Beschluss vom 14.04.2016 -
BVerwG 5 B 7.16ECLI:DE:BVerwG:2016:140416B5B7.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.04.2016 - 5 B 7.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:140416B5B7.16.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 7.16

  • VG Hannover - 23.09.2014 - AZ: VG 3 A 6290/13
  • OVG Lüneburg - 19.11.2015 - AZ: OVG 4 LB 282/15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Fleuß und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. November 2015 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 1. Die auf die Zulassungsgründe eines Verfahrensmangels (a) und der grundsätzlichen Bedeutung (b) gestützte Beschwerde ist unzulässig.

2 a) Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass der im beschleunigten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO ergangene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt und damit an einem Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO leidet.

3 Die Beschwerde rügt, in Anbetracht des im Rahmen der Anhörung zu einer Entscheidung im Verfahren nach § 130a VwGO vorbehaltenen weiteren Vortrages habe es das Oberverwaltungsgericht unterlassen, jenen mittels einer erneuten Anhörungsmitteilung darauf hinzuweisen, dass es an seiner Absicht, im beschleunigten Berufungsverfahren zu entscheiden, festhalte. Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

4 Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet es, die Verfahrensbeteiligten unter anderem für den Fall durch eine erneute Anhörung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, dass sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert. Eine solche wesentliche Änderung kann etwa darin gründen, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 1990 - 9 C 90.89 - Buchholz 312 EntlG Nr. 60 S. 18 und vom 21. Juni 2011 - 9 B 90.10 und 9 B 91.10 -, jeweils juris Rn. 5). Eine solche erhebliche Ergänzung und Erweiterung des Berufungserwiderungsvorbringens ist dem Schriftsatz des Klägers vom 9. November 2015 (BA I Bl. 183) nicht zu entnehmen. Darin hat sich dieser darauf beschränkt, die Gründe des Zulassungsbeschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 14. September 2015 - 4 LA 258/14 - (BA I Bl. 158) auszugsweise im Wortlaut wiederzugeben und als nicht überzeugend zu würdigen, auf bisheriges Vorbringen zu verweisen und sich weiteren Vortrag vorzubehalten. Der Schriftsatz enthielt kein wesentlich neues Vorbringen, sondern nur eine Bekräftigung des dem Oberverwaltungsgericht bereits bekannten Standpunkts des Klägers. Dieses musste sich daher nicht veranlasst sehen, in eine Überprüfung seiner beabsichtigten Vorgehensweise einzutreten und - bei Fortbestand der Absicht, im Verfahren nach § 130a VwGO zu entscheiden - die Beteiligten über die unverändert vorgesehene Vorgehensweise zu informieren.

5 Der angefochtene Beschluss stellt auch keine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Die Vorinstanz war nicht verpflichtet, den Kläger im Vorhinein darauf hinzuweisen, dass es seinem mit Schriftsatz vom 9. November 2015 bekräftigtem Vortrag nicht folgen werde. Die Anhörungspflicht nach § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen. Indes folgt aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs auch in der Ausprägung, die er in § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts, den Beteiligten schon im Vorhinein die Gründe für die beabsichtigte Entscheidung in der Sache mitzuteilen (BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2010 - 9 B 17.10 - juris m.w.N.). Aus der Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten musste der Kläger im Anschluss an den Beschluss vom 14. September 2015 vielmehr damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht seinem bisherigen Vorbringen nicht folgen würde. Für eine willkürliche und möglicherweise deshalb überraschende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist hier nichts ersichtlich.

6 b) Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt.

7 Eine ausreichende Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) einer Rechtssache setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Dabei verlangt die Begründungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO unter anderem, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 2011 - 5 B 45.11 - juris Rn. 3). Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffs die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, denen im Einzelfall für die Zulassung der Revision rechtliche Bedeutung beizumessen ist (BVerwG, Beschluss vom 9. März 1993 - 3 B 105.92 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 11 S. 13). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

8 aa) Sie wirft die Rechtsfrage auf,
"ob einem Wiederholungsprüfling Leistungen nach dem BAföG nur dann zu gewähren sind, wenn die entsprechende Ausbildungsverordnung - hier die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten - eine Teilnahme am angebotenen Unterricht ausdrücklich bestimmt."

9 Diese Frage verhilft der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil das Beschwerdevorbringen jedenfalls nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Oberverwaltungsgericht die Abweisung der Klage auf zwei jeweils selbständig tragende Erwägungen gestützt hat. Es ist zum einen davon ausgegangen, dass es dem Kläger mangels einer normativen Pflicht zur vollständigen Teilnahme am angebotenen Unterricht möglich gewesen sei, die Auflage für die Zulassung zur Wiederholungsprüfung mit einem deutlich geringeren als dem nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 BAföG gebotenen zeitlichen Aufwand zu erfüllen. An diese Erwägung knüpft die hier in Rede stehende Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung an. Die Vorinstanz hat sich aber nicht auf diesen abstrakten Ansatz beschränkt. Sie ist selbständig tragend ("... im Übrigen ...") auch davon ausgegangen, dass die in Rede stehende Ausbildung "auch faktisch die Arbeitszeit des Klägers nicht voll" in Anspruch nahm. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann in Fällen, in denen ein Urteil auf mehrere die Entscheidung selbständig tragende Begründungen gestützt ist, die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser tragenden Gründe ein Zulassungsgrund vorliegt (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 17. April 1985 - 3 B 26.85 - Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53 und vom 17. Juni 2013- 5 B 10.13 - juris Rn. 4 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Hinsichtlich der auf die konkreten Umstände abstellende Begründung hat der Kläger einen Zulassungsgrund zulässigerweise nicht geltend gemacht. Dies gilt selbst dann, wenn angenommen wird, die für den Fall der Verneinung der hier interessierenden Frage aufgeworfene Grundsatzfrage beziehe sich (auch) auf diese Erwägung. Diese hilfsweise erhobene Frage genügt aus den nachstehenden Gründen ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen.

10 bb) Ebenso wenig rechtfertigt die des Weiteren als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage,
"ob einem Wiederholungsprüfling Leistungen nach dem BAföG auch dann zu versagen sind, wenn Auflagen des Prüfungsausschusses im Hinblick auf den ersten Termin einer möglichen Wiederholungsprüfung nicht erfüllt werden können",

11 die Zulassung der Revision, da die Frage in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Die Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn das Berufungsgericht eine Tatsache, die für die Entscheidung der mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochenen Rechtsfrage in dem erstrebten Revisionsverfahren erheblich sein würde, nicht festgestellt hat und somit lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache auf Grund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 - 5 B 1.13 - juris Rn. 4 und vom 25. August 2015 - 5 B 58.15 - juris Rn. 8, jeweils m.w.N.). So verhält es sich hier. Die Rechtsfrage gründet auf der Annahme, dass dem Kläger eine Erfüllung der Auflagen des Prüfungsausschusses bis zu dem ersten Termin einer Wiederholungsprüfung nicht möglich gewesen sei. Eine Feststellung dieses Inhalts hat das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen. Hinsichtlich dieses Unterbleibens hat die Beschwerde zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht erhoben.

12 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO)

13 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.