Beschluss vom 14.08.2003 -
BVerwG 8 B 101.03ECLI:DE:BVerwG:2003:140803B8B101.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.08.2003 - 8 B 101.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:140803B8B101.03.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 101.03

  • VG Potsdam - 24.03.2003 - AZ: VG 9 K 5825/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. August 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M ü l l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. März 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 204 516,75 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Darlegungen ergeben keinen Grund, die Revision zuzulassen.
1. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch.
a) Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verstoßen, dass es weder ein Gutachten von der Oberfinanzdirektion Berlin eingeholt noch sich die Verfügung vom 22. September 1959 durch das Finanzamt Lichtenberg habe vorlegen lassen. Dabei verkennt die Beschwerde jedoch, dass dem Verwaltungsgericht nur dann ein Fehler im Verfahren vorzuwerfen ist, wenn es auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung zu einem anderen Vorgehen verpflichtet gewesen wäre. Das ist hier nicht der Fall, weil die Vorinstanz nach ihrer insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung die Ansicht vertreten hat, dass in vermögensrechtlichen Verfahren die inhaltliche Prüfung von Steuerbescheiden ausgeschlossen sei (UA S. 11).
b) Die Beschwerde rügt ferner, das Verwaltungsgericht habe seiner Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO) nicht genügt; denn es habe aus dem Verhalten des Klägers nach dessen Haftentlassung zuvor nicht angekündigte Schlussfolgerungen gezogen. Doch an Hinweisen hat es das Gericht nicht fehlen lassen. Bereits in seiner Anfrage vom 12. November 2002 hat es deutlich gemacht, dass der Untergang der Steuerschulden nicht geklärt sei, und hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2003 ausdrücklich auf das Rückzahlungsangebot im Versteigerungstermin aufmerksam gemacht. Das Ergebnis seiner Beweiswürdigung musste das Gericht nicht vorab mitteilen; dazu bestand kein Anlass. Ein anderes Vorgehen wäre nur angezeigt gewesen, wenn dies zur Vermeidung eines Überraschungsurteils geboten wäre. Doch mit dieser Beweiswürdigung hat das Verwaltungsgericht dem Rechtsstreit keine Wendung gegeben, mit der nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens ein gewissenhafter Beteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Auffassungen nicht zu rechnen brauchte.
c) Die Beschwerde rügt sodann, dass das Gericht keine Steuerbescheide aus der Zeit nach dem 1. Januar 1959 ermittelt habe. Doch nach dem angefochtenen Urteil ist das Gericht von der Existenz solcher Bescheide ausgegangen. Es hat festgestellt, dass sich die Finanzverwaltung an dem Zwangsversteigerungsverfahren mit einer Steuerschuld über 70 000 M beteiligt und der Kläger im Vollstreckungstermin am 19. September 1962 Ratenzahlung angeboten habe. Daraus hat das Verwaltungsgericht geschlossen, dass die Steuerschulden bestanden hätten, so dass es von einer entsprechenden Steuerveranlagerung ausgegangen ist. Das Ergebnis seiner Beweiswürdigung kann mit der geltend gemachten Verfahrensrüge nicht angegriffen werden.
d) Als materiellrechtlicher Angriff erweist sich auch der Vorhalt, das Verwaltungsgericht hätte den Hypotheken zugrunde liegende Steuerschulden ermitteln müssen. Dem Verwaltungsgericht kam es darauf jedoch nicht an (vgl. UA S. 14), weil bereits nach seiner Ansicht das im Versteigerungstermin erfolgte Ratenzahlungsangebot auf das Vorhandensein von ausstehenden Steuern spreche und eine inhaltliche Überprüfung nicht geboten sei.
e) Gleiches gilt für die weiteren Einwände der Beschwerde: Die angebliche Befriedigung der Steueransprüche und der Umstand, dass die Forderung des weiteren Gläubigers nicht vom staatlichen Verwalter getilgt worden sei, betreffen Umstände, die für die inhaltliche Prüfung sowohl der Steuerbescheide als auch des Zwangsversteigerungsverfahrens von Bedeutung hätten sein können. Nach Auffassung des Gerichts bleibt die inhaltliche Richtigkeit aber ausgeschlossen.
f) Die Rüge, die Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts habe mit der Sachbearbeiterin beim Finanzamt außerhalb der mündlichen Verhandlung telefoniert und über den Inhalt dieses Gesprächs die Verfahrensbeteiligten nicht unterrichtet, greift schon deshalb nicht durch, weil das Einholen von Auskünften vor der mündlichen Verhandlung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 VwGO statthaft und der Informationsmangel im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht gerügt worden ist (§ 173 VwGO i.V.m. § 295 ZPO). Die die Telefonate mitteilenden Schreiben des Finanzamtes sind den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2003 zugeleitet worden und betreffen die Löschung von Steuerkonten, die nach dem Sitzungsprotokoll auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
g) Die Beschwerde rügt als Verfahrensfehler, das Verwaltungsgericht habe das ihm vorgelegte Parteigutachten vom 6. März 2003 nicht berücksichtigt. Dieser Vorwurf trifft ersichtlich nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat das Gutachten - wenn auch kurz - in seinem Urteil gewürdigt (UA S. 15) und damit erkennbar zur Kenntnis genommen. Es ist ihm lediglich in der Sache nicht gefolgt. Einen derartigen Anspruch vermittelt das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.
h) Ähnlich verhält es sich mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe damals geltendes DDR-Recht nicht festgestellt. Auf die fraglichen Vorschriften ist das Privatgutachten vom 6. März 2003 eingegangen, so dass diese Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Ein Ermittlungsdefizit im Sinne des angeführten Beschlusses vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - (Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32) kann danach nicht vorliegen. In Wahrheit rügt die Beschwerde auch hier die mit der Revision grundsätzlich nicht angreifbare Überzeugungsbildung des Tatrichters.
2. Die Sache weist nicht die ihr beigegebene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf.
a) Die Beschwerde will geklärt wissen, ob eine amtliche Mitteilung des Finanzamtes an das Zwangsversteigerungsgericht eine Entscheidung einer öffentlichen Verwaltung im Sinne von Art. 19 Einigungsvertrag sei. Diese Frage würde sich im Revisionsverfahren jedoch nicht stellen. Das Verwaltungsgericht hat die durch den Kläger angeführten Steuerbescheide zu solchen Entscheidungen gezählt, die wegen ihrer Eigenschaft als Verwaltungsakte ohne weiteres vom Regelungsumfang des Art. 19 Einigungsvertrag erfasst werden.
b) Die Beschwerde sieht die Frage als klärungsbedürftig an, ob Löschungsmitteilungen des Finanzamtes die Bedeutung hätten, dass Steueransprüche nicht weiter bestünden. Sie übersieht dabei jedoch die Besonderheiten des vorliegenden Falles. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil hat hier die Löschung des Steuerkontos allein besagt, dass keinerlei weitere Steuern bezüglich der Firma angefallen seien bzw. neu erhoben würden, nicht jedoch, dass keine festgesetzten Steuerschulden mehr bestünden. Dieses Beweisergebnis ist nicht von fallübergreifender Bedeutung, und der Klärung der Verwaltungspraxis der Finanzbehörden der DDR ist das Revisionsverfahren ohnehin nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.