Beschluss vom 14.05.2002 -
BVerwG 4 B 27.02ECLI:DE:BVerwG:2002:140502B4B27.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.05.2002 - 4 B 27.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:140502B4B27.02.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 27.02

  • OVG Rheinland-Pfalz - 20.02.2002 - AZ: OVG 8 A 10986.01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Mai 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. B e r k e m a n n und Dr. J a n n a s c h
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Februar 2002 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 113 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist unzulässig.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann eine sachliche Nachprüfung der angegriffenen Entscheidung nicht erreicht werden. Das ist der erst erstrebten Revision vorbehalten. Vielmehr kann mit der Beschwerde nur die Zulassung der Revision aufgrund eines der in § 132 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe begehrt werden. Demgemäß bezieht sich die Prüfung des Beschwerdegerichts allein darauf, ob ein gesetzlicher Zulassungsgrund in zulässiger Weise geltend gemacht wurde und ob dieser Grund auch tatsächlich besteht. Dazu muss der Beschwerdeführer gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO substantiiert darlegen, dass einer der gesetzlich vorgegebenen Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist. Das ist nicht der Fall. Das Vorbringen der Beschwerde weist entgegen der Darlegungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO einen Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO nicht in schlüssiger Weise auf.
1. Die Beschwerde macht als Verfahrensfehler geltend, dass das Berufungsgericht den Grundsatz, Baugenehmigungen müssten nicht erst in Verbindung mit außergerichtlichen Schreiben und Gerichtsbeschlüssen nachvollziehbar sein, auf den Fall der Klägerin nicht angewandt hat. Das Vorbringen ist unzulässig. Die Beschwerde rügt keinen Mangel des vorinstanzlichen Verfahrens, sondern eine fehlerhafte materiellrechtliche Rechtsanwendung. Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfasst dies nicht.
2. Die Beschwerde macht als weiteren Verfahrensfehler geltend, das Berufungsgericht habe durch eine fehlerhafte Unterstellung angenommen, die Klägerin sei nicht im Unklaren gewesen, dass die Beklagte das vollständige Verschließen der Balkonöffnungen nicht verlangt habe. Auch dieses Vorbringen trägt nicht in schlüssiger Weise einen Verfahrensmangel vor. Die Beschwerde wendet sich mit ihrem Vorbringen nur gegen die richterliche Beweiswürdigung, die sie für unzutreffend ansieht. Damit wird - was allein in Betracht käme - eine Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht dargetan. Es kann auch keine Rede davon sein, dass das Berufungsgericht das klägerische Vorbringen nicht erwogen hat.
3. Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel schließlich das Übergehen von Beweisanträgen, die fehlerhafte Würdigung schriftsätzlicher Ausführungen und die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Auch dieses Vorbringen ist nicht schlüssig, da unsubstantiiert. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Niederschrift einen Beweisantrag nicht gestellt. Dass sich dem Berufungsgericht auch ohne einen förmlich gestellten Beweisantrag eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen musste, legt die Beschwerde nicht dar. Soweit eine fehlerhafte Würdigung schriftsätzlicher Ausführungen gerügt wird, stellt dies kein Vorbringen eines Verfahrensfehlers dar, sondern eine materiellrechtliche Kritik am vorinstanzlichen Urteil. In welcher Hinsicht das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt haben könnte, wird nicht substantiiert vorgetragen. Dass ein Gericht in materiellrechtlicher Hinsicht dem Vorbringen eines Beteiligten nicht folgt oder dies aus formellen oder inhaltlichen Gründen für entscheidungsunerheblich ansieht, begründet noch keine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG.
4. Die Beschwerde trägt als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vor, ob eine Partei den Umfang einer Baugenehmigung aus deren Inhalt heraus beurteilen darf oder - wie das Berufungsgericht meine - zur Auslegung außergerichtliche Schreiben und Gerichtsbeschlüsse heranzuziehen gehalten sei. Das Vorbringen rechtfertigt ebenfalls keine Zulassung der Revision. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung wird nicht gestellt. Vielmehr wiederholt die Beschwerde nur eine Frage tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalles in abstrahierender Form. Dass die Regelung eines Verwaltungsaktes als Willenserklärung auslegungsfähig und - nach den Umständen des Falles - auch auslegungsbedürftig sein kann, bedarf im Übrigen keiner erneuten Bekräftigung in einem Revisionsverfahren. Aus dem selben Grunde ist nicht klärungsbedürftig, welche Anstrengungen der Empfänger vorzunehmen hat, um den Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes zu erfassen. Auch dies entzieht sich einer allgemein gültigen Feststellung. Maßgebend sind - wie die Beschwerde es in ihrem Vorbringen selbst darstellt - die Umstände des Einzelfalles, die zu würdigen im Streitfall Aufgabe des Tatrichters ist. Das ist hier geschehen.
5. Soweit die Beschwerde es schließlich als eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ansieht, ob und welche Obliegenheiten die Klägerin treffen, kritisiert sie der Sache nach lediglich die materiellrechtliche Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zur Frage der Voraussetzungen einer Verwirkung. Auch insoweit wird - auch im Hinblick auf eine vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung - eine weiterführende Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan. Die Beschwerde legt zudem nicht dar, in welcher Hinsicht insoweit eine Frage des revisiblen Rechts berührt sein kann.
6. Die geltend gemachte Abweichung ist nicht schlüssig dargetan. Die von der Beschwerde bezeichnete Entscheidung BVerwG, NJW 1991, 1182 gibt es nicht. Insoweit kommt die Beschwerde ihrer Bezeichnungspflicht nicht nach. Die angegebene Fundstelle BVerwG, NJW 1974, 1260 ist mit der angegebenen Entscheidung BVerwGE 44, 294 identisch. Das Beschwerdevorbringen ist hier irreführend. Danach sind lediglich die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE 44, 294 und BVerwGE 78, 85 sowie der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Januar 1988 - BVerwG 4 B 257.87 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 76 = NVwZ 1988, 532 richtig bezeichnet.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist jedoch nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO schlüssig geltend gemacht, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat mit seiner Entscheidung keineswegs den von der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts widersprochen. Es hat allein die tatsächlichen Umstände anders gewürdigt, als es die Beschwerde für richtig ansieht. Das genügt nicht, um eine Abweichung darzutun. Einen abweichenden Rechtssatz hat es dagegen nicht aufgestellt.
Es stellt übrigens auch keine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dar, wenn nur die unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und vom Berufungsgericht auch nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall geltend gemacht wird. Die bloß unrichtige oder die unterlassene Anwendung etwaiger vom Bundesverwaltungsgericht entwickelter Rechtsgrundsätze bedeutet für sich genommen noch keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Dessen Zielsetzung wird nur gefährdet, wenn der Tatrichter dem Bundesverwaltungsgericht in einer abstrakten Rechtsfrage die Gefolgschaft verweigert, nicht dagegen, wenn er einen höchstrichterlichen Rechtssatz, den er grundsätzlich akzeptiert, falsch auf den Einzelfall anwendet, oder, aus welchen Gründen immer, übergeht, obwohl er Anlass gehabt hätte, ihm Rechnung zu tragen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die vorinstanzlich getroffene Festsetzung ist auch für das Beschwerdeverfahren angemessen.