Beschluss vom 14.10.2003 -
BVerwG 4 B 80.03ECLI:DE:BVerwG:2003:141003B4B80.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.10.2003 - 4 B 80.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:141003B4B80.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 80.03

  • OVG Berlin-Brandenburg - 20.05.2003 - AZ: OVG 2 B 21.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Oktober 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. L e m m e l und G a t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 20. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision wegen der behaupteten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen ist.
1. Mit der Frage, ob eine nicht maßstäbliche Grenzziehung zwischen verschiedenen Baugebietsstufen in einem im Übrigen nach § 173 Abs. 3 BBauG fortgeltenden Bauleitplan die Anforderungen an verbindliche Festlegungen im Sinne des § 9 BBauG bzw. BauGB erfüllt, möchte die Beschwerde geklärt wissen, ob die Bestimmtheit von Bebauungsplänen von der Eindeutigkeit zeichnerischer Darstellungen abhängt. Diese Frage nötigt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich auf der Grundlage der bereits vorhandenen Rechtsprechung ohne weiteres außerhalb eines Revisionsverfahrens beantworten lässt. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Gemeinden nicht auf zeichnerische Festsetzungen beschränkt sind, um einem Bebauungsplan die erforderliche Bestimmtheit zu verleihen (BVerwG, Beschluss vom 4. Januar 1994 - BVerwG 4 NB 30.93 - BRS 56 Nr. 33). Mangelt es an zeichnerischen Darstellungen oder sind sie nicht eindeutig, fehlt es an der Bestimmtheit mithin nur dann, wenn sich ohne die Darstellungen der Inhalt der Festsetzungen nicht exakt ermitteln lässt. Mehr ist insoweit nicht zu sagen.
2. Mit der Frage, ob eine in einem nach § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Bebauungsplan enthaltene nichtmaßstäbliche Grenzziehung zwischen verschiedenen Baugebieten mittels Rückgriffs auf vor dem Erlass des Plans entstandene Festlegungen in tatsächlicher Hinsicht näher bestimmt werden kann, thematisiert die Beschwerde, ob sich die erforderliche Bestimmtheit durch einen Rückgriff auf ein früher gängiges Planungsprinzip der Gemeinde herstellen lässt. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision ebenfalls nicht. Die Beschwerde erkennt an, dass zur Bestimmung des Inhalts planerischer Festsetzungen die üblichen Auslegungsregeln zur Verfügung stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - BVerwG 4 C 13.94 - BVerwGE 101, 364 <367>) und in diesem Rahmen ein Blick in die Vergangenheit zulässig ist. Sie beanstandet lediglich, dass das Berufungsgericht bei der Auslegung des übergeleiteten Baunutzungsplans, mit dem das Vorhaben der Kläger nicht vereinbar sein solle, die Voraussetzungen verkannt habe, unter denen auf das Mittel der historischen Interpretation zurückgegriffen werden dürfe. Diese Kritik betrifft den konkreten Einzelfall; auf eine fallübergreifende Problematik führt sie nicht.
3. Auch wegen der Frage, ob es ausreicht, wenn die früheren Festlegungen durch intensive Nachforschungen seitens der zuständigen Behörden oder des zur Entscheidung über den Rechtsstreit zuständigen Gerichts ermittelt werden können oder ob es einer relativ leichten Erkennungsmöglichkeit durch den von der Grenzziehung betroffenen Bürger mindestens durch eine Bezugnahme in dem übergeleiteten Bebauungsplan auf die diesen präzisierenden früheren Regelungen bedarf, ist die Revision nicht zuzulassen. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die Frage grundsätzlich klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Wie die Beschwerde selbst ausführt, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Gesetz, das auf andere Normen verweist, nur dann den Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit, wenn es klar erkennen lässt, welche Normen gelten sollen (BVerfG, Urteil vom 30. Mai 1956 - 1 BvF 3/53 - BVerfGE 5, 25 <31>). Das Berufungsgericht hat diesen Grundsatz nicht in Frage gestellt, sondern im Hinblick auf den Zweck der Übergangsregelung des § 173 Abs. 3 BBauG die frühere Planung und damit auch die zur früheren Planung gehörenden Normen lediglich "zur genaueren Bestimmung der Baugebietsgrenzen" herangezogen. Im Grundsatz ist das ohne weiteres zulässig; denn zu den herkömmlichen Auslegungsregeln gehört auch die "historische Auslegung". Ob das Berufungsgericht dabei methodisch einwandfrei vorgegangen ist, mag vielleicht zweifelhaft sein. Die Frage hat jedoch keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nur das vorliegende Verfahren betrifft. Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren dient nicht der Prüfung der "Richtigkeit" der vorinstanzlichen Entscheidung.
4. Die Frage, ob dann, wenn ein nur einheitlich bebaubares Grundstück durch eine Grenzlinie bauplanerisch durchteilt wird und etwa ein Fünftel dem Kerngebiet und vier Fünftel dem allgemeinen Wohngebiet zugewiesen sind, ausnahmslos die zulässige Nutzung des größeren Grundstücksteils für die Gesamtbebauung maßgebend ist oder nicht mindestens im Rahmen der Frage nach einer Befreiungsmöglichkeit (§ 31 Abs. 2 BauGB) die Tatsache der teilweisen Belegenheit des Grundstücks im Kerngebiet und die Angrenzung des übrigen Grundstücksteils an das Kerngebiet dazu führen muss, auf eine kerngebietstypische Nutzung des gesamten Grundstücks, die keine reale Belastung für die Umgebung mit sich bringt, im Wege der Befreiung zuzulassen, ist - ungeachtet ihrer abstrahierenden Formulierung - auf die besonderen Umstände des vorliegenden Streitfalles zugeschnitten und erschöpft sich der Sache nach in einer Kritik der vorinstanzlichen Rechtsanwendung. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf ist damit nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.