Beschluss vom 14.12.2012 -
BVerwG 5 B 14.12ECLI:DE:BVerwG:2012:141212B5B14.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.12.2012 - 5 B 14.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:141212B5B14.12.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 14.12

  • VG Stuttgart - 19.01.2011 - AZ: VG 8 K 2530/10
  • VGH Baden-Württemberg - 24.11.2011 - AZ: VGH 2 S 3200/11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Dezember 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Häußler
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. November 2011 wird aufgehoben.
  2. Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

1 Die Beschwerde hat mit der Verfahrensrüge (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) Erfolg. Das angefochtene Urteil verletzt die Beklagte in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

2 Das Gebot, gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>). Das Gericht ist zwar nicht gehalten, das gesamte Vorbringen in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist aber jedenfalls dann verletzt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass das Gericht nach seinem Rechtsstandpunkt zentrale Argumente eines Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder sich mit ihnen nicht auseinandergesetzt hat (Urteil vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1 S. 15).

3 Diesem Maßstab genügt das Berufungsurteil nicht. Die Beklagte hat ihren Vortrag im Berufungsverfahren - insbesondere auch in einem gleich gelagerten Parallelverfahren - maßgeblich darauf gestützt, dass es ihr mit verhältnismäßigem Aufwand nicht möglich sei, dem Kläger ohne Angabe von Antragsdatum und Leistungsabrechnungsnummer allein anhand des Namens des Versicherten, dessen Versicherungsnummer und der Daten der ihm durch den behandelten Arzt erstellten Rechnung Auskunft zu den Versicherten betreffenden Erstattungsvorgängen zu gewähren. Sie führe ihre Akten nicht mitglieder-, sondern antragsbezogen, weshalb sich die von dem Kläger aufgeführten Rechnungsdaten allenfalls dadurch Erstattungsanträgen des Versicherten zuordnen ließen, dass beginnend mit dem Datum der Rechnungserstellung sämtliche Aktenbestände und das gesamte EDV-System durchsucht würden. Auf diesen begründeten Einwand ist das Berufungsgericht nicht in der gebotenen Weise eingegangen. Es hat lediglich pauschal ausgeführt, die Beklagte sei ohne einen ihr unzumutbaren Verwaltungsaufwand in der Lage, dem Kläger die verlangte Akteneinsicht zu erteilen (UA S. 7). Auch die sonstigen Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, dass es sich mit dem zentralen Vortrag der Beklagten auseinandergesetzt hat.

4 Das Berufungsurteil kann auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO beruhen. Nach dem Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts hängt ein Auskunftsanspruch des Klägers aus § 242 BGB unter anderem davon ab, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Anspruchsgegner unschwer in der Lage ist, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (UA S. 7). Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht, sofern es sich mit dem Kern des Vorbringens der Beklagten auseinandergesetzt hätte, zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.

5 Auf die des Weiteren erhobene Divergenz- und Grundsatzrüge kommt es nicht an. Ebenso kann dahin stehen, ob ein weiterer Verfahrensfehler darin liegt, dass - wie die Beschwerde geltend macht - es der Verwaltungsgerichtshof versäumt habe, darauf hinzuweisen, dass der Auskunftsanspruch auf § 242 BGB gestützt werden könne. Hiermit und zum Konkurrenzverhältnis mit dem Auskunftsanspruch nach dem IFG wird sich der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Zurückverweisung ohnehin erneut zu befassen haben. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).