Beschluss vom 16.01.2004 -
BVerwG 7 B 1.04ECLI:DE:BVerwG:2004:160104B7B1.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.01.2004 - 7 B 1.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:160104B7B1.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 1.04

  • VG Berlin - 24.09.2003 - AZ: VG 25 A 70.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. September 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 333 600 € festgesetzt.

Der Senat hat das Rubrum von Amts wegen geändert. Nach § 29 Abs. 3 VermG, der durch Art. 3 Nr. 6 des Entschädigungsrechtsänderungsgesetzes vom 10. Dezember 2003 (BGBl I S. 2471, 2473) angefügt wurde, ist seit dem 1. Januar 2004 das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen für vermögensrechtliche Ansprüche zuständig, auf die das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 6 VermG entsprechend anzuwenden ist. Aufgrund des behördlichen Zuständigkeitswechsels ist im vorliegenden Verfahren ein gesetzlicher Parteienwechsel eingetreten.
Die Klägerin begehrt die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Rückgabe des Grundstücks durch dessen Verwendung im komplexen Wohnungsbau gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG ausgeschlossen sei. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin die Frage,
ob der Restitutionsausschlussgrund nach § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG wegfällt und eine Erlösauskehr stattzufinden hat, wenn durch eine investive Veräußerung eines Grundstücks aus dem komplexen Wohnungsbau die Einheit desselben aufgelöst worden ist und sich aufgrund der Bebauung des veräußerten Grundstücks bezogen auf die ursprünglichen Grundstücksgrenzen ein Stammgrundstück und ein Überbau feststellen lässt, so dass die rein flurstücksübergreifende Bebauung eine Restitution nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG nicht ausschließen würde.
Zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die aufgeworfene Frage kann anhand der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet werden, soweit sie sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in einem Revisionsverfahren stellen würde. Danach lässt allein die Veräußerung eines Grundstücks, das im komplexen Wohnungsbau verwendet worden ist, den Restitutionsausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG nicht stets entfallen; der Zweck dieses Ausschlussgrundes bleibt namentlich dann regelmäßig gewahrt, wenn das Grundstück im Rahmen des Altschuldenhilfe-Gesetzes zur Privatisierung des Wohnungsbestandes veräußert worden ist, wie dies nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts hier der Fall war. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu zuletzt in seinem Urteil vom 13. November 2003 - BVerwG 7 C 12.03 - entschieden:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck der Restitutionsausschlussgründe, dass die für sie maßgeblichen Umstände bis zur Entscheidung über die Rückübertragung fortbestanden haben müssen (Beschluss vom 28. August 1995 - BVerwG 7 B 214.95 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 13; Urteil vom 2. Mai 1996 - BVerwG 7 C 16.95 - Buchholz 428.1 § 12 InVorG Nr. 7; zum Entfallen des Restitutionsausschlusses nach § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG zuletzt Urteil vom 6. Juni 2002 - BVerwG 7 C 25.01 - Buchholz 428.1 § 11 InVorG Nr. 4). Insbesondere eine zwischenzeitliche Veräußerung des beanspruchten Grundstücks kann darauf hindeuten, dass die Zweckbestimmung, deren Schutz der Restitutionsausschluss dient, aufgegeben worden ist oder jedenfalls aufgegeben werden soll (vgl. im Einzelnen Urteil vom 11. April 2002 - BVerwG 7 C 20.01 - Buchholz 428.1 § 16 InVorG Nr. 7). Das scheint - auf den ersten Blick - verstärkt für den Verkauf im komplexen Wohnungsbau verwendeter Grundstücke zu gelten, weil gerade bei ihnen der Verbleib in der Hand der bisherigen Eigentümer, der Gemeinden oder ihrer Wohnungsunternehmen sowie der Wohnungsgenossenschaften, den Fortbestand dieser Nutzung sichern sollte. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Kommunen nach Art. 22 Abs. 4 Satz 4 des Einigungsvertrages - EV - die Aufgabe zu bewältigen haben, ihren Wohnungsbestand unter Berücksichtigung sozialer Belange schrittweise in eine marktwirtschaftliche Ordnung zu überführen. Dabei sollen sie die Privatisierung auch zur Förderung der Bildung individuellen Wohneigentums beschleunigt durchführen (Art. 22 Abs. 4 Satz 5 EV). Demgemäß sieht das Altschuldenhilfe-Gesetz vom 23. Juni 1993 (BGBl I S. 944, 986), das zur Entlastung und Erneuerung der Wohnungswirtschaft in den neuen Ländern beitragen soll, in seinem § 5 entsprechende Privatisierungspflichten vor (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 7. November 1996 - BVerwG 7 C 24.96 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 11). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der im Rahmen dieser Vorschriften durchgeführte Verkauf von Mietwohnhäusern durch den bisherigen Eigentümer nicht als Aufgabe der durch § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG geschützten Zweckbestimmung der Grundstücke verstanden werden darf. Er dient im Gegenteil dazu, die ökonomische Grundlage dieser Nutzung unter den Bedingungen einer marktwirtschaftlichen Ordnung sicherzustellen, mit anderen Worten: Gerade die durch den Einigungsvertrag vorgegebene schonende und schrittweise Überführung des Wohnbestandes der Kommunen und ihrer Wohnungsunternehmen in Privateigentum unter Berücksichtigung der Mieterinteressen soll die Belange des komplexen Wohnungsbaus wahren; sie würde unmöglich gemacht, bewirkten solche Veräußerungen das Erlöschen eines bestehenden Restitutionsausschlusses.
Das angestrebte Revisionsverfahren böte keinen Anlass zu einer weiterführenden Klärung grundsätzlich bedeutsamer Rechtsfragen.
2. Das angefochtene Urteil weicht nicht im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab, welche die Klägerin in ihrer Beschwerde benannt hat.
a) Die Klägerin entnimmt dem Urteil vom 6. Juni 2002 - BVerwG 7 C 25.01 - (Buchholz 428.1 § 11 InVorG Nr. 4) den abstrakten Rechtssatz, dass, werde aus einem Gebäudezusammenhang des komplexen Wohnungsbaus ein Grundstück durch Veräußerung endgültig herausgelöst, diese Veräußerung den bisher den Ausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG begründenden funktionalen Zusammenhang, die nicht trennbare Einheit des komplexen Wohnungsbaus, beseitige. Das Bundesverwaltungsgericht hat in jenem Urteil jedoch nicht entschieden, dass die Veräußerung eines Grundstücks stets die planerische und städtebauliche, durch komplexe Vielfalt der Bebauung und Nutzung gebildete Einheit gefährdet oder zerstört, welche den komplexen Wohnungsbau ausmacht; es hat lediglich entschieden, dass die Veräußerung eines Grundstücks den komplexen Bebauungs- und Nutzungszusammenhang auflösen kann und unter dieser Voraussetzung den Restitutionsausschluss entfallen lässt. Das Verwaltungsgericht hat hier festgestellt, dass die Veräußerung des Grundstücks im Rahmen des Altschuldenhilfe-Gesetzes den Bestand der städtebaulichen Einheit nicht berührt. Dass unter dieser Voraussetzung der Restitutionsausschluss trotz Veräußerung des Grundstücks fortbesteht, entspricht der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
b) Die Klägerin entnimmt zum anderen dem Urteil vom 29. Juli 1999 - BVerwG 7 C 31.98 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 2) den abstrakten Rechtssatz, der Rückgabe eines Grundstücks stehe eine sich auf ein anderes Flurstück erstreckende Bebauung nicht entgegen, wenn ein Stammgrundstück feststellbar sei, weil sich unlösbare Nutzungskonflikte wegen der zivilrechtlichen Regelung des Überbaus nicht stellten. Von diesem Rechtssatz ist das Verwaltungsgericht schon deshalb nicht entscheidungserheblich abgewichen, weil es einen Restitutionsausschluss nach § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG angenommen hat und es deshalb nicht darauf ankam, ob die flurstücksübergreifende Bebauung schon für sich allein einen Restitutionsausschluss nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VermG begründete.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 GKG.