Beschluss vom 17.02.2015 -
BVerwG 3 B 69.14ECLI:DE:BVerwG:2015:170215B3B69.14.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.02.2015 - 3 B 69.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:170215B3B69.14.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 69.14

  • VG Berlin - 30.10.2014 - AZ: VG 29 K 132.14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Februar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

1 Die Klägerin beansprucht die Zuordnung einer hinter der dortigen Wohnbebauung liegenden Teilfläche eines Grundstücks in ..., weil ihr Rechtsvorgänger, der VEB ..., die Fläche betrieblich genutzt habe und sie deshalb nach § 2 der 5. Durchführungsverordnung zum Treuhandgesetz - 5. DVO-TreuhG - Eigentümerin geworden sei.

2 Zugeordnet wurde das gesamte Grundstück mit Bescheid vom 7. Oktober 1993 zunächst nach Art. 22 Abs. 4 des Einigungsvertrages - EV - dem Land Berlin, später, unter dem 12. März 1996, im Wege der Abänderung des Bescheides nach § 7 Abs. 5 des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG - der Beigeladenen. Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben - BvS -, die alleinige Gesellschafterin der Klägerin, sowie die Klägerin selbst waren an dem Verfahren nicht beteiligt.

3 Die Anträge der BvS vom 3. März 2009 und der Klägerin vom 19. August 2011, diese Bescheide aufzuheben und die umstrittene Fläche der Klägerin zuzuordnen, lehnte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen mit Bescheid vom 6. September 2012 ab, weil mögliche Ansprüche verwirkt seien und - wäre die Verwirkung nicht eingetreten - eine Entscheidung zugunsten eines Wiederaufgreifens des Verfahrens nicht in Betracht komme.

4 Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen und sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Klägerin einen ihr möglicherweise zustehenden Zuordnungsanspruch nicht innerhalb der Frist des § 3 der 5. DVO-TreuhG geltend gemacht habe, der Anspruch aber jedenfalls verwirkt sei; mangels Rechtswidrigkeit der Zuordnungsbescheide könne auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht verlangt werden.

5 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es liegen weder die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel vor (1.), noch lässt das Vorbringen der Klägerin die geltend gemachten Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erkennen (2.).

6 1. a) Die Klägerin sieht eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 VwGO und ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO darin, dass das Gericht entgegen ihrem eindeutigen Klagevortrag (insbesondere S. 5 der Klageschrift) von einem fehlenden Rechtsträgerwechsel sowie einer fehlenden Rechtsträgerschaft ihres Rechtsvorgängers ausgegangen sei.

7 Die Rüge ist nicht berechtigt. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin sich in ihrer Klageschrift darauf berufen hat, ihr Rechtsvorgänger sei am 5. August 1980 als Rechtsträger im Grundbuch eingetragen worden, und sie dazu die Kopie eines entsprechenden Liegenschaftsblatts/Grundbuchblatts vorgelegt hat. Dabei übersieht sie jedoch, dass der vermeintliche Beweis der Rechtsträgerschaft sich auf das Flurstück ... bezieht und nicht auf die hier maßgebliche Teilfläche des seinerzeitigen Flurstücks ... (jetzt ...), das die beanstandeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Gegenstand haben. Auch der von der Klägerin mit ihrer Beschwerdeschrift vorgelegte Rechtsträgernachweis betrifft, soweit die Kopie überhaupt entzifferbar ist, die Flurstücks-Nr. ... .

8 b) Soweit die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des § 3 der 5. DVO-TreuhG und ein falsches Verständnis der zu dieser Vorschrift ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Januar 1998 (V ZR 263/96 - juris) rügt, legt sie keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar. Allein der Umstand, dass die Klägerin die vom Bundesgerichtshof in jenem Urteil entwickelten Grundsätze für auf ihren Fall übertragbar hält, lässt die wohlbegründeten Darlegungen des Verwaltungsgerichts, mit denen es der Klägerin widerspricht, nicht auch nur ansatzweise als denkfehlerhaft erscheinen; auch ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz ist damit nicht dargetan.

9 c) Ebenso wenig ist ein Verfahrensmangel erkennbar, soweit die Klägerin sich gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, der Zuordnungsanspruch sei verwirkt. Diese Rüge kann von vornherein nicht greifen; denn das Gericht hat den Zuordnungsanspruch bereits deswegen als erloschen betrachtet, weil er nicht innerhalb der Frist des § 3 der 5. DVO-TreuhG angezeigt worden ist und dagegen keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben worden sind. Abgesehen davon gibt es den geltend gemachten Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz hinsichtlich der nur hilfsweise angenommenen Verwirkung nicht. Das Verwaltungsgericht gesteht der Klägerin - anders als sie in ihrer Beschwerdebegründung behauptet - durchaus zu, dass ihr Antrag auf Löschung im Handelsregister im Jahre 1996 allein nicht ausreicht, ihr den Einwand der Verwirkung entgegenzuhalten. Vielmehr führt es weitere Umstände an, die es als "aktives Nichtstun" der Klägerin einordnet und die den Schluss der Beigeladenen zugelassen hätten, es nur noch mit dem Alteigentümer und nicht mehr mit dem in Liquidation befindlichen Unternehmen zu tun zu haben. Dies blendet die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung vollständig aus. Auch ihre ‌- wiederum nur auf die Hilfsbegründung des Urteils bezogene - Rüge, das Verwaltungsgericht sei auf ihren "Tu-Quoque-Einwand" nicht eingegangen, der sich daraus ergebe, dass das Land Berlin und die Beigeladene - wie sie in ihrer Klageschrift dargelegt habe - die gewerbliche Nutzung des Anwesens bewusst verschwiegen hätten, kann nicht zur Annahme eines Verfahrensmangels führen. Dass das Verwaltungsgericht diesen Vortrag zur Kenntnis genommen hat, wird daraus erkennbar, dass es in den Tatbestand des Urteils den Vortrag der Klägerin, die Zuordnung sei durch falsche Angaben erschlichen worden, ausdrücklich aufgenommen hat. Allein daraus, dass es dieses Vorbringen bei der Behandlung des Einwandes der Verwirkung nicht ausdrücklich aufgegriffen hat, lässt sich keineswegs schließen, dass es ihn ohne nachvollziehbaren Grund, also willkürlich, aus seinen rechtlichen Erwägungen ausgeblendet hat, sondern ohne weitere Anhaltspunkte allenfalls darauf, dass es ihn im Hinblick auf das festgestellte "aktive Nichtstun" der Klägerin nicht für erheblich gehalten hat. Hinzu kommt, dass zwar die dem Einwand der Treuwidrigkeit zugrunde liegenden Tatsachen bereits früher vorgetragen worden waren, der Einwand selbst von der Klägerin aber erst mit ihrem am 5. November 2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 3. November 2014 nachdrücklich erhoben worden ist, während das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2014 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts bereits am 1. November 2014 an die Klägerin abgesandt und ihr am 5. November 2014 zugestellt worden ist.

10 d) Die weitere Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die Ausführungen in ihrer Klagebegründung nicht beachtet, in denen es mit Blick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 1994 (7 C 36.93 - BVerwGE 96, 231) um die Feststellungen zu den auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnissen gehe, die im Bescheid nicht berücksichtigt worden seien, genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines Verfahrensmangels. Die Klägerin verdeutlicht in ihrer Beschwerdebegründung nicht ansatzweise, welche konkreten Feststellungen hätten getroffen werden müssen und inwieweit dies für die zu treffende Entscheidung erheblich gewesen wäre.

11 e) Der weitere Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe ihren Vortrag in den Schriftsätzen vom 11. September 2013, S. 3 und 5, sowie vom 5. November 2013, S. 3, verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt, womit sie auf ihre Behauptung zielt, der dem Zuordnungsänderungsbescheid vom 12. März 1996 zugrunde liegende Antrag habe das hier betroffene Grundstück gar nicht erfasst, ist ebenfalls nicht berechtigt. Abgesehen davon, dass auch diese Rüge wiederum daran vorbeigeht, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts in erster Linie und eigenständig tragend mit einem fehlenden Zuordnungsanspruch der Klägerin begründet wird, musste sich für das Verwaltungsgericht eine ausdrückliche Stellungnahme zu diesem Klagevorbringen schon deswegen nicht aufdrängen, weil es in sich widersprüchlich war. Aus der von der Klägerin zur Untermauerung ihres Klagevortrages als Anlage XL 10 vorgelegten Kopie des Änderungsantrages nebst Anlage (Bl. 84 VG-Akte) ergab sich zweifelsfrei, dass das hier maßgebliche Flurstück ... Gegenstand des Änderungsbegehrens sein sollte, was sich mit dem in den Verwaltungsvorgängen (Bl. 157) enthaltenen Original des Antrages deckt. Die Anlage XL 11, aus der die Klägerin die vermeintliche Beschränkung des Änderungsantrages ableitet, ist - anders als sie behauptet - nicht Bestandteil des Änderungsantrages gewesen, sondern - wie sich aus den Verwaltungsvorgängen ergibt - Anlage zu dem ursprünglichen Zuordnungsantrag des Landes Berlin vom 4. September 1992 (Bl. 4 der Verwaltungsvorgänge). Jener Antrag erfasste jedoch ebenfalls zweifelsfrei das Flurstück ... mit der Bezeichnung G. Straße ..., ..., ..., ... (Bl. 2 der Verwaltungsvorgänge).

12 2. Schließlich ist die von der Klägerin gerügte Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht feststellbar. Diese Rüge genügt nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begründung einer Divergenzrüge; denn die Klägerin arbeitet keine den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Rechtssätze heraus, die einem vom Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil aufgestellten Rechtssatz widersprechen. Vielmehr begnügt sie sich damit zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht nicht die notwendigen zuordnungsrechtlichen Konsequenzen aus der Tatsache gezogen habe, dass ein Überbau stattgefunden und ihr Rechtsvorgänger die umstrittene Fläche für seinen Betrieb genutzt habe. Mit der Behauptung solcher vermeintlicher Subsumtionsfehler wird jedoch eine Abweichung im Rechtssinne nicht dargetan.

13 Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

14 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.