Beschluss vom 13.01.2003 -
BVerwG 7 B 81.02ECLI:DE:BVerwG:2003:130103B7B81.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.01.2003 - 7 B 81.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:130103B7B81.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 81.02

  • VG Dresden - 25.04.2002 - AZ: VG 4 K 1224/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. April 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 409 034 € festgesetzt.

Der Kläger begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks, das nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nach dem Aufbaugesetz in Anspruch genommen worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Grundstück weder entschädigungslos noch gegen eine geringere Entschädigung enteignet worden sei, als sie Bürgern der DDR zugestanden habe, und die mangelnde Beteiligung einzelner Nacherben der seinerzeitigen Eigentümerin am Enteignungsverfahren keine unlautere Machenschaft darstelle. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die vorgetragenen Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam sinngemäß die Frage auf,
ob eine entschädigungslose Enteignung im Verständnis von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG auch dann vorliegt, wenn zwar für die Enteignung eine Entschädigung formal vorgesehen war, diese Entschädigung jedoch mit auf dem Grundstück lastenden Hypotheken und Grundschulden zu einer wirtschaftlich nicht angemessenen Summe verrechnet worden ist.
Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts indes bereits geklärt und rechtfertigt deshalb die Zulassung der Revision nicht. Voraussetzung für das Vorliegen einer entschädigungslosen Enteignung ist, dass der rechtsstaatswidrige Gehalt der betreffenden Maßnahme in dem diskriminierenden und gerade deshalb entschädigungslos bleibenden Zugriff auf das Eigentum, nicht aber in dem bloßen Unterbleiben einer Entschädigung liegt. Danach liegt keine entschädigungslose Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG vor, wenn zwar eine Entschädigung festgesetzt worden ist, die festgesetzte Entschädigung dem enteigneten Eigentümer aber tatsächlich nicht zugeflossen ist, weil die Entschädigung wegen staatlicher Verwaltung seines Vermögens nicht an ihn ausgezahlt, mit anderen Forderungen verrechnet oder sonst seiner Verfügungsgewalt vorenthalten worden ist (Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 16.93 - BVerwGE 95, 284 <287>).
2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor, jedenfalls beruht das angefochtene Urteil auf ihnen nicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Das angefochtene Urteil beruht nicht darauf, dass das Verwaltungsgericht es - wie der Kläger meint: unter Verstoß gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts - unterlassen hat, das Gutachten eines Sachverständigen über die angemessene und ortsübliche Höhe der Entschädigung einzuholen, sondern statt dessen nur einen Vergleich mit ihm bekannten Entschädigungszahlungen für Grundstücke in unmittelbarer Nähe des streitigen Grundstücks gezogen hat. Der Vergleich mit Entschädigungszahlungen für andere Grundstücke in unmittelbarer Nähe diente dem Verwaltungsgericht nach dem Zusammenhang der Urteilsgründe als ein Indiz neben anderen dafür, dass für das hier streitige Grundstück mit 27 Mark je qm die in der DDR übliche Entschädigung gezahlt worden ist. Entscheidend hat das Verwaltungsgericht im Anschluss daran aber darauf abgestellt, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG selbst dann nicht erfüllt ist, wenn die Entschädigung mit 27 Mark je qm zu niedrig bemessen gewesen sein sollte. Dem liegt der zutreffende rechtliche Ansatz zugrunde, dass § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG grundsätzlich nur solche Enteignungen erfassen will, bei denen gegenüber den Betroffenen in bewusster Abkehr von den sonst für Bürger der DDR geltenden einschlägigen Vorschriften Entschädigungsbestimmungen zur Anwendung kamen, die den diskriminierenden Zugriff auf das Eigentum erleichtern sollten. Dass einer nach der Rechtsordnung der DDR bestehenden - diskriminierungsfreien - Entschädigungsregelung im Einzelfall nicht voll entsprochen und eine geringere als die in der DDR übliche Entschädigung gezahlt worden ist, kann danach für sich genommen noch keine die Vermögensrückgabe rechtfertigende Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. b VermG darstellen (Urteil vom 24. März 1994 - BVerwG 7 C 11.93 - BVerwGE 95, 289 <291 f.> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 20). Entscheidend war für das Verwaltungsgericht, dass nicht erkennbar ist, eine niedrigere als die übliche Entschädigung könnte bewusst und mit der Zielrichtung der diskriminierenden Andersbehandlung im Vergleich zu Bürgern der DDR festgesetzt worden sein. Für diese das Urteil schon allein tragende Begründung kam es auf den zuvor gezogenen Vergleich zu Entschädigungszahlungen in anderen Fällen nicht mehr an. Aus dem gleichen Grund greift auch die Rüge, das Gericht habe im Zusammenhang mit der Angemessenheit des Entschädigungsbetrages seine Sachkunde nicht belegt, nicht durch.
Abgesehen davon hat der Kläger nicht dargelegt, weshalb das Verwaltungsgericht gehalten gewesen sein sollte, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Angemessenheit der Entschädigungszahlung überprüfen zu lassen. Er hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt. Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es seine Kenntnis von Entschädigungszahlungen in vergleichbaren Fällen heranziehen will, um zu beurteilen, ob die hier gezahlte Entschädigung dem Üblichen entsprach. Wenn der Kläger das Vorgehen des Verwaltungsgerichts überhaupt oder die konkreten Vergleichsfälle für ungeeignet hielt, Aussagen zur Üblichkeit der hier gezahlten Entschädigung zu machen, oder wenn Nachfragen an das Gericht ohne befriedigende Antwort geblieben sind, musste er einen Beweisantrag etwa auf Einholung eines Sachverständigengutachtens stellen. Gab er sich hingegen mit den Hinweisen des Verwaltungsgerichts zufrieden, brauchte sich diesem die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung nicht aufzudrängen.
b) Ein Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ist nicht ausreichend dargelegt. Der Kläger sieht einen solchen Verstoß darin, dass das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung nicht Quellen und Inhalt seiner Erkenntnisse über Entschädigungszahlungen in vergleichbaren Fällen offen gelegt habe. Wie der Kläger selbst einräumt, hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, nach seinem Kenntnisstand seien für Grundstücke in unmittelbarer Nähe des hier betroffenen Grundstücks ähnliche Entschädigungsbeträge festgesetzt worden. Wenn der Kläger zur Vergleichbarkeit dieser Grundstücke mit dem streitigen Grundstück weiter vortragen wollte, hätte er bei dem Gericht nachfragen müssen, auf welche Grundstücke in welcher Lage sich die Erkenntnisse des Gerichts beziehen. Dass eine solche konkrete Nachfrage ergebnislos geblieben ist, hat der Kläger nicht dargelegt. Damit ist auch nicht dargelegt, dass er seinerseits das zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs Erforderliche getan hat.
Im Übrigen setzt der Kläger sich mit dem angefochtenen Urteil weitgehend nach Art einer Berufungsschrift auseinander, indem er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts angreift, ohne aber diese Angriffe einem konkreten Zulassungsgrund zuzuordnen. Soweit er dabei abweichend von der Würdigung des Verwaltungsgerichts davon ausgeht, das Grundstück sei nicht aufgrund einer Enteignung, sondern aufgrund eines Eigentumsverzichts der seinerzeitigen Eigentümerin in Volkseigentum überführt worden, bieten weder die Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch der Inhalt der Akten hierfür einen Anhaltspunkt.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.