Verfahrensinformation

Die Klägerinnen und Kläger, allesamt Lehrer im Ruhestand im Land Schleswig-Holstein, begehren finanziellen Ausgleich für vor Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand geleistete „Mehrarbeit“.


Die Lehrerinnen und Lehrer hatten während ihrer Dienstzeit aufgrund einer Verwaltungsvorschrift zusätzlich zu den wöchentlichen Pflichtstunden eine weitere halbe Unterrichtsstunde pro Woche (sog. Vorgriffstunde) zu leisten. Vor ihrem Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit kam es zu keinem vollständigen Zeitausgleich für die geleisteten Vorgriffstunden. Hierfür begehren sie nunmehr einen finanziellen Ausgleich. Ihre Klagen sind vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben.


In den Revisionsverfahren wird das Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit haben, der grundsätzlichen Frage nachzugehen, ob eine finanzielle Ausgleichsregelung geboten ist, wenn von Lehrerinnen und Lehrern geleistete Vorgriffstunden während ihrer Dienstzeit aus tatsächlichen Gründen zeitlich nicht mehr ausgeglichen werden können.


Pressemitteilung Nr. 59/2015 vom 16.07.2015

Ausgleich für „Vorgriffsstunden“ bei vorzeitig pensionierten Lehrern in Schleswig-Holstein

Die Regelung für den Ausgleich der Vorgriffsstunden der Lehrer in Schleswig-Holstein muss auch einen angemessenen Ausgleich für die wegen vorzeitiger Zurruhesetzung noch nicht oder noch nicht vollständig ausgeglichenen Vorgriffsstunden enthalten. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Lehrer in Schleswig-Holstein hatten über mehrere Jahre zusätzlich zu den Pflichtstunden eine weitere halbe Unterrichtsstunde pro Woche (sog. Vorgriffsstunde) zu leisten. Die geleisteten Vorgriffsstunden sollten nach der einschlägigen Regelung in einer Verwaltungsvorschrift während eines entsprechenden Zeitraums vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze durch Verringerung einer vollen Unterrichtsstunde pro Woche ausgeglichen werden. Ein Ausgleich in Geld war ausdrücklich ausgeschlossen.


Die Kläger haben wegen ihrer vorzeitigen Zurruhesetzung infolge Dienstunfähigkeit nicht den nach der Ausgleichsregelung vorgesehenen (vollständigen) Zeitausgleich für die von ihnen vorgeleisteten Vorgriffsstunden erhalten können. Ihre Klagen auf Feststellung, dass sie durch die Weigerung, ihnen einen finanziellen Ausgleich für geleistete und noch nicht ausgeglichene Vorgriffsstunden zu gewähren, in ihren Rechten verletzt sind, sind vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben.


Das Bundesverwaltungsgericht hat demgegenüber festgestellt, dass die schleswig-holsteinische Regelung über den Ausgleich für geleistete Vorgriffsstunden die Kläger in ihrem Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:


Die wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzten Lehrer sind im Verhältnis zur Vergleichsgruppe der Lehrer, die keine Vorgriffsstunden geleistet haben und denjenigen, die einen vollständigen Zeitausgleich für erbrachte Vorgriffsstunden erhalten haben, ungleich behandelt worden. Die darin liegende Ungleichbehandlung ist sachlich nicht gerechtfertigt. Der Dienstherr muss sich an der von ihm gewählten Konstruktion - keine Erhöhung der Arbeitszeit infolge des späteren Ausgleichs von vorgeleisteten Vorgriffsstunden - auch dann festhalten lassen, wenn dieser Ausgleichsmechanismus aus Gründen scheitert, die der betroffene Beamte nicht zu vertreten hat (hier: vorzeitige Zurruhesetzung infolge Dienstunfähigkeit). Andernfalls käme es bei dieser Gruppe von Lehrern faktisch zu einer Erhöhung der Pflichtstundenzahl und damit der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit.


Der Normgeber ist deshalb gehalten, die Störung des von ihm selbst geschaffenen Ausgleichsmechanismusses für geleistete Vorgriffsstunden zu beheben. Geeignet erscheint etwa eine Regelung, die einen pauschalen finanziellen Ausgleich vorsieht.


BVerwG 2 C 41.13 - Urteil vom 16. Juli 2015

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 43/12 - Urteil vom 25. März 2015 -

VG Schleswig, 11 A 25/10 - Urteil vom 08. August 2012 -

BVerwG 2 C 42.13 - Urteil vom 16. Juli 2015

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 44/12 - Urteil vom 25. März 2013 -

VG Schleswig, 11 A 48/12 - Urteil vom 08. August 2012 -

BVerwG 2 C 43.13 - Urteil vom 16. Juli 2015

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 45/12 - Urteil vom 25. März 2013 -

VG Schleswig, 11 A 75/11 - Urteil vom 08. August 2012 -

BVerwG 2 C 44.13 - Urteil vom 16. Juli 2015

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 46/12 - Urteil vom 25. März 2013 -

VG Schleswig, 11 A 31/12 - Urteil vom 08. August 2012 -

BVerwG 2 C 45.13 - Urteil vom 16. Juli 2015

Vorinstanzen:

OVG Schleswig, 2 LB 47/12 - Urteil vom 25. März 2013 -

VG Schleswig, 11 A 55/12 - Urteil vom 08. August 2012 -


Beschluss vom 10.10.2013 -
BVerwG 2 B 67.13ECLI:DE:BVerwG:2013:101013B2B67.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.10.2013 - 2 B 67.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:101013B2B67.13.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 67.13

  • Schleswig-Holsteinisches VG - 08.08.2012 - AZ: VG 11 A 55/12
  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 25.03.2013 - AZ: OVG 2 LB 47/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 25. März 2013 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung ist das Landesbeamtenrecht unverändert nach § 127 Nr. 2 BRRG, der nach § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG fortgilt, revisibles Recht (vgl. Urteil vom 29. April 2010 - BVerwG 2 C 77.08 - BVerwGE 137, 30 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 37, jeweils Rn. 6). Unerheblich ist, dass hier eine Norm des Schulgesetzes und darauf erlassene Verwaltungsvorschriften im Streit stehen. Es kommt allein darauf an, ob die Norm einen beamtenrechtlichen Inhalt hat und deshalb materiell dem Beamtenrecht zuzuordnen ist (dies voraussetzend Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 22.07 - BVerwGE 131, 242 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 265; zu den Landespersonalvertretungsgesetzen vgl. Urteile vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6 Rn. 13 und vom 26. Januar 2012 - BVerwG 2 C 7.11 - Buchholz 237.95 § 208 SHLBG Nr. 1 Rn. 19 jeweils m.w.N.; zu den Landesgleichstellungsgesetzen vgl. Beschluss vom 20. Dezember 2010 - BVerwG 2 B 39.10 - juris Rn. 5).

2 Hiervon ausgehend ist die Revision der Klägerin wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Das Verfahren bietet Gelegenheit der Frage nachzugehen, ob eine finanzielle Ausgleichsregelung geboten ist, wenn von Lehrern geleistete Vorgriffsstunden aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ausgeglichen werden können.

3 Diese Frage wäre selbst dann entscheidungserheblich, wenn die unzutreffende Auffassung des Berufungsgerichts zugrunde gelegt wird, dass es sich bei den Vorgriffsstunden nicht um eine Arbeitszeitregelung handele, sondern um eine nach schleswig-holsteinischem Schulrecht im Organisationsermessen des Schulministeriums stehende nähere Festlegung, in welchem Teil der für alle Beamten geltenden regelmäßigen Wochenarbeitszeit die Lehrer Unterricht zu leisten hätten (vgl. bereits Beschluss vom 15. September 2011 - BVerwG 2 B 33.11 - juris Rn. 6 ff., dort allerdings nicht entscheidungserheblich). Es wird allerdings vorsorglich schon jetzt für das Revisionsverfahren darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die maßgebliche Regelung der Arbeitszeit von Lehrern - dies gilt auch für Lehrer in Schleswig-Holstein - die Pflichtstundenzahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden ist. Ihrer Festsetzung liegt die Vorstellung zugrunde, dass sie eine wöchentliche Arbeitszeit im Umfang der allgemein für Beamte angeordneten Arbeitszeit nach sich zieht. Die Pflichtstundenzahlen sind normativ festzulegen; Verwaltungsvorschriften genügen nicht (Urteil vom 30. August 2012 - BVerwG 2 C 23.10 - BVerwGE 144, 93 - LSe 2 und 3 und Rn. 14 f.; zur Notwendigkeit einer normativen Festlegung insoweit in Abkehr zur früheren Rechtsprechung).

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 45.13 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO vertreten lassen.

Urteil vom 16.07.2015 -
BVerwG 2 C 45.13ECLI:DE:BVerwG:2015:160715U2C45.13.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.07.2015 - 2 C 45.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:160715U2C45.13.0]

Urteil

BVerwG 2 C 45.13

  • VG Schleswig - 08.08.2012 - AZ: VG 11 A 55/12
  • OVG Schleswig - 25.03.2013 - AZ: OVG 2 LB 47/12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2015
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden als Vorsitzenden und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Rothfuß, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 2013 wird aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. August 2012 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin durch die Weigerung des Beklagten in ihren Rechten verletzt wird, für die infolge ihrer Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht mehr im Wege des zeitlichen Ausgleichs kompensierbaren Vorgriffsstunden eine Regelung über einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt einen Ausgleich für nach vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand nicht mehr zeitlich ausgleichbare vorgeleistete Unterrichtsstunden (Vorgriffsstunden).

2 Die 1951 geborene Klägerin stand als Realschullehrerin im Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein. Von August 1999 bis Juli 2007 leistete sie aufgrund einer Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 1999 (Pflichtstundenerlass) über das wöchentliche Pflichtstundensoll hinaus Unterricht im Umfang von jeweils einer halben Unterrichtsstunde. Mit Ablauf des 31. März 2011 wurde sie wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Deshalb konnten die von ihr geleisteten Vorgriffsstunden nicht mehr - wie im Erlass vorgesehen - in den Jahren vor Erreichen der Regelaltersgrenze zeitlich voll ausgeglichen werden. Einen Ausgleich in Geld schloss der Erlass aus.

3 Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin ab, ihr für die nicht zeitlich ausgeglichenen Vorgriffsstunden einen finanziellen Ausgleich zu gewähren. Der dagegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

4 Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. August 2012 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin durch die Weigerung des Beklagten, ihr einen finanziellen Ausgleich für nicht zeitlich ausgeglichene Vorgriffsstunden zu gewähren, in ihren Rechten verletzt wird. Im Übrigen - soweit die Klägerin für die Zeit der geleisteten Vorgriffsstunden einen finanziellen Ausgleich begehrt hat - hat es die Klage als unbegründet abgewiesen.

5 Auf die Berufung ausschließlich des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Eine Rechtsverletzung der Klägerin liege nicht vor. Die Vorgriffsstundenregelung betreffe lediglich den Teil der Arbeitszeit, den die Lehrkräfte durch Unterricht zu erfüllen haben und lasse die in der Arbeitszeitverordnung geregelte durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Beamten unberührt.

6 Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt die Klägerin,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. März 2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. August 2012 zurückzuweisen, mit der Maßgabe festzustellen, dass die Klägerin durch die Weigerung des Beklagten in ihren Rechten verletzt wird, für die infolge ihrer Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nicht mehr im Wege des zeitlichen Ausgleichs kompensierbaren Vorgriffsstunden eine Regelung über einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.

7 Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II

8 Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

9 Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Schaffung einer angemessenen Ausgleichsregelung für geleistete, aber zeitlich nicht mehr ausgleichbare Vorgriffsstunden verneint.

10 1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Mit ihr kann die wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzte Klägerin die Feststellung begehren, die Weigerung des Beklagten, eine Regelung über den angemessenen Ausgleich für die nicht mehr zeitlich gesondert kompensierbaren Vorgriffsstunden zu erlassen, verletze sie in ihren Rechten. Das einer Klärung zugängliche Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO ist die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Ausgleich für geleistete, aber zeitlich nicht mehr erlassgerecht ausgleichbare Vorgriffsstunden hat und ob der Beklagte dadurch, dass er einen solchen Ausgleich ablehnt, Rechte der Klägerin aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 541, 542/02 - BVerfGE 115, 81 <95 f.>).

11 Dem auf Feststellung eines Anspruchs auf Normerlass gerichteten Klageantrag steht auch der Gedanke der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nicht entgegen. Feststellungsklagen gegenüber Leistungsklagen gegen den Staat sind nur dann subsidiär, wenn andernfalls die Sonderregelungen über Fristen und Vorverfahren für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen unterlaufen würden (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1976 - 7 C 71.75 - BVerwGE 51, 69 <75>, vom 25. Januar 2001 - 2 A 4.00 - Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 39 S. 2 und vom 4. Juli 2002 - 2 C 13.01 - Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2 S. 3). Dies ist hier nicht der Fall.

12 Wegen der fehlenden normierten Rechtsgrundlage muss sich die Klägerin deshalb nicht auf den unsicheren Weg des Verpflichtungsbegehrens verweisen lassen. Denn Normerlass und Zahlung sind jeweils unterschiedliche Rechtsschutzbegehren.

13 Schließlich ist - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch ein der Klärung zugängliches konkretes Rechtsverhältnis der Klägerin zu dem materiell-rechtlich verpflichteten Land gegeben. Die Klage richtet sich zwar gegen das Ministerium. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass das Land Schleswig-Holstein gemäß der ihm in § 61 Nr. 3, § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO eingeräumten Befugnis in § 6 des Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung vom 6. März 1990 (GVOBI. Sch.-H. S. 226, ber. S. 347) bestimmt hat, dass die Klage gegen die Landesbehörde zu richten ist, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Diese Regelung bewirkt, dass die Landesbehörde in passiver Prozessstandschaft für die Körperschaft handelt. Hat ein Land von der Ermächtigung in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht, kann die Klage nicht gegen den Rechtsträger erhoben werden, obgleich dieser allein Verpflichteter des materiell-rechtlichen Anspruchs ist und daher durch das Urteil ausschließlich der Rechtsträger, nicht aber die beklagte Behörde selbst verpflichtet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1988 - 2 C 62.85 - BVerwGE 80, 127 <128>; Brenner in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 78 Rn. 28).

14 2. Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schaffung einer angemessenen Ausgleichsregelung für die von ihr geleisteten, aber zeitlich nicht mehr ausgeglichenen Vorgriffsstunden. Das Land ist verpflichtet, infolge von dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzten Lehrern einen angemessenen Ausgleich für erbrachte, aber nicht mehr ausgeglichene Vorgriffsstunden zu gewähren, um eine gleichheitswidrige Benachteiligung gegenüber den Vergleichsgruppen der Lehrer, die keine Vorgriffsstunden geleistet haben und der Lehrer, die einen vollständigen Zeitausgleich für erbrachte Vorgriffsstunden erhalten haben, zu vermeiden. Daher verletzt das Berufungsurteil Bundesverfassungsrecht, nämlich Art. 3 Abs. 1 GG.

15 Der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt dem Normgeber überlassen, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Die Ungleichbehandlung von Sachverhalten ist erst dann geboten, wenn eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise ergibt, dass die Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihnen Rechnung getragen werden muss. Dies setzt voraus, dass sich im Hinblick auf die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung nicht finden lässt (BVerwG, Urteil vom 27. März 2014 - 2 C 50.11 - BVerwGE 149, 244 Rn. 13).

16 Die vorliegend aufgrund des Pflichtstundenerlasses aus dem Jahr 1999 zu beurteilenden Sachverhalte betreffen den bis zum Ende des Schuljahres 2013/2014 reichenden Übergangszeitraum, bis zu dem die Rechtsprechung die Regelung von Pflichtstunden für Lehrer durch Verwaltungsvorschrift unbeanstandet gelassen hat. Seither sind Pflichtstundenzahlen durch Rechtsverordnung auf gesetzlicher Grundlage festzulegen (BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 2 C 23.10 - BVerwGE 144, 93 Rn. 15 f.).

17 Nach dem Pflichtstundenerlass dient die Regelung der Vorgriffsstunden der Deckung eines vorübergehenden Personalmehrbedarfs. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Vorgriffsstunden wegen des späteren zeitlichen Ausgleichs die Regelarbeitszeit für Lehrer nicht erhöhen. Die vorübergehende Erhöhung der wöchentlichen Pflichtstundenzahl und deren späterer zeitlicher Ausgleich durch die Ermäßigung der Arbeitszeit nach Wegfall des Mehrbedarfs stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Durch die Einführung von Vorgriffsstunden wird die insgesamt gleich bleibende Arbeitszeit langfristig ungleichmäßig verteilt (BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 - 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 <222 f.>).

18 Der Beklagte hat bewusst einen Ausgleichsmechanismus durch die konkrete Verknüpfung zwischen Vorgriffsstunden und Ausgleichsstunden geschaffen. Zwischen der Vorleistung und dem späteren Ausgleich besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Nach der Verwaltungsvorschrift soll nur derjenige Beamte in den Genuss des Ausgleichs kommen, der zuvor entsprechende Vorleistungen erbracht hat. Die Verpflichtung, Vorgriffsstunden zu leisten, unterliegt einer Altersbegrenzung, die den Zweck hat, die Möglichkeit eines späteren zeitlichen Ausgleichs der geleisteten Vorarbeit sicherzustellen. Im Übrigen sieht die Verwaltungsvorschrift vor, dass der zeitliche Ausgleich nur in dem Umfang erfolgen soll, in dem zuvor Vorgriffsstunden erteilt wurden. Dieser Gedanke kommt in § 8 Abs. 3 zum Ausdruck, der nur einen zeitanteiligen Ausgleich vorgeleisteter Stunden vorsieht. Der Ausgleichsmechanismus funktioniert, wenn der Lehrer die Regelaltersgrenze erreicht. Auch den Fall des Antragsruhestandes etwa bei Altersteilzeit im Blockmodell löst der Mechanismus mit der Verblockung des zeitlichen Ausgleichs der Vorgriffsstunden sachgerecht.

19 Gestört wird der besondere, auf Kompensation ausgerichtete Mechanismus indes, wenn der Ersatz erbrachter Vorgriffsstunden durch Ausgleichsstunden ganz oder teilweise nicht mehr möglich ist, weil die Dienstleistungspflicht des Lehrers ohne vorherigen Ausgleich endet. Dazu kommt es bei der dauernden Dienstunfähigkeit des Lehrers. In diesen Fällen werden die betroffenen Lehrer sowohl gegenüber der Vergleichsgruppe der Lehrer, die keine Vorgriffsstunden geleistet haben, als auch gegenüber denjenigen, die einen vollständigen Zeitausgleich für erbrachte Vorgriffsstunden erhalten haben, ungleich behandelt. Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen sachlichen Grund. Der Dienstherr muss sich an der von ihm gewählten Konstruktion festhalten lassen. Das gilt insbesondere dann, wenn dieser Ausgleichsmechanismus aus Gründen scheitert, die der betroffene Beamte nicht zu vertreten hat, hier die vorzeitige Zurruhesetzung infolge dauernder Dienstunfähigkeit. Andernfalls käme es bei dieser Gruppe von Lehrern faktisch zu einer Erhöhung der Pflichtstundenzahl und damit der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit. Nach der Rechtsprechung des Senats besteht ein Ausgleichsanspruch, den der Beamte durch "Vorarbeit" erdient hat, wenn die Inanspruchnahme der Gegenleistung - hier: der spätere zeitliche Ausgleich - nachträglich unmöglich geworden ist (vgl. zur Altersteilzeit im Blockmodell BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2008 - 2 C 15.07 - Buchholz 237.7 § 78b NWLBG Nr. 2 Rn. 20 sowie zuletzt Beschluss vom 23. April 2015 - 2 B 69.14 - juris Rn. 9, 13).

20 Daraus folgt die Verpflichtung des Dienstherrn, für Lehrer, die den zeitlichen Ausgleich in dem dafür vorgesehenen Zeitraum aus von ihnen nicht zu vertretendem Grund nicht in Anspruch nehmen können, einen angemessenen anderen Ausgleich vorzusehen (BVerwG, Urteil vom 28. November 2002 - 2 CN 1.01 - BVerwGE 117, 219 <227>). Bei derartigen Störungen eines besonderen, vom Dienstherrn gewählten Ausgleichsmechanismus kann aus Art. 3 Abs. 1 GG indes nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Ausgleich durch finanzielle Entschädigung hergeleitet werden. Vielmehr obliegt dem Dienstherrn zu entscheiden, welche angemessene Ausgleichsmaßnahme an die Stelle des nicht (vollständig) möglichen zeitlichen Ausgleichs in dem dafür vorgesehenen Zeitraum treten soll (BVerwG, Beschluss vom 15. September 2011 - 2 B 33.11 - juris Rn. 7).

21 In welcher Form der Rechtsverletzung abgeholfen wird, steht in der Entscheidungsfreiheit des Beklagten. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Senats kommt etwa der Erlass einer Verordnung und eine (Rechtsfolgen-)Verweisung auf die Landesverordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für schleswig-holsteinische Beamtinnen und Beamte (Mehrarbeitsvergütungsverordnung) vom 8. Juni 2010 (GVOBI. Schl.-H. 2010, 483) in Betracht. Auf die Besoldung als Ausgleichssurrogat kann nicht zurückgegriffen werden, da die Besoldung kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste darstellt, sondern vielmehr die Gegenleistung des Dienstherrn dafür ist, dass sich der Beamte mit voller Hingabe der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet. Sie ist nicht auf den Ausgleich oder die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39 m.w.N.).

22 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.