Beschluss vom 16.03.2016 -
BVerwG 2 B 8.16ECLI:DE:BVerwG:2016:160316B2B8.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.03.2016 - 2 B 8.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:160316B2B8.16.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 8.16

  • VG Düsseldorf - 09.12.2011 - AZ: VG 13 K 2812/10
  • OVG Münster - 04.11.2015 - AZ: OVG 6 A 208/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. März 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. November 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 32 504,16 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 1. Der 1964 geborene Kläger stand als Steuerobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) im Dienst des Beklagten. Im Februar 2005 kam ein amtsärztliches Gutachten zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine erhebliche Beeinträchtigung der psychosozialen Anpassungs-und Integrationsfähigkeit und der psychischen Belastbarkeit sowie eine Minderung bestimmter kognitiver Fähigkeiten vorlägen. Daraufhin wurde der Kläger im August 2005 wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Widerspruch und Anfechtungsklage hiergegen blieben ohne Erfolg. Im August 2007 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Reaktivierung ab. Der Widerspruch des Klägers wurde Ende März 2010 zurückgewiesen. Die Klage auf Verpflichtung des Beklagten, den Kläger erneut in das aktive Beamtenverhältnis als Steuerobersekretär zu berufen sowie festzustellen, dass der Widerspruchsbescheid vom 31. März 2010 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, weil der Beklagte zu diesem Zeitpunkt verpflichtet war, den Kläger erneut in das Beamtenverhältnis als Steuerobersekretär zu berufen, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Beweis erhoben und hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3 Die Reaktivierung des Klägers scheide aus, weil die Dienstfähigkeit des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht wieder hergestellt sei. Der Kläger genüge nicht wieder den gesundheitlichen Anforderungen des ihm zuletzt übertragenen Statusamts. Das überzeugende und nachvollziehbare fachpsychiatrische Sachverständigengutachten komme zum Ergebnis, dass beim Kläger eine nicht organische psychotische Störung vorliege. Der Kläger sei nur sehr eingeschränkt in der Lage, Zusammenhänge zu abstrahieren; ferner sei sein Arbeitsgedächtnis erheblich gestört und die Daueraufmerksamkeit beeinträchtigt. Auf Grund der Ausführungen des Gutachters sei davon auszugehen, dass der Kläger auch zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids nicht dienstfähig gewesen sei. Deshalb sei auch die Weigerung des Beklagten, den Kläger zum damaligen Zeitpunkt erneut in das Beamtenverhältnis als Steuerobersekretär zu berufen, nicht rechtswidrig gewesen.

4 2. Zur Begründung des - behaupteten - Verfahrensmangels trägt der Kläger vor, das fachpsychiatrische Gutachten hätte vom Gericht nicht zur Grundlage der Berufungsentscheidung gemacht werden dürfen. Er habe sich der Untersuchung nur unterzogen angesichts der Ankündigung des Gerichts, bei Nichtwahrnehmung auch des Untersuchungstermins von Ende Juni 2015 von einer Verletzung der prozessualen Mitwirkungspflicht auszugehen und hierauf gestützt die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen sei er wegen einer vorangegangenen Operation in der Folge der ausgeheilten Krebserkrankung und aufgrund von Lärmbelästigungen im privaten Wohnumfeld gerade in seiner Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigt gewesen.

5 Der damit der Sache nach geltend gemachte Verstoß gegen die Pflicht des Gerichts zur umfassenden Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO liegt nicht vor.

6 Über Art und Zahl der einzuholenden Sachverständigengutachten hat das Gericht nach pflichtgemäßen Ermessen zu bestimmen (§ 98 VwGO, § 412 Abs. 1 ZPO). Ein vorliegendes Gutachten ist im Sinne von § 412 Abs. 1 ZPO ungenügend, wenn es nicht geeignet ist, dem Gericht die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist anzunehmen, wenn das vorliegende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, insbesondere von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare Widersprüche aufweist, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Sachverständigen besteht oder wenn ein anderer Sachverständiger über bessere Forschungsmittel verfügt (BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45> m.w.N.). Die Verpflichtung zur Einholung eines weiteren Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter das vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 2 B 122.07 - NVwZ-RR 2008, 477 Rn. 29 m.w.N.).

7 Solche Mängel werden in der Beschwerdebegründung weder in Bezug auf das schriftliche Gutachten vom 10. September 2015 noch im Hinblick auf die mündlichen Ausführungen des Gutachters in der Berufungsverhandlung dargelegt.

8 Auch ist die Vorgehensweise des Oberverwaltungsgerichts in der Verfügung vom 27. Mai 2015 nicht zu beanstanden. Das Gericht hat unter Berufung auf den Umstand, dass der Kläger bereits sechsmal nicht zu den vom Gutachter anberaumten Untersuchungsterminen erschienen war, lediglich auf den aus §§ 427, 444 und 446 ZPO folgenden allgemeinen Rechtsgedanken hingewiesen, dass es im Rahmen der Beweiswürdigung zum Nachteil eines Verfahrensbeteiligten gewertet werden kann, wenn dieser die Beweiserhebung vorwerfbar vereitelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 - 2 C 7. 11 - Buchholz 237.95 § 208 SHLBG Nr. 1 Rn. 14). Ergänzend hat das Oberverwaltungsgericht dem Kläger für den Fall der Absage eines weiteren Untersuchungstermins in sachgerechter Weise aufgegeben, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen und ein entsprechendes aussagekräftiges amtsärztliches Zeugnis vorzulegen. Wenn sich der Kläger, wie nunmehr in der Beschwerdebegründung behauptet, am Tag der Untersuchung aus gesundheitlichen Gründen und wegen Lärmbelästigungen in seinem Wohnumfeld nervlich erheblich angegriffen gefühlt hat, so hätte er den Gutachter auf diese Einschränkungen, die nach der eigenen Einschätzung des Klägers für die Bescheinigung der Untersuchungsunfähigkeit durch den Amtsarzt nicht ausgereicht haben, hinweisen müssen. Diese Beeinträchtigung hat der Kläger aber weder gegenüber dem Gutachter vor der Untersuchung am 25. Juni 2015 noch anlässlich der Vernehmung des Gutachters in der Berufungsverhandlung geltend gemacht.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG.