Beschluss vom 16.10.2007 -
BVerwG 10 B 63.07ECLI:DE:BVerwG:2007:161007B10B63.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.10.2007 - 10 B 63.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:161007B10B63.07.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 63.07

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 20.09.2006 - AZ: OVG 2 LB 4/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und Prof. Dr. Kraft
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Beschwerde rügt zunächst eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO). Mit Schriftsätzen vom 20. März 2006 und 11. April 2006 sei von dem Kläger Beweis dafür angeboten worden, dass A. Bürgermeister von Logar (Afghanistan) sei, der als Provinzchef und Stammesoberhaupt leicht einige 100 Personen mobilisieren könne, wenn er dem Kläger nachstellen wolle, sowie dafür, dass dieser vor seiner Ausreise massiv von A. bedroht worden sei. Im Verfahren habe der Kläger vorgetragen, dass A. ihn vor der Ausreise dazu habe zwingen wollen, am bewaffneten Kampf teilzunehmen. Seine Bedrohungen seien „mit ein Grund“ für die Flucht gewesen. Im Berufungsurteil werde zu Unrecht ausgeführt, eine Beweisaufnahme sei entbehrlich, weil es an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehle, dass der „Provinzchef“ noch heute ein Interesse haben könne, dem Kläger nachzustellen. Es sei nicht einzusehen, warum A. das zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers bestehende „Verfolgungsinteresse“ nach dessen 17-jährigem Aufenthalt in Europa allein wegen des Zeitablaufs hätte aufgeben sollen.

3 Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht in einer den gesetzlichen Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) entsprechenden Weise auf. Mit Schriftsatz vom 20. März 2006 hatte der Bevollmächtigte des Klägers für die Stellung des A. als „Provinzchef“ und Haupt eines einflussreichen Stammes und sein „Verfolgungspotenzial“ Beweis durch Auskunft des Auswärtigen Amtes angeboten. Einen entsprechenden Beweisantrag hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht indessen nicht gestellt. Die Beschwerde macht auch nicht ersichtlich, dass sich dem Berufungsgericht die Einholung einer solchen Auskunft des Auswärtigen Amtes hätte aufdringen müssen, namentlich inwiefern diese entscheidungserheblich gewesen wäre. Nach den nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nämlich nicht von einer Verfolgung durch A. bedroht (UA S. 17). Die angebotene Beweisaufnahme durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes sei, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, nicht vorzunehmen, weil es an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehle, dass der sog. „Provinzchef“ noch heute ein Interesse daran haben könnte, dem Kläger nachzustellen. Auch die vom Kläger dazu in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben hätten nichts Greifbares ergeben, sondern ließen den Schluss zu, dass die geäußerten Befürchtungen auf vagen Angaben beruhten. Der Kläger hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht auf die Frage nach konkreten Anhaltspunkten für eine zu befürchtende Verfolgung durch A. erklärt: Dieser sei Bürgermeister in einer Region, in der die Familie viele Ländereien habe und in der viele Verwandte noch lebten; die Verhältnisse seien nicht mit Deutschland und Europa vergleichbar; solange Personen wie A. an der Macht seien, würde es keine Ruhe geben. Auf der Grundlage dieser Sachverhalts- und Beweiswürdigung war es für das Berufungsgericht nicht erheblich, ob die Angaben des Klägers zur Stellung des A. und seines „Verfolgungspotenzials“ zutrafen, die allein Gegenstand des in Rede stehenden Beweisangebots waren.

4 Soweit die Beschwerde geltend macht, eine Motivation für eine „Verfolgung“ des Klägers durch A., der zu einer islamistischen Gruppierung gehöre, sei „leicht ersichtlich“, wendet sie sich gegen die erwähnte Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann grundsätzlich - und so auch hier - ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden. Auch soweit die Beschwerde ausführt, das Berufungsgericht habe offengelassen, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzuwenden sei, zeigt sie weder einen Verfahrensmangel noch einen sonstigen Zulassungsgrund auf. Indem das Berufungsgericht eine Verfolgung des Klägers in dem in Rede stehenden Zusammenhang mangels jeglicher Anhaltspunkte ausschließt (UA S. 17), bringt es im Übrigen der Sache nach zum Ausdruck, dass nach den von ihm zugrunde gelegten materiellrechtlichen Grundsätzen (UA S. 15 unten) eine hinreichende Sicherheit des Klägers bejaht wird.

5 Dementsprechend zeigt die Beschwerde auch keine Verletzung der Aufklärungspflicht auf, soweit sie rügt, dass das Berufungsgericht den im Schriftsatz vom 11. April 2006 angebotenen Beweis dafür, dass der Kläger „vor seiner Ausreise massiv von A. bedroht wurde“, nicht erhoben und die in England lebenden Familienangehörigen des Klägers nicht als Zeugen vernommen hat. Auch insoweit macht die Beschwerde die Erheblichkeit der angebotenen Beweisaufnahme nicht ersichtlich. Angesicht der erwähnten Feststellungen des Berufungsgerichts, dass es an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, dass A. noch heute ein Interesse an der Verfolgung des Klägers haben könnte, kam es auf die angebotene Zeugenvernehmung nicht entscheidungserheblich an. Das Berufungsgericht hat - auch wenn dies nicht ausdrücklich zum Ausdruck kommt - erkennbar als wahr unterstellt, dass der Kläger vor seiner Ausreise im Jahre 1989 - wie er jetzt behauptet - massiv von dem jetzigen Bürgermeister bedroht wurde.

6 2. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde ferner, das Berufungsurteil sei ohne Begründung ergangen (§ 138 Nr. 6 VwGO), soweit es um Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gehe. Die Beschwerde berücksichtigt nicht, dass das ursprüngliche Berufungsurteil vom 16. Juni 2004 rechtskräftig geworden ist, soweit darin das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (vgl. jetzt § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG) verneint wurde (UA S. 12). Das auf eine entsprechende Verpflichtung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gerichtete (Hilfs-)Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG ist - wie in der damaligen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 1. November 2005 erörtert - nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden (vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279>). Das Berufungsgericht hatte nämlich die Revision insoweit nicht zugelassen.

7 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.