 933 Rn. 43; s.a. BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 39, jeweils m.w.N.).

139 Dementsprechend durfte der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Abwägungsentschädigung berücksichtigen, dass der Kläger zu 1 durch seine Anträge auf Einräumung weiterer Äußerungsmöglichkeiten, seine Rüge der Unvollständigkeit der vorgelegten Verwaltungsakten verbunden mit dem Antrag auf Einsicht in diese Akten sowie seine Anträge auf Verlängerung der ihm gesetzten Fristen Verfahrensverzögerungen verursacht hat, die nicht in den Verantwortungsbereich des Verwaltungsgerichts fallen. Entsprechendes gilt für die Verzögerung infolge der beantragten Fristverlängerung zur Stellungnahme durch die in jenem Verfahren beklagte Stadt W.

140 (d) Aus den in dem angefochtenen Urteil zur Verfahrensführung getroffenen Feststellungen ist unter Berücksichtigung der zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Gesichtspunkten angestellten Bewertungen und der gerichtlichen Gestaltungsfreiheit zu schließen, dass das Verwaltungsgericht den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer gerecht geworden ist.

141 Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Chronologie des Verfahrens 1 K 565/07 ist wertend zu folgern, dass die Entscheidungsreife - verstanden als Zeitpunkt der hinreichenden tatsächlichen Aufbereitung wie auch der Gewährung rechtlichen Gehörs - mit Eingang der vollständigen Verwaltungsvorgänge beim Verwaltungsgericht am 2. Juli 2009 gegeben war.

142 Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts vom Eingang der Klage bis zum Eintritt der Entscheidungsreife zu keiner ungerechtfertigten Verzögerung geführt hat. Das Verfahren 1 K 565/07 wurde vom Verwaltungsgericht nach Klageerhebung bis zum 21. August 2007 durch Weiterleitung der ausgetauschten Schriftsätze an den jeweils anderen Beteiligten kontinuierlich betrieben. Unter dem 21. August 2007 entsprach das Verwaltungsgericht dem Antrag des Klägerbevollmächtigten, d.h. des Klägers zu 2, auf Einräumung einer Frist von einem Monat zur weiteren Stellungnahme und Überprüfung seiner Klageanträge mit Blick auf den von der beklagten Stadt W. angekündigten Widerspruchsbescheid zu dem zwischenzeitlich ergangenen weiteren Abrechnungsbescheid vom 18. Juni 2007. Infolgedessen war es sachlich gerechtfertigt, dass das Verwaltungsgericht jedenfalls im Umfang der hier in Rede stehenden Zeitspanne von rund dreieinhalb Monaten mit der Fortführung des Verfahrens zuwartete. Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 10. Dezember 2007 und Eingang der klägerischen Stellungnahme vom 13. Dezember 2007, in der der Klägerbevollmächtigte die Gewährung einer neuen Frist von mindestens acht Wochen für weitere Darlegungen und eine detaillierte Antragstellung begehrte, wurde das Verfahren durch die gerichtliche Verfügung vom 21. Dezember 2007 angemessen gefördert. Die dem Klägerbevollmächtigten danach unter Erteilung sachdienlicher Hinweise gewährte Frist bis zum 15. März 2008 begegnete vor dem Hintergrund seines Antrags keinen Bedenken. Entsprechendes gilt für die vom Verwaltungsgericht auf entsprechende Anträge des Klägerbevollmächtigten gewährten Verlängerungen dieser Frist bis zuletzt Mitte Mai 2008. Es unterliegt keiner Beanstandung und ist vom gerichtlichen Gestaltungsspielraum vor der Entscheidungsreife gedeckt, dass das Verwaltungsgericht den Klägerbevollmächtigten nicht unmittelbar nach Ablauf der zuletzt gesetzten Frist, sondern erst am 10. Juni 2008 telefonisch und sodann mit Beschluss vom 24. Juni 2008 unter Hinweis auf die Folgen des (weiteren) Nichtbetreibens förmlich zum Betreiben des Verfahrens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses aufforderte. Ebenso handelte das Verwaltungsgericht bei Berücksichtigung des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums nicht pflichtwidrig, als es dem Klägerbevollmächtigten, nachdem dieser der Betreibensaufforderung fristgerecht nachgekommen war, wie von ihm beantragt, nochmals eine Frist zur Äußerung bis zum 15. September 2008 gewährte. Soweit das Verwaltungsgericht nach der Weiterleitung des klägerischen Schriftsatzes vom 15. September 2008 zur Stellungnahme binnen drei Wochen an die beklagte Stadt W. deren Antrag auf Fristverlängerung bis zum 13. November 2008 stattgab, ist dies schon angesichts der dem Klägerbevollmächtigten wiederholt gewährten Fristverlängerungen nicht zu beanstanden. Schließlich kann dem Verwaltungsgericht auch für die Zeit zwischen dem Eingang der Stellungnahme der beklagten Stadt W. am 13. November 2008 bis zum 2. Juli 2009 keine ungerechtfertigte Verzögerung des Verfahrens angelastet werden. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht - entgegen der Auffassung der Kläger - die Vorlage aller das Verfahren betreffenden Akten nicht unzureichend gefördert. Es forderte die einschlägigen Akten bereits mit der Eingangsverfügung von der beklagten Stadt W. an. Es stellt auch keine Verletzung der Verfahrensförderungspflicht dar, dass das Verwaltungsgericht die beklagte Stadt W. nicht unmittelbar nach Ablauf der für die Aktenvorlage gesetzten Frist von drei Wochen an die Erledigung seiner Verfügung erinnerte. Angesichts der vom Klägerbevollmächtigten entgegen seiner Ankündigung vom August 2008 in den Folgemonaten bis Anfang Dezember 2008 unterlassenen Klarstellung der Klageanträge und Ergänzung der Klagebegründung durfte sich das Verwaltungsgericht erst einmal darauf beschränken, weiter darauf hinzuwirken, dass der Kläger zu 1 seiner Ankündigung nachkommt. Nachdem der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2008 einen Akteneinsichtsantrag gestellt und nach Einsichtnahme mit Schriftsätzen vom 30. Januar 2009 und 28. April 2009 die Unvollständigkeit der vorgelegten Akten gerügt hatte, forderte das Verwaltungsgericht die beklagte Stadt W. jeweils unverzüglich zur ergänzenden Aktenvorlage auf. Es ist angesichts des Umfangs der Vorgänge nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht im Wiederholungsfall die zunächst bis zum 19. Juni 2009 gesetzte Frist auf Antrag der beklagten Stadt W. zum 3. Juli 2009 verlängerte.

143 Das Verwaltungsgericht hat auch im Zeitraum ab Eintritt der Entscheidungsreife bis zum Abschluss des Verfahrens 1 K 565/07 keine ungerechtfertigte Verzögerung des Verfahrens verursacht. Es setzte den Klägerbevollmächtigten unmittelbar nach Übermittlung der letzten Verwaltungsvorgänge am 2. Juli 2009 davon in Kenntnis, dass er nun Akteneinsicht nehmen könne. Die Grenzen des gerichtlichen Gestaltungsspielraums sind nicht deshalb überschritten, weil das Verwaltungsgericht im Anschluss daran bis zur telefonischen Absprache des Termins zur mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten am 20. Januar 2010 - abgesehen von der zweimaligen Weiterleitung eines Schriftsatzes des Klägerbevollmächtigten an die beklagte Stadt W. - keine verfahrensfördernden Handlungen vorgenommen hat. Die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts war durch die Mitteilungen des Klägerbevollmächtigten, er könne die Akteneinsicht erst im Verlauf der ersten beiden Septemberwochen 2009 bzw. voraussichtlich erst Ende Januar/Anfang Februar 2010 vornehmen, sachlich gerechtfertigt. Der zwischen der Ladung vom 26. Januar 2010 und der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2010 liegende Zeitraum von annähernd drei Monaten war ebenfalls durch den Gestaltungsspielraum des Verwaltungsgerichts gedeckt, weil das Verfahren vorzubereiten und seine Terminierung den übrigen Verhandlungsterminen der Kammer anzupassen war. In Anwendung der oben dargelegten rechtlichen Maßstäbe ist insoweit bei der Bemessung des Gestaltungsspielraums zu berücksichtigen, dass das Verfahren mit Blick auf den Klägervortrag und den Umfang der vorgelegten Verwaltungsvorgänge als überdurchschnittlich schwierig einzuordnen ist und der Klägerbevollmächtigte bis zum Zeitpunkt der Ladung von der ihm auf Antrag gewährten Akteneinsicht noch keinen Gebrauch gemacht hatte. Im Übrigen war das Verwaltungsgericht in diesem Zeitraum auch nicht untätig, sondern widmete sich dem Verfahren insoweit, als es die Beteiligten mit Verfügung vom 12. März 2010 auf mehrere rechtliche Gesichtspunkte zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hinwies und die beklagte Stadt W. auf Rüge des Klägerbevollmächtigten zur ergänzenden Aktenvorlage aufforderte bzw. um Prüfung bat, ob weitere Behördenakten vorhanden seien.

144 (2) Die Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 war bei der gebotenen Gesamtabwägung - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - lediglich im Umfang von insgesamt 54 Monaten unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG (a bis g), wovon 18 Monate auf das Stammverfahren 1 E 633/98, 30 Monate auf das erstinstanzliche Verfahren 1 K 667/05 und sechs Monate auf das Berufungsverfahren 5 A 3081/09 entfallen. Hierdurch haben die Kläger jeweils immaterielle Nachteile erlitten, die nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden können (h) und jeweils in Höhe von 5 400 € zu entschädigen sind (i).

145 (a) Die Bewertung des Verwaltungsgerichtshofs, das Verfahren "1 K 667/05 - 1 E 633/98" sei tatsächlich und rechtlich überdurchschnittlich schwierig, ist unter Berücksichtigung seiner hierzu getroffenen Feststellungen revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, soweit sie sich auf das Stammverfahren und das erstinstanzliche Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bezieht. Denn ein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht umfangreicher Klägervortrag kann - wie dargelegt - einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad begründen, zumal wenn - wie hier für diese beiden Verfahrensstadien - hinzukommt, dass ein Kläger vor demselben Spruchkörper eine Vielzahl weiterer Verfahren parallel betreibt und zum Teil Schriftsätze einreicht, die sich auf mehrere Verfahren beziehen, so dass diese dahingehend ausgewertet werden müssen, inwieweit sie für welches Verfahren entscheidungserhebliches Vorbringen enthalten. Angesichts dessen erforderte jedenfalls das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht einen das übliche Maß übersteigenden Bearbeitungsaufwand. Dem steht nicht entgegen, dass die anstehenden Rechtsfragen des abgabenrechtlichen Verfahrens als durchschnittlich schwierig einzuordnen sind. Letzteres wirkt sich allein auf den Schwierigkeitsgrad des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof aus, der dementsprechend als durchschnittlich einzustufen war.

146 (b) Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, das Verfahren sei für die Kläger nicht von einer besonderen Bedeutung gewesen, was dahin zu verstehen ist, dass ihm eine durchschnittliche Bedeutung beizumessen ist, unterliegt im Ergebnis keiner revisionsgerichtlichen Beanstandung. Das gilt insbesondere insoweit, als der Verwaltungsgerichtshof aus dem im diesbezüglichen Kontext ebenfalls konstatierten hohen Alter des Klägers zu 1 nicht dieselbe Schlussfolgerung wie in dem zuvor behandelten Verfahren 1 K 565/07 gezogen und auf ein erhebliches Interesse an einem schnellen Abschluss des Verfahrens erkannt hat. Die unterschiedliche Bewertung ist mit Rücksicht darauf gerechtfertigt, dass sich die im Verfahren 1 K 633/98 und 1 K 667/09 streitgegenständlichen Straßenreinigungsgebühren mit dem festgesetzten Betrag von umgerechnet jährlich 3 329,37 € in einer - auch gegenüber dem Verfahren 1 K 565/07 vergleichsweise - überschaubaren Größenordnung bewegten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass mit dem angefochtenen Bescheid nicht nur die Gebühren für das Jahr 1998, sondern auch für die Folgejahre im Voraus festgesetzt wurden und die Klage keine aufschiebende Wirkung hatte (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Kläger durch den geforderten Betrag auch in seiner Addition bei fortschreitender Dauer des Verfahrens in ihrer wirtschaftlichen Existenz betroffen waren oder sonst eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für sie vorgelegen hat.

147 (c) Der Verwaltungsgerichtshof ist bezüglich des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten von den oben dargelegten und damit von rechtlich zutreffenden Maßstäben ausgegangen. In Anwendung dieser Vorgaben hat er im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung den Klägern und der in den Verfahren 1 E 633/98 und 1 K 667/05 beklagten Stadt W. zu Recht jeweils die Verzögerungen zugerechnet, die durch ihre Anträge auf Fristverlängerung verursacht wurden. Gleiches gilt, soweit der Verwaltungsgerichtshof Verzögerungen, die im Zusammenhang mit der Vorlage der Akten durch die beklagte Stadt W. und den Anträgen des Klägers zu 2 auf Akteneinsicht auftraten, den Beteiligten in dem Umfang zugerechnet hat, in dem ihr jeweiliges Verhalten hierfür ursächlich war. Ferner begegnet es keinen Bedenken, dass der Verwaltungsgerichtshof auch berücksichtigt hat, inwieweit der Kläger zu 2 mit ihm obliegenden Verfahrenshandlungen wie beispielsweise der Klagebegründung säumig war. Ebenso ist es nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof beim Kriterium des Verhaltens der Beteiligten nochmals in Rechnung gestellt hat, dass der Kläger zu 2 das Verfahren verkomplizierte, indem er ungeordnete und den noch anhängigen Verfahren nicht eindeutig zuzuordnende Ausführungen machte. Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof die auf den Terminverlegungsantrag des Klägers zu 2 zurückzuführende Verzögerung im Berufungsverfahren zu Recht als in dessen Verantwortungsbereich liegend bewertet.

148 Aus revisionsgerichtlicher Sicht zu beanstanden ist allerdings die Würdigung insbesondere der Befangenheitsanträge des Klägers zu 2, die er im Verfahren 1 E 512/97 gestellt hat, welches vom Verwaltungsgericht der Sache nach als Leitverfahren durchgeführt wurde. Die Verfahrenslaufzeit, die für die angemessene Bearbeitung eines Befangenheitsantrags benötigt wird, ist gemäß der dargelegten rechtlichen Vorgaben bei der Bewertung der angemessenen Verfahrensdauer nicht zu Gunsten des betreffenden Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen. Es kann einem Verfahrensbeteiligten zwar nicht angelastet werden, dass er von der prozessualen Möglichkeit, einen Befangenheitsantrag zu stellen, Gebrauch macht. Er darf aber aus dem Zeitverlust, der dadurch eintritt, dass das Gericht einem derartigen Antrag nachgehen muss, grundsätzlich keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil ziehen. Für das Verfahren, in dem der Befangenheitsantrag gestellt wird, folgt dies aus dem normativen Verbot, vor der Erledigung des Ablehnungsgesuchs andere als unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO; vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 5 Rn. 40; BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Juli 2009 - 1 BvR 2662/06 - VersR 2010, 1516 Rn. 24). Dieses Verbot erstreckt sich zwar nicht auf andere bei demselben Spruchkörper gegebenenfalls anhängige (Parallel-)Verfahren des betreffenden Verfahrensbeteiligten (vgl. BayObLG, Beschluss vom 28. Januar 1980 - 2 Z 64/79 und 1 Z 78/79 - Rpfleger 1980, 193 <194>). Die Entscheidung, von weiteren Verfahrenshandlungen in einem anderen Verfahren des Verfahrensbeteiligten Abstand zu nehmen, bis über das Ablehnungsgesuch im Leitverfahren entschieden ist, ist aber grundsätzlich vom richterlichen Gestaltungsspielraum gedeckt. Demzufolge ist die durch die angemessene Bearbeitung des Ablehnungsgesuchs im Leitverfahren bedingte Untätigkeit des Gerichts in dem anderen Verfahren nicht zu Gunsten des Verfahrensbeteiligten als ungerechtfertigte Verzögerung zu werten. In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben sind den Klägern bei Beurteilung der Angemessenheit der Dauer des Stammverfahrens 1 E 633/98 nicht nur die Verzögerungen zuzurechnen, die durch die angemessene Bearbeitung der dort gestellten Befangenheitsanträge bedingt waren. Vielmehr sind zu ihren Lasten auch die Zeiträume zu berücksichtigen, in denen das Verwaltungsgericht die Ablehnungsgesuche des Klägers zu 1 im Verfahren 1 E 512/97 angemessen bearbeitet hat.

149 (d) Mit Blick auf die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts und bei Gewichtung und Abwägung der zuvor erörterten Kriterien des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ergibt sich, dass das Stammverfahren 1 E 633/98 18 Monate ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert wurde.

150 Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Chronologie des Verfahrens ist wertend zu folgern, dass im Verfahren 1 E 633/98 bis zum Zeitpunkt der Abtrennung des Verfahrens 1 K 667/05 am 17. Mai 2005 keine Entscheidungsreife vorgelegen hat. Denn das Verwaltungsgericht hat gegenüber der beklagten Stadt W. nochmals mit Schreiben vom 4. April 2005 auf seine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Straßenreinigungsgebührensatzes hingewiesen und die Übersendung weiterer Kalkulationsunterlagen angefordert. Somit sind nach der insoweit maßgeblichen Ex-ante-Sicht des Verwaltungsgerichts zum Zeitpunkt der Abtrennung noch weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich gewesen. Ebenso wenig konnte die Gewährung rechtlichen Gehörs als abgeschlossen angesehen werden.

151 Im Zeitraum vom Eingang der Klage im Stammverfahren am 3. Juni 1998 bis Mitte Juli 1999 ist eine ungerechtfertigte Verzögerung nicht eingetreten.

152 Entsprechendes gilt für den anschließenden Zeitraum bis Ende November 1999. Das Verwaltungsgericht musste den Kläger zu 2 - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - insbesondere nicht Mitte September 1999 an die Beantwortung der gerichtlichen Anfrage vom 16. Juli 1999 erinnern, ob sich das an den Spruchkörper adressierte, unter einem anderen Aktenzeichen verfasste Ablehnungsgesuch vom 10. Juli 1999 auch auf das Verfahren 1 E 633/98 beziehe. Aus dem Inhalt der Gerichtsakte 1 E 512/97 ergibt sich, dass der Kläger zu 2 diese Frage in dem dort eingereichten Schriftsatz vom 30. August 1999 verneint hat. Im Übrigen ist es unter Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums vor Entscheidungsreife sachlich gerechtfertigt, dass das Verwaltungsgericht bis zum 29. November 1999 eine weitere Förderung des Verfahrens 1 E 633/98 unterlassen hat, weil es den Ausgang der Beschwerdeverfahren in den korrespondierenden Eilverfahren hat abwarten wollen.

153 Am 29. November 1999 vermerkte die Berichterstatterin in der Akte, dass der Kläger zu 2 mit einem weiteren an den Spruchkörper adressierten, unter einem anderen Aktenzeichen verfassten Schriftsatz vom 9. November 1999 auch im Verfahren 1 E 633/98 einen Befangenheitsantrag gestellt habe. Dieser ist vom Verwaltungsgericht bis zum 14. Januar 2000 angemessen bearbeitet worden.

154 Im Zeitraum vom 15. Januar 2000 bis zum 2. Mai 2002 hat das Verwaltungsgericht zwar keine Handlungen vorgenommen, um die Erledigung des Verfahrens 1 E 633/98 zu fördern. Insoweit kann eine entschädigungsrelevante Verzögerung - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - aber nur für die Zeiträume von Anfang Januar 2001 bis Ende Mai 2001 und vom 21. August 2001 bis zum 21. Februar 2002, also mithin für insgesamt 11 Monate, angenommen werden. In den verbleibenden drei Zeiträumen war das Nichtbetreiben des Verfahrens 1 E 633/98 mit Blick darauf, dass das Verwaltungsgericht währenddessen das von ihm als Leitverfahren durchgeführte Verfahren 1 E 512/97 betrieben hat, sachlich gerechtfertigt.

155 In jenem Verfahren wurde um die Rechtmäßigkeit der Kalkulation des Straßenreinigungsgebührensatzes für frühere Zeiträume gestritten. Dabei wurden vergleichbare Rechtsfragen aufgeworfen wie im Verfahren 1 E 633/98, in dem es um die Kalkulation des Straßenreinigungsgebührensatzes ab dem Jahre 1998 ging. Der dem Gericht zukommende Gestaltungsspielraum vor Entscheidungsreife umfasst - auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) - die Befugnis, bei anhängigen Parallelverfahren eines von ihnen als Leitverfahren zu behandeln und vordringlich zu fördern, wenn zu erwarten ist, dass in ihm Erkenntnisse gewonnen werden, die auch für die übrigen Verfahren von Relevanz sind. Solange das Gericht das Leitverfahren bearbeitet und dort die gebotenen verfahrensfördernden Handlungen vornimmt, ist es vertretbar, wenn es einen parallel geführten Rechtsstreit vorläufig "faktisch", d.h. ohne förmliche Anordnung nach § 94 VwGO aussetzt. Die mit einer Bearbeitung oder Förderung des Leitverfahrens korrespondierende Zeit der faktischen Aussetzung ist bei der Bewertung der angemessenen Dauer des Parallelverfahrens nicht zu Lasten des Staates zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 47 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundlage und der sich aus der Akte 1 E 512/97 ergebenden Verfahrenschronologie ist im Zeitraum von Mitte Januar 2000 bis Ende August 2000 keine dem Staat zurechenbare Verzögerung eingetreten, weil das Verwaltungsgericht in dieser Zeit das Verfahren 1 E 512/97 im Hinblick auf eine im Sommer bzw. Herbst 2000 ins Auge gefasste mündliche Verhandlung kontinuierlich gefördert hat. Gleiches gilt für die Zeiträume von Ende August 2000 bis Ende Dezember 2000, von Juni 2001 bis zum 21. August 2001 sowie vom 21. Februar 2002 bis zum 2. Mai 2002, in denen zwei Befangenheitsanträge, die der Kläger zu 1 im Verfahren 1 E 512/97 gestellt hat, von dem Verwaltungsgericht angemessen bearbeitet wurden. Abgesehen davon war die Untätigkeit im Verfahren 1 E 633/98 in diesen Zeiträumen auch deshalb von dem Verwaltungsgericht nicht zu vertreten, weil die für eine Förderung und Entscheidung des Verfahrens benötigten Behördenakten von der Beklagten nur einmal vorgelegt wurden und im Verfahren 1 E 512/97 jedenfalls in den Zeiträumen unabkömmlich waren, in denen das Verwaltungsgericht die Befangenheitsanträge fortgesetzt bearbeitet hat. Dem steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht keine Dublette der Behördenakten angefordert hat. Denn hierzu war es nicht verpflichtet. Demgegenüber ist eine gerichtliche Förderung des Verfahrens 1 E 512/97 für die Zeiträume von Anfang Januar 2001 bis Ende Mai 2001 und vom 21. August 2001 bis zum 21. Februar 2002 nicht festzustellen, was auf den gerichtlichen Gestaltungsspielraum im Verfahren 1 E 633/98 negativ durchschlägt.

156 In dem Zeitraum vom 3. Mai 2002 bis zum 27. November 2002 hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht keine ungerechtfertigte Verzögerung festgestellt.

157 Soweit der Akte 1 E 633/98 im Anschluss an die Verfügung vom 27. November 2002, mit der das Verwaltungsgericht das bei ihm am Vortag eingegangene Schreiben der beklagten Stadt W. vom 22. November 2002 unter anderem an den Kläger zu 2 weitergeleitet hat, bis zur Hinweis- und Aufklärungsverfügung vom 18. November 2004 keine verfahrensfördernde Handlung zu entnehmen ist, ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - lediglich auf eine entschädigungsrelevante Verzögerung von vier Monaten zu erkennen. Denn das Verwaltungsgericht hat die Grenzen des gerichtlichen Gestaltungsspielraums - auch bei Berücksichtigung einer ihm im Hinblick auf das weitere Betreiben des Verfahrens 1 E 633/98 zuzubilligenden Überlegungsfrist - nur insoweit überschritten, als es nach Beendigung des Leitverfahrens, die - wie dargelegt - auf den 5. Juli 2004 zu datieren ist, über die Monatsmitte Juli 2004 hinaus nicht tätig geworden ist, um die Erledigung des Verfahrens 1 E 633/98 zu fördern. Im Zeitraum vom 28. November 2002 bis zum 4. Juli 2004 war die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts im Verfahren 1 E 633/98 dagegen erneut durch das kontinuierliche Betreiben des Verfahrens 1 E 512/97 sachlich gerechtfertigt. Ausweislich der sich aus der Akte 1 E 512/97 ergebenden Verfahrenschronologie hat sich das Verwaltungsgericht im Zeitraum vom 28. November 2002 bis zur ersten, auf den 15. Juli 2003 bestimmten mündlichen Verhandlung der Förderung jenes Verfahrens im Hinblick auf den Verhandlungstermin sowie der Bearbeitung von weiteren Befangenheitsanträgen und zwei Vertagungsanträgen des Klägers zu 1 gewidmet. Anschließend hat das Verwaltungsgericht das Verfahren 1 E 512/97 mit Blick auf den Fortsetzungstermin am 3. Dezember 2003 weiter stetig gefördert. Mit Beschluss vom 10. Dezember 2003 hat es seinen zur Verfahrensbeendigung in der Fortsetzungsverhandlung angekündigten und mit den Beteiligten in den Einzelheiten erörterten Vergleichsvorschlag unterbreitet. Nachdem der Kläger zu 1 den Vergleichsvorschlag innerhalb der hierfür gesetzten Frist nicht angenommen hatte, hat das Verwaltungsgericht an dem hierfür in der Fortsetzungsverhandlung auf den 17. Februar 2004 bestimmten Termin das Urteil verkündet und den im Verfahren 1 E 512/97 angefochtenen Bescheid - soweit hier von Interesse - wegen durchgreifender Bedenken gegen die Kalkulation des Straßenreinigungsgebührensatzes aufgehoben. Die Zeit zwischen dem Verkündungstermin und der Absendung der Urteilsausfertigung am 28. Mai 2004 von knapp drei Monaten war durch den Umfang des Verfahrens und des Urteils gerechtfertigt. Ebenso ist es vom gerichtlichen Gestaltungsspielraum umfasst, dass das Verwaltungsgericht die Rechtskraft des Urteils im Verfahren 1 E 512/97 abgewartet hat, bevor es im Verfahren 1 E 633/98 mit Blick auf die Urteilsgründe eine Klaglosstellung des Klägers zu 1 angeregt und verneinendenfalls die beklagte Stadt W. aufgefordert hat, weitere Unterlagen vorzulegen.

158 Schließlich ist es in dem Verfahrensabschnitt vom 19. November 2004 bis zum 17. Mai 2005 - abweichend vom Verwaltungsgerichtshof - zu einer ungerechtfertigten Verzögerung von drei Monaten gekommen. Aus dem festgestellten Verfahrensablauf ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht das Verfahren 1 E 633/98 in dem Zeitraum vom 3. Januar 2005 bis zum 4. April 2005 in keiner Weise inhaltlich gefördert hat. Die am 17. Januar 2005 verfügte Übersendung eines Schriftsatzes an die beklagte Stadt W. mit der Bitte um Stellungnahme sowie die anschließend verfügten Wiedervorlagen waren hierfür unzureichend. Erst mit seinem Schreiben vom 4. April 2005, in dem nochmals auf die Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Kalkulation des Straßenreinigungsgebührensatzes hingewiesen und die Übersendung weiterer Kalkulationsunterlagen angefordert wurden, hat das Verwaltungsgericht eine weitere Handlung vorgenommen, um die Erledigung des Verfahrens 1 E 633/98 zu fördern.

159 (e) Für das am 17. Mai 2005 abgetrennte Verfahren 1 K 667/05 ist bei rechtlich zutreffender Gewichtung und Abwägung der vorstehend dargelegten Bewertungen zu den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG und der Berücksichtigung des gerichtlichen Spielraums bei der Verfahrensgestaltung auf eine unangemessene Verfahrensdauer von 30 Monaten zu erkennen.

160 Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Chronologie des Verfahrens ist wertend zu folgern, dass das Verfahren 1 K 667/05 am 1. November 2006 entscheidungsreif war. Zu diesem Zeitpunkt war der Sachverhalt bezüglich der in diesem Verfahren streitgegenständlichen Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 1999 bis 2004 in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufgearbeitet. Dem steht nicht entgegen, dass das Verwaltungsgericht die beklagte Stadt W. am 15. Mai 2009 auf eine entsprechende Rüge des Klägers zu 2 aufgefordert hat, weitere Unterlagen vorzulegen. Dabei handelte es sich um die Kalkulation der Straßenreinigungsgebührensätze ab dem Jahr 2005, über die im Verfahren 1 K 667/05 letztlich nicht zu entscheiden war. Denn das diesbezügliche Verfahren wurde abgetrennt. Ebenso war den Beteiligten bis zum 1. November 2006 zu allen bis dahin im Verfahren 1 K 667/05 vom Verwaltungsgericht für relevant gehaltenen Fragen in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden. Dafür spricht, dass das Verwaltungsgericht mit Verfügung vom 18. September 2006 dem Kläger zu 2 ein Schreiben der beklagten Stadt W. lediglich mit der Aufforderung zugeleitet hat, gegebenenfalls abschließend Stellung zu nehmen.

161 Für den Zeitraum vom 17. Mai 2005 bis zum 6. November 2006 hat der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage seiner Feststellungen zum Verfahrensablauf den Eintritt einer ungerechtfertigten Verzögerung zu Recht verneint, zumal der Kläger zu 2 mit Schriftsatz vom 1. November 2006 eine Verlängerung der ihm gewährten Stellungnahmefrist bis zum 6. November 2006 beantragt hat.

162 Des Weiteren ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof für den Zeitraum vom 7. November 2006 bis zum 5. Mai 2008 auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von 18 Monaten erkannt hat. Für diesen Verfahrensabschnitt finden sich in der Gerichtsakte lediglich mehrere Wiedervorlageverfügungen, die jeweils mehrere Monate umfassten. Für das Nichtbetreiben des Verfahrens sind keine hinreichenden Gründe ersichtlich. Das gilt auch für den Umstand, dass der Präsident eines Gerichts neben seiner Funktion als Vorsitzender eines Spruchkörpers Behördenleiter ist und damit auch Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen hat. Darauf zurückgehende Schwierigkeiten bei der Terminierung oder Bearbeitung eines Verfahrens können überlange Verfahrenszeiten nicht rechtfertigen. Eine andere Betrachtungsweise ist auch bei Berücksichtigung des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums ab Entscheidungsreife nicht veranlasst. Bei der Bestimmung seines Umfangs ist im konkreten Fall nicht nur - wie sonst auch - in Rechnung zu stellen, dass sich der Gestaltungsspielraum nach Entscheidungsreife dadurch auszeichnet, dass einer Entscheidung des Verfahrens "an sich" nichts mehr entgegensteht (BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 40). Entscheidendes Gewicht ist vielmehr dem Umstand beizumessen, dass das konkrete Verfahren bei Entscheidungsreife bereits acht Jahre und fünf Monate anhängig war. Angesichts dessen war dem Verwaltungsgericht ab dem 1. November 2006 bis zum Eintritt des Berichterstatterwechsels infolge der Mitte November 2008 beschlossenen Änderung der kammerinternen Geschäftsverteilung zunächst kein weiterer (Gestaltungs-)Zeitraum für seine Entscheidung zuzugestehen, wann und wie es das Verfahren im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Prozesses fördert.

163 Als fehlerhaft erweist sich indessen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, im Zeitraum vom 6. Mai 2008 bis zur mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2009 sei keine Verzögerung des Verfahrens eingetreten. Insoweit ist von einer entschädigungsrelevanten Verzögerung von 12 Monaten auszugehen. Aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Verfahrensgang ist zu folgern, dass das Verwaltungsgericht im Zeitraum vom 6. Mai 2008 bis zum Berichterstatterwechsel infolge der Mitte November 2008 beschlossenen Änderung der kammerinternen Geschäftsverteilung keinen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt oder den Abschluss des Verfahrens auf sonstige Weise gefördert hat, ohne dass hierfür eine hinreichende Rechtfertigung gegeben war. Eine solche lässt sich - wie dargelegt - insbesondere nicht aus dem gerichtlichen Gestaltungsspielraum ableiten. Somit ist das Verwaltungsgericht zunächst rund sechs Monate ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund untätig geblieben. Soweit das Verwaltungsgericht nach dem Berichterstatterwechsel mit der mündlichen Verhandlung weitere sieben Monate zugewartet hat, ergibt sich eine weitere Verzögerung von sechs Monaten. Es erscheint im konkreten Fall angemessen, dem neuen Berichterstatter einen Zeitraum von (mindestens) einem Monat für die Einarbeitung in das Verfahren zuzubilligen. Die Bemessung des zugestandenen Zeitraums berücksichtigt zum einen den Umfang des Beteiligtenvortrags sowie die durch das Vorbringen des Klägers zu 2 begründeten Schwierigkeiten. Zum anderen trägt sie dem Umstand Rechnung, dass das Verfahren seit dem 3. Juni 1998 anhängig und bis zum Berichterstatterwechsel bereits erheblich verzögert war.

164 Soweit der Verwaltungsgerichtshof der Sache nach davon ausgegangen ist, dass der Zeitraum zwischen der Urteilsverkündung und der Zustellung der Urteilsausfertigung an den Kläger zu 2 von knapp zwei Monaten als vertretbar anzusehen ist, gibt dies keinen Anlass zur Beanstandung. Daher kann hier offengelassen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Zeitspanne zwischen Herausgabe der Urteilsausfertigung durch den Urkundsbeamten zur Zustellung - hier am 3. August 2009 - und der im Empfangsbekenntnis quittierten Entgegennahme der Urteilsausfertigung - hier durch den Kläger zu 2 am 25. August 2009 - dem Staat entschädigungsrechtlich anzulasten ist.

165 (f) Die in dem angefochtenen Urteil zur Verfahrensführung des Verwaltungsgerichtshofs getroffenen Feststellungen schließen es aus, die Dauer des zweitinstanzlichen Verfahrens noch als angemessen anzusehen. Der Verwaltungsgerichtshof ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass das Berufungszulassungsverfahren keine Verzögerung aufwies, sondern vom Eingang des Antrags auf Zulassung der Berufung am 8. September 2009 bis zu dessen Stattgabe am 26. November 2009 vom Ausgangsgericht zügig betrieben wurde. Allerdings ist für das Berufungsverfahren 5 A 3081/09 - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - unter Berücksichtigung der vorstehend zu den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien angestellten Bewertungen und des dem Gericht bei der Verfahrensgestaltung zukommenden Spielraums eine sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerung von sechs Monaten festzustellen.

166 Aus der festgestellten Chronologie ist - abweichend vom Verwaltungsgerichtshof - zu folgern, dass die Entscheidungsreife des Berufungsverfahrens bereits Ende Juli 2010 mit Eingang der Stellungnahme der beklagten Stadt W. vom 26. Juli 2010 gegeben war. Denn der Verwaltungsgerichtshof leitete diese Stellungnahme und alle danach von den Beteiligten noch eingereichten Schriftsätze dem jeweils anderen Beteiligten lediglich mit der Bitte zur Kenntnisnahme bzw. eventuellen Stellungnahme zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2015 - 5 C 5.14 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 4 Rn. 41).

167 Die Bewertung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es nach der Zulassung der Berufung bis Ende Juli 2010 zu keiner dem Staat zurechenbaren Verzögerung gekommen ist, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Das gilt in Anwendung der dargelegten rechtlichen Vorgaben vor allem auch für seine Bewertung, dass Verzögerungen, die in diesem Zeitraum durch das Nachsuchen um Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung, zur Berufungserwiderung und zur Replik eintraten, dem jeweiligen Beteiligten zuzurechnen waren.

168 Dagegen ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht in der Annahme zu folgen, dass die Führung des Berufungsverfahrens ab Entscheidungsreife bis zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 10. März 2011 keine ungerechtfertigte Verzögerung bewirkt hat. Aus den zur Verfahrensführung getroffenen Feststellungen ist zu schließen, dass der Verwaltungsgerichtshof in dieser Zeit keine Handlungen vorgenommen hat, um die Erledigung des Berufungsverfahrens zu fördern. Die Untätigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ab Entscheidungsreife war aufgrund des dem Gericht zukommenden Gestaltungsspielraums nur im Umfang von einem Monat sachlich gerechtfertigt. Für die Bemessung dieses Zeitraums ist die Belastung des konkreten Spruchkörpers, auf die der Berichterstatter im Berufungsverfahren wiederholt hingewiesen hat, ohne erheblichen Belang. Sie ist nicht erkennbar durch außergewöhnliche oder unvorhersehbare Umstände bedingt, sondern kann gerichtsorganisatorisch behoben werden und gehört daher zu den strukturellen Mängeln, die sich der Staat zurechnen lassen muss und die er zu beseitigen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 24 m.w.N.). Maßgeblich sind insoweit vielmehr das berechtigte Anliegen des Gerichts, die Sache rechtlich durchdringen zu können, bevor ein Termin zur mündlichen Verhandlung des Verfahrens in Abstimmung mit anderen bei ihm anhängigen Sachen bestimmt oder eine Entscheidung zur Sache getroffen wird, die Bewertung des konkreten Berufungsverfahrens - wie dargelegt - als durchschnittlich schwierig und die bis Ende Juli 2010 angefallene Gesamtverfahrensdauer. Angesichts dessen war die fehlende Bearbeitung bzw. Förderung des Verfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof für die Kläger ab Anfang September 2010 nicht mehr hinnehmbar. Da die nächste verfahrensfördernde Handlung am 10. März 2011 mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 13. April 2011 vorgenommen wurde, war das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt sechs Monate ungerechtfertigt verzögert.

169 Für den Zeitraum vom 10. März 2011 bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens am 20. Juni 2011 hat der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage seiner Feststellungen zum Verfahrensablauf den Eintritt einer ungerechtfertigten Verzögerung zu Recht verneint, zumal die Verlegung des Termins auf Antrag des Klägers zu 2 erfolgte.

170 (g) Die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof war bei der gebotenen Gesamtabwägung im Umfang von 54 Monaten unangemessen.

171 Bei dem streitgegenständlichen, am 3. Juni 1998 eingeleiteten und am 20. Juni 2011 beendeten Verfahren 1 K 667/05 sind die unangemessenen Verzögerungen vor dem Verwaltungsgericht vor und nach dem Trennungsbeschluss sowie diejenige vor dem Verwaltungsgerichtshof zu addieren. Sie sind weder innerhalb eines Stadiums des Verfahrens noch in einzelnen Verfahrensabschnitten innerhalb einer anderen Phase des Verfahrens ausgeglichen worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 43 m.w.N.).

174 (h) Die Kläger haben durch die überlange Dauer des Verfahrens 1 K 667/05 jeweils immaterielle Nachteile im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG erlitten, die nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden können.

173 Nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein immaterieller Nachteil vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren - wie hier - unangemessen lange gedauert hat. Diese Vermutung ist hier nicht widerlegt.

174 Eine Entschädigung ist auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ausgeschlossen. Danach kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise ist gemäß § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Ob eine solche Feststellung ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles (BVerwG, Urteil vom 29. Februar 2016 - 5 C 31.15 D - NJW 2016, 3464 Rn. 45 m.w.N.). Die bloße Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ist hier mit Blick auf Gesamtverfahrensdauer und den Umfang der Verzögerung nicht ausreichend. Der Umstand, dass das Verfahren für die Kläger keine besondere Bedeutung im entschädigungsrechtlichen Sinne besaß und der Kläger zu 2 durch sein Verhalten erheblich zur Verzögerung beigetragen hat, vermag das Gewicht der durch die Verzögerung von 54 Monaten bei einer Gesamtverfahrensdauer von 13,5 Jahren bedingten immateriellen Nachteile nicht entscheidend zu mindern.

175 (i) Der Entschädigungsbetrag beträgt für jeden Kläger 5 400 €.

176 Die Bemessung der immateriellen Nachteile richtet sich nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG. Danach ist der immaterielle Nachteil in der Regel in Höhe von 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen. Für Zeiträume unter einem Jahr lässt diese Regelung eine zeitanteilige Berechnung zu. Nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen, wenn der Betrag von 1 200 € nach den Umständen des Einzelfalles unbillig ist. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.

177 (3) Die Dauer des ebenfalls mit der Erhebung der Klage im Stammverfahren 1 E 633/98 eingeleiteten Verfahrens 1 K 777/09 war bei der gebotenen Gesamtabwägung - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - um insgesamt 51 Monate unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG. Bezüglich des Zeitraums bis zur Abtrennung vom Verfahren 1 K 667/05 in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2009 wird auf die vorstehenden Ausführungen zu III. 3. d) bb) (2) verwiesen. Danach beträgt die Verzögerung bis zur Abtrennung 48 Monate. Nach der Abtrennung ist es in Anwendung des oben dargelegten rechtlichen Maßstabes unter Berücksichtigung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Gesichtspunkte der Schwierigkeit des Verfahrens (a), seiner Bedeutung für die Kläger (b) und des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten (c) sowie mit Blick auf die Verfahrensführung durch das Gericht (d) zu einer nicht gerechtfertigten Verzögerung von drei Monaten gekommen. Die Kläger haben durch die überlange Dauer des Verfahrens 1 K 777/09 jeweils immaterielle Nachteile erlitten, die nicht auf andere Weise wiedergutgemacht werden können (e) und für die ihnen jeweils ein Entschädigungsbetrag von 300 € zu zahlen ist (f).

178 (a) Der Verwaltungsgerichtshof nimmt zutreffend an, dass das Verfahren 1 K 777/09 als überdurchschnittlich schwierig zu bewerten ist. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Verfahren 1 K 667/05 verwiesen. Ergänzend ist zu bemerken, dass der Kläger zu 2 auch nach dem Trennungsbeschluss vom 24. Juni 2009 umfangreich vorgetragen und Schriftsätze eingereicht hat, die sich auf mehrere Verfahren bezogen haben und demzufolge dahingehend ausgewertet werden mussten, inwieweit sie für welches Verfahren entscheidungserhebliches Vorbringen enthielten.

179 (b) Auch die Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, dass das Verfahren 1 K 777/09 für die Kläger nicht von einer besonderen Bedeutung gewesen ist, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Die zur Bedeutung des Verfahrens 1 K 667/05 angestellten Bewertungen gelten hier entsprechend. Im Verfahren 1 K 777/09 ging es mit den streitgegenständlichen Straßenreinigungsgebühren ab dem Jahr 2005 ebenfalls nur um eine Geldforderung in überschaubarer Höhe.

180 (c) Des Weiteren ist der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Gesamtabwägung zu Recht davon ausgegangen, dass den Verfahrensbeteiligten jeweils die Verzögerungen zuzurechnen waren, die durch ihre Anträge auf Fristverlängerung und im Fall der Kläger darüber hinaus durch ihre Befangenheitsanträge und eine Anhörungsrüge bewirkt wurden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Verfahren 1 K 667/05 wird Bezug genommen.

181 (d) Revisionsgerichtlich zu beanstanden ist hingegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass durch die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts nach Abtrennung keine ungerechtfertigte Verzögerung eingetreten ist. Aus den zur Verfahrensführung getroffenen Feststellungen ist vielmehr zu schließen, dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums das Verfahren im Zeitraum vom 20. Juni 2011 bis zum 21. September 2011, also für drei Monate, ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund nicht gefördert hat.

182 Der festgestellten Chronologie des Verfahrens ist bei wertender Betrachtung zu entnehmen, dass das Verfahren am 23. November 2009 entscheidungsreif war. An diesem Tag endete die dem Kläger zu 2 gesetzte Frist zur Stellungnahme zu den Wirtschaftsprüfungsberichten für die Jahre 2005 bis 2008 sowie der Nachkalkulation der Straßenreinigungsgebühren für diesen Zeitraum, die die beklagte Stadt W. dem Verwaltungsgericht in Erfüllung einer entsprechenden gerichtlichen Aufforderung vom 23. Juli 2009 am 23. September 2009 vorgelegt hatte. Mit der Vorlage der anforderten Unterlagen und der dem Kläger zu 2 anschließend eingeräumten Gelegenheit zur Stellungnahme war der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht ausreichend aufgearbeitet und den Beteiligten in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden.

183 Der Verwaltungsgerichtshof hat für den Zeitraum nach Abtrennung bis zum Eintritt der Entscheidungsreife zu Recht nicht auf eine dem Staat zurechenbare Verzögerung erkannt. Die Grenzen des gerichtlichen Gestaltungsspielraums sind insbesondere nicht deshalb überschritten, weil das Verwaltungsgericht die zur Ermittlung der Tatsachengrundlage benötigten Unterlagen nicht unmittelbar nach Abtrennung von der beklagten Stadt W. angefordert hat. Es ist angemessen, dem Verwaltungsgericht hier einen Zeitraum von einem Monat zuzugestehen, um die Sache rechtlich und tatsächlich aufzubereiten und zu entscheiden, welche prozessleitende Maßnahme zu ergreifen ist, um den Rechtsstreit alsbald entscheidungsreif zu machen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger zu 2 mit Schriftsatz vom 16. Juli 2009 erneut umfangreich vorgetragen und zudem einen gerichtlichen Hinweis beantragt hat, warum der Rechtsstreit über die Straßenreinigungsgebühren ab dem Jahr 2005 nicht als entscheidungsreif angesehen und abgetrennt worden sei. Ebenso wenig sind dem Staat die in diesem Zeitraum eingetretenen weiteren Verzögerungen anzulasten, da diese durch das (zulässige) prozessuale Verhalten der Beteiligten (Anträge auf Fristverlängerung, Akteneinsicht und Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit) bewirkt wurden.

184 Des Weiteren ist für den Zeitraum ab Entscheidungsreife bis zum 19. Juni 2011 der Eintritt einer ungerechtfertigten Verzögerung zu verneinen. Den Feststellungen zum Verfahrensablauf ist zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht in dieser Zeit zwar nicht im Sinne eines Hinwirkens auf eine Erledigung des Rechtsstreits tätig geworden ist. Dadurch wird aber keine entschädigungsrelevante Verzögerung begründet. Die Ankündigung des Klägers zu 2 im Schriftsatz vom 23. November 2009, er beabsichtige eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 26. Oktober 2009 zu erheben, mit dem das Verwaltungsgericht sein Ablehnungsgesuch vom 22. Oktober 2009 abgelehnt hat, stellt jedenfalls bis zum 7. Dezember 2009 einen sachlich vertretbaren Grund für das zeitliche Hinausschieben der Verfahrensförderung dar. Soweit das Verwaltungsgericht nach Eingang der Anhörungsrüge am 7. Dezember 2009, deren Begründung der Kläger mit Schriftsätzen vom 8. und 9. Dezember 2009 vertiefte, keine verfahrensfördernde Handlung vorgenommen hat, ist dies dem Staat nicht anzulasten. In Anwendung der dargelegten rechtlichen Vorgaben fällt die durch die angemessene Bearbeitung der Anhörungsrüge bedingte Verzögerung vielmehr in den Verantwortungsbereich der Kläger. Gleiches gilt für die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts im Zeitraum nach Eingang eines weiteren Befangenheitsantrags der Kläger am 16. Februar 2010 bis zu dessen Entscheidungsreife am 1. Oktober 2010. An diesem Tag lagen dem Verwaltungsgericht die vollständigen Anlagen zum Schriftsatz des Klägers zu 2 vom 17. September 2010 vor. Soweit sich der Kläger zu 2 in nachfolgenden Schriftsätzen zum erneuten Ablehnungsgesuch verhielt, vertiefte er lediglich seinen bis zum 17. September 2010 unterbreiteten Vortrag. Der Senat kann hier offenlassen, ob das Verwaltungsgericht seine Verfahrensförderungspflicht im Zusammenhang mit der Bearbeitung des in Rede stehenden Befangenheitsantrags dadurch verletzt hat, dass es dem mehrfachen Ersuchen des Klägers zu 2 um Verlängerung der Frist zur weiteren Äußerung entsprochen hat bzw. nach Ablauf der letztmalig bis zum 21. Mai 2010 bestimmten Frist der Bitte des Klägers zu 2 nachgekommen ist, eine angestrebte weitere ergänzende Begründung des Befangenheitsantrags abzuwarten. Denn die Kläger könnten aus einer etwaigen Pflichtverletzung keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil ziehen. Einem Verfahrensbeteiligten, der durch sein Prozessverhalten die wesentliche Ursache für die Überlänge eines Verfahrens setzt, darf dies entschädigungsrechtlich nicht zu Gute kommen.

185 Das Unterlassen einer verfahrensfördernden Entscheidung oder Handlung im Zeitraum vom 2. Oktober 2010 bis zum 19. Juni 2011 findet schließlich seine sachliche Rechtfertigung darin, dass das Verwaltungsgericht - wie seinem Schreiben vom 15. Dezember 2009 zu entnehmen ist - die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof im Verfahren 5 A 3081/09 abgewartet hat. Dieses Vorgehen ist von dem gerichtlichen Gestaltungsspielraum gedeckt. Denn er erlaubt - insbesondere auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozessökonomie und des Interesses an einer einheitlichen Rechtsprechung -, für eine angemessene Zeit die Entscheidung einer höheren Instanz in einem Parallelverfahren abzuwarten, wenn - wie hier - damit zu rechnen ist, dass in ihm Erkenntnisse gewonnen werden, die auch für das in der unteren Instanz anhängige Verfahren von Relevanz sind. Es ist daher grundsätzlich vertretbar, wenn ein unterinstanzliches Gericht bis zum Eintritt der Rechtskraft der verfahrensabschließenden Sachentscheidung der höheren Instanz bzw. der anderweitigen Erledigung jenes Verfahrens von der (weiteren) Förderung des bei ihm anhängigen Verfahrens absieht. Für die Ermittlung der angemessenen Verfahrensdauer gilt in diesem Fall dasselbe wie - vorstehend dargelegt - bei einer vordringlichen Förderung eines in derselben Instanz anhängigen Leitverfahrens, d.h. die dadurch verursachte Verzögerung kann auch ohne förmliche Aussetzung nach § 94 VwGO eine unangemessene Verfahrensdauer regelmäßig nicht begründen.

186 Demgegenüber kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums im Zeitraum vom 20. Juni 2011 bis zum 21. September 2011 - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs - kein Rechtfertigungsgrund für die andauernde Untätigkeit des Verwaltungsgerichts festgestellt werden, so dass für diesen Zeitraum von einer nicht gerechtfertigten Verzögerung des Rechtsstreits ausgegangen werden muss.

187 Für den Zeitraum vom 22. September 2011 bis zur Beendigung des Verfahrens am 2. Januar 2012 ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, dass das Verwaltungsgericht zügig auf die beiderseitigen Erledigungserklärungen hingewirkt hat.

188 Die Dauer des am 3. Juni 1998 eingeleiteten und am 2. Januar 2012 beendeten Verfahrens 1 K 777/09 war bei der gebotenen Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der ungerechtfertigten Verzögerungen vor und nach dem Trennungsbeschluss vom 24. Juni 2009 im Umfang von 51 Monaten unangemessen. Die unangemessenen Verzögerungen vor und nach Abtrennung sind in keinem Stadium des Verfahrens ausgeglichen worden.

189 (e) Dass die Kläger jeweils Nachteile nichtvermögensrechtlicher Art erlitten haben, ergibt sich aus der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG, die hier nicht widerlegt ist.

190 Aus den im Zusammenhang mit dem Verfahren 1 K 667/05 dargelegten Gründen ist auch im Hinblick auf das Verfahren 1 K 777/09 eine Wiedergutmachung insbesondere durch eine schlichte Feststellungsentscheidung nicht ausreichend im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG.

191 (f) Die Kläger sind jeweils in Höhe von 300 € zu entschädigen.

192 Sie müssen sich nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG auf den Betrag gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigung anrechnen lassen, die ihnen im Verfahren 1 K 667/05 bereits zur Abgeltung der bis zur Abtrennung des Verfahrens 1 K 777/09 erlittenen immateriellen Nachteile zugesprochen wurde. Demzufolge ist die im Verfahren 1 K 777/09 nach Maßgabe des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG jeweils mit 5 100 € zu bemessende Entschädigung jeweils um 4 800 € zu reduzieren.

193 Unbilligkeit im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG ist auch anzunehmen, wenn bei kumulativer Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen unangemessener Dauer sowohl des Stammverfahrens als auch des davon abgetrennten Verfahrens die bis zur Abtrennung erlittenen immateriellen Nachteile bei der Bemessung der Entschädigung im abgetrennten Verfahren erneut berücksichtigt werden. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass ein Verfahrensbeteiligter für ein und dieselben Nachteile nicht vermögensrechtlicher Art mehrfach entschädigt würde. Das steht mit dem Zweck des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Verfahrensdauer nicht in Einklang. Der betreffende Verfahrensbeteiligte soll lediglich einen Ausgleich für die durch die Verfahrensverzögerung erlittenen immateriellen Nachteile wie beispielsweise psychische Belastungen, körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen erhalten (vgl. BT-Drs. 17/3802 S. 19). Aus diesem Grund muss er sich eine im Stammverfahren für die bis zur Abtrennung erlittenen immateriellen Nachteile zuerkannte Entschädigung auf die im abgetrennten Verfahren zu gewährende Entschädigung anrechnen lassen.

194 IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 12.12.2016 -
BVerwG 5 C 10.15 DECLI:DE:BVerwG:2016:121216B5C10.15D0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.12.2016 - 5 C 10.15 D - [ECLI:DE:BVerwG:2016:121216B5C10.15D0]

Beschluss

BVerwG 5 C 10.15 D

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Dezember 2016
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Wittkopp
beschlossen:

Die Anträge der Kläger auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Vormeier, der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen, der Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß sowie der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms wegen Besorgnis der Befangenheit werden abgelehnt.

Gründe

1 Die vom Kläger zu 2 als Prozessbevollmächtigtem beider Kläger mit Schriftsatz vom 28. November 2016 gestellten Anträge auf Ablehnung der fünf Richter des 5. Revisionssenats, die am 14. November 2016 in ihrem Verfahren tätig geworden sind, wegen Besorgnis der Befangenheit haben keinen Erfolg.

2 1. Über die Ablehnungsgesuche entscheidet der Senat gemäß § 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO in seiner durch den Geschäftsverteilungsplan des Gerichts (Stand: 1. Mai 2016) vorgesehenen Zusammensetzung ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter. Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Hiernach ist die zur Entscheidung berufene "Spruchgruppe", der die abgelehnten Richter angehören, zunächst durch andere Mitglieder des Spruchkörpers nach Maßgabe der senatsinternen Regelung, sodann durch die übrigen nach der Geschäftsverteilung des Gerichts zur Vertretung heranzuziehenden Richter dieses Gerichts zu ergänzen. Hieraus ergibt sich die aus dem Rubrum dieses Beschlusses ersichtliche Zusammensetzung des Spruchkörpers.

3 2. Dahinstehen kann, ob die Ablehnungsanträge derzeit zulässig sind, obwohl sie erst nach Urteilsverkündung und damit nach Erlass einer den Rechtsstreit abschließenden unanfechtbaren Entscheidung gestellt wurden und es bislang an einer erfolgreichen, das Verfahren gemäß § 152a Abs. 5 Satz 2 VwGO in eine frühere Verfahrenslage zurückversetzenden Anhörungsrüge fehlt (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 S 783/16 - juris m.w.N.). Denn die Anträge auf Ablehnung der fünf an der Entscheidung mitwirkenden Richter sind jedenfalls unbegründet.

4 3. Die Kläger haben keine Gründe glaubhaft gemacht, die geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

5 Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO). Danach ist es nicht notwendig, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Andererseits reicht die rein subjektive Vorstellung eines Beteiligten, der Richter werde seine Entscheidung an persönlichen Motiven orientieren, nicht aus, wenn bei objektiver Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund für die Befürchtung ersichtlich ist. Die Besorgnis der Befangenheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn aus der Sicht des Beteiligten hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerwG, Beschluss vom 30. September 2015 - 2 AV 2.15 - NVwZ 2016, 253 Rn. 7 m.w.N.). Dass ein Richter bei der Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts oder dessen rechtlicher Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind und damit Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Abgelehnte Argumenten nicht mehr zugänglich und damit nicht mehr unvoreingenommen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - NJW-RR 2008, 72). Entsprechendes gilt für die von einem Richter gewählte Gestaltung des Verfahrens.

6 Stellt ein Betroffener einen Ablehnungsantrag, hat er die zur Begründung seines Antrags notwendigen Tatsachen nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen, soweit diese nicht offenkundig sind (§ 291 ZPO). Hierdurch soll das Gericht in die Lage versetzt werden, ohne den Fortgang des Verfahrens verzögernde weitere Ermittlungen über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden. Hinsichtlich der zur Glaubhaftmachung zugelassenen Beweismittel sieht § 44 Abs. 2 ZPO gegenüber § 294 ZPO zwei Besonderheiten vor. Einerseits ist nach § 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine eigene eidesstattliche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen. Andererseits genügt nach § 44 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Bezugnahme auf das Zeugnis des abgelehnten Richters, der sich nach § 44 Abs. 3 ZPO über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat, obwohl es sich hierbei nicht um ein präsentes Beweismittel i.S.v. § 294 Abs. 2 ZPO handelt.

7 In diesem Sinne haben die Kläger mit ihrem Vortrag zum bisherigen Ablauf des Verfahrens, insbesondere dem Verfahrensgeschehen seit dem Ersuchen ihres Prozessbevollmächtigten um Terminverlegung mit Schriftsatz vom 8. November 2016, keine Gründe glaubhaft gemacht, die bei objektiver Betrachtung eine Ablehnung der fünf Richter wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Es kann daher dahinstehen, ob den von ihnen geltend gemachten Ablehnungsgründen zumindest teilweise nicht schon der Ausschlussgrund des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 43 ZPO entgegensteht. Danach kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Dieser Ausschluss greift nicht nur, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung anwesend waren und auf die Rüge verzichtet haben, sondern auch dann, wenn sie nicht anwesend waren, hierfür jedoch kein erheblicher Grund im Sinne der § 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben war (BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - NVwZ-RR 2016, 833 = juris Rn. 39).

8 a) Soweit die Kläger Zweifel an der Unvoreingenommenheit der über die Ablehnungsgesuche vom 14. November 2016 entscheidenden Richter daraus herleiten, dass ihnen in Bezug auf die dienstlichen Äußerungen der beiden abgelehnten Richter keine ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei, ergibt sich hieraus bei objektiver Betrachtung kein Ablehnungsgrund. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat mit seinem - gegen 15.16 Uhr per Telefax übermittelten - Schriftsatz vom 14. November 2016 (IV) bestätigt, dass ihm die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter am gleichen Tag um 13.38 Uhr zugegangen sind. Damit hatte er Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen, was er in diesem Schriftsatz auch getan hat. Soweit er gleichzeitig eine "angemessene Äußerungs- und Bedenkfrist" zur dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden erbeten hat, hat er einen weiteren Stellungnahmebedarf nicht substantiiert dargelegt. Im Übrigen hatte das Gericht die mündliche Verhandlung weder aufgehoben noch verlegt, sondern nur hinsichtlich der Terminstunde verlegt. Damit musste ein verständiger Prozessbevollmächtigter damit rechnen, dass über die Ablehnungsanträge noch am gleichen Tag vor Aufruf der Sache entschieden wird.

9 b) Zweifel an der Unvoreingenommenheit ergeben sich bei objektiver Betrachtung auch nicht aus dem Umstand, dass der Vorsitzende am 14. November 2016 über die Gegenvorstellung gegen die Ablehnung des Verlegungsantrags vom 8. November 2016 und über den erneuten Antrag auf Terminverlegung entschieden hat. Denn die Entscheidung über diese außerhalb der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge oblag nach § 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 4 ZPO dem Vorsitzenden. Dieser war an einer Entscheidung nicht gehindert, weil das Ablehnungsgesuch zuvor abgelehnt worden war. Gegenteiliges haben die Kläger nicht glaubhaft gemacht.

10 c) Ein Ablehnungsgrund ergibt sich auch nicht aus der inhaltlichen Behandlung der vom Prozessbevollmächtigten der Kläger seit dem 8. November 2016 gestellten Anträge. Dass ein Richter bei der rechtlichen Beurteilung - hier insbesondere der prozessualen Voraussetzungen für eine Terminverlegung und eines auf die Nichtverlegung und den weiteren Verfahrensablauf gestützten Befangenheitsantrags - eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, reicht - selbst wenn die Ansicht rechtsirrig wäre - regelmäßig und so auch hier nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Im Übrigen war es verfahrensrechtlich durchaus vertretbar, mangels Vorliegens eines erheblichen Grundes im Sinne des § 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO von einer nochmaligen Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung abzusehen, da der Klägervertreter nach der letzten Verlegung mehr als zwei Monate Vorbereitungszeit hatte und nicht hinreichend deutlich dargelegt hat, dass er gerade am Sitzungstag wegen der nur durch ihn zu bewerkstelligenden Betreuung seiner Eltern unabkömmlich war. Dass die mündliche Verhandlung zuvor zweimal aus dienstlichen Gründen verschoben worden war, rechtfertigt keinen anderen Maßstab. Im Übrigen hat ein Prozessbevollmächtigter, der geltend macht, derzeit mit der Bearbeitung eines Verfahrens überfordert zu sein, diesem Umstand durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen, durch die Einrichtung einer Vertretung und notfalls durch Abgabe des Mandats zu begegnen. Dies gilt selbst dann, wenn es der unbedingte Wunsch eines Klägers sein sollte, nur von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten zu werden. Denn das Recht auf freie Wahl eines Prozessbevollmächtigten endet dort, wo dieser für einen längeren Zeitraum nicht mehr in der Lage ist, einen Prozess zu führen, und damit den angemessenen Fortgang des Verfahrens längerfristig verhindert (BVerwG, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - Rn. 28, juris). Dies gilt auch bei einem - wie hier - in eigener Sache tätigen Prozessbevollmächtigten.

11 d) Soweit die Kläger der Auffassung sind, die an der mündlichen Verhandlung mitwirkenden Richter hätten gegen das gesetzliche Handlungsverbot (Wartepflicht) des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 ZPO verstoßen bzw. daran mitgewirkt, weil der Beschluss vom 14. November 2016 über die Ablehnung ihrer Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden und die Berichterstatterin am gleichen Tag um 17.17 Uhr nur "vorab per Fax" an die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten übermittelt worden sei, was schon keine Bekanntgabe darstelle, jedenfalls aber keine Tätigkeit der abgelehnten Richter vor 17.17 Uhr erlaube, vermag dies eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Nach den eingeholten und dem Klägervertreter zur Kenntnis gebrachten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter vom 29. November 2016 sind weitere Verfahrenshandlungen von ihnen am 14. November 2016 erst vorgenommen worden, nachdem der unanfechtbare und mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Beschluss über die Ablehnung der Befangenheitsanträge bei der Geschäftsstelle eingegangen war. Gegenteiliges haben die Kläger in tatsächlicher Hinsicht nicht glaubhaft gemacht. Dies gilt auch für die Mutmaßung, es fehle an einem von den Richtern im Original unterzeichneten Beschluss. Soweit sie in rechtlicher Hinsicht der Auffassung sind, die Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle reiche nicht für ein Ende der gesetzlichen Wartepflicht, leiten sie ihre Besorgnis der Befangenheit aus einer ihrer Auffassung nach unrichtigen, aber nicht unvertretbaren Beurteilung der Rechtslage ab. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie nach Verkündung des Urteils Anhörungsrüge gegen die Ablehnung ihrer Befangenheitsanträge vom 14. November 2016 erhoben haben (vgl. BFH, Beschluss vom 17. September 1987 - VIII B 199/86 - juris; BGH, Beschluss vom 7. März 2012 - AnwZ (B) 13/10 - juris). Damit ist auch dieses Verhalten der abgelehnten Richter nicht geeignet, Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit zu begründen.

12 e) Soweit der Befangenheitsantrag darauf gestützt wird, dass es an einer ordnungsgemäßen Ladung ihres Prozessbevollmächtigten gefehlt habe, ergibt sich auch daraus kein Ablehnungsgrund. Zwar war am Sitzungstag ursprünglich auf 11.45 Uhr geladen. Der Beginn der mündlichen Verhandlung verzögerte sich jedoch durch die vom Prozessbevollmächtigten der Kläger vor Aufruf der Sache angekündigte Gegenvorstellung gegen die Ablehnung des Terminverlegungsantrags und die angekündigten Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden und die Berichterstatterin. Aus diesem Grund hat der Vorsitzende - wie sich aus seiner, dem Klägervertreter bekannten dienstlichen Äußerung vom 29. November 2016 ergibt - die Terminstunde auf 16.00 Uhr verschoben. Dies wurde dem Klägervertreter telefonisch um 11.20 Uhr durch die Geschäftsstelle übermittelt. Mit der Verschiebung der Terminstunde wurde die mündliche Verhandlung weder aufgehoben noch verlegt, sondern dem Klägervertreter nur die erforderliche Zeit eingeräumt, seine angekündigten Anträge zu formulieren und zu übermitteln. Da die Bescheidung der Anträge länger dauerte, begann die Verhandlung erst um 17.15 Uhr. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich hierbei weiterhin um die mündliche Verhandlung handelte, zu der die Beteiligten ordnungsgemäß geladen worden waren. Auch insoweit haben die Kläger keinen vom Inhalt der dienstlichen Äußerungen abweichenden Sachverhalt glaubhaft gemacht.

13 f) Ein Ablehnungsgrund ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Kläger zum Ablauf der mündlichen Verhandlung, in der sie weder anwesend noch vertreten waren. Die von ihnen insoweit erhobenen Einwände beruhen auf reinen Mutmaßungen, die von ihnen nicht glaubhaft gemacht worden sind. Sie finden weder im Protokoll der mündlichen Verhandlung, das dem Klägervertreter nach der Verhandlung übersandt worden ist, noch in den ihm zur Kenntnis gebrachten ergänzenden dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter vom 1. und 2. Dezember 2016 eine Stütze. Danach erfolgte insbesondere ein ordnungsgemäßer Aufruf der Sache und war ein Zugang zum Sitzungssaal für eine interessierte Öffentlichkeit auch noch bei Verkündung um 19.34 Uhr gewährleistet. Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass das Bundesverwaltungsgericht werktags jedenfalls bis 20 Uhr öffentlich zugänglich ist. Auch die Verschiebung der Terminstunde auf 16.00 Uhr wurde durch eine Änderung des Aushangs am Sitzungssaal bekanntgegeben, wie sich aus den ergänzenden dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter vom 1. und 2. Dezember 2016 ergibt. Einen hiervon abweichenden Verhandlungsablauf haben die Kläger nicht glaubhaft gemacht. Ihre Einwände gegen den Inhalt der eingeholten dienstlichen Äußerungen rechtfertigen keine andere Beurteilung, da sie nicht die erforderliche Glaubhaftmachung eines anderen Sachverhalts ersetzen.

14 g) Eine fehlerhafte Protokollierung, die den Vorwurf der Befangenheit rechtfertigen könnte, ist auch nicht darin zu sehen, dass im Protokoll vermerkt ist, die Berichterstatterin habe "den wesentlichen Inhalt der Akten" vorgetragen. Eine Fehlerhaftigkeit kann insoweit auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass die mündliche Verhandlung mit einer Dauer von sechs Minuten tatsächlich sehr kurz war, was die Zeit für den Vortrag der Berichterstatterin neben den übrigen Verfahrenshandlungen deutlich beschränkte. Denn angesichts der Tatsache, dass die Beteiligten nicht erschienen waren, hat sich die Berichterstatterin bei ihrem Vortrag auf die Darstellung des äußeren Verfahrensablaufs, des Ergebnisses des erstinstanzlichen Verfahrens und des mit der Revision erstrebten Zieles (Haupt- und Hilfsbegehren) beschränkt (vgl. ergänzende dienstliche Äußerungen der abgelehnten Richter vom 1. und 2. Dezember 2016), was auch unter Berücksichtigung der noch am Sitzungstag eingegangenen Schriftsätze nicht zu beanstanden ist.

15 h) Auch dem weiteren Vorbringen der Kläger sind keine Gründe zu entnehmen, die bei objektiver Würdigung Anlass geben könnten, an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Es belegt lediglich eine subjektive Empfindlichkeit des Klägervertreters, der nach der vertretbaren Ablehnung seiner Verlegungsanträge inzwischen aus einem ihm nicht genehmen Verhalten und einer für ihn nachteiligen Entscheidung der abgelehnten Richter auf eine - objektiv nicht nachvollziehbare - Besorgnis der Befangenheit schließt.

16 4. Der Senat konnte über die Ablehnungsanträge ungeachtet der vom Klägervertreter zwischenzeitlich beantragten Einsichtnahme in die Gerichtsakten, der begehrten Zurverfügungstellung von Abschriften aller prozessleitenden Originalverfügungen seit dem 8. November 2016 und der von ihm begehrten Auskünfte und Ermittlungen sowie des von ihm geltend gemachten weiteren Äußerungsbedarfs ohne weiteres Zuwarten entscheiden. Insbesondere haben die Kläger nicht dargelegt und es ist auch nicht ersichtlich, dass ihnen eine hinreichende Stellungnahme zu den eingeholten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter innerhalb der gewährten Äußerungsfrist nicht möglich war. Soweit sie weiterhin einen vom Inhalt der dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter abweichenden Verfahrensablauf behaupten und vermuten, dass sich hierzu weitergehende Erkenntnisse aus den Gerichtsakten oder durch weitere Ermittlungen bei Gericht ergeben könnten, ist ihren hierauf bezogenen Anträgen im Rahmen des mit Stellung ihrer Ablehnungsanträge eingeleiteten Zwischenverfahrens nicht nachzugehen. Denn das Zwischenverfahren dient nicht der Beschaffung weiterer Erkenntnisse bei - wie hier - in tatsächlicher Hinsicht ohne jede Glaubhaftmachung auf bloße Mutmaßungen gestützten Befangenheitsanträgen. Vielmehr sind bei Stellung eines Befangenheitsantrags die geltend gemachten Ablehnungsgründe darzulegen und glaubhaft zu machen, damit der Rechtsstreit ohne den Fortgang des Verfahrens verzögernde weitere Ermittlungen zügig fortgeführt werden kann. Über das Begehren der Kläger auf Akteneinsicht und Übersendung von Abschriften aller prozessleitenden Originalverfügungen seit dem 8. November 2016 ist daher ebenso wie über die von ihnen erhobene Anhörungsrüge gegen die Ablehnung ihrer Befangenheitsanträge vom 14. November 2016 außerhalb des vorliegenden Ablehnungsverfahrens durch den oder die zur Entscheidung berufenen Richter zu entscheiden.

Beschluss vom 02.01.2017 -
BVerwG 5 C 10.15 DECLI:DE:BVerwG:2017:020117B5C10.15D0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.01.2017 - 5 C 10.15 D - [ECLI:DE:BVerwG:2017:020117B5C10.15D0]

Beschluss

BVerwG 5 C 10.15 D

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Januar 2017
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Wittkopp gerichteten Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit werden verworfen.
  2. Die Anhörungsrügen der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 12. Dezember 2016 - 5 C 10.15 D - werden zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Rügeverfahrens je zur Hälfte.

Gründe

1 Die Ablehnungsgesuche der Kläger sind unzulässig (1.). Ihre Anhörungsrügen haben jedenfalls in der Sache keinen Erfolg (2.).

2 1. Die Ablehnungsgesuche sind unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig zu verwerfen.

3 Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise dann unter Mitwirkung der abgelehnten Richter als unzulässig verworfen werden oder überhaupt unberücksichtigt bleiben, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2014 - 7 C 13/13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76, Rn. 5). Davon ist auszugehen, wenn geeignete Befangenheitsgründe weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht werden, vielmehr das Vorbringen des Antragstellers von vornherein ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn das Gesuch offenbar grundlos ist, nur der Verschleppung dient und damit rechtsmissbräuchlich ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - juris Rn. 15 f.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. .

4 Die Kläger haben in ihrem Schriftsatz vom 26. Dezember 2016 die Ablehnung der drei Richter wie folgt begründet (S. 2 unten):
"Die Richter(innen) am Bundesverwaltungsgericht Herr Prof. Dr. Dörig, Frau Fricke und Frau Dr. Wittkopp werden aufgrund der auch für jeden objektiven Dritten unverständlich geballt (Grund-)Rechtsverletzungen zu Lasten der Kläger bewirkenden Mitwirkung am Beschluss vom 12.12.2016 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dies wird mit der für den 27.12.2016 angekündigten weiteren Begründung der Anhörungsrüge zum Beschluss vom 12.12.2016 weitergehend dargelegt werden."

5 Mit diesem und dem in weiteren Schriftsätzen unterbreiteten Vorbringen zum Verhalten der entscheidenden Richter und zum Inhalt des beanstandeten Beschlusses werden schon im Ansatz keine Umstände aufgezeigt, die Anlass zu einer vertiefteren Prüfung des Vorliegens von Befangenheitsgründen geben würden. Die Kläger bringen lediglich und in ganz allgemeiner Form zum Ausdruck, dass sie mit der durch die abgelehnten Richter getroffenen Entscheidung über das Befangenheitsgesuch nicht einverstanden sind und sich offenbar auch hierdurch in ihren Rechten verletzt sehen.

6 2. Die Anhörungsrügen haben, soweit sie zulässig sind, jedenfalls in der Sache keinen Erfolg, da der Senat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

7 Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung dar. Sie greift nur dann, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinander gesetzt hat. Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt sein, sondern vor Entscheidungen, die seine Rechte betreffen, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können. Daher garantiert Art. 103 Abs. 1 GG den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage vor deren Erlass zu äußern. Das Gericht darf nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse verwerten, zu denen die Beteiligten vorher Stellung nehmen konnten (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2014 - 2 BvR 514/12 - NJW 2015, 1166 m.w.N.). An einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht nur dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen. Vielmehr nimmt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung die in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Aufklärungs- und Erörterungspflichten, soweit sie über das Recht der Beteiligten hinausgehen, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass dieser Entscheidung zu äußern, grundsätzlich aus dem Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG aus (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juli 1993 - 2 BvR 218/92 - juris Rn. 2 m.w.N). Es kommt im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags erst dann gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190> m.w.N.). Dies war hier nicht der Fall.

8 Der Senat geht auf die von den Klägern hierfür angeführten Gründe in der Reihenfolge Ihres Vorbringens in den Schriftsätzen vom 26. und 27. Dezember 2016 ein, weist aber auf die Schwierigkeit hin, dass die Schriftsätze die Anhörungsrügen nicht mit Ziffern versehen und nur teilweise ausweisen, auf welchen Gliederungspunkt im angegriffenen Beschluss des Senats vom 12. Dezember 2016 sie sich beziehen.

9 a) Soweit die Kläger die Anhörungsrüge in Ihrem Schriftsatz vom 26. Dezember 2016 einleitend damit begründen (S. 1 f.), dass die Übermittlung des angegriffenen Beschlusses vom 12. Dezember 2016 darauf zielte, die 2-Wochen-Frist des § 152 a VwGO auszulösen, was angesichts der bevorstehenden Weihnachtsfeiertage und der weiteren Umstände des Falles das Grundrecht des Klägers zu 2 auf Schutz seines Familienlebens und seiner Religionsausübung nicht beachtete, können sie diesen Einwand nicht im Wege der Anhörungsrüge geltend machen. Denn er bezieht sich auf Umstände nach Erlass des angegriffenen Beschlusses und nicht auf Gehörsmängel, die durch den Beschluss selbst bewirkt worden sind. Im Übrigen steht es dem Gericht frei, bei Entscheidungsreife über ein Gesuch zu entscheiden.

10 b) Soweit die Kläger weiter rügen, das rechtliche Gehör sei auch durch die beschränkten Möglichkeiten zur Akteneinsicht verletzt (Schriftsatz vom 26. Dezember 2016 S. 3 unten und vom 27. Dezember 2016, S. 1), greift diese Rüge jedenfalls in der Sache nicht durch. Der Senat hat bereits in dem hier beanstandeten Beschluss vom 12. Dezember 2016 - dort unter Ziffer 4 - dargelegt, warum er ungeachtet der aus den Akten ersichtlichen Anträge auf Akteneinsicht und Zurverfügungstellung weiterer Unterlagen und Informationen über die Ablehnungsgesuche entscheiden konnte. An dieser Begründung hält der Senat unverändert fest. Im Übrigen hatten die Kläger im Rahmen der Anhörungsrüge hinreichend Gelegenheit, ihr Vorbringen mit Blick auf die ihnen im Rahmen der erfolgten Akteneinsicht gewonnene Erkenntnisse zu ergänzen. Ein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß liegt entgegen ihrer Auffassung nicht vor, wenn auch der nach Akteneinsicht ergänzte Vortrag die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter nicht zu begründen vermag. So liegt der Fall hier.

11 c) Wenn gerügt wird, dass besonders der Vorsitzende vielfach die für ihn aufgrund der Ablehnungen und der Anhörungsrüge begründeten Wartepflichten verletzt habe und auch insoweit durch den Beschluss vom 12. Dezember 2016 (Ziffer 3 d der Gründe) das gebotene rechtliche Gehör nicht hinreichend beachtet wurde (Schriftsatz vom 26. Dezember 2016 S. 3 unten und Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 6 Mitte), hat auch diese Rüge keinen Erfolg. Der Senat hat sich in dem angegriffenen Beschluss mit dem Problem auseinander gesetzt. Soweit die Kläger Ausführungen zu der Frage vermissen, dass der Vorsitzende am 14. November 2016 die Verfügung zur Gegenvorstellung und Terminverlegung vorbereitet hat, bevor die Wartepflicht endete, lässt sich hieraus keine Befangenheit herleiten. Die Wartepflicht steht vorbereitenden Entwürfen nicht entgegen, soweit sie - wie hier - im internen Bereich verbleiben. Im Übrigen beanstanden die Kläger nicht, dass ihr Vorbringen im angegriffenen Beschluss nicht zur Kenntnis genommen und beschieden wurde, sie nehmen vielmehr ausdrücklich Bezug auf die Beschlussgründe unter Ziffer 3 d, wenden sich aber gegen die dort vertretene Rechtsauffassung des Gerichts. Darauf können sie eine Anhörungsrüge nicht stützen.

12 d) Unzulässig ist die Rüge, dass "zumindest die vollständige Zurückweisung der Gegenvorstellung zur Verfügung vom 16.11.2015 objektiv nicht vertretbar" gewesen sei (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 2 oben). Denn die Kläger haben die Zurückweisung der Gegenvorstellung zur Verfügung vom 16. November 2015 nicht zur Grundlage ihres Ablehnungsgesuchs gemacht, so dass der Senat bei der Bescheidung des Ablehnungsgesuchs hierauf auch nicht eingehen musste.

13 Soweit sie sich der Sache nach gegen die Ablehnung der Verlegung des Termins vom 14. November 2016 wendet (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 2 - 4) und darin ein die Kläger benachteiligendes "Messen mit zweierlei Maß" durch die abgelehnten Richter sieht (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 4), sind keine Umstände vorgetragen, auf die der Senat nicht schon in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2016 (Ziffer 3 c) eingegangen ist. Soweit sich die Rüge auf den Gesamtzeitraum vom November 2015 bis Dezember 2016 bezieht und ein Messen mit zweierlei Maß darin sieht, dass bei den aufgetretenen Erkrankungen des Senatsvorsitzenden und der Berichterstatterin Termine verlegt wurden, nicht jedoch im Fall der Erkrankung der Mutter des Klägervertreters, rechtfertigt dieser nach Akteneinsicht vertiefte Grund nicht die Ablehnung der Richter wegen Befangenheit. Denn die Erkrankung von Verfahrensbeteiligten darf als schwerwiegenderer Grund für eine Terminverlegung gewertet werden als die Erkrankung von Angehörigen. Eine Voreingenommenheit der Richter lässt sich daraus hier nicht ableiten. Es war insoweit auch nicht erforderlich, auf "eine weitere Klärung der tatsächlichen Gegebenheiten vor Erlass des Beschlusses vom 12. Dezember 2016 hinzuwirken" (so Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 4 unten), zumal die Klägervertreter auch nach Akteneinsicht nichts Neues hierzu vorgebracht haben und sich nähere Ermittlungen zur Schwere der Erkrankungen der beiden betroffenen Richter aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verbieten.

14 e) Soweit die Kläger die Ausführungen des Senats unter Ziffer 3 a des angegriffenen Beschlusses beanstanden, weil diese nicht berücksichtigten, dass sich der Klägervertreter am 14. November 2016 noch um seine verunglückte Mutter habe kümmern müssen (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 5 unten) verkennen die Kläger , dass der Senat seine Entscheidung darauf gestützt hat, dass der Klägervertreter einen weiteren Stellungnahmebedarf nicht substantiiert dargelegt hat. Der von den Klägern jetzt angesprochene Zeitbedarf und der vom Senat angesprochene Bedarf zu einer ergänzenden Stellungnahme sind unterschiedliche Tatbestände. Die Rüge legt nicht dar, dass der Senat Vorbringen der Kläger zum Bedarf einer über den Schriftsatz vom 14. November 2016 hinausgehenden inhaltlichen Stellungnahme übergangen habe. Sie benennt nicht einmal jetzt Umstände, die die Kläger bei verlängerter Frist noch vorgetragen hätten.

15 f) Soweit die Kläger des Weiteren rügen, es sei "objektiv unvertretbar" gewesen, die mündliche Verhandlung am 14. November 2016 ohne vorherige Prüfung zu eröffnen, ob der Beschluss und die Verfügung vom gleichen Tage zumindest bekanntgegeben worden waren (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 5 unten), da mit einer Kenntnisnahme durch den Klägervertreter ohnehin nicht habe gerechnet werden können und sich der Akte auch kein Hinweis darauf entnehmen lasse, dass eine Information des Klägervertreters versucht wurde, wird ein Anhörungsmangel damit nicht dargelegt. Denn der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 12. Dezember 2016 (Ziffer 3 d) ausgeführt, dass die abgelehnten Richter nach deren dienstlichen Erklärungen Verfahrenshandlungen am 14. November 2016 erst vorgenommen haben, nachdem der unanfechtbare und mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Beschluss über die Ablehnung der Befangenheitsanträge bei der Geschäftsstelle eingegangen war. Die Kläger vertreten hierzu zwar die Rechtsauffassung, dass mit derartigen Handlungen jedenfalls bis zu einer Bekanntgabe ihnen gegenüber habe gewartet werden müssen. Eine unterschiedliche Rechtsauffassung zwischen einzelnen Verfahrensbeteiligten und dem Gericht begründet jedoch nicht die Besorgnis der Befangenheit. In diesem Sinne wurden die Kläger bereits durch den angegriffenen Beschluss beschieden. Aus dem Rügevorbringen ergibt sich zwar, dass die Kläger an ihrer Rechtsauffassung festhalten. Sie legen aber nicht dar, dass sich das Gericht nicht mit ihrem Vorbringen zu den Ablehnungsgesuchen befasst und sie damit in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte. Das gilt auch für ihr weiteres Vorbringen zu dieser Frage (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 6 unten).

16 g) Kein Gehörsverstoß liegt auch insoweit vor, als die Kläger beanstanden, dass die Erwägungen des Gerichts in Ziffer 3 c des angegriffenen Beschlusses eines ihrer Kernargumente unbeachtet ließen. Der Vorsitzende habe erst in seiner dienstlichen Äußerung vom 14. November 2016 erkennbar werden lassen, was zentral für seine Ablehnung der Terminverlegung gewesen sei: der Umstand, dass der Klägervertreter nach Auffassung des Vorsitzenden nicht hinreichend dargelegt habe, dass ihm wegen der erforderlichen Betreuung seiner Mutter gerade eine Teilnahme am Termintag unmöglich gewesen sei. Dieses Argument sei gezielt zurückgehalten worden und für die Kläger vor Kenntnis der dienstlichen Erklärung nicht erkennbar gewesen (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 6 oben). Auch diese Rüge begründet keine Gehörsverletzung durch den angegriffenen Beschluss, weil das Gericht darin unter Ziffer 3 c auf diesen Gesichtspunkt eingegangen ist. Die Kläger vermögen nicht konkret zu benennen, welcher Gesichtspunkt dabei übergangen worden sein soll. Auch geben sie weiterhin nicht an, warum der Betreuungsbedarf durch den Klägervertreter gerade am Verhandlungstag bestanden habe. Ihre weiteren Ausführungen zu der aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Ablehnung einer Terminverschiebung (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 6 Mitte) sind bereits durch den Beschluss des Senats vom 12. Dezember 2016 (Ziffer 3 c) beschieden worden. Die Kläger wenden sich damit letztendlich allein gegen die rechtliche und tatsächliche Bewertung durch das Gericht. Die Bemerkung zur Erforderlichkeit der Einrichtung einer Vertretung und notfalls Abgabe des Mandats hatte im Übrigen nur ergänzenden Charakter und bezog sich auf den Fall einer allgemeinen Überforderung. Soweit konkreter Anlass für den Terminverlegungsantrag der Unfall der Mutter war, ist der Senat hierauf mit seinen vorrangigen Ausführungen unter 3c des Beschlusses eingegangen.

17 h) Ohne Erfolg bleibt die Rüge, in dem hier angegriffenen Beschluss sei "vertiefter Vortrag für die Kläger nicht berücksichtigt" worden, soweit der Senat unter Ziffer 3 f ausgeführt habe, dass nach den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter ein Zugang zum Sitzungssaal für eine interessierte Öffentlichkeit auch noch bei Verkündung um 19.34 Uhr gewährleistet war (Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 S. 6 unten/7 oben). Die Kläger legen schon nicht dar, ob und in welchem ihrer zahlreichen Schriftsätze der angeblich übergangene Vortrag enthalten gewesen sein soll. Im Übrigen stellen auch die jetzt erhobenen Einwände, das Gericht gebe selbst die Öffnungszeiten bspw. im Internet mit "bis 16 Uhr" an, eine theoretische Öffentlichkeit genüge jedoch dem Erfordernis einer öffentlichen Verhandlung nicht, die oben genannte Annahme nicht in Frage. Der Senat hat auf die gerichtsbekannte Tatsache verwiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht werktags jedenfalls bis 20 Uhr öffentlich zugänglich ist. Auch aus den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter ergibt sich, dass am Verhandlungstag ein Zugang zum Sitzungssaal für eine interessierte Öffentlichkeit auch noch bei Verkündung um 19.34 Uhr gewährleistet war. Die Erwähnung der Uhrzeit von 16 Uhr auf der Homepage des Gerichts stellt dies nicht in Frage, weil sie in einem anderen Zusammenhang steht: Dort wird unter der Rubrik "Besichtigung des Bundesverwaltungsgerichts" mitgeteilt, dass die Eingangshalle einschließlich der Umgänge, das "Reichsgerichtsmuseum" sowie der restaurierte Große Sitzungssaal, in dem bis zum Umbau des ehemaligen Reichsgerichtsgebäudes das Dimitroff-Museum beheimatet war, montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr besucht werden können. Hier geht es jedoch um die Zugänglichkeit des Gerichts für die Öffentlichkeit im Rahmen seiner rechtsprechenden Tätigkeit, die hier gewährleistet war. Dessen ungeachtet kommt es für die Frage der Befangenheit nur darauf an, ob den Richtern Gegenteiliges bekannt war.

18 Mit der Beanstandung, ein Hinweis auf die Verlegung der Terminstunde (auf den Nachmittag) sei nur vor dem Sitzungssaal erfolgt, nicht aber im Internet und im Eingangsbereich des Gerichts, rügen die Kläger keine Nichtberücksichtigung erfolgten Vorbringens, sondern bringen neue Gesichtspunkte vor. Im Übrigen ist weder dargelegt noch erkennbar, inwiefern sich aus der konkreten Form der Bekanntmachung der Terminverlegung eine Befangenheit der Richter ergeben könnte. Zudem entspricht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Verhandlung den an die Öffentlichkeit zu stellenden Anforderungen, wenn die Allgemeinheit Informationen über deren Zeit sowie Ort erhalten kann und wenn dieser Ort einfach zugänglich ist (BVerfG-K, Beschluss vom 14. März 2012 - 2 BvR 2405/11 - NJW 2012, 1863, juris Rn. 38 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR). Das war hier der Fall; eines Hinweises auf die Verschiebung des Beginns der Verhandlung am gleichen Tage über die Kennzeichnung am Sitzungssaal hinaus bedurfte es nicht.

19 3. Auch bei zusammenfassender Würdigung des Klägervorbringens ergibt sich keine Befangenheit der abgelehnten Richter Vormeier, Stengelhofen, Dr. Störmer, Dr. Fleuß und Dr. Harms und keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

20 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr aus Nr. 5400 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.

Beschluss vom 03.01.2017 -
BVerwG 5 C 10.15 DECLI:DE:BVerwG:2017:030117B5C10.15D0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 03.01.2017 - 5 C 10.15 D - [ECLI:DE:BVerwG:2017:030117B5C10.15D0]

Beschluss

BVerwG 5 C 10.15 D

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Januar 2017
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 14. November 2016 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 1. Die den vorliegenden Beschluss fassenden Mitglieder des 5. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts sind nicht an einer Entscheidung hierüber gehindert. Soweit die Kläger zwischenzeitlich beantragt hatten, auch diese Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist dieses Verfahren ohne Erfolg geblieben und endgültig abgeschlossen. Das mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigen vom 28. November 2016 gestellte Ablehnungsgesuch der Kläger gegen die Mitglieder des 5. Revisionssenats hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Dezember 2016 abgelehnt. Auch eine hiergegen gerichtete Anhörungsrüge hatte keinen Erfolg (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Januar 2017).

2 2. Die von den Klägern mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 28. November 2016 erhobene Anhörungsrüge, die sich gegen den Beschluss des Senats vom 14. November 2016 richtet, mit dem dieser den Antrag der Kläger auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht ... und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht ... wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.

3 Dabei kann offenbleiben, ob für die Durchführung des Anhörungsrügeverfahrens gegen den Beschluss vom 14. November 2016 ein Rechtsschutzbedürfnis (noch) besteht. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat dazu in seinem Schriftsatz vom 7. Dezember 2016 unter Bezugnahme auf weitere von ihm gestellte Anträge selbst ausgeführt: "Bezüglich der Anhörungsrüge wird die Rechtslage hier so verstanden, dass die Anhörungsrüge zum Beschluss vom 14.11.2016 faktisch prozessual überholt ist." Ob dies der Fall ist, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

4 Die Anhörungsrüge ist jedenfalls unbegründet, weil der Senat den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht, wie in § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO vorausgesetzt wird, in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

5 Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um einen Rechtsbehelf, der dann greift, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich nicht mit ihm in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht allerdings nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen. Ebenso wenig ist das Gericht gehalten, ein jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <368> und vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46> m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2010 - 5 B 53.09 - juris Rn. 2 und vom 3. Juli 2014 - 8 B 20.14 - juris Rn. 2, jeweils m.w.N.). An diesen Maßstäben gemessen hat der Senat das Recht der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.

6 a) Ohne Erfolg rügen die Kläger, die zur Entscheidung berufenen Mitglieder des 5. Revisionssenats hätten bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht ... und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht ... nicht berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger in seinem Schriftsatz vom 14. November 2016 (IV) im Hinblick auf seine Stellungnahmen zu den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter eine weitere "angemessene Äußerungs- und Bedenkfrist" begehrt habe. Dieses Begehren ist von den zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufenen Mitgliedern des 5. Revisionssenats sowohl berücksichtigt als auch beschieden worden. Dies ergibt sich deutlich aus den Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss vom 14. November 2016 (BA S. 2), wo es heißt, dass der Senat über den Ablehnungsantrag auf der Grundlage der dem Prozessbevollmächtigten der Kläger bereits mitgeteilten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter vom 14. November 2016 entscheiden könne, weil diese den Anforderungen des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO genügten und der Prozessbevollmächtigte der Kläger zu diesen dienstlichen Äußerungen und zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs auch in einem weiteren Schriftsatz vom 14. November 2016 ausführlich Stellung genommen habe. Damit ist zugleich und für den Prozessbevollmächtigten der Kläger erkennbar darüber entschieden worden, dass dem Begehren der Kläger, mit weiteren Schriftsätzen zu den dienstlichen Äußerungen Stellung zu nehmen, nicht zu entsprechen war. Diese Entscheidung hat das Gericht unter Würdigung der gesamten Umstände des Verfahrens getroffen und hierbei auch berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Hinblick auf das kaum mehr als eine Stunde vor der ursprünglich anberaumten Terminstunde zur mündlichen Verhandlung gestellte Ablehnungsgesuch nicht erwarten durfte, dass ihm über eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu den daraufhin eingeholten dienstlichen Äußerungen hinaus eine weitere "Äußerungs- und Bedenkfrist" eingeräumt werden würde und sich daher zu einem konzentrierten prozessualen Vortrag angehalten sehen musste.

7 b) Mit ihrem weiteren Rügevorbringen haben die Kläger schon nicht aufgezeigt, dass und welchen konkreten entscheidungserheblichen Vortrag der Senat bei der Entscheidung über ihren Ablehnungsantrag nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Erwägungen einbezogen haben soll (vgl. zu diesem Erfordernis etwa BVerwG, Beschlüsse vom 3. Januar 2006 - 7 B 103.05 - ZOV 2006, 40 und vom 10. März 2010 - 5 B 4.10 - juris Rn. 4). Das gilt etwa für den Vortrag (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 28. November 2016, S. 2 und 5), die Zurückweisung des Ersuchens um eine Verlegung des für den 14. November 2016 anberaumten Termins habe die Grundrechte der Kläger auf rechtliches Gehör und faires Verfahren verletzt. Die damit als rechtswidrig angegriffene Verfahrenshandlung war schon keine solche, die von den drei entscheidenden Mitgliedern des 5. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen des Verfahrens über die Entscheidung des Ablehnungsantrags der Kläger vorgenommen worden ist. Gleiches gilt etwa für die Rügen der Kläger (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 28. November 2016, S. 2 ff.), die sich auf den Ablauf der nach der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch am 14. November 2016 stattfindenden mündlichen Verhandlung beziehen. Auch ansonsten ist weder dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 28. November 2016 noch dessen Schriftsatz vom 29. November 2016 noch weiteren zum vorliegenden Aktenzeichen eingegangenen Schriftsätzen in schlüssiger Weise zu entnehmen, dass der 5. Revisionssenat bei der Entscheidung über den Antrag der Kläger, den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht ... und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht ... wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, entscheidungserheblichen Vortrag der Kläger nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat. Aus den Ausführungen zur Begründung ihrer Anhörungsrüge ergibt sich insoweit nur, dass sie den Beschluss des Senats vom 14. November 2016 aus verschiedenen Gründen in der Sache für unvertretbar und rechtsfehlerhaft halten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedoch nicht verletzt, wenn das Gericht aus Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts zu einem anderen Ergebnis gelangt, als es die Beteiligten für richtig halten (BVerwG, Beschluss vom 3. Januar 2006 - 7 B 103.05 - ZOV 2006, 40). Solche Fehler sind nicht Prüfungsgegenstand der Anhörungsrüge (BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 - 2 KSt 1.11 - juris Rn. 3).

8 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

9 4. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge ist nach § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar.

Beschluss vom 18.01.2017 -
BVerwG 5 C 10.15 DECLI:DE:BVerwG:2017:180117B5C10.15D0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.01.2017 - 5 C 10.15 D - [ECLI:DE:BVerwG:2017:180117B5C10.15D0]

Beschluss

BVerwG 5 C 10.15 D

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Januar 2017
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrügen der Kläger werden zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verwerfung ihrer Ablehnungsgesuche in Ziffer 1 des Beschlusses vom 2. Januar 2017 - 5 C 10.15 D - richten.
  2. Im Übrigen werden die Anhörungsrügen verworfen.
  3. Die Gegenvorstellungen gegen die Zurückweisung der Anhörungsrügen in Ziffer 2 des Beschlusses vom 2. Januar 2017 - 5 C 10.15 D - werden zurückgewiesen.
  4. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Gründe

1 Die Anhörungsrügen der Kläger gegen die Verwerfung der Gesuche auf Ablehnung des Richters am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und der Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Wittkopp haben jedenfalls in der Sache keinen Erfolg (1.). Soweit sich die Anhörungsrügen gegen die Zurückweisung früherer Anhörungsrügen richten, sind sie als erneute Anhörungsrügen unzulässig (2.). Auch die hilfsweise erhobenen Gegenvorstellungen gegen die Zurückweisung früherer Anhörungsrügen haben keinen Erfolg (3.)

2 1. Soweit sich die Anhörungsrügen gegen die Verwerfung der Ablehnungsgesuche im Beschluss vom 2. Januar 2017 richten, haben sie keinen Erfolg, da der Senat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

3 Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung dar. Sie greift nur dann, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Dies war hier nicht der Fall. Der Senat hat vor Erlass des Beschlusses vom 2. Januar 2017 das Vorbringen der Kläger umfassend zur Kenntnis genommen und dahingehend gewürdigt, dass die Kläger schon im Ansatz keine Umstände aufgezeigt haben, die Anlass geben zu einer eingehenderen Prüfung des Vorliegens von Befangenheitsgründen bei seiner Entscheidung über die ersten Befangenheitsanträge, die sich gegen die zur Mitwirkung am Urteil berufenen Richter des Senats richteten. Die neuerlichen Anhörungsrügen, in denen die Kläger ihre Angriffe gegen die ihrer Auffassung nach fehlerhaften Entscheidungen des Senats weiter darlegen, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dass die Kläger die Beschlüsse vom 12. Dezember 2016 und vom 2. Januar 2017 weiterhin für rechtswidrig halten, begründet keinen Gehörsverstoß.

4 2. Soweit sich die Anhörungsrügen gegen die Zurückweisung der Anhörungsrügen im Beschluss vom 2. Januar 2017 richten, sind sie als erneute Anhörungsrügen unzulässig. Denn gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhörungsrüge als unbegründet zurückgewiesen wird, ist eine erneute Anhörungsrüge nicht statthaft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. April 2007 - 7 B 3.07 u.a. - juris Rn. 1; BVerfG, Beschluss vom 26. April 2011 - 2 BvR 597/11 - juris Rn. 5).

5 3. Soweit die Kläger hilfsweise gegen die Zurückweisung ihrer Anhörungsrügen im Beschluss vom 2. Januar 2017 Gegenvorstellungen erhoben haben, kann dahinstehen, ob dieses Begehren unzulässig ist, weil der Gesetzgeber mit der Schaffung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zum Ausdruck gebracht hat, dass daneben die nicht geregelte Gegenvorstellung nicht mehr zuzulassen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2016 - 5 B 14.16 - juris Rn. 2 m.w.N.). Denn die Gegenvorstellungen können schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der weitere Vortrag der Kläger dem Senat keinen Anlass zu einer Änderung seiner Entscheidung über die Zurückweisung der Anhörungsrügen gibt.

6 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Beschluss vom 02.03.2017 -
BVerwG 5 C 10.15 DECLI:DE:BVerwG:2017:020317B5C10.15D0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.03.2017 - 5 C 10.15 D - [ECLI:DE:BVerwG:2017:020317B5C10.15D0]

Beschluss

BVerwG 5 C 10.15 D

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. März 2017
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verwerfung ihrer Ablehnungsgesuche durch die entscheidenden Richter im Beschluss vom 31. Januar 2017 - 5 C 10.15 D - richten.
  2. Die weiteren Ablehnungsgesuche vom 14. und 15. Februar 2017 werden verworfen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge der Kläger gegen die Verwerfung der Gesuche auf Ablehnung des Richters am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und der Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Wittkopp hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg (1.). Die weiteren Ablehnungsgesuche der Kläger sind unzulässig und daher zu verwerfen (2.).

2 1. Soweit sich die Anhörungsrügen gegen die Verwerfung der Ablehnungsgesuche im Beschluss vom 31. Januar 2017 richten, haben sie keinen Erfolg, da der Senat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

3 Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung dar. Sie greift nur dann, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hat. Dies war hier nicht der Fall. Der Senat hat vor Erlass des Beschlusses vom 31. Januar 2017 das Vorbringen der Kläger in den weiteren Schriftsätzen seit dem 17. Januar 2017 umfassend zur Kenntnis genommen und dahingehend gewürdigt, dass die Kläger schon im Ansatz keine Umstände aufgezeigt haben, die Anlass geben zu einer eingehenderen Prüfung des Vorliegens von Befangenheitsgründen gegen die zur Mitwirkung berufenen Richter des Senats. Die neuerlichen Anhörungsrügen, in denen die Kläger ihre Angriffe gegen die ihrer Auffassung nach fehlerhafte Entscheidung des Senats weiter darlegen, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Dass die Kläger den Beschluss vom 31. Januar 2017 für rechtswidrig halten, begründet keinen Gehörsverstoß. Auch der von den Klägern in ihrem Schriftsatz von heutigen Tag zitierte Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 17. März 2016 - 6 AZN 1087/15 - gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

4 2. Die mit Schriftsätzen vom 14. und 15. Februar 2017 gestellten Ablehnungsgesuche sind als unzulässig zu verwerfen, da Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter auch nur ansatzweise rechtfertigen könnten, auch mit den genannten Schriftsätzen weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden sind. Dies gilt nicht nur, soweit die Kläger ihr bereits beschiedenes Vorbringen im Verfahren zur Anhörungsrüge und zu den Ablehnungsgesuchen wiederholen, sondern auch soweit sie sich gegen die ihrer Meinung nach erfolgte "Herabwürdigung der Ablehnungsgesuche vom 17.01 und 23.01 .2017 durch den Selbstentscheid vom 31.01.2017" wenden.

5 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Beschluss vom 07.06.2017 -
BVerwG 5 C 5.17 DECLI:DE:BVerwG:2017:070617B5C5.17D0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.06.2017 - 5 C 5.17 D - [ECLI:DE:BVerwG:2017:070617B5C5.17D0]

Beschluss

BVerwG 5 C 5.17 D

  • VGH Kassel - 11.02.2015 - AZ: VGH 29 C 1241/12.E

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juni 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Fleuß und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Kläger vom 7. April 2017 gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2016 (5 C 10.15 D) wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge der Kläger hat keinen Erfolg.

2 1. Die Anhörungsrüge ist fristgerecht erhoben worden.

3 Nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Kenntnis von der Verletzung rechtlichen Gehörs meint positive Kenntnis der Umstände, aus denen sich die Berechtigung zur Erhebung der Anhörungsrüge ergibt. Für den Fristbeginn ist nicht erforderlich, dass der Betroffene diese Umstände auch rechtlich als Gehörsverstoß bewertet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Januar 2013 - 4 B 4.13 - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 13 Rn. 4 und vom 25. Juli 2013 - 5 C 26.12 - BayVBl. 2014, 221 Rn. 2). Knüpft eine Bestimmung an die positive Kenntnis bestimmter Umstände Rechtsfolgen, so kann es einer solchen Kenntnis gleichstehen, wenn der Betroffene sich dieser bewusst verschließt und vorsätzlich eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnisnahmemöglichkeit, die jeder andere in seiner Lage wahrgenommen hätte, übergeht. Dementsprechend wird auch die Frist für die Einlegung der Anhörungsrüge zu dem Zeitpunkt in Lauf gesetzt, in dem sich der Betroffene der erforderlichen Kenntnis von einer (angeblichen) Verletzung des rechtlichen Gehörs bewusst verschließt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 5 C 26.12 - BayVBl. 2014, 221 Rn. 2; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. April 2010 - 1 BvR 299/10 - NJW-RR 2010, 1215 Rn. 5, jeweils m.w.N.). Gemessen daran ist die Frist für die am 7. April 2017 eingegangene Anhörungsrüge am 25. März 2017 in Lauf gesetzt worden.

4 a) Erfolglos machen die Kläger geltend, die Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO habe durch das angefochtene Urteil nicht in Lauf gesetzt werden können, weil dieses Urteil nicht in einem Verfahren ergangen sei, das grundlegenden rechtsstaatlichen Erfordernissen hinreichend entsprochen habe, insbesondere sei es aufgrund einer den an die Öffentlichkeit zu stellenden Anforderungen nicht genügenden mündlichen Verhandlung ergangen und bisher nicht öffentlich verkündet worden. Insoweit kann offengelassen werden, ob ein Urteil, das den Verfahrensvorschriften der Verwaltungsprozessordnung oder wesentlichen Rechtsstaatsprinzipien so evident widerspricht, dass es für die Rechtsgemeinschaft unerträglich wäre, es als verbindlich hinzunehmen, ausnahmsweise nicht geeignet ist, den Beginn der Anhörungsrügefrist auszulösen. Denn die Kläger haben schon nicht substantiiert dargelegt, dass und inwiefern das angefochtene Urteil an einem derartigen Fehler leidet. Dessen ungeachtet liegt ein solcher Mangel auch in der Sache nicht vor. Hinsichtlich der im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2016 erhobenen Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit des Verfahrens wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats in den die Beteiligten betreffenden Beschlüssen vom 14. November 2016 und 12. Dezember 2016 - 5 C 10.15 D - verwiesen. Weitergehende Ausführungen sind aufgrund des diesbezüglichen Vorbringens der Kläger im Anhörungsrügeverfahren nicht geboten. Die öffentliche Verkündung des angefochtenen Urteils steht - entgegen der Auffassung der Kläger - auch aufgrund der Beweiskraft des Protokolls über die öffentliche Sitzung vom 14. November 2016 nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 415 ZPO fest.

5 b) Die gesetzlich vorausgesetzte Kenntnis der Kläger von dem Urteil und damit von den Umständen, die ihrer Auffassung nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör begründen, trat hier nicht schon mit der Abholung des als Einschreiben zugestellten Urteils bei der Post durch einen Bevollmächtigten des Klägers zu 2 am 23. März 2017 ein. Vielmehr haben die Kläger diese Kenntnis erst am 25. März 2017 erlangt. Nach dem anwaltlich versicherten Vorbringen ihres Prozessbevollmächtigten, des Klägers zu 2, ist das mit der Anhörungsrüge angegriffene Urteil des Senats an diesem Tag in der Kanzlei eingegangen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat nicht ausdrücklich behauptet, dass er das Urteil erst an einem späteren Tag gelesen und damit dessen Inhalt und die (angebliche) Gehörsverletzung nicht am Tag des Eingangs zur Kenntnis genommen habe. Soweit er vorträgt, ihm sei "eine sorgfältige Durcharbeitung des Urteils und die Abgleichung mit Vortrag zum Verfahren, die zum hinreichend sicheren Erkennen von Gehörverletzungen im hier gegebenen Umfang erforderlich ist", auch für den 25. März 2017 nicht "kurzfristig einplanbar" gewesen, bezieht sich dies auf die für den Fristbeginn unerhebliche Bewertung von Umständen als Gehörsverstoß. Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte zum Ausdruck bringen wollte, dass er das Urteil nicht am Tag seines Erhalts, sondern zu einem späteren Zeitpunkt gelesen habe, wäre die Frist am 25. März 2017 in Lauf gesetzt worden. In diesem Fall hätte der Prozessbevollmächtigte der Kläger bewusstermaßen eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnisnahmemöglichkeit, die jeder andere in seiner Lage wahrgenommen hätte, übergangen. Damit hätte er sich der für den Fristbeginn erforderlichen Kenntnis von einer (angeblichen) Verletzung des rechtlichen Gehörs bewusst verschlossen. Ein derartiges Verhalten wäre nach Lage des Falles einer positiven Kenntnis gleichzusetzen.

6 Mithin begann die zweiwöchige Rügefrist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO am 26. März 2017, einem Sonntag, zu laufen (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Montag, dem 10. April 2017 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2, § 193 BGB). Die am 7. April 2017 bei dem Bundesverwaltungsgericht eingegangene Anhörungsrüge vom selben Tag gegen das Urteil des Senats vom 14. November 2016 ist somit innerhalb der Zweiwochenfrist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO erhoben worden.

7 2. Das Verfahren ist nicht nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO fortzuführen.

8 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, besteht darin, jedem Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Für den Fall, dass eine mündliche Verhandlung stattfindet, begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör vor allem das Recht der Partei auf Äußerung in dieser Verhandlung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <370>; BVerwG, Beschluss vom 17. September 2006 - 1 B 102.06 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 345 Rn. 4 m.w.N.). Inwieweit diese Gelegenheit wahrgenommen wird, ist Sache des Beteiligten. Durch seine prozessuale Mitverantwortung wird der Anspruch auf rechtliches Gehör begrenzt. Der Beteiligte hat alles in seinen Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BFH, Beschluss vom 10. September 2015 - X B 134/14 - BFH/NV 2016, 54 Rn. 38). Es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, wenn die Partei es unterlässt, Gebrauch von den ihr verfahrensrechtlich gebotenen Möglichkeiten zu machen, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerwG, Beschluss vom 14. November 2006 - 10 B 48.06 - juris Rn. 5 m.w.N.). Im Übrigen verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte dieser Pflicht nachgekommen sind (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Die Gerichte sind allerdings nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Urteilsgründen ausdrücklich zu befassen (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <368>). Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, ein Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <368> und vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46>; BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 2015 - 5 C 6.15 - juris Rn. 3). Vielmehr sind in dem Urteil nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die Gerichte können sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach ihrem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (BVerwG, Beschlüsse vom 8. September 2016 - 2 C 10.16 - juris Rn. 4 und vom 21. März 2017 - 6 C 5.17 - juris Rn. 2, jeweils m.w.N.). Geht ein Gericht auf einzelne Teile des Vorbringens eines Beteiligten nicht ein, dokumentiert es damit in der Regel zugleich, dass es sie für rechtlich irrelevant hält (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2000 - 4 BN 43.99 - ZfBR 2000, 424 <425>). Insbesondere vermittelt der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs keinen Schutz davor, dass ein Gericht den Vortrag eines Beteiligten aus Gründen des materiellen Rechts ganz oder teilweise außer Betracht lässt (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.). Deshalb müssen, wenn eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs festgestellt werden soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Aus dem Umstand, dass ein Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgründen nicht abgehandelt hat, kann nur ausnahmsweise geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <189 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91- BVerfGE 86, 133 <146>; BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 5 C 26.12 - BayVBl. 2014, 221 Rn. 5). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. November 2004 - 1 BvR 179/03 - NVwZ 2005, 204 <205>; BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2016 - 5 B 4.16 - juris Rn. 4).

9 Des Weiteren verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör das Gericht grundsätzlich nicht, die Beteiligten auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verbietet aber, dass ein Beteiligter durch die angegriffene Entscheidung im Rechtssinne überrascht wird. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte. Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Gericht Tatsachen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen oder von ihm für unrichtig gehalten werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. Mai 2017 - 5 B 75.15 D - juris Rn. 11 m.w.N.).

10 Die eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs begründenden Umstände sind gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO vom Rügeführer substantiiert darzulegen. Er muss daher die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Möglichkeit einer derartigen Verletzung ableiten lässt. Was dazu im Einzelnen vorzutragen ist, bestimmt sich danach, auf welche Gründe die Anhörungsrüge gestützt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2013 - 5 B 16.13 - juris Rn. 6 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08 - NJW 2009, 1609). Das erforderliche Vorbringen muss dem Gericht innerhalb der Rügefrist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO unterbreitet werden. Das ist bereits dem Gesetzeswortlaut mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Danach "ist [die Rüge]" innerhalb der Frist nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO "zu erheben" und "muss" unter anderem das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen "darlegen". Aus der Wiederholung des in Satz 1 verwendeten Subjekts ("Die Rüge") ergibt sich, dass die Angabe der maßgeblichen Gründe integraler Teil der Anhörungsrüge und daher zusammen mit ihr der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO unterworfen ist. Die Regelungssystematik der Verwaltungsprozessordnung bekräftigt diesen Befund. Danach sieht die Verwaltungsprozessordnung für andere Rechtsbehelfe wie beispielsweise die Nichtzulassungsbeschwerde oder die Revision eine eigene Begründungsfrist vor (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 1 und § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Das Fehlen einer entsprechenden Regelung für die Anhörungsrüge legt es nahe, dass die Anhörungsrüge in ihrer Gesamtheit mitsamt der Begründung innerhalb der Rügefrist bei Gericht anzubringen ist. Schließlich entspricht dieses Normverständnis vor allem auch dem Zweck der Anhörungsrüge und der Funktion der Rügefrist. Die Anhörungsrüge soll einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse des Rügeführers an der Durchbrechung der Rechtskraft zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und dem Interesse der übrigen Verfahrensbeteiligten an einem zügigen Eintritt der Rechtskraft schaffen (vgl. BT-Drs. 15/3706 S. 13 und 16). Dem würde es zuwiderlaufen, wenn der Rügeführer nach Ablauf der gesetzlichen Antragsfrist sein Vorbringen jederzeit erweitern könnte (vgl. BSG, Beschluss vom 18. Mai 2009 - B 3 KR 1/09 C - NJW 2010, 1694 sowie ferner BFH, Beschluss vom 26. November 2008 - VII S 28/08 - BFH/NV 2009, 409; BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2007 - 8 PKH 5.07 und 8 PKH 3.07 - juris Rn. 1; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 152a Rn. 26; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 152a Rn. 31; Happ, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 152a Rn. 18). In jedem Fall erfordert die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgebracht hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juni 2009 - 5 B 16.09 - juris Rn. 12 und vom 24. Februar 2015 - 5 P 4.14 - juris Rn. 16, jeweils m.w.N.). Auch diese Darlegung muss innerhalb der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO erfolgen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2009 - 9 A 24.09 - juris Rn. 2).

11 Die Anhörungsrüge lässt sich nicht mit Einwendungen begründen, die in Wirklichkeit auf die Fehlerhaftigkeit der mit ihr angegriffenen Entscheidung zielen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 2013 - 7 C 3.13 - juris Rn. 2). Denn die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 24. November 2011 - 8 C 13.11 - ZfWG 2012, 36 und vom 21. Januar 2015 - 5 C 6.15 - juris Rn. 3). Ebenso wenig kann die Anhörungsrüge auf die Verletzung einer anderen Verfassungs- oder Verfahrensgarantie als der Garantie des rechtlichen Gehörs gestützt werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20. März 2013 - 7 C 3.13 - juris Rn. 4 m.w.N.).

12 Gemessen an diesen rechtlichen Maßstäben ist der Rüge kein Erfolg beschieden.

13 a) Das Vorbringen der Kläger, "die vertieft dargelegten Rügen zur Verletzung elementarer Verfahrensrechte der Kläger [hätten] bei der Ablehnung der beantragten Verlegung des Verhandlungstermins und zum weiteren Verlauf des Verfahrens [...] in den Urteilsgründen beschieden werden müssen", genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Gehörsverletzung. Die "vertieft dargelegten Rügen" sowie die angeblich verletzten "elementaren Verfahrensrechte" werden nicht konkret bezeichnet. Darüber hinaus wird nicht substantiiert aufgezeigt, welche konkreten in Bezug auf die "vertieft dargelegten Rügen" unterbreiteten entscheidungserheblichen Ausführungen der Kläger der Senat nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen oder mit welchen von ihnen er sich nicht in der gebotenen Weise auseinandergesetzt hätte. Auch kann - was ebenfalls erforderlich wäre - dem insoweit innerhalb der Rügefrist unterbreiteten Vorbringen nicht entnommen werden, was die Kläger bei nach ihrer Ansicht ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs mit Blick auf diese Rügen noch vorgetragen hätten und inwiefern dieser weitere Vortrag geeignet gewesen wäre, zu einer für sie günstigeren Entscheidung, insbesondere im Hinblick auf welches konkrete, von ihnen als verletzt gerügte "elementare Verfahrensrecht", zu führen. Ihre nicht näher begründete Behauptung, "dann hätte dem wiederholt vertieft begründeten Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung stattgegeben werden müssen", genügt hierfür nicht.

14 Abgesehen davon liegt die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs auch in der Sache nicht vor. Der Vorsitzende hat noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 14. November 2016 die Gegenvorstellung der Kläger gegen die abgelehnte Verlegung des Termins und deren erneuten Verlegungsantrag mit einer begründeten Verfügung beschieden, sodass sich ein Eingehen hierauf im Urteil erübrigte. Mit den von den Klägern behaupteten Verfahrensfehlern hat sich der Senat in dem angefochtenen Urteil im Einzelnen befasst. Dabei hat er sich mit den insoweit vorgetragenen rechtlichen und tatsächlichen Argumenten der Kläger in der gebotenen Weise und dem erforderlichen Umfang auseinandergesetzt. Dass er dabei zu einer von der Rechtsauffassung der Kläger abweichenden materiellrechtlichen Beurteilung gelangt ist, begründet keinen Gehörsverstoß. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet den Senat - wie dargelegt - nicht, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen.

15 b) Soweit die Kläger dahin verstanden werden möchten, dass sie die unterbliebene Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung als Gehörsverletzung rügen, bleibt die Rüge schon deshalb erfolglos, weil die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung - wie in dem angefochtenen Urteil dargelegt - nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO ausgeschlossen ist, wenn - wie hier - in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung vom 14. November 2016 geschlossen wurde, ein Endurteil verkündet worden ist (§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

16 c) An einer ordnungsgemäßen Geltendmachung der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör fehlt es auch, soweit die Kläger geltend machen, ihnen sei "weder in erster Instanz noch im Revisionsverfahren eine faire Chance ermöglicht worden, die nach Auffassung des Gerichts maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten bei zumutbaren Anforderungen in einer mündlichen Verhandlung erörtern und die klägerischen Argumente darlegen zu können". Die Kläger legen innerhalb der Rügefrist nicht dar, was sie bei nach ihrer Ansicht ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs in der mündlichen Verhandlung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht noch vorgetragen hätten und inwiefern dieses Vorbringen eine Entscheidung zu ihren Gunsten hätte herbeiführen können. Ihr Hinweis, der für sie "bestehende Erörterungsbedarf und der nicht hinreichend ermöglichte Vortrag" ergebe sich aus ihrem umfangreichen Vortrag nach den jeweiligen Verhandlungsterminen, reicht hierfür nicht. Der "umfangreiche Vortrag" wird nicht hinreichend genau benannt. Die fehlende Spezifizierung wiegt umso schwerer, weil sich die Schriftsätze der Kläger, die sie nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung am 14. November 2016 eingereicht haben, auf unterschiedliche rechtliche Anträge und Beschlüsse beziehen. Außerdem wird nicht nur auf den "umfangreichen Vortrag" im Revisionsverfahren, sondern auch auf das Vorbringen "in erster Instanz" verwiesen. Der dortige Vortrag kann jedoch nicht Gegenstand der gegen das Revisionsurteil gerichteten Anhörungsrüge sein.

17 d) Das Vorbringen, "[m]it der Verfahrensführung/-leitung des Vorsitzenden (spätestens) ab dem 7.03.2016, der Mitwirkung der Berichterstatterin und den seitdem ergangenen Entscheidungen" seien "fortgesetzt elementare Verfahrens(grund)rechte der Kläger derart gravierend verletzt worden, dass ggü. allen mitwirkenden Richter(inne)n Besorgnisse der Befangenheit eindeutig begründet" seien, ist nicht geeignet, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darzutun. Soweit die Kläger damit der Sache nach die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts (vgl. § 138 Nr. 1 VwGO) rügen, betrifft dies nicht das Gebot des rechtlichen Gehörs, sondern den Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Dessen angebliche Verletzung kann - nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben - nicht zum Gegenstand einer Anhörungsrüge gemacht werden. Denn diese kann nur auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt werden. Auch im Übrigen ist mit dem hier in Rede stehenden Vorbringen eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht substantiiert dargetan.

18 e) Ohne Erfolg rügen die Kläger, die "angefochtenen Urteile des HessVGH und des BVerwG" hätten ihre "Kernargumente [...] nicht beschieden", als gehörsverletzend. Soweit dieser Vorwurf gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs gerichtet ist, geht die Rüge schon deshalb fehl, weil ein Urteil der Vorinstanz - wie bereits erwähnt - nicht Gegenstand der gegen das Revisionsurteil gerichteten Anhörungsrüge sein kann. Soweit der Vorwurf gegen das Revisionsurteil erhoben wird, erfüllt das Vorbringen der Kläger zum Teil schon nicht die gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO, zum Teil greift die Rüge in der Sache nicht durch.

19 aa) Soweit die Kläger eine Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen zu der Untätigkeitsklage 1 E 489/98 vermissen, wonach "(dort von vorneherein!) Fristsetzungen gemäß § 87b Abs. 2 VwGO" hätten "erfolgen müssen", verkennen sie, dass sich der Senat mit diesem Vorbringen aus Gründen des materiellen Rechts nicht befassen musste. Nach seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung war nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG der Anwendungsbereich des § 198 GVG für das Verfahren 1 E 489/98 nicht eröffnet. Aus diesem Grund musste das Verfahren 1 E 489/98 nicht darauf hin überprüft werden, ob die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts nach Maßgabe des § 198 Abs. 1 GVG Veranlassung zur Beanstandung gegeben hat. Entsprechendes gilt, soweit die Kläger dahin verstanden werden möchten, es verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, dass der Senat im Zusammenhang mit dem Verfahren 1 E 489/98 nicht auf ihr Argument eingegangen sei, bei "sofort vollziehbaren Gebührenbescheiden besteht grundsätzlich eine erhöhte Förderungsbedürftigkeit i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EMRK".

20 bb) Aus denselben Gründen geht auch die Kritik der Kläger fehl, die "Untätigkeitsklage 1 E 512/97" hätte "bedeutend zügiger und konsequenter - gerade auch bzgl. der Anforderung vollständiger Aktenvorlagen mit Fristsetzung gemäß § 87b Abs. 2 VwGO - gefördert werden müssen". Nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Senats war auch das Verfahren 1 E 512/97 mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG nicht Gegenstand eines eigenständigen Entschädigungsanspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG und demzufolge nicht in zeitlicher Hinsicht vollumfänglich daraufhin zu überprüfen, ob seine Dauer im Sinne dieser Vorschrift unangemessen war.

21 Im Übrigen fehlt es an einer ordnungsgemäßen Geltendmachung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, soweit die Kläger dahin verstanden werden möchten, dass sich ihre Kritik auch gegen die Auffassung des Senats wendet, wonach das Nichtbetreiben des Verfahrens 1 E 633/98 von Mitte Januar 2000 bis Ende August 2000, von Ende August 2000 bis Ende Dezember 2000, von Juni 2001 bis zum 21. August 2001 sowie vom 21. Februar 2002 bis zum 2. Mai 2002 mit Blick darauf sachlich gerechtfertigt war, dass das Verwaltungsgericht währenddessen das von ihm als Leitverfahren durchgeführte Verfahren 1 E 512/97 bearbeitet und dort die gebotenen verfahrensfördernden Handlungen vorgenommen hat. Die Kläger legen schon nicht - was, wie aufgezeigt, erforderlich wäre - innerhalb der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO substantiiert dar, welches der von ihnen vorgebrachten Argumente zur Führung des Verfahrens 1 E 512/97 in den vorstehend genannten Zeiträumen im Einzelnen angeblich übergangen worden ist.

22 cc) Ohne Erfolg rügen die Kläger, der Senat habe ihr "Kernargument" in Bezug auf das Verfahren 1 E 633/98, dort hätten von vornherein "Fristsetzungen gemäß § 87b Abs. 2 VwGO erfolgen müssen", nicht beschieden. Auch diese Gehörsverletzung wird nicht in einer den gesetzlichen Darlegungsanforderungen entsprechenden Weise aufgezeigt. Der Senat hat die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts im Verfahren 1 E 633/98 geprüft. Dabei hat er einzelne Verfahrensabschnitte gebildet und für jeden einzelnen dieser Abschnitte konkret dargelegt, dass die Verfahrensführung des Verwaltungsgerichts unter Gewichtung und Abwägung der in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien und der gerichtlichen Gestaltungsfreiheit nicht zu beanstanden gewesen bzw. inwieweit das Verwaltungsgericht danach den Anforderungen an eine angemessene Verfahrensdauer nicht gerecht geworden ist. Die Kläger geben nicht an, im Hinblick auf welchen konkreten Verfahrensabschnitt sie die Notwendigkeit einer Fristsetzung nach § 87b Abs. 2 VwGO geltend gemacht hätten und inwieweit sich der Senat hierzu angeblich nicht verhalten hat. Soweit sich die Kläger bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens in diesem Zusammenhang für eine stärkere als die vom Senat angenommene Förderungspflicht des Verwaltungsgerichts aussprechen, wenden sie sich der Sache nach gegen die Sachverhaltswürdigung und materielle Rechtsanwendung durch den Senat. Ein Gehörsverstoß ist damit nicht dargetan. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte - wie dargelegt - nicht, der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten auch inhaltlich zu folgen.

23 dd) Soweit die Kläger die Gehörsverletzung damit begründen, ihre Rechtsauffassung, dass bei "sofort vollziehbaren Gebührenbescheiden [...] grundsätzlich eine erhöhte Förderungsbedürftigkeit i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EMRK" bestehe, sei nicht beschieden worden, erfüllt ihr Vorbringen ebenfalls nicht die gesetzlichen Darlegungsanforderungen. Der Senat ist auf den Gesichtspunkt der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO fehlenden aufschiebenden Wirkung der Klage im Zusammenhang mit dem Verfahren 1 K 667/05 im Rahmen der Prüfung der Bedeutung des Verfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG eingegangen und hat sich mit Blick darauf nicht veranlasst gesehen, diesem Verfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG eine mehr als durchschnittliche Bedeutung beizumessen. Die Kläger zeigen nicht auf, mit welchem konkreten, von ihnen vorgetragenen rechtlichen Argument sich der Senat dabei angeblich nicht befasst hat. Soweit sie auch diese Rüge dahin verstanden wissen möchten, dass sie die Sachverhaltswürdigung und materielle Rechtsanwendung durch den Senat als fehlerhaft beanstanden, ist ihr Vorbringen nicht geeignet, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darzutun. Sie können auf diese Weise nicht eine erneute Überprüfung der vom Senat zurückgewiesenen Revision erreichen.

24 ee) Soweit die Kläger eine Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen vermissen, "Erweiterungen des Streitgegenstandes und/oder Komplizierungen des Verfahrens" durch "rechtliche und/oder tatsächliche Klärungen aufgrund der Überlänge eines Rechtsschutzverfahrens" könnten "eine längere Dauer von Verfahren zu Gebührenforderungen für Monopolleistungen der Daseinsvorsorge nicht rechtfertigen", begründet dies nicht den Vorwurf einer Gehörsverletzung. Der Senat hat sich mit diesen Umständen namentlich auch bei der Prüfung des Anspruchs auf eine weitere Entschädigung für immaterielle Nachteile aufgrund der Dauer des Verfahrens 1 E 633/98 - 1 K 667/05 im Rahmen der Prüfung der Merkmale des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG befasst und dahin erkannt, dass die Dauer des Verfahrens 1 E 633/98 - 1 K 667/05 im Umfang von insgesamt 54 Monaten unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG war. Durch die Darlegung seiner Rechtsauffassung, die von der Rechtsansicht der Kläger, dass "Komplizierungen" eine längere Verfahrensdauer nicht rechtfertigten, abweicht, hat der Senat das Vorbringen der Kläger der Sache nach beschieden. Dass er der Rechtsansicht der Kläger nicht Folge geleistet hat, verletzt das rechtliche Gehör der Kläger nicht.

25 ff) Als weitere Verletzung des Gehörsanspruchs beanstanden die Kläger, der Senat habe ihr "Kernargument" nicht beschieden, "bei der Auslegung der §§ 198 ff. GVG bzgl. des Verfahrensbegriffs" müsse berücksichtigt werden, dass "der Streitgegenstand von Widersprüchen und Anfechtungsklagen gegen sofort vollziehbare Gebührenbescheide regelmäßig auch die Rückgängigmachung eines rechtswidrigen Vollzugs" umfasse mit der Folge, dass "wirksamer Rechtsschutz gemäß Art. 13 EMRK eine Gesamtbetrachtung der Dauer des erfolgreichen Anfechtungsverfahrens und eines nachfolgenden Gerichtsverfahrens zur Abrechnung [...], - sowohl bzgl. der Bestimmung der maßgeblichen Verfahrensdauer als auch bzgl. des Beginns der Frist gemäß Art. 35 Abs. 1 EMRK" erfordere. Auch diese Rüge begründet keine Gehörsverletzung durch das Revisionsurteil. Die Kläger halten mit diesem Vorbringen an ihrer im Revisionsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest, für das Gerichtsverfahren im entschädigungsrechtlichen Sinn genüge ein materieller Sachzusammenhang von Ansprüchen, die prozessual in getrennten Verfahren verfolgt würden. Der Senat hat den entsprechenden Vortrag der Kläger zur Kenntnis genommen und ihn, indem er in Auslegung der einschlägigen Bestimmungen dahin erkannt hat, dass der entschädigungsrechtliche Begriff des Verfahrens (Art. 23 ÜberlVfRSchG, §§ 198 ff. GVG) an den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens anknüpft und bei der Rechtsverfolgung verschiedener prozessualer Ansprüche nur dann ein Gerichtsverfahren im entschädigungsrechtlichen Sinne vorliegt, wenn die Streitgegenstände in einem Ausgangsverfahren verbunden sind und verbunden bleiben, der Sache nach beschieden. Dass der Senat dem rechtlichen Ansatz der Kläger nicht gefolgt ist, stellt keine Gehörsverletzung dar.

26 gg) Keinen Erfolg hat die Anhörungsrüge auch, soweit sich die Kläger zu ihrer Begründung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sogenannten fortdauernden Situation beziehen und daraus ableiten, dass Verfahren aufgrund eines engen sachlichen Zusammenhangs wie im Falle der Verfahren gegen Gebührenbescheide und deren Vollzug als Einheit zu betrachten seien. Es trifft nicht zu, dass der Senat die entsprechenden Ausführungen der Kläger im Revisionsverfahren nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat. Der Senat hat sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sogenannten fortdauernden Situation auseinandergesetzt, aber aus ihr andere Schlussfolgerungen als die Kläger gezogen. Er hat dieser Rechtsprechung vor allem für die Bestimmung des Beginns der Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen, nicht aber für die inhaltliche Ausgestaltung des Begriffs des Gerichtsverfahrens im Sinne der entschädigungsrechtlichen Bestimmungen. In Übereinstimmung mit den aufgezeigten rechtlichen Maßstäben durfte sich der Senat daher im Rahmen der Bestimmung des Begriffs des Gerichtsverfahrens darauf beschränken, die (übrige) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte darzustellen und zu würdigen, aus der sich kein Anhaltspunkt für die Annahme ergibt, dass eine Anbindung des Begriffs an den sogenannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff als den zentralen prozessualen Maßstab aller innerstaatlichen Gerichtsverfahrensordnungen mit Konventionsrecht nicht vereinbar ist. Durch das fehlende Eingehen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sogenannten fortdauernden Situation hat er dokumentiert, dass er diese Rechtsprechung nicht für einschlägig hält, soweit es um die Bestimmung des Begriffs des Gerichtsverfahrens geht. Die Gehörsrüge greift somit nicht durch. Die Kläger versuchen vielmehr insoweit erneut, im Gewande einer Gehörsrüge die rechtliche Würdigung als fehlerhaft anzugreifen und auf diese Weise eine neuerliche Überprüfung der vom Senat zurückgewiesenen Revision zu erreichen. Die Anhörungsrüge stellt aber - wie dargelegt - keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung dar.

27 f) Entsprechendes gilt, soweit die Kläger geltend machen, die für sie "zitierten diversen Entscheidungen des EGMR (u.a. vom 29.05.2012 - 19488/09 und vom 10.07.2012 - 27366/07), die zahlreiche Beschwerdeführer auf den nationalen Rechtsweg zurückverwiesen" hätten, sowie "die durch den EGMR in den Gründen der Entscheidung 69789/01 erfolgten Darlegungen zur Erforderlichkeit einer Auslegung des Art. 35 Abs. 1 EMRK, die bei der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts für den Beginn der 6-Monatsfrist berücksichtigt, wenn aufgrund einer wiederholten Rechtsprechung des EGMR ein klares Erfordernis für die Schaffung eines nationalen Rechtsbehelfs" bestehe, seien nicht berücksichtigt worden. Daraus ergebe sich, dass "(allein) eine Erschöpfung des ggf. zunächst nur zu erwartenden Rechtsbehelfs als maßgeblicher Anknüpfungspunkt" anzusehen sei. Damit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargetan. Der Senat hat - wie bereits erwähnt - der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur sogenannten fortdauernden Situation entnommen, dass bei nach Art. 23 Satz 1 Alt. 2 ÜberlVfRSchG am 3. Dezember 2011 abgeschlossenen Verfahren für den Beginn der Sechsmonatsfrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK in der Regel auf den Abschluss in der allgemeinen bzw. in der Fachgerichtsbarkeit abzustellen ist. Er durfte sich daher bei der Bestimmung des maßgeblichen Anknüpfungspunkts für den Beginn der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK auf die Darstellung und Würdigung dieser Rechtsprechung beschränken. Darüber hinaus hat der Senat ausgeführt, dass dieses Auslegungsergebnis durch das Urteil in Sachen Sürmeli/Bundesrepublik Deutschland vom 8. Juni 2006 nicht in Frage gestellt wird. In diesem Zusammenhang ist er auf weitere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eingegangen, welche die Prämisse der Kläger, der Gerichtshof werde nach dem 8. Juni 2006 die bei ihm anhängigen Beschwerden oder noch anhängig werdenden Beschwerden mangels Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe als unzulässig abweisen, widerlegt haben. Die Kläger halten mit ihrem vorstehenden Vorbringen an dieser Prämisse fest, ohne sich mit den Erwägungen des Senats substantiiert auseinanderzusetzen. Ihre Ausführungen erschöpfen sich im Kern vielmehr in einer bloßen Kritik an der Sachverhaltswürdigung und materiellen Rechtsanwendung durch den Senat, der sie ihre eigene, davon abweichende Würdigung entgegensetzen. Ein solches Vorbringen ist nicht geeignet, eine Gehörsverletzung aufzuzeigen.

28 g) Aus demselben Grund führt auch die Rüge der Kläger, der Senat habe "zudem bei Auslegung der §§ 198 ff. GVG [...] nicht die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik gemäß Art. 6 Abs. 1 und 13 EMRK und die grundgesetzliche Gewährleistung einer Beachtung dieser Verpflichtungen ggü. allen Bürgern gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1, 13 EMRK vorrangig berücksichtigt", nicht zum Erfolg. Der Senat geht auf diese Gesichtspunkte in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich ein. Dass er dabei zu anderen rechtlichen Schlussfolgerungen als die Kläger kommt, begründet keinen Gehörsverstoß. Mit der Beanstandung, dass die Rechtsauffassung des Senats, wonach der entschädigungsrechtliche Verfahrensbegriff (Art. 23 ÜberlVfRSchG, §§ 198 ff. GVG) an den Streitgegenstand anknüpft, fehlerhaft sei, lässt sich die Anhörungsrüge nicht begründen.

29 h) Ohne Erfolg rügen die Kläger, bei dem angefochtenen Urteil handele es sich um eine das rechtliche Gehör verletzende Überraschungsentscheidung. Sie sehen eine solche darin, dass der Senat die Zeiträume, in denen das Verwaltungsgericht im Verfahren 1 E 633/98 untätig war, aber das von ihm der Sache nach als Leitverfahren durchgeführte Verfahren 1 E 512/97 kontinuierlich bearbeitet und gefördert hat, als vom richterlichen Gestaltungsspielraum gedeckt angesehen hat. Die Kläger halten die Qualifizierung des Verfahrens 1 E 512/97 als Leitverfahren für überraschend. Außerdem stelle es eine Überraschungsentscheidung dar, dass der Senat "zum 'Stammverfahren' 1 E 633/98 sogar ohne Anschlussrechtsmittel des beklagten Landes eine reformatio in peius" vertrete. Ebenso hätten sie nicht damit rechnen müssen, "dass ohne tatsächliche Feststellungen des erstinstanzlichen Entschädigungsgerichts zum Verfahren 1 E 512/97 durch das Revisionsgericht - zudem ohne jeden vorherigen Hinweis rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung - eigene tatsächliche Feststellungen" erfolgten. Damit wird die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs durch eine sogenannte Überraschungsentscheidung schon nicht schlüssig dargetan.

30 Die Kläger lassen außer Acht, dass in einem Fall wie hier, in dem eine mündliche Verhandlung stattfindet, der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor allem das Recht der Partei auf Äußerung in dieser Verhandlung begründet. Bleibt eine Partei unentschuldigt einer mündlichen Verhandlung fern und war sie in der rechtzeitigen und auch im Übrigen ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen worden, dass bei Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden könne, hat sie dem Gericht schon keine Gelegenheit gegeben, den Fall auch hinsichtlich vom Gericht für wesentlich erachteter Umstände mit ihr zu erörtern. In diesem Fall scheidet eine den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzende Überraschungsentscheidung von vornherein aus (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. September 2006 - 1 B 102.06 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 345 Rn. 4 und vom 2. Mai 2017 - 5 B 75.15 D - juris Rn. 16, jeweils m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 - BVerfGE 42, 364 <370>). So verhält es sich hier.

31 Der Prozessbevollmächtigte der Kläger wurde mit gerichtlicher Verfügung vom 11. August 2016 zur mündlichen Verhandlung am 14. November 2016 ordnungsgemäß geladen. Die Ladung enthielt den Hinweis nach § 102 Abs. 2 VwGO, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne. Der Antrag des Prozessbevollmächtigten vom 8. November 2016 auf Aufhebung oder Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 14. November 2016 wurde vom Vorsitzenden mit Verfügung vom 11. November 2016 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Gegenvorstellung und ein erneuter Verlegungsantrag hatten keinen Erfolg. Der Prozessbevollmächtigte konnte nicht davon ausgehen, dass seinen Verlegungsanträgen stattgegeben wird. Er musste also damit rechnen, dass die mündliche Verhandlung - wie geschehen - stattfinden würde. Da er an dem Termin unentschuldigt ferngeblieben ist, hat er das Mögliche und Erforderliche unterlassen, um den Klägern ausreichend rechtliches Gehör zu verschaffen. Insbesondere hat er dem Senat durch sein Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung keine Gelegenheit gegeben, den Fall mit ihm zu erörtern.

32 Dessen ungeachtet haben die Kläger - was nach den aufgezeigten rechtlichen Anforderungen erforderlich gewesen wäre - jedenfalls nicht innerhalb der Rügefrist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO hinreichend dargelegt, was sie auf den vermissten Hinweis des Senats im Einzelnen noch vorgetragen hätten und inwiefern dieses Vorbringen zu einer für sie günstigeren Bemessung der unangemessenen Dauer des Verfahrens 1 E 633/98 hätte führen können. Soweit die Kläger ihr Vorbringen dahin verstanden wissen möchten, sie hätten in diesem Fall ausgeführt, dass die Berücksichtigung der Bearbeitung des Verfahrens 1 E 512/97 als Rechtfertigungsgrund bezüglich des Verfahrens 1 E 633/98 zu einer unzulässigen reformatio in peius führe, weil der Verwaltungsgerichtshof für dieses Verfahren eine Verzögerung von 53 Monaten angenommen habe, verkennen sie, dass sich die Rechtskraft des Urteils auf dessen Entscheidungsausspruch beschränkt. Das hat vorliegend zur Folge, dass der Senat den Klägern keine geringere als die ihnen durch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zuerkannte Entschädigung hätte zusprechen können. Einzelne Urteilselemente und so auch die Feststellung der unangemessenen Dauer des Verfahrens 1 E 633/98 werden von der (Teil-)Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs nicht erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2011 - 8 C 15.10 - BVerwGE 140, 290 Rn. 20 m.w.N.).

33 3. Soweit die Kläger in ihren Schriftsätzen vom 11. April bis 16. Mai 2017 nicht nur ihre bis zum Ablauf des 10. April 2017 erfolgten Darlegungen erläutern und vervollständigen, sondern ihre Anhörungsrüge auf neue Gesichtspunkte stützen, können ihre Ausführungen der Anhörungsrüge schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil sie nicht - was nach den dargelegten rechtlichen Vorgaben erforderlich gewesen wäre - innerhalb der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO gemacht worden sind. Denn die Antragsfrist ist - wie aufgezeigt - am 10. April 2017 abgelaufen. Die danach eingegangen Rügen sind mithin zu vernachlässigen. Für die von den Klägern beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO ist kein Raum.

34 Zwar kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich auch gegen die Versäumung der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO zur Erhebung der Anhörungsrüge gewährt werden. So verhält es sich hier aber nicht. Die Kläger haben die Anhörungsrüge - wie dargelegt - fristgerecht bei Gericht eingereicht und mit Schriftsätzen vom 7. und 10. April 2017 auch innerhalb der gesetzlichen Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO begründet. Mittels des Wiedereinsetzungsantrags wollen sie die fristgerechte Begründung der Anhörungsrüge um weitere Gehörsrügen ergänzen. Die nachträgliche Ergänzung einer fristgerechten Begründung der Anhörungsrüge kann jedoch nicht Gegenstand eines Wiedereinsetzungsantrags sein. Sie steht der Versäumung der Anhörungsrügefrist nicht gleich. Dass (neue) Anhörungsrügen nicht nachgeschoben werden können, ergibt sich aus § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO. Nach dieser Vorschrift muss die Rüge insbesondere die Umstände bezeichnen, die die Verletzung des rechtlichen Gehörs ergeben. Die Darlegung der Gehörsverletzung kann - wie vorstehend aufgezeigt - nur innerhalb der Rügefrist geschehen (vgl. zur vergleichbaren Problematik des Nachschiebens von Verfahrensrügen bei einer fristgerechten Revisionsbegründung BVerwG, Urteile vom 28. September 1967 - 8 C 44.65 - BVerwGE 28, 18 <21 f.>, vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 - Buchholz 237.1 Art. 86 BayLBG Nr. 10 S. 9 und vom 14. November 2016 - 5 C 10.15 D - Rn. 74).

35 4. Dem Vorbringen der Kläger ist auch im Übrigen keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu entnehmen.

36 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.