Beschluss vom 17.04.2003 -
BVerwG 1 B 176.02ECLI:DE:BVerwG:2003:170403B1B176.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.04.2003 - 1 B 176.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:170403B1B176.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 176.02

  • OVG Rheinland-Pfalz - 21.03.2002 - AZ: OVG 6 A 11690/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. April 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r , die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. März 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die allein auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde rügt zunächst, der Kläger sei vor der Entscheidung durch Beschluss im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO nicht ordnungsgemäß angehört worden, weil weder das Anhörungsschreiben vom 25. Januar 2002 noch das weitere Anhörungsschreiben vom 27. Februar 2002 vom Vorsitzenden oder Berichterstatter persönlich unterschrieben worden sei. Diese Rüge greift nicht durch. Nach der von der Beschwerde selbst zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 17. November 1994 - BVerwG 1 B 42.94 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 11) ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass das Original der gerichtlichen Anhörungsmitteilung nach § 130 a VwGO - insbesondere wegen der rechtlichen Tragweite der damit verbundenen Fristsetzung - vom Vorsitzenden oder Berichterstatter unterzeichnet ist. Dies war hier bei den richterlichen Verfügungen vom 25. Januar 2002 und vom 27. Februar 2002 ausweislich der Gerichtsakten der Fall. Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift dieser Anhörungsschreiben, wie sie im vorliegenden Fall erfolgt ist, ist deshalb nicht wegen Fehlens der eigenhändigen Unterschrift formfehlerhaft.
Auch die von der Beschwerde erhobenen weiteren Verfahrensrügen greifen nicht durch. Sie beruft sich auf eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und trägt zur Begründung vor, nachdem das Berufungsgericht eine Auskunft des Auswärtigen Amtes zur Echtheit des vom Kläger vorgelegten Fahndungsaufrufs armenischer Behörden eingeholt habe, habe der Kläger im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 130 a VwGO beantragt, das Auswärtige Amt ergänzend dazu zu befragen, ob er wegen seines eigenmächtigen Fernbleibens während seines "Militäreinsatzes" in Berg-Karabach auch seitens der armenischen Behörden bestraft werden könne. Diesem Antrag sei das Berufungsgericht zu Unrecht nicht nachgekommen, sondern habe den Fahndungsaufruf ohne weitere Ermittlungen als Fälschung angesehen. Bei der beantragten weiteren Aufklärung wäre möglicherweise festgestellt worden, dass es doch Strafverfahren armenischer Stellen gegen desertierte Fedajin gebe. Dies hätte zu einer anderen Beurteilung der Echtheit des Fahndungsaufrufs führen können.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen Aufklärungsmangel nicht auf. Sie legt nicht dar, dass das Berufungsgericht die vermissten weiteren Ermittlungen beim Auswärtigen Amt verfahrensfehlerhaft abgelehnt hat. Das Berufungsgericht hat eine aus dem vorgelegten Fahndungsaufruf folgende Gefahr politischer Verfolgung des Klägers in Armenien verneint, weil es sich unter Zugrundelegung der Auskunft des Auswärtigen Amtes bei diesem Dokument nach seiner tatrichterlichen Würdigung um eine Fälschung handele. Hierfür hat es verschiedene, gegen die Echtheit des Schriftstücks sprechende Gesichtspunkte im Einzelnen aufgeführt und sich mit den vom Kläger vorgebrachten Einwänden auseinander gesetzt. Es hat dabei als ein gegen die Echtheit sprechendes Indiz auch den Umstand angesehen, dass eine strafrechtliche Verfolgung wegen Verstoßes gegen den im Fahndungsaufruf genannten Art. 256 des Armenischen Strafgesetzbuchs dem Kläger schon deshalb nicht drohe, weil strafrechtlicher Verfolgung wegen Verstoßes gegen diese Bestimmung nur Militärangehörige der armenischen Streitkräfte, nicht jedoch Fedajin - wie der Kläger - unterlägen; dem Auswärtigen Amt seien ausweislich seiner Auskunft vom 9. März 2000 keine Fälle bekannt, in denen Abtrünnige von Freiwilligenverbänden strafrechtlich in Armenien zur Verantwortung gezogen worden seien. Angesichts dessen komme es nicht auf die vom Kläger beantragte weitere Ermittlung an, ob das Auswärtige Amt das Ergehen eines Fahndungsaufrufs wegen Verstoßes gegen die genannte Strafbestimmung gegenüber einem ehemaligen "Kämpfer aus der Region Berg-Karabach" für völlig ausgeschlossen halte. Inwiefern diese Ablehnung der beantragten weiteren Beweiserhebung rechtsfehlerhaft sein soll, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Insbesondere macht sie nicht deutlich, warum die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9. März 2000 für eine sachkundige Beurteilung der Gefahr einer Strafverfolgung als Indiz für die Echtheit des Fahndungsaufrufs unzureichend und eine erneute diesbezügliche Anfrage geboten gewesen sein soll.
Soweit die Beschwerde als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen die Denkgesetze und damit gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO rügt, kann dies der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Sie sieht einen Verstoß gegen die Denkgesetze darin, dass das Berufungsgericht aus der Tatsache, dass die armenische Armee mit den Fedajin in Berg-Karabach zusammengearbeitet habe, nicht gefolgert habe, dass auch der Kläger bei einer Rückkehr nach Armenien aufgrund seiner Desertion aus den Freiwilligenverbänden in Berg-Karabach bestraft werde. Damit ist ein Verstoß gegen die Denkgesetze nicht aufgezeigt. Ein solcher Verstoß liegt nur dann vor, wenn das Gericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann, nicht dagegen schon dann, wenn eine Schlussfolgerung nicht zwingend oder nicht überzeugend oder sogar unwahrscheinlich ist (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328 m.w.N.). Dass die von der Beschwerde geforderte, als "durchaus nachvollziehbar und rechtlich zulässig" bezeichnete Schlussfolgerung die einzig denkbare wäre und der gegenteilige Schluss des Berufungsgerichts schlechterdings nicht gezogen werden könnte, macht die Beschwerde indes selbst nicht geltend. Im Übrigen wäre ein solcher Verstoß, selbst wenn er vorläge, als Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen und könnte deshalb einen Verfahrenmangel nicht begründen (Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.