Beschluss vom 19.10.2004 -
BVerwG 7 PKH 2.04ECLI:DE:BVerwG:2004:191004B7PKH2.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.10.2004 - 7 PKH 2.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:191004B7PKH2.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 PKH 2.04

  • VG Schwerin - 16.10.2003 - AZ: VG 3 A 1882/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Oktober 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

Der Antrag der Klägerin zu 1, ihr für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 30. Oktober 2003 Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Kläger begehren im Ausgangsverfahren die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks. Es ist durch Teilung eines größeren Grundstücks entstanden, das im Eigentum der Rechtsvorgänger der Kläger stand und 1979 auf der Grundlage des Aufbaugesetzes in Volkseigentum überführt worden ist. Nach Teilung des enteigneten Grundstücks war den Beigeladenen für die jetzt zurückbegehrte Teilfläche ein Nutzungsrecht zur Errichtung eines Eigenheims verliehen worden. Das Verwaltungsgericht hat die nach Ablehnung des Restitutionsantrags erhobene Klage mit der Begründung abgewiesen, die Rückübertragung des (Teil-)Grundstücks sei ausgeschlossen, weil die Beigeladenen an ihm ein dingliches Nutzungsrecht redlich erworben hätten. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, für welche die Klägerin zu 1 gleichzeitig Prozesskostenhilfe begehrt.
Das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin zu 1 ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO). Die Revision kann nicht aus den Gründen zugelassen werden, welche die Kläger mit ihrer Beschwerde geltend machen.
1. Das Verwaltungsgericht ist nicht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, welche die Kläger in ihrer Beschwerde bezeichnet haben. Eine solche Abweichung liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung mit einem sie tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen die Entscheidung tragenden Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht. Eine fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, erfüllt hingegen nicht die Voraussetzungen einer Zulassung wegen Divergenz.
a) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Urteilen vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 3.00 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 13) und - BVerwG 8 C 10.00 - (BVerwGE 114, 75) den Rechtssatz aufgestellt, seien Tatsachen, die der Ausfüllung des Rechtsbegriffs der Redlichkeit dienten, nicht abschließend aufklärbar, sei zunächst zu prüfen, ob die Grundannahme der Redlichkeit des Erwerbs erschüttert sei, weil greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine mögliche Unredlichkeit bestünden. Nur in diesem Falle treffe den Erwerber die materielle Beweislast. Ob greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für die Unredlichkeit des Erwerbs vorlägen, sei danach nur dann von Bedeutung, wenn Tatsachen, die für die Beurteilung der Redlichkeit erheblich seien, trotz Ausschöpfens aller in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten nicht abschließend aufklärbar seien. Nur in diesem Falle sei eine materiellrechtliche Beweislastentscheidung zu treffen.
Wie die Kläger in ihrer Beschwerde selbst zutreffend darlegen, ist das Verwaltungsgericht von demselben Rechtssatz ausgegangen. Sie werfen dem Verwaltungsgericht vor, es habe weder die Möglichkeiten einer Aufklärung des Sachverhalts ausgeschöpft noch alle greifbaren Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit des Erwerbs geprüft und deshalb zu Unrecht von einer Beweislastentscheidung zu Ungunsten der Beigeladenen abgesehen. Die Kläger behaupten damit nur eine fehlerhafte Anwendung von Rechtssätzen im Einzelfall.
b) Das Verwaltungsgericht ist nicht von dem Rechtssatz im Urteil vom 19. Januar 1995 - BVerwG 7 C 42.93 - (BVerwGE 97, 286) abgewichen, dass das Gesetz dem Erwerber den Schutz redlichen Erwerbs in der Fallgruppe des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG dann versagt, wenn er den mit dem Erwerbsvorgang verbundenen Verstoß gegen allgemeine Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätze oder eine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis kannte oder hätte kennen müssen, es hingegen nicht darauf ankommt, ob der Erwerber aktiv an der Manipulation mitgewirkt hat. Die Kläger werfen dem Verwaltungsgericht wiederum nur vor, es habe in fehlerhafter Würdigung des Sachverhalts angenommen, die Beigeladenen hätten mögliche Verstöße gegen die einschlägigen Rechtsvorschriften weder gekannt noch kennen müssen.
c) Die Kläger entnehmen dem Urteil vom 27. Januar 1994 - BVerwG 7 C 4.93 - (BVerwGE 95, 108) den abstrakten Rechtssatz, eine persönliche Machtstellung im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. b VermG setze nicht unbedingt eine formal herausragende Position in der Staats- oder Parteihierarchie voraus; vielmehr könnten gute Beziehungen zu maßgeblichen Personen ausreichen. Auch hierzu setzt das Verwaltungsgericht sich nicht mit einem gegenteiligen Rechtssatz in Widerspruch. Die Kläger beanstanden lediglich, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Kläger bei dem Erwerb des Grundstücks in einer Weise bevorzugt worden seien, die auf deren Unredlichkeit schließen lasse.
2. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf den behaupteten Verfahrensfehlern im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
a) Das Verwaltungsgericht hat seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht dadurch verletzt, dass es die von den Klägern beantragte Vernehmung der Zeugen H. und D. abgelehnt hat. Nach dem Beweisantrag der Kläger sollte der Zeuge H., der seinerzeit 1. Vorsitzender des Rats des Kreises G. war, bekunden, dass er durch Anweisungen gegenüber dem Bürgermeister der Gemeinde B. den Auflagen des (Stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Bezirks R.) Herrn K. nachgekommen ist, nach denen das streitige Grundstück zu enteignen und den Beigeladenen zu übertragen ist. Das Verwaltungsgericht hat die behauptete Tatsache als wahr unterstellt, weil sie nicht entscheidungserheblich war. Sie war von Bedeutung allenfalls für die Frage, ob die Rechtsvorgänger der Kläger das Grundstück aufgrund einer unlauteren Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG verloren hatten. Eine Berechtigung der Kläger war aber in der Sache schon in dem Restitutionsbescheid festgestellt, der den Klägern eine Entschädigung dem Grunde nach zuerkannte. Auch der Zeuge D. sollte lediglich zu Tatsachen aussagen, die allenfalls für die Frage einer Schädigung der Rechtsvorgänger der Kläger, nicht aber für die Frage eines redlichen Erwerbs der Beigeladenen von Bedeutung waren.
b) Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht dadurch verletzt, dass es entscheidungserhebliches Vorbringen der Kläger nicht berücksichtigt hat.
Die Kläger führen in diesem Zusammenhang überwiegend nur Umstände an, mit denen das Verwaltungsgericht sich in den Entscheidungsgründen seines Urteils auseinander gesetzt hat. Das Verwaltungsgericht ist dabei allerdings zu anderen Schlussfolgerungen und Wertungen gekommen als die Kläger in ihren Schriftsätzen. Aus der Beschwerde ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht tatsächlich auf einen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt nicht eingegangen wäre. In der Sache wenden sich die Kläger nach Art einer Berufungsbegründung gegen die Beweis- und Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts. Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt aber nicht dagegen, dass als solcher zur Kenntnis genommener und in Erwägung gezogener Vortrag rechtlich oder tatsächlich abweichend gewürdigt wird. Das gilt hier namentlich für die Gründe, unter denen es abweichend von der ursprünglichen Beschlussfassung des Rates der Gemeinde B. zur Zuteilung eines Bauplatzes auf dem jetzt streitigen Grundstück gekommen ist. Das Verwaltungsgericht hat sich dabei auch mit Einwänden auseinander gesetzt, welche die Kläger in ihrem nachgelassenen Schriftsatz gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des insoweit vernommenen Zeugen vorgebracht haben. Das Verwaltungsgericht hat ferner die von den Klägern wiederholt hervorgehobene zeitliche Abfolge von Zuweisung eines Bauplatzes, Inanspruchnahme des Grundstücks, Ausführung des Bauvorhabens und Erteilung des Nutzungsrechts gewürdigt, hat aber anders als die Kläger aus dieser Abfolge keinen Schluss auf eine mögliche Unredlichkeit der Beigeladenen bei dem Erwerb des Nutzungsrechts gezogen. Dasselbe gilt, soweit die Beigeladenen bei der Ausführung ihres Bauvorhabens gegen die ihnen erteilte Baugenehmigung verstoßen haben. Eine Unredlichkeit des Erwerbs ergibt sich hieraus unmittelbar nicht; anders als die Kläger hat das Verwaltungsgericht aber hieraus auch nicht die Folgerung gezogen, die Beigeladenen müssten über Beziehungen zu höheren Stellen verfügt haben, die ihnen schon einen Erwerb entgegen den hierfür geltenden Vorschriften ermöglicht haben. Nicht ausdrücklich eingegangen ist das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auf den Vortrag der Kläger, die Beigeladenen hätten das Haus auf dem streitigen Grundstück abgerissen, ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung besessen zu haben. Das begründet deshalb keinen Gehörsverstoß, weil dieser Umstand für die Redlichkeit des Erwerbs offensichtlich ohne Bedeutung war, zumal den Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines neuen Gebäudes auf dem Grundstück erteilt war, die nicht ohne Abriss des vorhandenen Gebäudes umgesetzt werden konnte.
Soweit die Kläger weiter rügen, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den Umständen befasst, unter denen die Beigeladenen im Jahre 1990 das Eigentum an dem Grundstück hinzu erworben haben, übersehen sie, dass es hierauf nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht ankam. Diese ist aber für die Frage ausschlaggebend, ob das Übergehen eines Umstands einen Verfahrensfehler darstellt. Das Verwaltungsgericht hat unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, die Rückübertragung des Grundstücks sei schon dann nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen, wenn die Beigeladenen das dingliche Nutzungsrecht an dem Grundstück redlich erworben hätten; der spätere Erwerb des Grundstücks sei rechtlich unerheblich (Urteil vom 22. November 2001 - BVerwG 7 C 8.01 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 15).

Beschluss vom 13.12.2004 -
BVerwG 7 B 71.04ECLI:DE:BVerwG:2004:131204B7B71.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.12.2004 - 7 B 71.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:131204B7B71.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 71.04

  • VG Schwerin - 30.10.2003 - AZ: VG 3 A 1882/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Dezember 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Gegenvorstellungen der Klägerin zu 1 gegen den Beschluss des Senats vom 19. Oktober 2004 (BVerwG 7 PKH 2.04 ) werden zurückgewiesen.
  2. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 250 000 € festgesetzt.

I


Der Senat wertet die als "sofortige Beschwerde" bezeichnete Eingabe der Klägerin zu 1 als Gegenvorstellung gegen seinen Beschluss vom 19. Oktober 2004, mit dem er den Antrag der Klägerin zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat. Diese Gegenvorstellung gibt dem Senat keinen Anlass, seinen Beschluss zu ändern. Die Klägerin zu 1 verkennt, dass es für die Erfolgsaussichten ihrer Beschwerde darauf ankommt, ob einer der Gründe vorliegt, aus denen die Revision zugelassen werden kann. Diese Gründe sind in § 132 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführt. Wie schon weithin in ihrer Beschwerdeschrift hat die Klägerin zu 1 sich auch in ihrer Gegenvorstellung nach Art einer Berufungsschrift mit der Würdigung des Sachverhalts und des Beweisergebnisses sowie der einzelfallbezogenen Anwendung des Rechts durch das Verwaltungsgericht auseinander gesetzt. Die sich daraus ergebende angebliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils ist für sich kein Zulassungsgrund.

II


Die Beschwerde der Kläger ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Dies hat der Senat im Einzelnen in seinem Beschluss vom 19. Oktober 2004 dargelegt, mit dem er den Antrag der Klägerin zu 1 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat. Hierauf wird Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. Der Senat sieht keinen Anlass, den Streitwert abweichend von der Festsetzung des Verwaltungsgerichts zu bemessen. Entgegen der Ansicht der Kläger war bei der Bemessung des Streitwerts der Wert des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes mitzuberücksichtigen. Denn den Klägern würde im Falle des Erfolgs ihrer Klage das Grundstück einschließlich des Gebäudes übertragen.