Beschluss vom 07.05.2008 -
BVerwG 5 B 194.07ECLI:DE:BVerwG:2008:070508B5B194.07.0

Beschluss

BVerwG 5 B 194.07

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 23.05.2007 - AZ: OVG 2 LB 3/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Mai 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Franke und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision in seinem Urteil vom 23. Mai 2007 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2007 ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Das Revisionsverfahren kann zur Klärung der Voraussetzungen der Erteilung von Härtefreibeträgen nach § 29 Abs. 3 BAföG beitragen.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 5 C 14.08 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 14.05.2009 -
BVerwG 5 C 14.08ECLI:DE:BVerwG:2009:140509U5C14.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.05.2009 - 5 C 14.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:140509U5C14.08.0]

Urteil

BVerwG 5 C 14.08

  • OVG Schleswig - 23.05.2007 - AZ: OVG 2 LB 3/07 -
  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 23.05.2007 - AZ: OVG 2 LB 3/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
ohne mündliche Verhandlung am 14. Mai 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2007 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 3. Mai 2006 werden geändert.
  2. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Juli 2005 und der Bescheid vom 28. September 2005 werden aufgehoben.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungsförderung durch das beklagte Studentenwerk.

2 Am 26. August 2002 beantragte die Klägerin, die Wirtschaftsingenieurwesen studierte, bei dem Beklagten die Gewährung von Ausbildungsförderung für ein Auslandsstudium. Dieser bewilligte ihr für den Zeitraum von August 2002 bis Juni 2003 Leistungen in Höhe von monatlich 408 €. In ihrem Antrag hatte die Klägerin nicht angegeben, Vermögenswerte zu besitzen. Tatsächlich verfügte sie zum Zeitpunkt der Antragstellung über Spar- und Kontokorrentguthaben im Wert von 2 148,96 €. Hinzu kamen Aktien, die sie bereits am 31.  Dezember 2001 besessen und deren Wert zu jenem Zeitpunkt 770,50 € betragen hatte. Ferner hatte die Klägerin im Laufe des Jahres 2002 weitere Aktien erworben, deren Kurswert zum Zeitpunkt der Antragstellung bei 6 105,20 € lag. Am 31. Dezember 2001 hatten diese Papiere noch einen Kurswert von 14 546,50 € aufgewiesen.

3 Nachdem die Klägerin auf Betreiben des Beklagten ihre Vermögensverhältnisse offengelegt hatte, hob dieser mit Bescheid vom 28. Dezember 2004 seinen Bewilligungsbescheid auf und forderte die an die Klägerin geleistete Ausbildungsförderung in Höhe von 4 488 € zurück. Bei der Berechnung ihres Vermögens legte der Beklagte unter Hinweis auf die damals geltende gesetzliche Regelung über die Wertbestimmung von Vermögensgegenständen (§ 28 Abs. 2 BAföG in der bis 31. März 2005 maßgebenden Fassung) den Kurswert der Aktien am 31. Dezember 2001 zugrunde.

4 Ebenso hatte bereits das Studentenwerk Karlsruhe, das der Klägerin in der Zeit bis zum 31. Juli 2002 Ausbildungsförderung bewilligt hatte, die ihr gewährten Leistungen im April 2003 zurückgefordert. Die verlangte Summe von 6 953,52 € hatte die Klägerin vollständig zurückgezahlt.

5 Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid des Beklagten hat die Klägerin am 12. August 2005 Klage erhoben. Während des Verfahrens hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 28. September 2005 den Rückforderungsbetrag auf 1 881 € herabgesetzt und dies mit der nachträglichen Gewährung eines Härtefreibetrags wegen des eingetretenen Kursverfalls der Aktien begründet. Soweit der Rückforderungsbetrag herabgesetzt wurde, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Im Übrigen hat die Klägerin ihr Aufhebungsbegehren weiter verfolgt und insbesondere geltend gemacht, die Wertpapiere, die sie erst im Jahre 2002 gekauft habe, seien zu Unrecht mit dem Kurswert vom 31. Dezember des Vorjahres bewertet worden.

6 Mit Urteil vom 3. Mai 2006 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

7 Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 23. Mai 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, entgegen der Ansicht der Klägerin seien sämtliche Wertpapiere unabhängig vom Zeitpunkt ihres Erwerbs gemäß § 28 Abs. 2 BAföG a.F. mit dem Kurswert zum 31. Dezember des Vorjahres zu bewerten. Der ursprünglich vom Gesetzgeber mit § 28 Abs. 2 BAföG a.F. verfolgte Zweck der Verwaltungsvereinfachung habe zwar bereits im hier streitigen Zeitraum wegen der Möglichkeit tagesaktueller Wertpapierdepotauszüge seine Bedeutung verloren; gleichwohl habe der Gesetzgeber den genannten Zweck erst durch die Neuregelung im Jahre 2004 aufgegeben, die hier noch nicht anwendbar sei. Die alte Stichtagsregelung sei auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar gewesen. Die mit ihr verbundene Typisierung bei der Vermögensbewertung sei im Interesse der Verwaltungsvereinfachung zulässig gewesen. Die Klägerin könne auch keinen höheren als den gewährten Härtefreibetrag beanspruchen. Die Anwendung der alten Stichtagsregelung für Wertpapiere begründe für sie jedenfalls in Höhe der jetzt noch streitigen 1 881 € keine unbillige Härte im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG.

8 Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt insbesondere eine Verletzung des § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. und bekräftigt ihre Ansicht, die Vorschrift müsse im Wege der einfachgesetzlichen oder zumindest verfassungskonformen Auslegung dahingehend eingeschränkt werden, dass sie nur auf die zum Bewertungsstichtag am 31. Dezember des Vorjahres gehaltenen Wertpapiere Anwendung finde.

9 Der Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.

II

10 Die Revision der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Die angefochtenen Urteile der Vorinstanzen verletzen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil die ausbildungsförderungsrechtliche Regelung des § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. über die Bewertung von Wertpapiervermögen, wonach für die Wertbestimmung der 31. Dezember des Jahres vor der Antragstellung maßgebend war, hier auf diejenigen Wertpapiere nicht anwendbar ist, welche die Klägerin erst im Laufe des Jahres 2002 erworben hat. Vielmehr ist für die Bewertung dieser Papiere der Zeitpunkt der Antragstellung (§ 28 Abs. 2 Halbs. 1 BAföG a.F.) maßgeblich (1.). Der Senat kann auf der Grundlage der von den Vorinstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), so dass die entgegenstehenden Urteile zu ändern sowie die angegriffenen Bescheide, soweit sie noch im Streit stehen, aufzuheben sind (2.).

11 1. § 28 BAföG ist hier in der für den streitigen Bewilligungszeitraum 2002/2003 noch geltenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) anzuwenden. § 28 Abs. 2 BAföG a.F. ordnete für die ausbildungsförderungsrechtliche Wertbestimmung des Vermögens an:
„Maßgebend ist der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung, bei Wertpapieren der Kurswert am 31. Dezember des Jahres vor der Antragstellung."

12 Die im Streit stehende Bestimmung über den Bewertungsstichtag von Wertpapieren (§ 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F.) ist zwar zwischenzeitlich durch Art. 1 Nr. 10 des 21. Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (21. BAföGÄndG) vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3127) ersatzlos aufgehoben worden, so dass seither für die Bewertung sämtlicher Vermögensgegenstände - einschließlich der Wertpapiere - der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist. Nach der Übergangsregelung des Art. 5 Abs. 2 des 21. BAföGÄndG findet die Neufassung von § 28 Abs. 2 BAföG allerdings erst für Entscheidungen über Bewilligungszeiträume Anwendung, die nach dem 31. März 2005 beginnen.

13 § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. ist indes nach seinem Sinn und Zweck nicht auf Wertpapiere anzuwenden, die zum genannten Stichtag, dem 31. Dezember des Jahres vor der Antragstellung, noch nicht im Besitz des Auszubildenden standen. Der insoweit auslegungsbedürftige Wortlaut lässt zwar auch eine Auslegung zu, nach der auch die nach dem genannten Stichtag angeschafften Wertpapiere von der Vorverlagerung des Bewertungsstichtages erfasst werden. Diese Auslegung widerspricht aber jedenfalls dem auf Verwaltungsvereinfachung gerichteten Ziel der Vorschrift (a). Eine mit dem Wortlaut vereinbare, einschränkende Auslegung wäre auch von Verfassungs wegen geboten (b).

14 a) Der Gesetzgeber wollte mit der Bewertungsstichtagsregelung in § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. allein den Verwaltungsvollzug durch die Förderungsämter vereinfachen. Diese sollten ohne weitere aufwändige Ermittlungen in die Lage versetzt werden, Wertpapiervermögen des Auszubildenden zu bewerten, indem sie auf die bei dem Auszubildenden bereits vorhandenen und von ihm vorzulegenden Depotauszüge aus dem Vorjahr zurückgreifen konnten. Hintergrund dafür war, dass im Zeitpunkt der Einführung der Regelung ein schneller und einfacher, elektronisch unterstützter Abruf tagesaktueller Aktienkurse jedenfalls nicht ohne weiteres möglich war. Diese auf Verwaltungsvereinfachung gerichtete Zwecksetzung lässt sich bereits der Begründung des Regierungsentwurfs von 1971 (BTDrucks VI/1975, S. 34) für die Erstfassung des BAföG entnehmen, wo es zu der in Rede stehenden Regelung heißt:
„Für die Feststellung des Wertes wurde ein Zeitpunkt gewählt, der es den Ämtern für Ausbildungsförderung
gestattet, auf die vermögenssteuerlichen Unterlagen auch bei der Bewertung zurückzugreifen."

15 Das Abstellen auf den 31. Dezember des Vorjahres bei Wertpapieren - abweichend von dem bei allen anderen Vermögensgegenständen regelmäßig maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung - diente damit von Beginn an dazu, es den Ämtern zu ermöglichen, die bereits vorhandenen Depotunterlagen des Auszubildenden zu nutzen (so auch die damalige Literatur unter Hinweis auf die genannten Gesetzesmaterialien; vgl. Seifert, BAföG, Handkommentar, 1987, § 28 Rn. 3), um die früher ansonsten aufwändigere Ermittlung des Wertes der Papiere zum Zeitpunkt der Antragstellung zu vermeiden. Dass sich diese Zwecksetzung des § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. bis zu seiner Aufhebung nicht geändert hat, hat der Gesetzgeber im Rahmen des Verfahrens zum 21. BAföGÄndG bestätigt, wo es in der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf heißt:
„Die Regelung sollte der Verwaltungsvereinfachung dienen und der Tatsache Rechnung tragen, dass bei Wertpapierdepots üblicherweise Depotauszüge zum Jahresende erstellt werden"
(BTDrucks 15/3655 vom 24. August 2004, S. 12).

16 Der mit § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. verfolgte Zweck der Verwaltungsvereinfachung durch Rückgriff auf vorhandene Depotauszüge des letzten Jahres kann aber bei nachträglich erworbenen Wertpapieren von vornherein nicht erreicht werden, weil hierfür entsprechende Auszüge vom 31. Dezember des Vorjahres notwendig bei dem Auszubildenden nicht vorliegen. Das Förderungsamt musste für diese Papiere ohnehin eine rückwirkende Wertbestimmung vornehmen lassen, für die ohne Weiteres auch auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt werden kann.

17 Systematische Erwägungen stehen einer teleologisch einschränkenden Auslegung des Anwendungsbereichs des § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. nicht entgegen. Vielmehr spricht das systematische Verhältnis von Halbsatz 2 zu Halbsatz 1 für eine solche Begrenzung. Die Regelung des Halbsatzes 1, wonach für die Wertbestimmung von Vermögensgegenständen des Auszubildenden der Wert im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist, erfasst von ihrem Wortlaut - bei gesonderter Betrachtung - alle in Absatz 1 genannten Vermögensgegen-
stände einschließlich der Wertpapiere und legt insoweit einen Grundsatz fest. Halbsatz 2 nimmt hiervon - gewissermaßen als eine Teilmenge der Vermögensgegenstände - die Wertpapiere aus, indem hierfür der Kurswert am 31. Dezember des Jahres vor der Antragstellung als maßgeblich erklärt wird. Damit statuiert Halbsatz 2 - wie sich auch aus der Gesetzesbegründung zum 21. BAföGÄndG ergibt - eine Ausnahme vom Grundsatz des Halbsatzes 1. Aus einer diesen Zusammenhang mit dem Gesetzeszweck verbindenden Auslegung dieser Ausnahmeregelung folgt - auch wenn es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, dass Ausnahmeregelungen stets eng auszulegen sind (vgl. Urteil vom 21. November 1980 - BVerwG 7 C 4.80 - BVerwGE 61, 169 <172> ) -, dass ihre Anwendung nur so lange gerechtfertigt ist, wie dies von ihrem Zweck gedeckt ist. Die Zweckerreichung stellt gewissermaßen den Rechtfertigungsgrund für ihre Anwendung dar. Weil bei der hier in Rede stehenden Fallgruppe der nachträglich erworbenen Wertpapiere der Zweck des § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. von vornherein nicht erreicht werden konnte, ist sie von seinem Anwendungsbereich auszunehmen. Da der Gesetzgeber für diese Papiere keinen anderen Zeitpunkt für die Wertbestimmung (etwa den des Erwerbs) vorgesehen hatte, bleibt es bei dem Grundsatz des § 28 Abs. 2 Halbs. 1 BAföG a.F., wonach auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist.

18 b) Zu demselben Ergebnis führte auch eine verfassungskonforme Auslegung des § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. Denn jedenfalls in Bezug auf die nach dem vorgezogenen Bewertungsstichtag erworbenen Wertpapiere fehlte es an einer hinreichenden, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG (dazu eingehend BVerfG, Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310) genügenden Rechtfertigung für die durch die unterschiedlichen Stichtage bedingte Ungleichbehandlung zwischen Auszubildenden mit Wertpapiervermögen einerseits und solchen mit sonstigen Vermögensgegenständen mit schwankendem Wert andererseits. Während es bei der zuletzt genannten Gruppe auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankommt und Wertveränderungen bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt werden, ist dies bei der Gruppe der Inhaber von Wertpapieren, die ebenfalls im Wert schwanken (wie etwa Aktien), nicht vorgesehen. Zwar können Gründe der Praktikabilität bzw. der Verwaltungsvereinfachung gerade im Bereich der Massenverwaltung in gewissem Umfang einen rechtfertigenden Grund für eine durch Typisierungen oder Pauschalierungen bedingte Ungleichbehandlung darstellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. November 1985 - 1 BvL 47/83 -, BVerfGE 71, 146 <157>; Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <319> m.w.N.). Jedenfalls in der in Rede stehenden Fallgruppe der nachträglich angeschafften Papiere ist die aufgezeigte Ungleichbehandlung aber nicht durch den sachlichen Grund der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt, da dieses Ziel - wie oben dargelegt - bei jenen Papieren nicht erreicht werden konnte. Die hiernach gebotene verfassungskonforme Einschränkung des § 28 Abs. 2 Halbs. 2 BAföG a.F. für nachträglich erworbene Wertpapiere widerspricht auch nicht dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber das Problem der nachträglich angeschafften Wertpapiere erkannt und bewusst auch für diese Wertpapiere den Bewertungsstichtag hat vorverlagern wollen oder dass er, hätte er das Problem erkannt, es auf andere Weise als durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung geregelt hätte. Vielmehr spricht für die Annahme, dass er auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt hätte, dass er mittlerweile mit dem 21. BAföGÄndG eine entsprechende Regelung für alle Wertpapiere getroffen und dazu in der Gesetzesbegründung ausgeführt hat:
„...Da im Wertpapierhandel zwischenzeitlich ohne weiteres auch tagesaktuelle Depotauszüge erstellt werden, ist es angemessener und entspricht mit Blick auf die Eigner anderer Vermögenswerte dem Gleichheitsgrundsatz, künftig - wie bei allen anderen Vermögenswerten auch - für die Wertbestimmung auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen..."
(BTDrucks 15/3655 vom 24. August 2004, S. 12).

19 2. Für die Bewertung der im Jahre 2002 nachträglich angeschafften Wertpapiere ist mithin auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 26. August 2002 abzustellen. Für die weitere Berechnung kann der Senat von den zwischen den Beteiligten nicht strittigen Wertansätzen ausgehen, so dass sich auf der Grundlage der für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht im Tatbestand des angegriffenen Urteils getroffen hat, folgender Wert des ausbildungsförderungsrechtlich in Ansatz zu bringenden Vermögens der Klägerin ergibt:
Vermögenswert
Bewertungszeitpunkt
Betrag
Spar- und Kontokorrentguthaben
(Antragstellung):
2 148,96 €
nachträglich (2002) angeschaffte Wertpapiere
(Antragstellung):
6 105,20 €
am 31.12.2001 vorhandene Wertpapiere
(Kurswert 31.12.2001):
770,50 €
Summe:
9 024,66 €

20 Von dem damit ermittelten Gesamtvermögen von 9 024 € sind abzuziehen zum einen der Grundfreibetrag von 5 200 € nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG und zum anderen der vom Studentenwerk Karlsruhe für vorangehende Bewilligungszeiträume festgesetzte Rückforderungsbetrag in Höhe von 6 953,52 €, so dass sich mangels verbleibenden anzurechnenden Vermögens der Klägerin ein Anspruch auf Ausbildungsförderung entsprechend der ursprünglichen Bewilligung für den Zeitraum 2002/2003 ergibt. Da der Beklagte in seinen hier im Streit stehenden Bescheiden somit fehlerhaft von einer Überzahlung bzw. von einem Rückerstattungsanspruch ausgegangen ist, sind diese rechtswidrig und ebenso aufzuheben wie die Urteile der Vorinstanzen.

21 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
Vizepräsident Hund Dr. Brunn Prof. Dr. Berlit
ist wegen Erkrankung verhindert
zu unterschreiben.
Dr. Brunn