Beschluss vom 14.06.2002 -
BVerwG 1 B 49.02ECLI:DE:BVerwG:2002:140602B1B49.02.0

Beschluss

BVerwG 1 B 49.02

  • Hessischer VGH - 01.11.2001 - AZ: VGH 9 UE 1474/01.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juni 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. November 2001 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen legt die Beschwerde nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar.
Die Beschwerde macht geltend, folgende Frage bedürfe der rechtsgrundsätzlichen Klärung: "Darf der Rechtsanwalt die Berechnung und Eintragung der Berufungsbegründungsfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung einer geschulten, zuverlässigen und über einen langen Zeitraum erprobten Mitarbeiterin, die nur stichprobenhaft kontrolliert wird, in eigenverantwortlicher Tätigkeit überlassen und darf sich der Rechtsanwalt hierauf verlassen, ohne die Berechnung und Eintragung im Einzelfall zu kontrollieren?" Man könne noch hinzufügen: "... es sei denn, er hat aus besonderen Gründen Veranlassung, an der Richtigkeit der Berechnung oder Eintragung zu zweifeln".
Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde nicht auf, dass die aufgeworfene Frage der rechtsgrundsätzlichen Klärung bedarf. Das Berufungsgericht hat die Verwerfung der Berufung maßgeblich darauf gestützt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die laufende Frist nicht eigenverantwortlich geprüft hat, als ihm die Akte am Termin der Vorfrist, also am 22. Juni 2001, zur Bearbeitung der fristgebundenen Berufungsbegründung vorgelegt worden ist. Es hat zutreffend angenommen, dass er eine derartige Prüfung hätte vornehmen müssen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich geklärt, dass ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen zwar nicht bei jeder Vorlage von Handakten, wohl aber dann eigenverantwortlich zu prüfen hat, wenn ihm die Akten - wie hier - im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden. Von dieser Verpflichtung können auch Anweisungen an das Büropersonal bezüglich der Fristwahrung nicht befreien (vgl. Beschlüsse vom 17. Januar 1975 - BVerwG 6 CB 123.74 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 81; vom 26. Juni 1986 - BVerwG 3 C 46.84 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 151; vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 390.94 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 194 = NJW 1995, 2122 und vom 25. März 1998 - BVerwG 9 B 806.97 - <juris>). Dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 1992 - VI ZB 2/92 - NJW 1992, 1632 m.w.N. und vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94 - NJW 1994, 2831).
Die Beschwerde macht nicht ersichtlich, inwiefern die aufgeworfene Frage angesichts der erwähnten höchstrichterlichen Rechtsprechung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Aus dem Beschluss vom 25. März 1998 - BVerwG 9 B 806.97 - a.a.O.), der auf den Beschluss vom 7. März 1995 - BVerwG 9 C 390.74 - a.a.O.) verweist, ergeben sich entgegen der Ansicht der Beschwerde keine klärungsbedürftigen Fragen. Ebenso wenig rechtfertigt die von der Beschwerde vertretene Auffassung, die Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Fristenkontrolle im Sinne des Berufungsgerichts und der oben dargelegten höchstrichterlichen Rechtsprechung führe die Befugnis zur Übertragung von Fristberechnungen und Fristübertragung "ad absurdum", die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Der von der Beschwerde behauptete Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus ihrem nicht näher begründeten Vorbringen, bei Vorlage der Akte im Rahmen der Vorfrist sei eine "gesteigerte Sorgfaltspflicht" des Rechtsanwalts dann anzunehmen, wenn er die Akten nicht in eigene Bearbeitung nehme; hier sei aber die Akte zur Bearbeitung bei dem Rechtsanwalt geblieben, der die Einhaltung der (unzutreffend) notierten Frist selbst überwacht habe. Unabhängig davon, ob der Verbleib der Akte bei dem Rechtsanwalt als vom Berufungsgericht festgestellt angesehen werden kann, macht die Beschwerde nicht ersichtlich, inwiefern sich aus diesem Vorbringen das Erfordernis der erneuten Überprüfung der dargestellten Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren ergeben soll. Soweit die Beschwerde im Folgenden auf mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verweist (Beschwerdebegründung S. 3), denen zufolge eine auf Vorfristanordnung vorgelegte Sache nicht sofort bearbeitet werden muss, setzt sie sich nicht näher damit auseinander, dass der Bundesgerichtshof insoweit eine Verpflichtung des Rechtsanwalts zur eigenverantwortlichen Prüfung annimmt, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten ist (vgl. z.B. den Beschluss des BGH vom 17. Juni 1999 - IX ZB 32/99 - <juris>).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 a Abs. 2 AsylVfG n.F.