Gerichtsbescheid vom 14.05.2003 -
BVerwG 6 A 11.02ECLI:DE:BVerwG:2003:140503G6A11.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Gerichtsbescheid vom 14.05.2003 - 6 A 11.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:140503G6A11.02.0]

Gerichtsbescheid

BVerwG 6 A 11.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Mai 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a h n , Dr. G e r h a r d t , Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
ohne mündliche Verhandlung entschieden:
Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

I


Das Bundesministerium des Innern stellte durch Verfügung vom 8. Dezember 2001 fest, dass sich der "Kalifatsstaat" (Hilafet Devleti), der unter der Bezeichnung "Verband der islamischen Vereine und Gemeinden" ("Islami Cemaatleri ve Cemiyetleri Birligi" - ICCB) im Vereinsregister eingetragen sei, einschließlich bestimmter Teilorganisationen sowie die "Stichting Dienaar aan Islam" gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richteten und die innere Sicherheit sowie sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdeten. Die genannten Organisationen wurden verboten und aufgelöst. Ferner wurden die Verwendung von Kennzeichen des "Kalifatsstaats" und die Bildung von Ersatzorganisationen verboten und das Vermögen der verbotenen Organisationen beschlagnahmt und eingezogen.
Mit Bescheid vom 16. September 2002 erstreckte das Bundesministerium des Innern die Verfügung vom 8. Dezember 2001 auf den Kläger als Teilorganisation des "Kalifatsstaats". Zur Begründung wurde ausgeführt, aus den sichergestellten Unterlagen ergäben sich organisatorische und finanzielle Verflechtungen des Klägers mit dem "Kalifatsstaat", so dass er nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung des "Kalifatsstaats" erscheine.
Der Kläger hat Klage erhoben, die er nicht begründet hat.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesministeriums des Innern vom 16. September 2002 bezüglich der Ziffern 1, 4, 5 und 7 der Verfügung aufzuheben.
Die Beklagte weist auf das Fehlen einer Klagebegründung hin.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und den Verwaltungsvorgang, der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Einsicht übersandt worden ist, Bezug genommen.

II


Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die vorliegende erstinstanzliche Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 84 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig. Soweit in dem Klageantrag die Aufhebung des angefochtenen Bescheids auch bezüglich Ziffer 7 der Verfügung begehrt wird, liegt ein offensichtliches Versehen vor. Ziel des Klagebegehrens ist die Aufhebung der Erstreckung des Verbots des "Kalifatsstaats" sowie der die Vermögenseinziehung betreffenden Ziffern 4 bis 6 der Verfügung. Unter Ziffer 7 hat die Beklagte die sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet. Insoweit ist allein der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO der statthafte Rechtsbehelf. Da der Klageschriftsatz keinen Hinweis darauf enthält, dass der Kläger neben dem Klageverfahren auch ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreiben will, geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass die Ziffern 6 und 7 verwechselt worden sind. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass aus den nachfolgenden Gründen auch ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO erfolglos wäre.
2. Die Klage ist unbegründet. Die Erstreckung der gegen den "Kalifatsstaat" ergangenen Verbotsverfügung auf den Kläger findet in § 3 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 VereinsG ihre rechtliche Grundlage und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 3 Abs. 3 VereinsG, der auch für Ausländervereine und auch für Religionsgemeinschaften gilt (Senatsurteil vom 27. November 2002 - BVerwG 6 A 1.02 - juris), erstreckt sich das Verbot eines Vereins grundsätzlich auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind. Voraussetzung für das Vorliegen einer Teilorganisation ist eine Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung. Die Gliederung muss tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden sein und im Wesentlichen von ihr beherrscht werden, auch wenn eine totale organisatorische Eingliederung nicht notwendig ist. Indizien dafür können sich etwa aus der personellen Zusammensetzung, den Zielen, der Tätigkeit, der Finanzierung, aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten ergeben. Teilorganisationen werden auf Grund ihrer Identität mit dem Gesamtverein ohne weiteres von dessen Verbot erfasst. Sie müssen nicht selbst einen Verbotsgrund erfüllen und können die Verbotsverfügung auch nur mit der Begründung anfechten, keine Teilorganisation zu sein (vgl. zusammenfassend Urteil vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 A 13.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 26 S. 98 f. = NVwZ 1998, 174 sowie Urteil vom 27. November 2002, a.a.O.).
Der Kläger ist eine Teilorganisation des mit Verfügung vom 8. Dezember 2001 verbotenen "Kalifatsstaats". Darauf weisen zur Überzeugung des erkennenden Senats die vorliegenden Tatsachen hin. Die Beklagte hat diese Tatsachen zutreffend ausgewertet (vgl. insbesondere Vermerk des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 9. September 2002 <Verwaltungsvorgang Bl. 66 ff.>) und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt, dem der Senat in der Begründung folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Von einer weiteren Erörterung sieht der Senat im Hinblick auf das Fehlen einer Klagebegründung ab.
Da die angefochtene Verfügung auch sonst keine rechtlichen Mängel aufweist, ist die Klage abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Rechtsbehelfsbelehrung


Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Der Antrag ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, einzureichen.
Hierfür besteht Vertretungszwang. Jeder Beteiligte muss sich, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
Bardenhewer Hahn Gerhardt