Beschluss vom 14.11.2005 -
BVerwG 8 B 64.05ECLI:DE:BVerwG:2005:141105B8B64.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.11.2005 - 8 B 64.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:141105B8B64.05.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 64.05

  • VG Frankfurt/Oder - 16.03.2005 - AZ: VG 6 K 2509/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. November 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g und den Richter am Bundesverwaltungsgericht P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. März 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 54 701 € festgesetzt.

Gründe

1 Das Rubrum war hinsichtlich des Beklagten wegen der am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 4 der Zweiten Vermögensgesetzdurchführungsverordnung vom 20. September 2005 (GVBl Teil II S. 478) zu ändern.

2 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

3 1. Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in einer von der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz, der sich auf dieselbe Rechtsvorschrift bezieht, widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>).

4 Die Beschwerde hält den vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz, dass die Norm des § 1 Abs. 2 VermG auf den vorliegenden Fall der Verpachtung eines Hotel- und Gaststättengebäudes nicht anwendbar sei, für abweichend von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2001 - BVerwG 7 C 17.00 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 15), demzufolge der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG auch auf bebaute Grundstücke oder Gebäude anwendbar sei, die zu gewerblichen Zwecken vermietet waren.

5 Ob eine Divergenz vorliegt, bedarf keiner Entscheidung. Auch bei Anwendung des § 1 Abs. 2 VermG würde die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf der gerügten Abweichung beruhen, denn das Verwaltungsgericht hat auch festgestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen. Selbst für den Fall einer unterstellten Überschuldung fehle es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang für den Eigentumsverlust. Denn die Enteignung sei nicht zum Zwecke der Instandsetzung des Gebäudes, sondern zum Zweck eines Aus- und Erweiterungbaus des Ferienheims erfolgt. Dessen Notwendigkeit habe ersichtlich nichts mit der dem Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 2 VermG zugrunde liegenden Niedrigmietenpolitik der DDR zu tun. Diese Feststellungen werden von der Beschwerde nicht angegriffen.

6 Auch die weitere von der Beschwerde gerügte Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht nicht. Sie soll darin liegen, dass das Verwaltungsgericht seine klageabweisende Entscheidung auf die Rechtssätze gestützt habe, "die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. b VermG lägen nicht vor, da keine Anhaltspunkte für eine diskriminierende Entschädigungsfestsetzung vorlägen. Eine lediglich im Einzelfall zu gering bemessene Entschädigung genüge nicht." Das Verwaltungsgericht stehe mit diesen Rechtssätzen im Widerspruch zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2003 - BVerwG 7 C 1.03 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 1 VermG Nr. 18).

7 Die Beschwerde versäumt es schon, einander widersprechende Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Begründung des angegriffenen Urteils herauszuarbeiten. Sie beanstandet in Wirklichkeit die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und übersieht dabei, dass es vorliegend nicht um die Schädigung einer "gemischten" Erbengemeinschaft mit unterschiedlicher Entschädigung der Ost- und West-Erben geht. Von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2003 konnte das Verwaltungsgericht mangels Vergleichbarkeit beider Fälle nicht abweichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O. S. 55) rechtfertigt allein der Umstand, dass bei der Enteignung eines Grundstücks einer nach der Rechtsordnung der DDR bestehenden - diskriminierungsfreien - Entschädigungsregel im Einzelfall nicht voll entsprochen und eine geringere als die in der DDR übliche Entschädigung gezahlt worden ist, nicht die Grundstücksrückgabe. Vom Verwaltungsgericht wurden keine Anhaltspunkte festgestellt, dass die durch den Rat des Kreises bestätigte Entschädigung in Höhe von 51 300 Mark tatsächlich in Anwendung von diskriminierenden Regelungen im vorgenannten Sinne festgesetzt worden sein könnte. Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2003 lag demgegenüber ein Sachverhalt zugrunde, der bei einer "gemischten" Erbengemeinschaft unter Anwendung diskriminierender Entschädigungsbestimmungen zu einer unterschiedlichen Entschädigung der Ost- und West-Erben geführt hat.

8 Das Verwaltungsgericht ist mit seiner Entscheidung auch nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 20. März 1997 (- BVerwG 7 C 23.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 108) abgewichen. Die Beschwerde sieht eine Abweichung darin begründet, dass das Verwaltungsgericht die Enteignung nach § 14 Aufbaugesetz als rechtmäßig eingestuft hat, obwohl nicht der Rat des Kreises als Träger der Aufbaumaßnahme festgestanden habe. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Grundstücks nicht - wie von II.4. der Gemeinsamen Anweisung des Ministers für Bauwesen und des Ministers der Finanzen über die Erweiterung der Anwendung des Aufbaugesetzes vom 30. Mai 1958 vorgesehen - zugunsten des Rates des Kreises als Träger der Aufbaumaßnahmen erfolgt ist, sondern zugunsten des FDGB. Es spreche jedoch nichts dafür, dass hier etwa eigentlich am Enteignungsvorgang zu beteiligende staatliche Stellen bewusst umgangen worden wären, um diesen zu beeinflussen. Vielmehr sei der Rat des Kreises am Vorgang tatsächlich beteiligt gewesen. Er habe das Vorhaben auch ausdrücklich befürwortet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 20. März 1997 (a.a.O. S. 326) den Rechtssatz aufgestellt, dass der Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG nur dann erfüllt ist, wenn die handelnde Behörde bewusst gegen die jeweiligen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, um den hoheitlichen Zugriff auf das Eigentum überhaupt erst zu ermöglichen. Von diesem Rechtssatz ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen.

9 2. Auch der behauptete Verfahrensfehler der mangelhaften Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor. Die anwaltlich vertretenen Beigeladenen haben ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keine Beweisanträge gestellt. Die von der Beschwerde vermisste Aufklärung, insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens und die Einbeziehung der vorgelegten Fotos aus der Nachkriegszeit und den späten 50er Jahren musste sich dem Verwaltungsgericht schon deshalb nicht aufdrängen, weil nach seiner materiellrechtlichen Auffassung - worauf auch die Beschwerde hinweist - § 1 Abs. 2 VermG schon dem Grunde nach nicht anwendbar war. Auf die Frage eines Investitionsrückstaus und die Sanierungsbedürftigkeit des Grundstücks und der Gebäude kam es danach nicht an.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.