Beschluss vom 13.08.2003 -
BVerwG 8 B 98.03ECLI:DE:BVerwG:2003:130803B8B98.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.08.2003 - 8 B 98.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:130803B8B98.03.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 98.03

  • VG Frankfurt/Oder - 27.03.2003 - AZ: VG 4 K 2313/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K r a u ß und G o l z e
beschlossen:

  1. Der Antrag, der Klägerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
  2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. März 2003 wird aufgehoben.
  3. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 83 900 € festgesetzt.

Prozesskostenhilfe kann der Klägerin nicht bewilligt werden, weil sie die Kosten der Prozessführung aufbringen kann (§166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO); denn nach ihren Angaben trägt eine Rechtsschutzversicherung die Kosten in voller Höhe.
Die Beschwerde hat mit dem Ergebnis der Zurückverweisung Erfolg. Zwar wendet sie sich teilweise im Stile einer Berufungsbegründung gegen die inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ohne einen der in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgezählten Gründe für die Zulassung der Revision ausdrücklich darzulegen (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Es liegt aber ein sinngemäß geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verletzt. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) gebietet, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zieht (BVerfGE 58, 353 <356> m.w.N.). Das Gericht ist gehalten, in den Entscheidungsgründen in angemessener Weise zum Ausdruck zu bringen, weshalb es von einer Auseinandersetzung mit dem Parteivorbringen abgesehen hat. Daraus folgt zwar nicht die Verpflichtung, sich mit jedem Argument in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat, so dass nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden kann (Beschluss vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 8 B 132.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 162 m.w.N.). Doch Letzteres ist vorliegend der Fall.
Die Beigeladene zu 3 stellte mit Schreiben vom 12. Oktober 1990 folgenden Antrag: "Im Namen unserer Erbengemeinschaft beantrage ich hiermit Entschädigung für o.g. (streitgegenständliche) Grundstück." (Verwaltungsakten Bl. 69). Der Beklagte sah darin einen Antrag auf Rückübertragung (und nicht nur auf Entschädigung). Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage mit Schriftsatz vom 26. Oktober 1998 (Gerichtsakte Bl. 3) u.a. ausgeführt, es liege nur ein Antrag auf Entschädigung vor. Das Verwaltungsgericht setzt sich mit diesem Vortrag nicht auseinander. Statt den Antrag vom 12. Oktober 1990 - wie geboten - auszulegen, führt es im Tatbestand seines Urteils aus, die Beigeladene zu 3 habe mit dem Schreiben die Rückübertragung des streitgegenständlichen Grundstücks beantragt (vgl. VG Urteil amtlicher Umdruck S. 4).
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht Gebrauch (§ 133 Abs. 6 VwGO). Das Verwaltungsgericht wird im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung den Antrag vom 12. Oktober 1990 auszulegen haben. In diesem Zusammenhang wird auch die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 5 VermG zu berücksichtigen sein, sofern es sich bei dem am 15. Oktober 1990 eingegangenen Antrag - wie der Beklagte geltend macht - um einen Antrag nach der Anmeldeverordnung handeln sollte.
Im Übrigen wird auf die Urteile vom 22. Februar 2001 - BVerwG 7 C 17.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 15 S. 43 <51>, vom 26. September 2001 - BVerwG 8 C 24.00 - Buchholz a.a.O. Nr. 19 S. 68 <72> und vom 24. Oktober 2001 - BVerwG 8 C 23.00 - Buchholz a.a.O. Nr. 21 S. 83 <87 f.> zur Frage der Kostenunterdeckung bei (teil-)gewerblich genutzten Grundstücken hingewiesen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 und 14 GKG.