Urteil vom 15.10.2008 -
BVerwG 2 WD 16.07ECLI:DE:BVerwG:2008:151008U2WD16.07.0

Urteil

BVerwG 2 WD 16.07

  • Truppendienstgericht Süd 6. Kammer - 08.05.2007 - AZ: TDG S 6 VL 21/06

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der öffentlichen Hauptverhandlung am 15. Oktober 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Major Müller und
ehrenamtlicher Richter Stabsunteroffizier Hundt
sowie
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsassessor ...
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des früheren Soldaten wird das Urteil der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 8. Mai 2007 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geändert.
  2. Der frühere Soldat wird in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve herabgesetzt.
  3. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem früheren Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen haben dieser und der Bund je zur Hälfte zu tragen.

Gründe

I

1 Der jetzt 31 Jahre alte frühere Soldat, der nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Bürokaufmann absolviert hatte, war auf seine Bewerbung hin zum 5. Januar 1998 im Dienstgrad Stabsunteroffizier zu einer viermonatigen Eignungsübung in die Bundeswehr einberufen worden. Mit Wirkung vom 5. Mai 1998 wurde er unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Stabsunteroffizier ernannt. Seine zunächst auf vier Jahre festgesetzte und später auf acht Jahre verlängerte Dienstzeit endete mit Ablauf des 4. Januar 2006. Der verheiratete frühere Soldat, der eine zweijährige Tochter hat, hat sein Studium abgebrochen und ist zurzeit arbeitsuchend. Seine Ehefrau ist nicht berufstätig.

2 Nachdem der frühere Soldat zuletzt Unteroffizierlehrgänge an der Schule für Personal in integrierter Verwendung mit gutem Erfolg absolviert hatte, wurde er mit Wirkung vom 1. Oktober 1999 zum Deutschen Anteil S.../B. zur dortigen Stabs- und Versorgungskompanie versetzt, wo er im ...büro als ...unteroffizier eingesetzt wurde. Im Jahr 2000 befand er sich für vier Monate im SFOR-Auslandseinsatz in Bosnien. Aufgrund der Vorfälle, die Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens sind, wurde die Verwendung des früheren Soldaten in B. durch Versetzung zur .../Stabsfernmelderegiment ... (später Stabskompanie Heeres...kommando) in K. zum 1. April 2003 vorzeitig beendet. Bereits am Montag, dem 24. Februar 2003 war dem früheren Soldaten die Ausübung des Dienstes sowie das Tragen der Uniform verboten worden mit der Folge, dass er nach Abgabe seines S...-Ausweises noch am selben Tage das Hauptquartier in B. verlassen musste. Mit Verfügung vom 10. März 2003 wurde er vorläufig des Dienstes enthoben und ein Uniformtrageverbot ausgesprochen. Zugleich wurde mit Wirkung vom 1. April 2003 angeordnet, dass die Hälfte seiner Dienstbezüge einbehalten wird. Antrag und Beschwerde des früheren Soldaten gegen die letztgenannten Maßnahmen blieben in beiden Instanzen ohne Erfolg (vgl. Beschluss vom 18. November 2003 - BVerwG 2 WDB 2.03 - BVerwGE 119, 206 ff.). Die bei Ablauf der Dienstzeit angeordnete vorläufige Einbehaltung von 30 % der Versorgungsbezüge des früheren Soldaten wurde mit Wirkung vom 1. September 2006 auf dessen Antrag hin aus Fürsorgegründen aufgehoben.

II

3 1. In dem durch Verfügung vom 10. März 2003 ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des ...amtes dem früheren Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 3. Juli 2006 in der Fassung der Nachtragsanschuldigungsschrift vom 17. Januar 2007 folgende Sachverhalte als schuldhafte Verletzungen seiner Dienstpflichten zur Last gelegt:
„1. Der frühere Soldat entzog sich am 22. Februar 2003 zwischen 19:20 Uhr und Mitternacht in K. auf der B...straße einer allgemeinen Fahrzeug- und Personenkontrolle, bei der er mit seinem Pkw durch die Polizei angehalten worden war, durch Flucht zu Fuß und leistete dem ihn verfolgenden Polizeibeamten, als dieser den früheren Soldaten ergriff, Widerstand durch Wegdrücken mit der Hand.
2. Ab einem nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkt bis zum 22. Februar 2003 hatte der frühere Soldat zwei Handfeuerwaffen, 1 EA Browning Arms Company Morgan Utah Montreal 9 mm x 19 NATO mit zwei Magazinen (Waffen-Nr.: 245 PN 01787) und einen Trommelrevolver, sechsschüssig, Smith & Wesson 357 Magnum, Modell 586 (Waffen-Nr.: ADZ 1380), nebst Munition in Besitz, ohne eine Berechtigung zum Besitz nach §§ 10 ff. Waffengesetz zu haben.
3. Der frühere Soldat brachte in einem nicht näher bestimmbaren Zeitraum zwischen dem 01. Oktober 1999 und dem 23. Februar 2003 in seine Unterkunftsstube 228 im Gebäude 312 in S.../B. sowie zwischen dem 01. Oktober 1999 und dem 25. Februar 2003 in sein Dienstzimmer im Gebäude ..., Office H-... in S.../B. entgegen der Bestimmung aus der ZDv 10/5 Nr. 311 Bild-, Ton- und Datenträger sowie Schriften rechtsextremistischen Inhalts ein. Darunter befanden sich unter anderem Bilder und Tonträger mit verfassungswidrigen und im Inland gemäß § 86a StGB unter Strafe gestellten Kennzeichen, wobei er zuvor bezüglich dieser Kennzeichen sowie der Gegenstände, deren Besitz als Propagandamittel nach § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB im Inland strafbar ist, über die dienstrechtlichen Folgen aktenkundig belehrt wurde.
In die Unterkunftsstube hatte der frühere Soldat eingebracht:
eine Kopie der Broschüre ‚Antwort auf die Goldhagen- und Spielberglügen’,
ein Schriftstück ‚SS-Family’,
ein[en] Ordner mit Kopien des ‚Kühnen-Buchs’,
ein[en] Ordner mit Kopien des Buches ‚Das goldene Band. Esoterischer Hitlerismus’ von Miguel Serrano,
das Buch ‚Der Mythos des 20. Jahrhunderts’ von Alfred Rosenberg,
neun Kopien von Abbildungen, die zum Teil Runen-Zeichen aufweisen;
In sein Dienstzimmer hatte der frühere Soldat eingebracht:
ein[en] Hefter mit dem Parteiprogramm der NPD,
ein Buch ‚Volk und Reich der Deutschen’,
ein[en] Hefter ‚Runen und Rituale’,
eine CD-ROM mit Bild-, Ton- und Videomaterial mit folgendem Inhalt:
eine Videodatei ‚Triumph Of The Will 07 - Hitler Youth Ralley - Rare Nazi-Film’,
mehrere Ton-Dateien mit folgenden Titeln:
‚Noie Werte - Rudolf Hess’,
‚Horst-Wessel-Lied’ (‚Das Horst-Wessel-Lied-SA Chor’),
‚Wehrmacht - Leibstandarte SS Adolf Hitler - Die Fahne hoch’,
‚Wehrwolf - geboren um zu hassen’,
‚Wehrwolf - Herz aus Stahl’,
‚Wehrwolf - Volk steh auf’,
‚gestapo white power’,
‚reichskammermusik - Waffen-SS-Treue’,
‘White Power Techno - Adolf Hitler’,
zwei farbige Computerausdrucke, die jeweils die Überschrift ‚Die Wehrmacht’ tragen und einen darüber befindlichen symbolisierten Adler mit Hakenkreuz aufweisen.
Durch sein Verhalten hat der Soldat die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt,
 durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (zu Anschuldigungspunkt 3),
 seinen Vorgesetzten zu gehorchen (zu Anschuldigungspunkt 3),
 sich im Dienst so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die sein Dienst erfordert, nicht beeinträchtigt (zu Anschuldigungspunkt 3),
 sich außer Dienst und außerhalb militärischer Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die sein Dienst erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt (zu Anschuldigungspunkten 1 und 2),
wobei er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel gegeben hat.
Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 Soldatengesetz (SG) in Verbindung mit §§ 8, 11 Satz 1, 17 Abs. 2 Satz 1 und 2, jeweils 2. Alt. SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG.“

4 2. a) In dem mit den Anschuldigungspunkten 1 und 2 sachgleichen Strafverfahren war der frühere Soldat zuvor durch rechtskräftiges (Berufungs-)Urteil des Landgerichts K. vom 14. September 2005 wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 Abs. 1, § 52 StGB, § 53 Abs. 1 Nr. 3b, Abs. 3 Nr. 1b WaffG a.F.) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war. Das Landgericht hatte folgende Feststellungen getroffen:
„Am 22. Februar 2003 gegen 19.20 Uhr war bei der Polizeiinspektion K. telefonisch mitgeteilt worden, dass zwei Personen über das Tor des Hauptfriedhofes in K. geklettert seien. Zwei uniformierte Beamte der Polizeiinspektion ... in K., die Zeugen H. und B., begaben sich daraufhin mit ihrem Dienstwagen zur Örtlichkeit, wo sie das abgestellte Fahrzeug des Angeklagten, einen Pkw Mercedes mit belgischem Kennzeichen, observierten. Kurze Zeit später kam der Angeklagte und der Zeuge N., die sich nach ihren Angaben auf den Friedhof begeben hatten, um spazieren zu gehen und sich in Ruhe zu unterhalten, zu dem Fahrzeug zurück. Der Zeuge H. und die Zeugin B. unterzogen den Angeklagten und den Zeugen N. einer Personenkontrolle. Im Hinblick auf verschiedene Straftaten, die in letzter Zeit auf dem Friedhof begangen worden waren (Sachbeschädigungen, Drogendelikte u.a.) wurde eine Durchsuchung des Fahrzeuges durchgeführt. Während der Kontrolle seines Fahrzeuges gab der Angeklagte vor, zu frieren. Unter dem Vorwand, sich eine Jacke holen zu wollen, ergriff er einen im Kofferraum des Pkw abgelegten Rucksack und flüchtete. Die Zeugin B. nahm zunächst zu Fuß die Verfolgung auf, brach diese aber wegen offensichtlicher Aussichtlosigkeit nach kurzer Zeit ab. Der Zeuge H. nahm sodann die Verfolgung des Angeklagten mit dem Streifenwagen auf. Er erreichte den Angeklagten und fuhr mit dem Fahrzeug, dessen Fahrgeschwindigkeit er reduziert hatte, schräg vor den laufenden Angeklagten. Dieser stieß gegen den Streifenwagen und stürzte zu Boden. Der Angeklagte erhob sich und flüchtete zu Fuß weiter. Der Zeuge H. folgte ihm mit gezogener Dienstpistole. Ihm gelang es, nahe an den Angeklagten heranzukommen. In diesem Augenblick spürte er aufgrund einer schon bestehenden Knieverletzung starke Schmerzen, die ihm eine Fortsetzung der Verfolgung unmöglich machten. Der Zeuge H., der davon ausging, dass der fliehende Angeklagte in seinem Rucksack Drogen in erheblichen Mengen mit sich führte, sah einen Schlag mit seiner Dienstwaffe als einzige Möglichkeit an, die Flucht des Angeklagten noch erfolgreich zu verhindern. Ein Ergreifen des Angeklagten mit der linken Hand - in der rechten Hand hielt der Zeuge die Dienstpistole - schien dagegen nicht mehr möglich. Der Angeklagte wurde durch den Schlag des Zeugen H. - vermutlich mit dem Lauf der Dienstpistole - am Kopf getroffen und ging zu Boden. Der Angeklagte und der Zeuge H. stürzten und überschlugen sich. Auf dem Boden liegend versuchte der Zeuge H. den Angeklagten - zum Zwecke der vorläufigen Festnahme - zu fixieren. Hierbei leistete der Angeklagte Gegenwehr, indem er sich wand und gleichzeitig versuchte, den Zeugen H. mit der Hand von sich zu drücken. Dem Zeugen H. gelang es gleichwohl, den Angeklagten zu fixieren. Er verbrachte ihn zum Streifenwagen. Der Angeklagte verhielt sich nunmehr ruhig. Bei der Durchsuchung des Rucksackes des Angeklagten wurden zwei Schusswaffen gefunden, die der Angeklagte mit sich geführt hatte. Es handelte sich um einen Revolver der Marke Smith & Wesson, Modell 586, Kaliber 357 Magnum, Serien-Nr.: ADZ 1380 und eine Pistole der Marke FN, Modell HP, Modell 9 mm Luger, Serien-Nr.: 245 PN 01787. Die Pistole stellt eine halbautomatische Selbstladewaffe im Sinne des Waffengesetzes dar.
Die erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnisse für die Waffen besaß der Angeklagte nicht. Er führte die Waffen bewusst und in Kenntnis aller waffenrechtlich relevanten Umstände mit sich; woher der Angeklagte die Waffen erhalten hat und was er mit ihnen beabsichtigte, konnte in Ermangelung entsprechender Angaben und weiterer Ermittlungen nicht geklärt werden.“

5 b) Als anlässlich der strafbaren Vorfälle von Samstag, dem 22. Februar 2003 bei dem früheren Soldaten rechtsextremistisches Material aufgefunden worden war - ohne dass dieser dadurch Strafgesetze verletzt hatte - und in Folge dessen der Verdacht entstanden war, dieser habe entsprechendes Material in den dienstlichen Bereich eingebracht, wurde wegen „Verdunkelungsgefahr“ noch am Sonntag, dem 23. Februar 2003, in Anwesenheit des früheren Soldaten dessen Unterkunftsstube 228 im Gebäude 312 in S.../B. durch seinen damaligen Disziplinarvorgesetzten, den Kompaniechef der Deutschen ...kompanie S..., Major L., durchsucht; dieser hatte zuvor den zuständigen Rechtsberater konsultiert. Am Dienstag, dem 25. Februar 2003, öffneten der G 2-Offizier, Fregattenkapitän S., nebst einem weiteren Stabsoffizier sowie zwei Unteroffizieren mit Portepee in Abwesenheit des früheren Soldaten dessen Schreibtisch in seinem Dienstzimmer im Gebäude ... in S.../B. In beiden Räumen wurden u.a. die im Anschuldigungspunkt 3 aufgeführten Gegenstände gefunden und beschlagnahmt bzw. sichergestellt. Dem Fax-Antrag des Kompaniechefs vom 24. Februar 2003 auf nachträgliche Genehmigung der am 23. Februar 2003 erfolgten Durchsuchung der dienstlichen Unterkunft des früheren Soldaten stimmte der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts Süd durch Beschluss vom 24. Februar 2003 zu. Der Beschluss wurde dem Kompaniechef am 27. Februar 2003, dem früheren Soldaten am 7. März 2003 zugestellt.

6 3. Die ... Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat durch Urteil vom 8. Mai 2007 entschieden, dass dem früheren Soldaten das Ruhegehalt aberkannt wird. Hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 2 hat sich die Truppendienstkammer an die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils gebunden gesehen und hat insoweit eine Verletzung seiner außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht angenommen. Zu Anschuldigungspunkt 3 hat das Gericht festgestellt, dass die dort aufgeführten Bücher, Schriftstücke und Datenträger im Zuge einer Durchsuchung der Unterkunftsstube und des Arbeitsplatzes des früheren Soldaten im Hauptquartier S... aufgefunden und beschlagnahmt worden seien. Durch sein Verhalten im Anschuldigungspunkt 3 habe er gegen seine Gehorsamspflicht, seine Dienstpflicht zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung und seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im Dienst verstoßen. Dem früheren Soldaten sei bekannt gewesen, dass es gemäß Nr. 311 der ZDv 10/5 verboten sei, Ton-, Bild- oder Datenträger, Schriften, Abzeichen oder ähnliche Gegenstände, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten oder Kennzeichen oder Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen enthielten, auch nur vorübergehend in den dienstlichen Bereich einzubringen. Insgesamt habe er ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen, das mangels durchgreifender Milderungsgründe mit der Aberkennung des Ruhegehalts geahndet werden müsse.

7 4. Gegen das ihm am 12. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat durch seinen Verteidiger am 12. Juli 2007 Berufung eingelegt mit dem Antrag, ihn von allen Vorwürfen freizusprechen, hilfsweise das Verfahren einzustellen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
Die Vorwürfe in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 würden zu Unrecht erhoben. Da die Personen- und Fahrzeugkontrolle bereits beendet gewesen sei, hätte die Polizei ihn nicht verfolgen dürfen. Die gegen ihn gerichteten körperlichen Zwangsmaßnahmen stellten eine strafbare Verfolgung Unschuldiger dar. Seine Widerstandshandlungen seien daher gerechtfertigt gewesen. Die aufgefundenen Waffen unterlägen folglich einem strafprozessualen Verwertungsverbot.

8 Ferner sei gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG) verstoßen worden. Es habe keinen disziplinarischen Überhang gegeben, der nicht zugleich von den geahndeten Straftaten konsumiert worden sei. Da eine doppelte Bestrafung unzulässig sei, hätte nur eine Gesamtstrafe unter mildernder Berücksichtigung seiner Soldateneigenschaft gebildet werden dürfen. Als Soldat sei er generell befugt gewesen, Waffen zu tragen. So stehe es auch in seinem Truppenausweis. Deshalb entfalle der Gefahrenaspekt, der mit unerlaubtem Waffenbesitz generell verbunden sei. Er, der frühere Soldat, habe lediglich die falschen Waffen zur falschen Zeit am falschen Ort geführt. Dies sei faktisch nur eine Ordnungswidrigkeit, sodass die Anwendung des Waffengesetzes unangemessen sei. Entsprechendes gelte für den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Da er als Soldat Teil der vollziehenden Staatsgewalt gewesen sei, hätten die Polizisten von jeder weiteren Maßnahme gegen ihn absehen müssen.

9 Im Anschuldigungspunkt 3 greife bereits das Verwertungsverbot aus dem rechtswidrigen Polizeihandeln der Anschuldigungspunkte 1 und 2 durch. Ohne den illegal erlangten Waffenfund wäre es nicht zur Stubenkontrolle gekommen, sodass alle dort aufgefundenen und beanstandeten Gegenstände ebenfalls einem Verwertungsverbot unterlägen. Außerdem sei die Durchsuchung seiner Wohnung gemäß § 20 WDO rechtswidrig gewesen. Da er nicht zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet gewesen sei, habe er seine Wohnung gegen Entgelt privatrechtlich gemietet gehabt. Sie unterfalle daher dem Schutz des Art. 13 GG.

10 Auch das Räumen seines Arbeitsplatzes im Dienstzimmer sei fehlerhaft gewesen. Man habe ihm zuvor den S...-Ausweis abgenommen gehabt, sodass er sich in der militärischen Anlage nicht mehr habe aufhalten dürfen. Auf diese Weise habe man verhindert, dass er seine persönlichen Sachen an sich nehme, um diese dann durch „Ersatzvornahme“ disziplinarisch gegen ihn zu verwenden; sie unterlägen ebenfalls einem Verwertungsverbot.

11 Dessen ungeachtet sei er berechtigt gewesen, die beschlagnahmten Gegenstände zu besitzen. Es habe sich um zeitgeschichtliche Dokumente und Streitschriften gehandelt, die sich mit der Deutung der Ereignisse von 1933 bis 1945 befasst und seiner Weiterbildung gedient hätten. Daraus könne nicht gefolgert werden, dass er pflichtwidrig nicht für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten sei. Zudem sei das Verbot, Gegenstände rechtsextremistischen Inhalts in den Unterkunftsbereich bzw. den Bereich der militärischen Dienststelle einzubringen, wegen mangelnder Bestimmtheit unverbindlich.

12 Schließlich verzichte er, der frühere Soldat, nicht auf seinen gesetzlichen Richter, der nur durch Volksrichterwahl auf Zeit in sein Amt gelangen könne und so von Exekutive und Legislative unabhängig sei. Diese Voraussetzungen lägen hinsichtlich der Richter am Truppendienstgericht, die vom Bundesministerium der Verteidigung ernannt worden seien, derzeit nicht vor.

III

13 Die Berufung des früheren Soldaten hat zum Teil Erfolg.

14 1. Die gemäß § 115 Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig.

15 2. Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Mit der Berufungsbegründung werden neben Zuständigkeits- und Verfahrensrügen sowohl die tatsächlichen Feststellungen wie auch die rechtliche Würdigung im erstinstanzlichen Urteil angegriffen. Der Senat hat deshalb im Rahmen der Anschuldigung (§ 107 Abs. 1 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und gegebenenfalls über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

16 3. Der Senat ist zur Entscheidung in der Sache befugt. Es sind keine schwerwiegenden Verfahrensmängel ersichtlich, die zu einer Einstellung des Disziplinarverfahrens oder einer Zurückverweisung der Sache an das Truppendienstgericht führen (vgl. § 108 Abs. 3 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO sowie § 121 Abs. 2 WDO).

17 Die Durchführung des Disziplinarverfahrens ist nicht wegen Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot unzulässig. Art. 103 Abs. 3 GG, wonach niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden darf, gilt wegen des systematischen Unterschieds zwischen Strafrecht und Disziplinarrecht nicht im Verhältnis beider zueinander (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 668, 710/68 und 337/69 - BVerfGE 28, 264 <276 ff.>; Senatsurteil vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 4, jeweils m.w.N.). Die strafrechtliche Verurteilung des früheren Soldaten schließt deshalb die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme wegen derselben Tat nicht aus.

18 Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Entscheidungsbefugnis der Truppendienstkammer. Die Disziplinargerichtsbarkeit über Soldaten ist mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen Art. 101 GG. Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten und deren Besetzung sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies hat der Senat mit Urteil vom 24. September 1992 - BVerwG 2 WD 13.91 , 7.92 - BVerwGE 93, 287 ff. zu den §§ 62 ff. WDO a.F. entschieden; darauf wird Bezug genommen. An dieser Rechtslage hat sich durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts vom 16. August 2001, BGBl I S. 2093, in Kraft getreten am 1. Januar 2002, nichts geändert. Die Gesetzesnovelle hat in den neuen §§ 68 ff. WDO die bisherige Struktur der Wehrdienstgerichte, insbesondere die Vorschriften über ihre Errichtung, Zuständigkeit, Zusammensetzung und Besetzung, weitgehend unberührt gelassen. Sowohl die Truppendienstkammer als auch der Senat waren - und sind - daher von Verfassungs wegen berufen, über das disziplinargerichtliche Verfahren gegen den früheren Soldaten zu entscheiden.

19 4. Die Berufung ist zum Teil begründet. Von den Vorwürfen im Anschuldigungspunkt 3 war der frühere Soldat freizustellen. Die bindenden strafgerichtlichen Feststellungen einschließlich des vom Senat ergänzend festgestellten Sachverhalts zu den Anschuldigungspunkten 1 und 2 stellen ein Dienstvergehen dar, das mit einer Herabsetzung des früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve zu ahnden war.

20 a) Von den Vorwürfen im Anschuldigungspunkt 3, entgegen Nr. 311 der ZDv 10/5 Bild-, Ton- und Datenträger sowie Schriften rechtsextremistischen Inhalts in seine Unterkunftsstube sowie in sein Dienstzimmer in S.../B. eingebracht zu haben, war der frühere Soldat freizustellen. Die in der Unterkunftsstube und im Dienstzimmer beschlagnahmten bzw. sichergestellten Gegenstände dürfen dem früheren Soldaten disziplinarrechtlich nicht zur Last gelegt werden; für sie besteht ein Beweisverwertungsverbot. Weitere Beweismittel zu Anschuldigungspunkt 3 sind nicht vorhanden. Der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts hat in der Berufungshauptverhandlung auf ausdrückliche Nachfrage erklärt, er könne zur Stützung der Vorwürfe keine weiteren Beweismittel vorlegen.

21 Die in der Unterkunftsstube und im Dienstzimmer in S.../B. durchgeführten Beschlagnahmen bzw. Sicherstellungen waren schon aus formellen Gründen rechtswidrig und haben zu einem Beweisverwertungsverbot geführt:
aa) Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme von Gegenständen in der Unterkunftsstube des früheren Soldaten in S.../B. zur Aufklärung eines Dienstvergehens war § 20 WDO. Die Befugnis, in B. gegen dort Dienst leistende Soldaten der Bundeswehr disziplinarrechtliche Maßnahmen nach deutschem Recht treffen zu dürfen, beruht auf Art. VII Abs. 1 Buchst. a NATO-Truppenstatut. Danach haben die Militärbehörden des Entsendestaates - hier Deutschland - das Recht, innerhalb des Aufnahmestaates - hier B. - die gesamte Straf- und Disziplinargerichtsbarkeit auszuüben, die ihnen durch das Recht des Entsendestaates über alle dem Militärrecht dieses Staates unterworfenen Personen übertragen ist.

22 (1) Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO darf der Disziplinarvorgesetzte zur Aufklärung eines Dienstvergehens Durchsuchungen und Beschlagnahmen nur außerhalb von Wohnungen und nur auf Anordnung des Richters des zuständigen, notfalls des nächsterreichbaren Truppendienstgerichts vornehmen. Bei Gefahr im Verzug darf der Disziplinarvorgesetzte Maßnahmen nach Absatz 1 auch ohne richterliche Anordnung treffen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 WDO). Die richterliche Genehmigung ist unverzüglich zu beantragen. Der Antrag auf richterliche Zustimmung oder Genehmigung ist zu begründen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 WDO). Der Soldat ist vor allen Entscheidungen, welche die Bestätigung von Maßnahmen nach Absatz 1 zum Gegenstand haben, zu hören. Die Entscheidungen sind ihm zuzustellen (§ 20 Abs. 2 Satz 9 und 10 WDO).

23 Der damalige Disziplinarvorgesetzte, der in der Berufungshauptverhandlung als Zeuge angehörte Oberstleutnant L., hatte nach Rücksprache mit dem zuständigen Rechtsberater die Unterkunftsstube des eines Dienstvergehens verdächtigen früheren Soldaten am Sonntag, dem 23. Februar 2003, durchsucht und dort Beschlagnahmen vorgenommen, ohne zuvor gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO dafür eine truppendienstrichterliche Anordnung eingeholt zu haben. Erst nachträglich, auf Antrag des Disziplinarvorgesetzten vom 24. Februar 2003, stimmte der Vorsitzende des zuständigen Truppendienstgerichts durch Beschluss vom selben Tag - ohne vorherige Anhörung des früheren Soldaten - der Durchsuchung zu. Die anlässlich der Durchsuchung der Unterkunftsstube durchgeführten Beschlagnahmen der im Anschuldigungspunkt 3 genannten Gegenstände entsprachen in mehrfacher Hinsicht nicht den gesetzlichen Anforderungen, wobei der Senat offenlassen kann, ob sich die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen schon aus dem Umstand ergibt, dass die Unterkunftsstube 228 des früheren Soldaten im Gebäude 312 in S.../B. eine „Wohnung“ im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO war.

24 Das Bundesverfassungsgericht hatte zu Art. 13 Abs. 2 GG, wonach Wohnungsdurchsuchungen nur durch den Richter, bei „Gefahr im Verzug“ auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und durchgeführt werden dürfen, bereits durch Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 - BVerfGE 103, 142 <153 f.> - entschieden, dass der Begriff „Gefahr im Verzug“ eng auszulegen ist. Die vorherige richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche - mit nachträglicher richterlicher Kontrolle - die Ausnahme. Danach ist „Gefahr im Verzug“ nur anzunehmen, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde. Bei der Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln soll die Eilkompetenz das zuständige Organ in die Lage versetzen, einen Beweismittelverlust zu verhindern. „Gefahr im Verzug“ muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sind. Die bloße (abstrakte) Möglichkeit eines Beweismittelverlusts genügt nicht (BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 a.a.O. <155>). Die für Eilfälle zuständigen Organe müssen regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie eine Durchsuchung beginnen. Nur in Ausnahmesituationen, wenn schon die zeitliche Verzögerung wegen eines solchen Versuchs den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, dürfen sie selbst die Anordnung wegen Gefahr im Verzug treffen, ohne sich zuvor um eine richterliche Entscheidung bemüht zu haben. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nicht allein mit dem abstrakten Hinweis begründet werden, eine richterliche Entscheidung sei gewöhnlicherweise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nicht zu erlangen. Dem korrespondiert die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte, die Erreichbarkeit eines Richters, auch durch die Einrichtung eines Eil- oder Notdienstes, zu sichern (BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 a.a.O. <155 f.>). Die Einschaltung eines Richters darf nicht deshalb unterbleiben, weil nicht ausreichend für die Erreichbarkeit eines solchen Richters gesorgt worden war (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. September 2006 - 2 BvR 876/06 - EuGRZ 2006, 605 f.). Auslegung und Anwendung des Begriffs „Gefahr im Verzug“ unterliegen einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Eine solche wirksame Nachprüfung setzt aber voraus, dass das handelnde Organ vor oder jedenfalls unmittelbar nach der Durchsuchung seine für den Eingriff bedeutsamen Erkenntnisse und Annahmen in den Ermittlungsakten dokumentiert hat (insbesondere, unter Bezeichnung des Tatverdachts und der gesuchten Beweismittel, Darlegung der Umstände, auf die die Gefahr des Beweismittelverlusts gestützt werden); ferner muss erkennbar sein, ob zuvor der Versuch unternommen worden war, den zuständigen Richter zu erreichen (BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 a.a.O. <157, 159 f.>).

25 Der Senat hat keine Bedenken, diese Auslegung des Begriffs „Gefahr im Verzug“ im Rahmen der Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung durch Strafverfolgungsbehörden gemäß Art. 13 Abs. 2 GG auf den gleichlautenden Begriff in § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO im Hinblick auf eine disziplinarrechtliche Durchsuchung dienstlicher Räume und Unterkünfte - außerhalb von „Wohnungen“ - durch den Disziplinarvorgesetzten zu übertragen. Auch § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO geht von dem Regelfall aus, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen nur auf Anordnung des Richters des zuständigen, notfalls des nächsterreichbaren Truppendienstgerichts durchgeführt werden dürfen. Lediglich bei „Gefahr im Verzug“, d.h. ausnahmsweise, dürfen die Maßnahmen auch ohne richterliche Anordnung vorgenommen werden; die richterliche Genehmigung ist (dann) unverzüglich zu beantragen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 WDO). Da die Regelungen des Richtervorbehalts sowohl in Art. 13 Abs. 2 GG als auch in § 20 WDO grundsätzlich auf eine wirksame präventive Kontrolle der Eingriffe in die geschützte persönliche Lebenssphäre des Betroffenen zielen, ist es aus rechtsstaatlichen Gründen geboten, an die Ausnahmebefugnis des Disziplinarvorgesetzten gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO im Hinblick auf die nur repressive Überprüfung einer solchen Eil-Maßnahme, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, gleich hohe Anforderungen zu stellen.

26 (2) Die anlässlich der Durchsuchung der Unterkunftsstube des früheren Soldaten am Sonntag, dem 23. Februar 2003, durchgeführten Beschlagnahmen waren schon aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. „Gefahr im Verzug“ im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO lag nicht vor.

27 Zunächst ist nichts dafür ersichtlich, dass mit der Durchsuchung und entsprechenden Beschlagnahmen nicht bis Montag gewartet werden konnte. Ein Beweismittelverlust drohte objektiv nicht. Zwar hatte sich der damalige Disziplinarvorgesetzte in seiner Niederschrift über die Durchsuchung und Beschlagnahme vom 23. Februar 2003, zugleich Antrag an die ... Kammer des Truppendienstgerichts Süd auf Erteilung der erforderlichen Anordnung, auf „Verdunkelungsgefahr“ berufen (vgl. dazu auch § 20 Abs. 4 Satz 4 WDO) und in seinem beigefügten Anschreiben an das Gericht vom 24. Februar 2003 die „Gefahr im Verzug“ damit begründet, es habe nicht sichergestellt werden können, dass der frühere Soldat von Sonntag bis zum Dienstbeginn am Montag früh seiner Unterkunftsstube fernbleiben würde. Es sei generell nicht möglich, den Verbleib der Stubenschlüssel zu überwachen. Zudem sei zu befürchten gewesen, dass der frühere Soldat in seinem Besitz vermutete Gegenstände aus seiner Stube beiseite schaffen würde. Eine sofortige Durchsuchung - noch am Sonntag - war jedoch objektiv nicht zwingend. Es gab Alternativen, um bis zu einer richterlichen Anordnung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmehandlungen mögliche Beweise in der Unterkunftsstube zu sichern. Neben dem Verschließen und Versiegeln der Stube sowie regelmäßigen Kontrollen seitens des UvD/GvD kam zusätzlich in Betracht, dem Soldaten das Betreten seiner Stube durch einen entsprechenden Befehl zu verbieten. In der Zwischenzeit konnte er in der damals vorhandenen Gaststube oder der UvD-Stube vorübergehend untergebracht werden. Dass solche Alternativen bestanden, hat der Zeuge L. in der Berufungshauptverhandlung ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Gegenteiliges, dass damals z.B. die Gaststube nicht frei gewesen sei, hatte er nicht dokumentiert.

28 Es ist auch nicht erwiesen, dass der damalige Disziplinarvorgesetzte noch vor der Durchsuchung am Sonntag erfolglos versucht hatte, gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO eine Anordnung des Richters des zuständigen, notfalls des nächsterreichbaren Truppendienstgerichts zu erlangen. Dies ist jedenfalls nicht schriftlich festgehalten. Weder die Niederschrift vom 23. Februar 2003 noch das Anschreiben an das Truppendienstgericht vom Folgetag enthalten entsprechende Hinweise. Der Zeuge L. hat vor dem Senat ausgesagt, er habe gewusst, dass ein Richter einer Durchsuchung und Beschlagnahme zustimmen müsse. Die Telefonnummer des zuständigen Truppendienstrichters sei ihm bekannt gewesen. Ob er noch am Sonntag versucht habe, ihn zu erreichen, wisse er nicht mehr. Einen diesbezüglichen Vermerk habe er nicht gemacht. Sein Rechtsberater habe ihm damals geraten, die Durchsuchung sofort durchzuführen. Der Umstand, dass es im Jahr 2003 bei den Truppendienstgerichten noch keinen Notdienst für Wochenenden etc. gab - so der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts in der Berufungshauptverhandlung -, darf sich im Zweifel nicht zum Nachteil des betroffenen Soldaten auswirken. Insbesondere entbindet diese Tatsache den Disziplinarvorgesetzten - ungeachtet ihm erteilten Rechtsrats - nicht von der Notwendigkeit, sich nach Kräften zu bemühen, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach den Regelvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Satz 1 WDO vorgenommen werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 GG ausdrücklich klargestellt.

29 Die Beschlagnahme von Gegenständen in der Unterkunftsstube des früheren Soldaten war schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil der nachträgliche, unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör zustande gekommene Beschluss des Truppendienstgerichts vom 24. Februar 2003 weder nach seinem Tenor noch nach seiner Begründung eine richterliche Genehmigung gerade der „Beschlagnahmen“ enthält. Es ist dort lediglich von der am 23. Februar 2003 erfolgten „Durchsuchung“ und von „(Beweis-)Material“ die Rede. Die beschlagnahmten Gegenstände werden überhaupt nicht erwähnt. Da § 20 WDO ausdrücklich zwischen Durchsuchung und Beschlagnahme unterscheidet und die nachträgliche Genehmigung beider Maßnahmen beantragt war, sieht der Senat nach dem eindeutigen Wortlaut der gerichtlichen Entscheidung keine Möglichkeit, durch eine weite Auslegung des Begriffs „Durchsuchung“ auch die erfolgten Beschlagnahmen als genehmigt anzusehen. Es kommt hinzu, dass im Falle einer nachträglichen richterlichen Genehmigung der Beschlagnahme bereits feststeht, welche Gegenstände tatsächlich beschlagnahmt worden sind, so dass der Richter auch zu prüfen hat, ob gerade diese Gegenstände als Beweismittel in Betracht kommen und ob deren Beschlagnahme verhältnismäßig ist. Eine pauschale nachträgliche Genehmigung der Durchsuchung, wie sie hier allein vorliegt, ist daher auch inhaltlich nicht geeignet, die erfolgte Beschlagnahme zu rechtfertigen.

30 Der Beschluss führt auch nicht näher aus, warum ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO vorlagen. Der Vorsitzende des nachträglich angerufenen Truppendienstgerichts hat offensichtlich ebenfalls den Ausnahmecharakter des Begriffs „Gefahr im Verzug“ verkannt. Sein Beschluss wird den strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht.

31 Ob die Rechtswidrigkeit einer Beschlagnahme nach § 20 WDO möglicherweise dann unbeachtlich ist, wenn die Maßnahme durch rechtskräftigen Gerichtsbeschluss nachträglich genehmigt wird, kann offenbleiben. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene truppendienstgerichtliche Beschluss vom 24. Februar 2003, der dem früheren Soldaten am 7. März 2003 zugestellt worden war, erfasst - wie erwähnt - die Beschlagnahmehandlungen in der Unterkunftsstube überhaupt nicht.

32 (3) Die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahmen rechtfertigt auch die Annahme eines Verwertungsverbotes hinsichtlich der bei der Durchsuchung der Unterkunftsstube des früheren Soldaten beschlagnahmten Gegenstände.

33 Unter welchen Voraussetzungen bei einem Verstoß gegen den Richtervorbehalt gemäß § 20 WDO ein Verwertungsverbot hinsichtlich der in dienstlichen Räumen und Unterkünften - außerhalb von „Wohnungen“ - aufgefundenen Beweismittel anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Es gibt auch keinen Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Juni 2005 - 2 BvR 1502/04 - NVwZ 2005, 1175 m.w.N.). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wohnungsdurchsuchung in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist unter Berücksichtigung der Art des Verbotes, dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen anerkannt, dass eine bewusste Missachtung oder gleichgewichtig grobe Verkennung der Voraussetzungen des für Wohnungsdurchsuchungen bestehenden Richtervorbehalts die Annahme eines Verbots der Verwertung bei der Durchsuchung gewonnener Beweismittel rechtfertigen kann (BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/06 - BGHSt 51, 285 ff., Leitsatz). Nach Auffassung des Senats kann für das Wehrdisziplinarverfahren im Wesentlichen nichts anderes gelten, zumal auch nach § 20 WDO richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen die Regel und die nichtrichterlichen die Ausnahme bilden. Dass jedenfalls aus objektiver Sicht grobe Verstöße gegen den Richtervorbehalt im Disziplinarverfahren nicht sanktionslos bleiben dürfen, ergibt sich auch im Hinblick auf den alleinigen Zweck des Wehrdisziplinarrechts, zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Dienstbetriebs beizutragen (vgl. dazu zuletzt Urteil vom 5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 - m.w.N.). Ein ordnungsgemäßer Dienstbetrieb ist nicht nur dann gewährleistet, wenn jeder Soldat für sein Dienstvergehen disziplinarisch zur Verantwortung gezogen wird, sondern setzt auch voraus, dass jeder Disziplinarvorgesetzte die gesetzlichen Bestimmungen und dienstlichen Anordnungen befolgt und die Truppendienstgerichte, soweit sie angerufen werden, für deren Einhaltung Sorge tragen. Objektiv grobe Verstöße gegen die Regelungen des § 20 WDO müssen sich daher im Zweifel zugunsten des betroffenen Soldaten auswirken. Dies gebietet auch der Anspruch auf ein faires rechtsstaatliches Disziplinarverfahren (vgl. speziell zum gerichtlichen Wehrdisziplinarverfahren BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208).

34 Nach diesen Maßstäben war hier ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen. In Bezug auf die bei der Durchsuchung der Unterkunftsstube vorgenommenen Beschlagnahmen ist - insgesamt gesehen - gröblich gegen den Richtervorbehalt nach § 20 WDO verstoßen worden. Das ergibt sich aus folgenden Umständen:

35 Zunächst ist insoweit auf das in mehrfacher Hinsicht fehlerhafte Handeln des damaligen Disziplinarvorgesetzten, des Zeugen L., damals im Rang eines Majors, abzustellen, ohne dass diesem insoweit ein Schuldvorwurf gemacht wird. Dieser kannte den Richtervorbehalt, wie er in der Berufungshauptverhandlung bestätigt hat, und hatte auch die einschlägigen Formulare für das Verfahren bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen nach § 20 WDO verwendet. Obwohl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „Durchsuchung bei Gefahr im Verzug“ und zum dazugehörigen „Richtervorbehalt“ bereits Anfang 2001, d.h. zwei Jahre zuvor ergangen war, hatte der Disziplinarvorgesetzte das schon im Wortlaut des § 20 WDO zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Prinzip und dessen Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht missachtet und den Begriff „Gefahr im Verzug“ verkannt. So ist nicht ersichtlich, dass er sich noch am Sonntag um eine zumindest fernmündliche richterliche Zustimmung bemüht hatte. Offensichtlich war er - ohne Bedenken - dem Rat seines Rechtsberaters gefolgt, die Durchsuchung sofort durchzuführen. Dabei dürfte auch mitursächlich gewesen sein, dass es im Jahr 2003 bei den Truppendienstgerichten an den Wochenenden noch keinen Notdienst gab; dies ist ein weiterer gewichtiger (Organisations-)Mangel, der eine ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens nach § 20 WDO an Wochenenden und Feiertagen vereitelt hat und deshalb ebenfalls für ein Beweisverwertungsverbot streitet. Die sofortige Durchsuchung der Unterkunftsstube noch am Sonntag war auch nicht zwingend. Wie bereits dargelegt, hatte der Disziplinarvorgesetzte aus objektiver Sicht verschiedene Alternativen. Diese hatte er damals weder erkannt und sich mit ihnen auseinandergesetzt noch Entsprechendes schriftlich festgehalten. Die von ihm in Anspruch genommene Eilkompetenz hat er insgesamt auch nur sehr oberflächlich dokumentiert. So hat er in der „Niederschrift über eine Durchsuchung und Beschlagnahme“ vom 23. Februar 2003 als Tatsachen, die seiner Meinung nach zur Annahme einer Gefahr im Verzug geführt hatten, lediglich auf bestehende „Verdunkelungsgefahr“ verwiesen, „wodurch die Aufklärung des Dienstvergehens erschwert worden wäre“. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass dem damaligen Disziplinarvorgesetzten der Ausnahmecharakter der nicht richterlich durchgeführten Durchsuchung und Beschlagnahme nicht ausreichend bewusst war. Schließlich hätte ihm nach Zustellung des truppendienstgerichtlichen Beschlusses am 27. Februar 2003 auffallen müssen, dass schon nach dem eindeutigen Wortlaut der Entscheidung die von ihm vorgenommenen Beschlagnahmen überhaupt nicht erwähnt und folglich von der richterlichen Zustimmung auch nicht erfasst sind. Dies hätte ihn zumindest veranlassen müssen, nachträglich den Rat seines Rechtsberaters einzuholen. Das ist aber unterblieben.

36 Hinzu kommt, dass der vom Disziplinarvorgesetzten angerufene Kammervorsitzende des Truppendienstgerichts den gesetzlichen Richtervorbehalt offensichtlich auch nicht sehr ernst genommen hat, wie die fehlerhafte Durchführung des gerichtlichen Verfahrens einschließlich seiner Entscheidung, die ohne besondere Dringlichkeit noch am selben Tag ergangen ist, zeigen; auch insoweit liegen grobe Verstöße gegen § 20 WDO vor. So mangelt es nicht nur am rechtlichen Gehör des früheren Soldaten vor Erlass der die Maßnahme bestätigenden Entscheidung (§ 20 Abs. 2 Satz 9 WDO), sondern auch an der - beantragten - Zustimmung zu den Beschlagnahmen vom 23. Februar 2003. Tenor und Gründe des Beschlusses vom 24. Februar 2003 schweigen dazu. Schließlich geht die Entscheidung auch nicht näher auf die besonderen Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach § 20 Abs. 2 WDO ein, wie die nur formelhafte Begründung des Gerichtsbeschlusses zeigt:
„Der Soldat war durch das Ergebnis einer am Wochenende 22./23.02.2003 in K. durchgeführten Polizeikontrolle in den hinreichenden Verdacht geraten, im Besitz von verfassungsfeindlichem Material zu sein und dies in den dienstlichen Bereich eingebracht zu haben.
Es bestand die Gefahr, dass er dieses Material beiseite schaffen und damit Beweise vernichten könnte.
Die Durchsuchung sollte dem Zweck dienen, Beweismaterial für eine etwaige rechtsradikale oder rechtsextremistische Gesinnung aufzufinden. Sie duldete keinen Aufschub und konnte ohne vorherige richterliche Anordnung durchgeführt werden. Sie bedarf jedoch der nachträglichen Genehmigung (§ 20 Abs. 2 WDO).
Diese war hiermit zu erteilen.“

37 bb) Die Sicherstellung von Gegenständen des früheren Soldaten im Dienstzimmer in S.../B. zu disziplinarrechtlichen Zwecken war ebenfalls schon aus formellen Gründen rechtswidrig und hat insoweit zu einem Beweisverwertungsverbot geführt.

38 (1) Nach dem Ergebnis der Berufungshauptverhandlung steht für den Senat aufgrund der Einlassungen des früheren Soldaten, soweit ihnen gefolgt werden kann, der Anhörung des Zeugen Oberstleutnant L. und des Zeugen Fregattenkapitän S., damals G 2/Marine bei S..., sowie der zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Urkunden fest, dass die am 25. Februar 2003 im Dienstzimmer aufgefundenen und dem früheren Soldaten im Anschuldigungspunkt 3 zur Last gelegten Gegenstände im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme zu disziplinarrechtlichen Zwecken formlos sichergestellt worden sind.

39 Gemäß dem vierseitigen Protokoll des Deutschen Militärischen Vertreters bei S... G 2/Marine wurde am Dienstag, dem 25. Februar 2003, in Anwesenheit des Divisionsoffiziers, Oberstleutnant Sch., des Zeugen S. (G 2), des Divisionsunteroffiziers, Stabsfeldwebel B., und des Hauptbootsmanns Ho. (S 2) in der Zeit von 17.40 Uhr bis 19.10 Uhr der Schreibtisch des früheren Soldaten im Dienstzimmer geöffnet und wurden alle Gegenstände, die nicht zum Inventar gehörten, entnommen und der Deutschen ...kompanie unter ihrem damaligen Kompaniechef, dem Zeugen L., zugeführt. Die Maßnahme fand ohne Zustimmung und in Abwesenheit des früheren Soldaten statt. Dieser hatte nach Rückgabe seines S...-Ausweises das Hauptquartier bereits am Montag, dem 24. Februar 2003, in Richtung K. verlassen. Bei den aufgefundenen privaten Gegenständen handelte es sich zum Teil um solche angeblich rechtsextremistischen Inhalts, die - vom früheren Soldaten in sein Dienstzimmer eingebracht - in das Disziplinarverfahren einbezogen worden und im Anschuldigungspunkt 3 aufgeführt sind; im Protokoll vom 25. Februar 2003 sind sie bereits mit einem Ausrufungszeichen versehen. Wie der Zeuge S. in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft ausgesagt hat, stammten diese Markierungen von ihm. Die von ihm gekennzeichneten Sachen schienen ihm bedeutsam für den gegen den früheren Soldaten geäußerten Verdacht, gegen Nr. 311 ZDv 10/5 verstoßen zu haben. Der Zeuge hat auch eingeräumt, dass aufgrund der beim früheren Soldaten in K. und in seiner Unterkunftsstube aufgefundenen Gegenstände rechtsextremistischen Inhalts auch von ihm, dem Zeugen S., vermutet worden war, im Dienstzimmer des früheren Soldaten entsprechendes Material zu finden. Der Rechtsberater sei in die Aktion eingeschaltet gewesen. Einen Antrag auf Zustimmung des Truppendienstgerichts habe man nicht gestellt. Der Zeuge L., der die Aussagen des Zeugen S. bestätigt hat, hat vor dem Senat ergänzend angegeben, als Kompaniechef sei er nur für die Durchsuchung im Unterkunftsbereich seiner Einheit, nicht für Maßnahmen im eigentlichen Dienstbereich von S... (Dienstzimmer), zuständig gewesen. Er habe die im Dienstzimmer aufgefundenen Gegenstände des früheren Soldaten zusammen mit der Auflistung vom G 2 später übernommen.

40 (2) Nach den dargestellten Bekundungen des Zeugen S. diente die Maßnahme am 25. Februar 2003 nicht - wie der Bundeswehrdisziplinaranwalt vorgetragen hat - oder jedenfalls nicht in erster Linie der Räumung des Arbeitsplatzes, um diesen für einen Nachfolger freizumachen, sondern vielmehr dem Auffinden weiteren Beweismaterials im Zusammenhang mit dem Verdacht eines Dienstvergehens. Nur so erklärt sich auch die „hochrangige“ Besetzung der an der Aktion beteiligten Offiziere und Unteroffiziere. Materiell lag daher eine Durchsuchung im Sinne des § 20 Abs. 1 WDO vor, die nur nach vorheriger Genehmigung durch den Vorsitzenden des zuständigen Truppendienstgerichts zulässig gewesen wäre. Gefahr im Verzuge lag hier schon deswegen nicht vor, weil sich der frühere Soldat zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in B. aufhielt und weil mit seiner Rückkehr auch nicht zu rechnen war.

41 Eine disziplinarrechtliche Verwertung der im Dienstzimmer des früheren Soldaten in dessen Abwesenheit und ohne dessen Zustimmung formlos sichergestellten Gegenstände setzt im Übrigen deren Beschlagnahme gemäß § 20 WDO voraus. Das folgt aus § 20 Abs. 5 WDO i.V.m. § 94 Abs. 1 und 2 StPO. Nach den zuletzt genannten Vorschriften sind Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen; befinden sich die Gegenstände im Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme. Ein solcher Fall lag hier vor. Der im Zeitpunkt der Sicherstellung der Gegenstände abwesende frühere Soldat hatte der Maßnahme zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. Dies hat er in der Berufungshauptverhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt. Die in seinem Dienstzimmer verbliebenen privaten Gegenstände befanden sich im Zeitpunkt ihrer Sicherstellung (25. Februar 2003) auch noch in seinem Gewahrsam. Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ob diese ausgeübt wird, ist nach den Umständen des Einzelfalls und der Verkehrsauffassung zu bestimmen. So behält z.B. der Wohnungsinhaber auch bei längerer Abwesenheit den Gewahrsam an den Sachen in seiner Wohnung (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1961 - 2 StR 289/61 - BGHSt 16, 271 <273>). Auch im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Soldat, der seinen Dienstbereich am Vortag kurzfristig verlassen musste, den Gewahrsam an seinen Privatsachen im Dienstzimmer, insbesondere in seinem Schreibtisch, aufgegeben hat mit der Folge, dass diese herrenlos geworden wären. Die Vorgesetzten gingen ebenfalls davon aus, dass der frühere Soldat seine Privatsachen zurückerhalten wollte. Noch bis zur Berufungshauptverhandlung hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt die Sicherstellung der Privatgegenstände im Dienstzimmer allein mit der Bewahrung des Eigentums des früheren Soldaten begründet. Es habe sich nur um eine „Aufräumaktion“ im Interesse des Eigentümers gehandelt. Dass dies allenfalls ein Nebenzweck der Maßnahme war, steht aufgrund der Berufungshauptverhandlung fest.

42 Nach alledem war die nur formlose Sicherstellung der im Dienstzimmer aufgefundenen Gegenstände des früheren Soldaten zur Verwertung im Disziplinarverfahren nicht ausreichend; diese hätten gemäß § 20 Abs. 1 WDO vom damaligen Disziplinarvorgesetzten auf Anordnung des Truppendienstgerichts beschlagnahmt werden müssen, was nicht geschehen ist. „Gefahr im Verzug“ im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 WDO lag hier - wie ausgeführt - erst recht nicht vor.

43 (3) Nach den oben genannten Maßstäben war deshalb auch im vorliegenden Fall ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen. Alle Beteiligten, einschließlich des hinzugezogenen Rechtsberaters, haben gröblich fehlerhaft verkannt, dass es sich um eine nicht richterlich genehmigte Durchsuchung handelte und dass sie die im Dienstzimmer des früheren Soldaten durchgeführten Sicherstellungen als Beschlagnahmen nur auf Anordnung eines Richters des Truppendienstgerichts vornehmen durften.

44 b) Die dem früheren Soldaten in den Anschuldigungspunkten 1 (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) und 2 (unerlaubter Schusswaffen- und Munitionsbesitz) zur Last gelegten Verfehlungen sind erwiesen und stellen ein außerdienstliches Dienstvergehen dar, das mit einer Herabsetzung in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve zu ahnden war.

45 aa) Tatsächliche Feststellungen
(1) Hinsichtlich des objektiven Geschehensablaufs und des subjektiven Tatverhaltens des früheren Soldaten, soweit es Gegenstand der Anschuldigungspunkte 1 und 2 ist, wird im Wesentlichen auf die gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des seit dem 29. September 2005 rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts K. vom 14. September 2005, die bereits dargestellt worden sind, Bezug genommen. Die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nach § 84 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO sind nicht erfüllt.

46 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 4 m.w.N.) ist die Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines sachgleichen rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils auf Fälle beschränkt, in denen das Wehrdienstgericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offenkundig unzureichender oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden. Bei der Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO muss das gesetzlich normierte Regel-Ausnahme-Verhältnis beachtet werden. Ausnahmevorschriften sind einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis darf nicht in sein Gegenteil verkehrt werden. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung, im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unterschiedliche Feststellungen zu einem historischen Geschehensablauf in verschiedenen rechtskräftigen Entscheidungen zu verhindern, ergibt sich, dass die Wehrdienstgerichte an die Beweiswürdigung in einem sachgleichen rechtskräftigen Strafurteil grundsätzlich auch dann gebunden sein sollen, wenn sie aufgrund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. Anderenfalls wäre die Vorschrift des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO auf Fälle beschränkt, in denen das Wehrdienstgericht der Beweiswürdigung des Strafgerichts ohnehin folgen würde. Das aber wäre weder mit der in § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO normierten grundsätzlichen Bindung noch mit dem Gesichtspunkt vereinbar, dass die Wehrdienstgerichte nach ihrer Zuständigkeit und Funktion keine Überprüfungsinstanz für Strafurteile sind. Die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen objektiv oder subjektiv auch anders gewesen sein könnte als vom Strafgericht rechtskräftig festgestellt, reicht für einen Lösungsbeschluss nicht aus. Erhebliche und damit für einen Lösungsbeschluss ausreichende Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen bestehen jedoch dann, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen in sich widersprüchlich oder sonst unschlüssig sind, im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen oder aus sonstigen - vergleichbar gewichtigen - Gründen offenkundig unzureichend sind. Offenkundig unzureichend in diesem Sinne sind strafgerichtliche Feststellungen dann, wenn sie in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind oder, wenn entscheidungserheblich neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung standen oder, wenn die im strafgerichtlichen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung ausweislich der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar ist.

47 Keiner dieser Gründe liegt hier vor. Insbesondere beruhen die strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht auf einer offenkundigen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften. Die Sicherstellung der Schusswaffen und ihre Beschlagnahme gemäß § 94 StPO durch die Strafverfolgungsbehörden ist nicht zu beanstanden. Nach den bindenden - und auch vom früheren Soldaten insoweit nicht bestrittenen - Feststellungen im Strafurteil ist davon auszugehen, dass der frühere Soldat am 22. Februar 2003 mit seinem Privat-Pkw im Stadtgebiet von K. durch die Schutzpolizei einer Fahrzeug- und Personenkontrolle unterzogen wurde und bei der anschließend - nach einer Widerstandshandlung - erfolgten Überprüfung seiner Person und seines Fahrzeugs die beiden genannten Handfeuerwaffen beschlagnahmt worden sind. Mangels entsprechender Erlaubnis nach §§ 10 ff. WaffG war der frühere Soldat zum Besitz der Schusswaffen und damit zum Umgang mit ihnen (vgl. § 1 Abs. 3 WaffG) nicht berechtigt; dies hat er in der Berufungshauptverhandlung nochmals eingeräumt. Soweit er meint, aufgrund seines Soldatenstatus sei er generell befugt gewesen, Waffen zu tragen, ist dies rechtsirrig. Das Waffengesetz ist nach seinem § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 nur dann nicht auf die Bundeswehr und deren Bediensteten anzuwenden, soweit diese dienstlich tätig werden; im Übrigen gelten also die waffengesetzlichen Vorschriften auch für Soldaten. Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Soldat am Samstag, dem 22. Februar 2003, in K. für die Bundeswehr dienstlich tätig war, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht. Schließlich war der frühere Soldat auch nicht allein deshalb zum Umgang mit den beschlagnahmten Schusswaffen befugt, weil er Inhaber eines Truppenausweises war. Der Ausweisinhaber ist berechtigt, Uniform zu tragen und Schusswaffen im Rahmen der hierzu ergangenen Dienstvorschriften zu führen, soweit er dienstlich tätig wird. Die Berechtigung eines Soldaten zum Umgang mit Schusswaffen folgt demnach nicht allein aus dem Besitz und der Inhaberschaft eines Truppenausweises. Es müssen auch die entsprechenden materiellrechtlichen Voraussetzungen - Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben als Soldat - erfüllt sein (vgl. dazu den zur Tatzeit geltenden § 2 Nr. 1 WaffVwV-BMVg vom 18. April 1989, VMBl. S. 174). Das war hier offensichtlich nicht der Fall.

48 (2) Neben den bindenden Feststellungen zur Widerstandshandlung gegen den Polizeibeamten und zum unerlaubten Schusswaffenbesitz ist ferner angeschuldigt und erwiesen, dass der frühere Soldat für beide Handfeuerwaffen noch zusätzlich - bewusst und gewollt - Munition bei sich geführt hatte. Insgesamt waren 106 Schuss Munition in seinem Kfz aufgefunden worden. Dies hat der frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt.

49 bb) Disziplinarrechtliche Würdigung
Durch das in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 festgestellte außerdienstliche Fehlverhalten hat der frühere Soldat seine Achtungs- und Vertrauenswahrungspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) vorsätzlich verletzt.

50 Nach der genannten Vorschrift hat sich der Soldat außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine solche Wirkung auszulösen. Denn die Vorschrift stellt allein auf das Verhalten des Soldaten ab, ohne dass es für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung auf den konkreten Eintritt einer solchen Beeinträchtigung ankommt. Die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (vgl. z.B. Urteil vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 23> m.w.N., stRspr). Dies ist zweifellos dann der Fall, wenn ein Soldat - wie hier - durch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Waffendelikte vorsätzlich schwerwiegende Straftaten begangen hat, die mit einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe - wenn auch auf Bewährung - geahndet worden sind. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass der frühere Soldat zur Tatzeit als Stabsunteroffizier Vorgesetztenfunktionen innehatte (§ 1 Abs. 5 SG a.F. i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VorgV). Nach § 10 Abs. 1 SG soll der Vorgesetzte in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben. Diese Pflicht ist nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Ein Soldat, der außerdienstlich in strafbarer Weise gegenüber Polizeibeamten Widerstand leistet und gegen das Waffengesetz verstößt, disqualifiziert sich in seiner Dienststellung als Vorgesetzter.

51 Ob dabei die tatbestandlich sehr weite Fassung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht bedenkenfrei ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls eine Dienstpflicht des Inhalts, außerhalb des Dienstes keine mit Freiheits- oder Geldstrafe bedrohte Straftat zu begehen, begegnet aus Sicht des Bestimmtheitsgebots keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu auch Urteil vom 12. Juni 2007 - BVerwG 2 WD 11.06 - Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 3 = NZWehrr 2007, 256 m.w.N.).

52 cc) Bemessung der Disziplinarmaßnahme
Das vom früheren Soldaten vorsätzlich begangene außerdienstliche Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 2 SG, wobei der frühere Soldat als Vorgesetzter gemäß § 10 Abs. 1 SG der verschärften Haftung unterliegt, war mit einer Herabsetzung in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve zu ahnden. Dieser gemäß § 58 Abs. 2 i.V.m. § 62 Abs. 1 Satz 4 WDO zulässige Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme ist angemessen und geboten.

53 Bei der Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen (Art. 20 Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht - wie bereits erwähnt - ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wieder herzustellen und aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu Urteil vom 5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 - m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.

54 (1) Das außerdienstliche Dienstvergehen des früheren Soldaten wiegt schwer. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er kriminelles Unrecht begangen hat und deshalb - wenn auch auf Bewährung - rechtskräftig insgesamt zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden ist. Das vorsätzlich strafbare Verhalten weckt zudem ernstliche Zweifel an der Rechtstreue, der persönlichen Integrität und der dienstlichen Zuverlässigkeit des früheren Soldaten. Die allgemeine Gesetzestreue eines Soldaten ist eine wesentliche Grundlage des öffentlichen Dienstes, dessen Angehörigen nach Art. 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitlicher Befugnisse obliegt. Deshalb ist ein - auch außerdienstlicher - Verstoß gegen Rechtsnormen, die wichtige Gemeinschaftsinteressen schützen, allgemein geeignet, das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienst-ausübung zu erschüttern (vgl. Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 - <zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen> m.w.N.). Ein solcher Fall ist auch hier gegeben. § 113 StGB - Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - schützt die Autorität staatlicher Vollstreckungsakte und dient damit dem Schutz des Frieden stiftenden Gewaltmonopols des Staates. Die Strafvorschriften des Waffengesetzes sind ebenfalls auf die Verfolgung wichtiger Gemeinschaftsinteressen - Schutz der Bürger im Rahmen der öffentlichen Sicherheit - ausgerichtet (vgl. zu § 53 WaffG a.F.: Steindorf, Waffenrecht, 7. Aufl. 1999, § 53 WaffG Rn. 1 m.w.N.).

55 Das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung des früheren Soldaten ist hier vor allem auch deshalb erschüttert worden, weil dieser außerdienstlich durch seine Widerstandshandlung nicht nur die körperliche Integrität und Gesundheit des Polizeibeamten beeinträchtigt, sondern auch in erheblichem Umfang gegen das Waffengesetz verstoßen hat. In seinem Pkw wurden zwei Handfeuerwaffen gefunden, von denen eine besondere Gefährlichkeit ausging, da der frühere Soldat für sie zusätzlich 106 Schuss Munition mit sich führte. Gerade diese Verfehlung hat einen engen innerdienstlichen Bezug. Von einem Soldaten, der den Streitkräften eines demokratischen Rechtsstaats angehört, wird generell ein gesetzestreuer und Vertrauen schaffender Umgang mit Schusswaffen erwartet. Dem ist der frühere Soldat nicht gerecht geworden.

56 Von besonderer Bedeutung für das Gewicht des Dienstvergehens ist dabei, dass der frühere Soldat zur Tatzeit aufgrund seines Dienstgrades als Stabsunteroffizier - wie erwähnt - eine Vorgesetztenfunktion innehatte. Als Vorgesetzter soll er gemäß § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben. Verstößt ein Soldat in Vorgesetztenstellung außerdienstlich in erheblichem Umfang gegen das Waffengesetz, so disqualifiziert er sich mit diesem Verhalten grundsätzlich auch für seine weitere Verwendung als Vorgesetzter.

57 Aufgrund der den früheren Soldaten insgesamt belastenden Umstände, d.h. Eigenart und Gewicht des Dienstvergehens, ist nach Auffassung des Senats - auch aus generalpräventiven Gründen - eine Degradierung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.

58 (2) Das außerdienstliche Dienstvergehen hatte für die Personalplanung und -führung insoweit negative Auswirkungen, als dem früheren Soldaten bereits am 24. Februar 2003 die Dienstausübung verboten und er mit Verfügung vom 10. März 2003 vorläufig des Dienstes enthoben worden war. Bis zum planmäßigen Ende seiner achtjährigen Dienstzeit am 4. Januar 2006 hat er keinen Dienst mehr geleistet. Die damit verbundenen nachteiligen Folgen für den Dienstbetrieb muss sich der frühere Soldat zurechnen lassen. Auch das Bekanntwerden seiner Verfehlungen bei der Polizei und den sonstigen mit der Strafverfolgung und Durchführung des Strafverfahrens befassten Personen ist zu seinen Lasten zu berücksichtigen (vgl. dazu Urteil vom 5. August 2008 a.a.O. m.w.N.), da der Vorfall bei Außenstehenden ein schlechtes Licht auf den Ruf der Bundeswehr und ihrer Angehörigen geworfen hat, in deren Reihen sich der frühere Soldat damals befand.

59 (3) Das Maß der Schuld des früheren Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.

60 Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Soldaten mindern könnten, liegen ebenfalls nicht vor. Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 5. August 2008 a.a.O. m.w.N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet gewesen wäre, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Anhaltspunkte für solche Besonderheiten sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.

61 (4) Die Verstöße gegen das Waffengesetz beruhten, wie der frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung dargelegt hat, auf seiner Vorliebe für Waffen. Die beschlagnahmten Schusswaffen habe er erst wenige Wochen zuvor erworben gehabt; die Munition sei „mitgeliefert“ worden. Er habe „Freude an Waffen“ und sei Mitglied in einem Sportschützenverein. Bei seinem Auslandseinsatz in Bosnien habe er sich an das ständige Tragen von Waffen gewöhnt gehabt. Auch in B. gebe es „rechtsfreie Räume“, in denen der Waffenbesitz weit verbreitet sei. Mit einer Waffe habe er sich stets sicherer gefühlt.

62 (5) Die vom früheren Soldaten erbrachten dienstlichen Leistungen lagen ausweislich der vom Senat anhand der bei den Akten befindlichen und in die Berufungshauptverhandlung eingeführten dienstlichen Beurteilungen (zuletzt vom 22. August 2002 und Beurteilungsvermerk vom 3. März 2003) im oberen Bewertungsbereich. Er sei ein hochmotivierter Unteroffizier. Geistig rege und gewissenhaft handelnd habe er sich stets zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten eingebracht. Er habe sich einen vorzüglichen Ruf erworben und als vorbildlicher Vertreter der deutschen Unteroffiziere bei S... erwiesen. Die Eignung zum Feldwebel sei erkennbar. Der Leumundszeuge L. hat vor dem Senat bestätigt, dass der frühere Soldat dienstlich stets gut beurteilt worden sei; er habe nichts Negatives über ihn gehört. Zugunsten des früheren Soldaten ist auch zu berücksichtigen, dass er disziplinarisch nicht vorbelastet ist.

63 Er muss sich allerdings entgegenhalten lassen, dass er nachträglich, am 9. August 2007 durch das Amtsgericht K. wegen Missbrauchs von Notrufen rechtskräftig zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe - auf Bewährung - verurteilt worden ist. Auch wenn die der Verurteilung zugrunde liegende Straftat nicht als mögliche Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 SG im Wege der Nachtragsanschuldigung (§ 99 Abs. 2 WDO) Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens geworden ist, kann sie doch, nachdem dem früheren Soldaten insoweit rechtliches Gehör gewährt worden ist, bei der Persönlichkeitsbeurteilung berücksichtigt werden. Die neue Verurteilung deutet darauf hin, dass es dem früheren Soldaten offensichtlich weiter schwerfällt, die gesetzlichen Gebote uneingeschränkt zu befolgen. In der Berufungshauptverhandlung hat er bereits eine bedenkliche Grundeinstellung zur Rechtsordnung erkennen lassen, indem er wiederholt darauf hingewiesen hat, zurzeit brauche er zwar keine Waffe. In Ausnahmefällen fühle er sich aber mit einer Schusswaffe sicherer. Er sei insbesondere auch deshalb im Sportschützenverein, um über den Verein an Schusswaffen zu gelangen. Außerdem „lebe man im ständigen Kampf mit der Umwelt“. In diesem „Daseinskampf“ müsse man sich verteidigen. Eine solche Grundhaltung widerspricht den Prinzipien unseres Rechtsstaats, der es - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmefällen (z.B. Notwehr) - dem Bürger verwehrt, sein wirkliches oder vermeintliches Recht sowohl gegenüber staatlichen Organen als auch gegenüber dem Mitbürger mit Gewalt durchzusetzen; der Einzelne muss sein Recht vor staatlichen Gerichten suchen und es mit Hilfe der Staatsgewalt vollstrecken (innerstaatliches Gewaltverbot und staatliches Gewaltmonopol, vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1987 - 1 BvR 1086/85 - BVerfGE 74, 257 <261 f.>). Dies scheint dem früheren Soldaten immer noch nicht klar zu sein.

64 Zwar hat er vor dem Senat sein Fehlverhalten verbal bedauert und erklärt, er würde es nie wieder tun. Zugleich hat er sich jedoch über die seiner Meinung nach „sehr hohe Kriminalstrafe“ beklagt; er sei mit zehn Monaten Freiheitsstrafe zu hart bestraft worden. Damit hat der frühere Soldat zu erkennen gegeben, dass ihm die Schwere seiner Verfehlung immer noch nicht bewusst ist und er sich mit seinem Fehlverhalten noch nicht im erforderlichen Umfang auseinandergesetzt hat. Bei dem vorsätzlichen Verstoß gegen das Waffengesetz handelt es sich grundsätzlich um eine schwere Straftat, wie der Strafrahmen des § 53 Abs. 1 Satz 1 WaffG a.F. - Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren - deutlich macht. Mit zehn Monaten Freiheitsstrafe - zwei Monate unterhalb der den Zeitsoldatenstatus beendenden Einjahresgrenze des § 54 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 48 Satz 1 Nr. 2 SG - bewegt sich die Kriminalstrafe, die noch den Verstoß gegen § 113 StGB erfasst, im unteren Bereich. Von einer zu harten Strafe kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

65 (6) Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastender Umstände ist im Hinblick auf Eigenart und Schwere des in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 festgestellten Dienstvergehens, das Maß der Schuld sowie die Persönlichkeit und bisherige Führung des früheren Soldaten nach Auffassung des Senats der Ausspruch einer Dienstgradherabsetzung unerlässlich.

66 Das Gewicht des vorsätzlich begangenen außerdienstlichen Dienstvergehens wird geprägt durch erheblich belastende Umstände. Der frühere Soldat, der zur Tatzeit aufgrund seines Dienstgrades als Stabsunteroffizier eine Vorgesetztenstellung innehatte, hat in diesem Status zu Beginn der zweiten Hälfte seines auf acht Jahre angelegten Dienstverhältnisses in erheblichem Umfang kriminelles Unrecht begangen, für das er empfindlich bestraft worden ist; diese Bestrafung steht wegen der bereits erwähnten unterschiedlichen Zwecke von Strafrecht und Disziplinarrecht einer disziplinarrechtlichen Ahndung des Fehlverhaltens nicht entgegen. Bei einem militärischen Vorgesetzten muss gerade auch im außerdienstlichen Bereich uneingeschränkt gewährleistet sein, dass er von schweren Straftaten Abstand nimmt und sich rechtstreu verhält. Insbesondere durch seinen kriminellen Umgang mit Schusswaffen hat sich der frühere Soldat auch für die Erziehung und Ausbildung junger Menschen - vor allem an Waffen - als ungeeignet erwiesen und damit als Vorgesetzter disqualifiziert. Seine fortbestehende bedenkliche Einstellung zum Umgang mit Schusswaffen bietet keine Gewähr dafür, dass es künftig nicht wieder zu ähnlichen Verfehlungen kommen wird. Die Zukunftsprognose für den früheren Soldaten als Vorgesetzter ist daher nicht sehr günstig.

67 Aufgrund des erheblichen Gewichts des Dienstvergehens war bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise (vgl. z.B. Urteil vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr. 4 m.w.N.) die Dienstgradherabsetzung in einen Mannschaftsdienstgrad daher Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Der frühere Soldat konnte nicht mehr in einem Vorgesetztendienstgrad verbleiben. Dafür spricht auch der Zweck des Wehrdisziplinarrechts, aus spezial- und generalpräventiven Gründen durch die im Gesetz vorgesehene Disziplinarmaßnahme einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wieder herzustellen und aufrechtzuerhalten. Neben spezialpräventiven Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf seine zuletzt noch in der Berufungshauptverhandlung gezeigte bedenkliche Einstellung zum Umgang mit Schusswaffen, war eine Degradierung in einen Mannschaftsdienstgrad der Reserve auch deshalb auszusprechen, weil diese Maßnahme über ihren (engeren) Zweck hinaus bekanntermaßen auch pflichtenmahnende Wirkung auf die Angehörigen der Bundeswehr im Allgemeinen hat (Generalprävention). Jedem Soldaten, der sich durch vorsätzliche Verstöße gegen das Waffengesetz schwerwiegende außerdienstliche Pflichtverletzungen zu schulden kommen lässt, muss klar sein, dass er dafür zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs regelmäßig nachhaltig zur Verantwortung gezogen wird. Jede Bagatellisierung des Fehlverhaltens wie z.B. im Hinblick darauf, dass er als Soldat und Inhaber eines Truppenausweises generell befugt gewesen sei, Waffen zu tragen - so die zustimmende Einlassung des früheren Soldaten zum Vorbringen seines Verteidigers -, muss vermieden werden.

68 Mangels durchgreifender Milderungsgründe war nach alledem, auch unter Berücksichtigung der im Übrigen guten dienstlichen Leistungen des früheren Soldaten und seiner fehlenden disziplinarischen Vorbelastung, eine Herabsetzung in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve auszusprechen. Wie der frühere Soldat in der Berufungshauptverhandlung von sich aus zu erkennen gegeben hat, würde er selbst den Ausspruch einer solchen Maßnahme für gerecht und angemessen halten. Eine Beschränkung der Degradierung auf den Dienstgrad eines Oberstabsgefreiten oder Stabsgefreiten der Reserve kam nicht in Betracht, da diese Dienstgrade nach der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate nur solchen Soldaten zuerkannt werden können, die sich nach ihren dienstlichen Leistungen sowie einer tadelfreien Führung in und außer Dienst deutlich unter den Angehörigen des Mannschaftsdienstes herausheben, hingegen nicht denjenigen, die - wie hier - ein schweres Dienstvergehen begangen haben (vgl. z.B. Urteil vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 2.03 - m.w.N.).

69 5. Da die Berufung des früheren Soldaten, gemessen am Rechtsmittelantrag und -begehren, zum Teil Erfolg hat, waren die Kosten des Berufungsverfahrens zwischen dem Bund und dem früheren Soldaten aufzuteilen (§ 139 Abs. 3 WDO). Entsprechendes gilt für die notwendigen Auslagen des früheren Soldaten (§ 140 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 WDO).