Urteil vom 17.04.2008 -
BVerwG 2 WD 10.07ECLI:DE:BVerwG:2008:170408U2WD10.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 17.04.2008 - 2 WD 10.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:170408U2WD10.07.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 10.07

  • Truppendienstgericht Nord 3. Kammer - 15.11.2006 - AZ: N 3 VL 4/06

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung vom 16. und 17. April 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Rönsch und
ehrenamtlicher Richter Oberleutnant Seitz,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 17. April 2008 für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 15. November 2006 aufgehoben.
  2. Der Soldat wird freigesprochen.
  3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der 28 Jahre alte Soldat erlangte im Mai 2000 am M...gymnasium in J. die allgemeine Hochschulreife.

2 Am 19. August 1999 bewarb sich der Soldat für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr. Nach erfolgreicher Bewerbung wurde er aufgrund seiner Verpflichtungserklärung vom 24. April 2000 mit Urkunde vom 5. Juni 2000 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Funker ernannt. Seine Dienstzeit wurde mit Bescheid vom 5. Juni 2000 auf zwölf Jahre festgesetzt. Seine Dienstzeit endet am 30. Juni 2012.

3 Nachdem der Soldat am 1. Juli 2000 als Offizieranwärter bei der ...bataillon ... in L. in die Bundeswehr eingestellt worden war, wurde er nach Beendigung der Grundausbildung zum 18. September 2000 zur ...bataillon ... versetzt. Nach erfolgreicher Ausbildung zum Truppenoffizier - ohne Studium - ist er nach zwischenzeitlichen Versetzungen zur ...bataillon ... in R. und zur ...bataillon ... in Ro. (...) mit Verfügung vom 26. Oktober 2004 mit Dienstantritt zum 1. November 2004 zur ...bataillon KFOR (10. Einsatzkontingent) ins Kosovo kommandiert worden. Ca. zwei Wochen vor dem vorgesehenen Ende dieser Auslandsverwendung wurde der Soldat nach Bekanntwerden der gegenständlichen Vorfälle vorzeitig nach Deutschland zurückkommandiert und leistet gegenwärtig Dienst in der ...regiment ... als Zugführer und Ausbildungsoffizier.

4 Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Urkunde vom 6. Mai 2003 mit Wirkung zum 1. Juli 2003 zum Leutnant.

5 In der planmäßigen Beurteilung vom 6. Juli 2004 erhielt der Soldat bei den Einzelmerkmalen zweimal die Wertung „7“, zwölfmal die Wertung „6“ und zweimal die Wertung „5“. Hinsichtlich seiner Eignung und Befähigung wurde ihm einmal die Wertung „E“ und dreimal die Wertung „D“ zuerkannt. Im Hinblick auf „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ sowie die „Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten“ hierzu wird im Einzelnen auf die Ausführungen in der Beurteilung verwiesen.

6 In der Sonderbeurteilung vom 6. März 2007 erhielt der Soldat bezüglich der Einzelmerkmale sechsmal die Wertung „7“ und zehnmal die Wertung „6“, mithin einen Durchschnitt von 6,375. Hinsichtlich seiner Eignung und Befähigung wurde ihm dreimal die Wertung „E“ und einmal die Wertung „D“ zuerkannt. Bezüglich der Ausführungen zu den „Ergänzenden Kennzeichnungen zu den Einzelmerkmalen“, der „Eignung und Befähigung“, der „Herausragenden charakterlichen Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“, „Verwendungshinweise“ und der „Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten“ wird im Einzelnen auf die Beurteilung verwiesen.

7 Vor dem Truppendienstgericht äußerte sich der Leumundszeuge, Hauptmann ... P., der zum Tatzeitpunkt Vorgesetzter des Soldaten im Kosovo war, der Soldat sei als junger Leutnant zu ihm gekommen und habe sich sofort bewährt. Er sei ein Offizier, der den Willen zur Verantwortung mitbrächte. Der Soldat sei im Einsatz sein Stellvertreter gewesen. Er habe eine sehr hohe Meinung von ihm und vollstes Vertrauen. Der Vorfall habe sich auf den Dienstbetrieb nicht ausgewirkt. Auch außerhalb des Dienstes sei der Soldat ein Mensch, der voll im Leben stehe. Man könne sagen, dass er ein hohes Selbstbewusstsein habe. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Soldaten habe er nicht.

8 Der weitere Leumundszeuge, damaliger Kompaniechef des Soldaten, Hauptmann ... B., bestätigte das Leistungsbild des Soldaten. Im gesamten Zeitraum, in dem er Kompaniechef gewesen sei, habe der Soldat sein Vertrauen genossen und die ihm übertragenen Aufgaben zu seiner vollsten Zufriedenheit erfüllt. Auch deshalb sei ihm die Leistungsprämie in Höhe von 1 300 € gewährt worden. Der Soldat habe eine offene und ehrliche Art und verstehe es, mit Kritik umzugehen. Er stehe zu seinen Fehlern und suche das Gespräch. Seit Bekanntwerden des Vorfalls habe es in seinem Leistungsbild keinerlei Veränderung und keine Einbußen gegeben. Im Gegenteil habe er noch gebremst werden müssen. Als Berufssoldat sei er definitiv geeignet.

9 Der Soldat hat u.a. die Erlaubnis, die Ehrenmedaille der Bundeswehr, das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold und die Einsatzmedaille der Bundeswehrfluthilfe 2002 zu tragen. Während des laufenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens wurde dem Soldaten eine im November 2006 zur Auszahlung gelangte Leistungsprämie in Höhe von 1 300 € gewährt.

10 Der Soldat erhielt am 13. Oktober 2004 eine förmliche Anerkennung aufgrund einer hervorragenden Einzeltat und eine weitere förmliche Anerkennung am 4. April 2005 wegen vorbildlicher Pflichterfüllung.

11 Der Disziplinarbuchauszug vom 7. März 2008 weist außer den beiden förmlichen Anerkennungen keine weiteren Eintragungen auf. Nach Auskunft aus dem Zentralregister vom 10. März 2008 ist der Soldat in strafrechtlicher Hinsicht nicht vorbelastet.

12 Nach Auskunft der Wehrbereichsverwaltung West - Gebührniswesen - vom 2. November 2006 erhält der Soldat in der Besoldungsgruppe A 9, Dienstaltersstufe 03, Bruttobezüge in Höhe von 2 045,52 €, tatsächlich ausgezahlt werden ihm 1 623,19 €.

13 Der Soldat ist seit 2007 verlobt und hat keine Kinder.

II

14 In dem mit Verfügung des Kommandeurs ...division vom 10. Januar 2006 ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der ...division dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 1. März 2006 folgendes Verhalten als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„In der Nacht vom 2. auf den 3. April 2005 forderte der Soldat, als Angehöriger des 10. Deutschen Einsatzkontingents KFOR in O./Kosovo, die zu seinem Zug gehörige HG (w) Bl. auf, ihm einen Kuss auf den Mund und anschließend auch auf sein Geschlechtsteil zu geben. Nachdem die HG (w) Bl. den Soldaten mehrmals abgewiesen hatte, entblößte dieser sein Geschlechtsteil und manipulierte in ihrer unmittelbaren Gegenwart daran herum.“

15 Die 3. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hielt den Vorwurf für zutreffend und verhängte durch Urteil vom 15. November 2006 wegen eines Dienstvergehens gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot für die Dauer von 15 Monaten zusammen mit einer Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von sechs Monaten.

16 Die Truppendienstkammer hat das Verhalten des Soldaten als vorsätzliche Verletzung der Pflichten für seine Untergebenen zu sorgen (§ 10 Abs 3 SG), die Würde, Ehre und die Rechte der Kameraden zu achten (§ 12 Satz 2 Halbs. 1 SG) und der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) und damit als Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG gewürdigt. Zudem unterliege der Soldat als Vorgesetzter der verschärften Haftung des § 10 Abs. 1 SG.

17 Hinsichtlich der Maßnahmebemessung führte die Kammer im Wesentlichen aus, dass das Fehlverhalten des Soldaten von „nicht unerheblichem disziplinaren Gewicht“ sei. Der Soldat habe die Zeugin Bl. in einer für ihn erkennbaren Weise durch das Zurschaustellen seines erigierten Geschlechtsteils und der wiederholten Aufforderung, sie solle ihm einen Kuss nicht nur auf den Mund, sondern auch auf den Penis geben, in objektiv demütigender Weise sexuell belästigt. Die Bewertung der Schwere des dienstpflichtwidrigen Verhaltens des Soldaten könne nicht losgelöst von dem Vorgeschehen betrachtet werden. Zum einen habe es zwischen dem Soldaten und der Zeugin Bl. im Vorfeld der Tat sexuelle Kontakte bis hin zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gegeben. Im Ergebnis sei das Verhalten des Soldaten daher auf den Umstand zurückzuführen, dass sich ihm, nachdem er zuvor längere Zeit mit der Zeugin Bl. und dem Hauptgefreiten D. dienstlich zusammen gewesen sei, nun unverhofft eine Situation eröffnet habe, wie schon in der Silvesternacht 2004/2005, erneut in sexuellen Kontakt mit der Zeugin treten zu können. Der Soldat habe zur Tatzeit zwar nicht davon ausgehen können, dass sich die Zeugin Bl. erneut auf sein sexuelles Verlangen einlassen würde, selbst wenn sie in der Vergangenheit nach anfänglichem Zögern zweimal einem Geschlechtsverkehr mit ihm zugestimmt habe. Dennoch sei zugunsten des Soldaten davon auszugehen, dass er auf eine latente Bereitschaft der Soldatin gehofft habe, ihn wiederum oral sexuell zu stimulieren. Letztlich sei dem Soldaten daher kein gezielt „entwürdigendes“ Fehlverhalten zu Lasten der Zeugin Bl. zum Vorwurf zu machen, sondern eine die Grenzen zulässiger sexueller Werbung überschreitende und nach abweisendem Verhalten der Zeugin auch wiederholt vorgenommene sexuelle Belästigung. Hinsichtlich weiterer Ausführungen wird auf das Urteil des Truppendienstgerichts verwiesen.

18 Gegen das dem Soldaten am 8. Januar 2007 zugestellte Urteil hat dieser durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 5. Januar 2007, welcher per Fax am selben Tag beim Truppendienstgericht Nord, 3. Kammer, einging, Berufung in vollem Umfang eingelegt. Im Wesentlichen führte er aus:
Die Aussage der Zeugin Bl. sei in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und unglaubwürdig. Die Glaubwürdigkeit der einzigen Belastungszeugin müsse, schon aus der Natur des von ihr erhobenen Vorwurfs heraus, mit strengsten Maßstäben beurteilt werden. Sofern die Beurteilung eines Vorwurfs einzig und allein an den Aussagen der beiden Beteiligten hinge, so müsse dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ größtmöglichster Raum eingeräumt werden, und zwar dergestalt, dass schon leichte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der einzigen Belastungszeugin zur Anwendung dieses Rechtsgrundsatzes führen müssten. Jede Abweichung hiervon würde dazu führen, dass willkürlichen Falschanschuldigungen Tür und Tor geöffnet würden. In der Hauptverhandlung habe die Zeugin Bl. zudem erstmals behauptet, der Soldat habe nicht nur einmal, sondern auch ein zweites Mal mit ihr einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt. Dies habe sie in sämtlich früheren Aussagen verschwiegen, obgleich sie auch danach gefragt worden sei, ob es weitere „Vorfälle“ im Sinne des ersten sexuellen Kontakts in der Silvesternacht gegeben habe. Sie habe unmissverständlich zugegeben, die Information bezüglich des von ihr behaupteten zweiten Geschlechtsverkehrs bewusst nicht geäußert zu haben, da sie gefürchtet habe, die Glaubwürdigkeit ihrer Aussage hätte bei Einräumen eines zweiten einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs leiden können. Deshalb habe sie eingeräumt, bewusst relevante Angaben verschwiegen zu haben und habe sich damit schon eines Dienstvergehens schuldig gemacht. Wenn sie dann noch unumwunden eingeräumt habe, dies zweckgerichtet getan zu haben und zwar deshalb, um die Glaubwürdigkeit ihrer Beschuldigung zu steigern, so liege hierin nicht nur eine Belastungstendenz, sondern das bewusste Gestalten einer Aussage durch Weglassung zum Zwecke der gesteigerte Belastungswirkung. Schon allein die sich hierin offenbarende Persönlichkeitsstruktur der Zeugin schließe die Behauptung der Glaubwürdigkeit von vornherein aus. Weiter habe die Zeugin Bl. den gesamten Geschehensablauf in sich unterscheidender und zum Teil widersprechender Art und Weise geschildert. Ihre Schilderung der Vorgänge in der Vernehmung am 15. April 2005 sei mit der Schilderung im Rahmen des Hauptverhandlungstermins überhaupt nicht mehr in Einklang zu bringen. Die Widersprüchlichkeit der Aussagen könne auch nicht mit Erinnerungslücken oder ähnlichem erklärt werden. An derart gravierende Unterschiede hätte sich die Zeugin, da der Vorfall erst eineinhalb Jahre her sei, auf jeden Fall erinnern müssen. Die Zeugin habe dann ausgesagt, dass sie sich eines Tricks bedient habe, um Hilfe herbeiholen zu können. Sie habe dem Soldaten vorgespiegelt, es komme jemand die Treppe hoch. Der Soldat sei daraufhin kurz zur Tür gegangen und habe hinausgesehen. Die Zeugin selber habe den „Abwesenheitszeitraum“ auf 10 bis 15 Sekunden taxiert. Diese Zeit sei viel zu kurz gewesen, um den Text „Bitte helf mir. liege im Bett. heule rum. der lt belästigt mich.“ einzutippen, die eingespeicherte Rufnummer des Zeugen R. herauszusuchen und diesem als SMS zu schicken. Ferner habe die Zeugin im Rahmen der Hauptverhandlung behauptet, dass sie sich nur an eine einzige SMS habe erinnern können, nämlich die oben bezeichnete „Hilferuf-SMS“. Aus den Schilderungen im Rahmen der Ermittlung und aus der Aussage des Zeugen R. ergab sich jedoch, dass im Verlauf des Abends ein „Gespräch“ mit dem Zeugen R. über mehr als eine Stunde in Form von Zusendung gegenseitiger SMS geführt wurde. Diese Erinnerungslücke spreche gegen die Zeugin.
Die von der Zeugin angeführten vermeintlichen Erinnerungslücken seien nicht glaubhaft. Wenn das, was die Zeugin dem Soldaten vorwerfe, sich tatsächlich ereignet hätte, wüsste die Zeugin wesentlich mehr Details, da sich ein solches Erlebnis unauslöschlich mit allen Details in die Erinnerung der Zeugin eingebrannt hätte. Es sei aufgefallen, dass die Zeugin immer versuche, sich jeder Verantwortung zu entziehen. Immer sei sie im Grunde Spielball äußerer Umstände gewesen und quasi zum Sex genötigt worden. Außerhalb jeder Lebenserfahrung seien die Schilderungen des sonstigen vermeintlichen Verhaltens der Zeugin vor Ort. Anstelle eines Hilferufes habe sie eine SMS verschickt. Die Hauptverhandlung habe aber ergeben, dass es sich bei dem Haus, in dem sich der Vorfall abgespielt haben soll, um ein uraltes serbisches Haus gehandelt habe, innerhalb dessen die Türen nicht mehr zu verschließen gewesen seien. Daher hätte die Zeugin nicht einmal laut um Hilfe rufen müssen. Völlig unglaubwürdig sei, dass sie vorgegeben habe, auf der einen Seite psychisch extrem belastet gewesen zu sein und darum stundenlang mit einer mit ihr am Tisch sitzenden Person SMS ausgetauscht zu haben, dann aber wieder nach oben gegangen sei und sich unbefangen in das Zimmer zum Schlafen gelegt habe, in dem der Soldat, der vor kurzem angeblich über sie hergefallen sei, geschlafen habe. Die Zeugin hätte auch ein Motiv gehabt. Aufgrund der sexuellen Kontakte im Vorfeld in der Silvesternacht sei sie erheblich daran interessiert gewesen, den Kontakt zum Soldaten aufrechtzuerhalten. Als der Soldat die Zeugin zurückgewiesen habe, sei sie möglicherweise in ihrem Ego verletzt worden. Letztlich seien auch die anderen Zeugen nicht in der Lage gewesen, die Aussage der Zeugin Bl. zu untermauern. Anders als die Kammer es im Urteil festgestellt habe, habe kein Zeuge bestätigen können, dass die Soldatin an diesem Abend einen verheulten oder gar völlig derangierten Eindruck gemacht habe. Wenn die Möglichkeit bestehe, dass die Zeugin nur verschlafen ausgesehen habe, so hätte nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon ausgegangen werden müssen, dass sie einfach nur verschlafen war und nicht verheult.

III

19 Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).

20 Das Rechtsmittel des Soldaten ist ausdrücklich und nach dem maßgeblichen Inhalt seiner Begründung in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat deshalb im Rahmen der Anschuldigung (§ 107 Abs. 1 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und gegebenenfalls die angemessene Disziplinarmaßnahme zu finden, wobei er an das Verschlechterungsverbot (§ 331 Abs. 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO) gebunden ist.

21 Die Berufung des Soldaten ist erfolgreich.

22 Ein zur Überzeugung des Senats sicherer Nachweis des angeschuldigten Vorwurfs ist nicht mit der nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 261 StPO erforderlichen Gewissheit erbracht. Nach dieser Regelung hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Dabei kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die persönliche Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Das Gericht muss von der persönlichen Schuld des Angeschuldigten überzeugt sein. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufs nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung ist es allein Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH, Urteile vom 9. Februar 1957 - g.M. 2 StR 508/56 - BGHSt 10, 208 <209> und vom 7. Juni 1979 - g.G. 4 StR 441/87 - BGHSt 29, 18 <20>).
Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen (BGH, Urteil vom 8. Januar 1988 - 2 StR 551/87 - NStZ 1988, 236 <237>; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, § 261 Rn. 2 m.w.N.; BVerwG, Urteile vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214 und vom 11. Oktober 2007 - BVerwG 2 WD 5.06 -). Zwar ist zur Überführung des Angeschuldigten keine „mathematische“ Gewissheit erforderlich. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen und muss erschöpfend sein. Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtpunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen, sowie die Tatsachen und deren Würdigung in den Urteilsgründen darzulegen (Urteile vom 12. Februar 2003 a.a.O. und vom 11. Oktober 2007 a.a.O. im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des BGH zu § 261 StPO, vgl. u.a. Beschlüsse vom 5. August 1997 - 5 StR 178/97 - NStZ-RR 1998, 15 m.w.N. und vom 17. Januar 2002 - 3 StR 417/01 - NStZ-RR 2002, 147 m.w.N.). Allein damit wird die Unschuldsvermutung widerlegt (vgl. Urteil vom 11. Oktober 2007 a.a.O.). Hängt die Entscheidung bei gegensätzlichen Aussagen des Angeschuldigten und von Zeugen allein davon ab, welchen Angaben das Gericht glaubt, dann müssen, damit es nicht zu einer Verurteilung aufgrund einer subjektiven Fehlbeurteilung der Zeugenaussage(n) kommt, alle Umstände, denen eine indizielle Bedeutung für die Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten zukommen kann, in die Beweiswürdigung eingestellt und in den Urteilsgründen dargelegt werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Februar 1993 - 2 StR 531/92 - StV 1994, 526 m.w.N., Beschluss vom 6. März 2002 - 5 StR 501/01 - NStZ-RR 2002, 174 <175> m.w.N. und BVerwG, Urteile vom 12. Februar 2003 a.a.O. und 11. Oktober 2007 a.a.O., Meyer-Goßner, a.a.O. Rn. 11 f. m.w.N.). Selbst wenn einzelne Indizien jeweils für sich genommen noch keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit einer den Angeschuldigten belastenden Aussage aufkommen lassen, so kann jedoch eine Häufung solcher Indizien bei einer Gesamtbetrachtung zu solchen Zweifeln führen (BGH, Urteile vom 16. Dezember 1987 - 2 StR 495/87 - StV 1988, 511 und vom 19. Juli 1989 - 2 StR 182/89 - StV 1990, 99 m.w.N.; vgl. zur Gesamtbetrachtung BVerwG, Urteile vom 12. Februar 2003 a.a.O. und 11. Oktober 2007 a.a.O.).

23 Nach Maßgabe dieser Anforderungen hat der Senat auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme und der vorgenommenen Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Beweismittel nicht die erforderliche Gewissheit gewinnen können, dass der Soldat das ihm zur Last gelegte Fehlverhalten begangen hat, obwohl viel dafür spricht.

24 Aufgrund der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden kann, der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke, der Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Hauptgefreite d.R. ... Bl., Stabsunteroffizier ... R., Hauptfeldwebel ... Bö., Hauptgefreiter d.R. ... Bä., Oberstabsgefreiter d.R. ... Ko., Oberstleutnant ... Ne., Hauptmann d.R. ... P., Oberfeldwebel d.R. ... Op., Stabsgefreite ... Te., Unteroffizier ... ... St., Stabsgefreiter d.R. ... M. und Hauptmann ... B... hat der Senat folgenden Sachverhalt festgestellt:

25 Der Soldat befand sich von November 2004 bis April 2005 im Auslandseinsatz der Bundeswehr im Kosovo im Rahmen des 10. Deutschen Einsatzkontingents der „Kosovo Force“ (KFOR). Dort war er als Staffelführer der mobilen Staffel ...bataillon KFOR eingesetzt. Die Zeugin Bl. gehörte dieser ...staffel an. Der Soldat hatte die Zeugin Bl. schon während der Einsatzvorbereitung im Inland bei der ...bataillon 1 in Ro. (...) kennengelernt. Im KFOR-Feldlager P. waren sie in unterschiedlichen Unterkunftsgebäuden untergebracht. In der Silvesternacht 2004/2005 kam es zum sexuellen Kontakt zwischen der Zeugin Bl. und dem Soldaten. Beide hatten zuvor zusammen mit anderen Kameraden in der „...bar“ im Feldlager P. gefeiert. Gegen 0.30 Uhr des 1. Januar 2005 begleiteten die Zeugin und der Hauptgefreite St. den Soldaten untergehakt in dessen Unterkunft. Diese Stube teilte sich der Soldat mit dem Hauptfeldwebel Sch., der schlafend im Bett lag. Die Zeugin und der Hauptgefreite St. legten ihre Waffen auf der Stube ab und tranken zusammen mit dem Soldaten Bier. Nachdem sich der Hauptgefreite St. abgemeldet hatte und auf seine Stube gegangen war, kam es zwischen dem Soldaten und der Zeugin Bl. zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr im Bett des Soldaten. Der im Raum schlafende Hauptfeldwebel Sch. erwachte nicht.

26 Am nächsten Tag, dem 2. Januar 2005, teilte die Zeugin Bl. dem Soldaten ihre Handynummer mit, worauf beide, im Abstand von wenigen Tagen, mehrere SMS austauschten. Diese hatten teilweise dienstlichen Inhalt, wurden aber im Laufe der Zeit intim. Einige SMS enthielten u.a. Aufforderungen wie „Willst du ficken?“, „Willst du geblasen werden?“. Dem Zeugen R. zeigte die Zeugin Bl. eine dieser elektronischen Mitteilungen, die dieser als vom Soldaten stammend identifizierte.

27 Anfang April 2005 wurde durch den Kompaniechef der ...bataillon KFOR in P. das Personal für eine Patrouillenfahrt nach O. eingeteilt. Die Aufgabe bestand in der Sicherung des vornehmlich von Serben bewohnten Viertels für die Dauer von zwei Tagen. Der Soldat wurde als Zugführer des Sicherungszuges eingesetzt und ihm wurde die Zeugin Bl. als Fahrerin für das Fahrzeug Typ „Wolf“ zugeteilt. Der Soldat wollte dies nicht und erhielt die Genehmigung, die Truppeinteilung selbst vorzunehmen. Daraufhin bestimmte er den Zeugen D. als seinen Fahrer und die Zeugin Bl. als Funkerin. Am Samstag, dem 2. April 2005, trafen die Zeugin Bl. zusammen mit dem Soldaten und dem Hauptgefreiten D. gegen 0.00 Uhr nach einer Patrouillenfahrt im Rahmen des Erkundungsauftrages im Gefechtsstand in der „Villa O.“ ein. Das dort untergebrachte Zwischenlager O. bestand aus zwei alten serbischen Häusern, die durch Stacheldraht-verhaue und einen am Eingangstor befindlichen Wachturm vor unbefugtem Zutritt gesichert waren. Das Haus I diente als Unterkunft und Gefechtsstand, das links daran unmittelbar anschließende Haus II vornehmlich als Unterkunft. Der Gefechtsstand befand sich im Erdgeschoss des Hauses I neben der Küche. Zu den Unterkunftsräumen gelangte man über eine hinter einem Holzverschlag gelegene Treppe. Ein Unterkunftsraum lag links, der andere rechts von der Treppe. Die Verteilung des Personals auf die Unterkunftsräume war schon im Vorfeld vorgenommen worden. Dabei sollte der Zugtrupp des Soldaten in dem im Haus I links von der Treppe gelegenen Raum 1 übernachten. Nach der Ankunft in O. meldete sich der Soldat, an diesem Tag der einzige deutsche Offizier vor Ort, im Gefechtsstand zurück, trank einen Kaffee und rauchte zwei bis drei Zigaretten. Der Zeuge D. war zu diesem Zeitpunkt mit der Fahrzeugnachbereitung beschäftigt. Die Zeugin Bl. hatte bereits den für den Zugtrupp vorgesehenen Raum 1 im Haus I aufgesucht und festgestellt, dass sich dort zwei österreichische Soldaten befanden. Sie begab sich in den Gefechtsstand und meldete, dass sie in dem ihr eigentlich zugewiesenen Raum 1 nun nicht schlafen könne. Der Zeuge Op. schlug daraufhin vor, die Zeugin Bl. solle sich in den freien, für eine noch nicht vor Ort befindliche Patrouille reservierten Raum 2, der insgesamt über 12 Schlafplätze verfügte, begeben. Die Zeugin bezog in diesem Raum das untere Etagenbett, welches ca. 1 bis 2 Meter quer rechts neben der Tür stand. Um nicht vom Licht gestört zu werden und um eine Sichtbarriere zu ihrem Bett herzustellen, verhängte sie die schmalere Frontseite des Bettes mit ihrer Feldbluse und etwa die Hälfte der Längsseite des Bettes (ca. 1 m) mit einer Pferdedecke, sodass ihr Oberkörper weitgehend verdeckt wurde. Der Soldat begab sich gegen 0.20 Uhr in den Raum 1, in welchem sich seine Ausrüstung befand. Zu diesem Zeitpunkt schliefen dort die zwei österreichischen Soldaten sowie der Hauptgefreite D. Wegen der nach Aussage des Soldaten starken Schnarchgeräusche eines der beiden österreichischen Soldaten befürchtete er, nicht einschlafen zu können. Er verließ den Raum und begab sich erneut in den Gefechtsstand. Den dort anwesenden Kameraden teilte er mit, dass er ebenfalls im Unterkunftsraum 2 übernachten werde, weil er in dem ursprünglich für den Zugtrupp vorgesehenen Raum nicht schlafen könne. Nachdem der Soldat Teile seiner Ausrüstung aus dem Raum 1 geholt hatte, betrat er den Raum 2, in dem sich die Zeugin Bl. befand. Seit seiner Ankunft gegen 0.00 Uhr in der „Villa O.“ waren zwischen 20 und 40 Minuten vergangen. Als der Soldat die Stube der Zeugin Bl. betrat, schlief diese noch nicht, sondern „döste“ vor sich hin. Sie sagte zu ihm, ohne zu wissen, wer den Raum betreten hatte, er brauche nicht leise zu sein, denn sie schlafe noch nicht. Das Licht war zu diesem Zeitpunkt eingeschaltet. Der Soldat begab sich zum Etagenbett, welches in der hinteren rechten Ecke des Raumes stand und stellte dort seine Sachen ab. Was sich anschließend bis etwa 1.00 Uhr im Raum 2 ereignete, konnte der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Gegen 1.00 Uhr stand die Zeugin Bl. auf, verließ den Raum und begab sich in den Gefechtsstand. Dort traf sie auf den Zeugen R., der in diesem Moment ihre SMS, die um 0.41 Uhr mit dem Inhalt: „Bitte helf mir. liege im Bett. heule rum. der lt belästigt mich.“ auf seinem Handy eingegangen war, gelesen hatte und gerade überlegte, ihr zu antworten. Die Zeugin kam dem Zeugen R. leicht verängstigt und verstört vor. Weil er sich nicht im Klaren war, wie er auf diese SMS reagieren sollte und das Gefühl hatte, dass die Zeugin Bl. nicht darüber reden wollte, sprach er sie auf den von ihr geschilderten Vorfall nicht an. Zu diesem Zeitpunkt waren neben dem Zeugen Op. noch andere Soldaten im Gefechtsstand anwesend. Die Zeugin Bl. setzte sich dem Zeugen R. gegenüber. Sie unterhielten sich nicht. Die Zeugin Bl. schrieb dem Zeugen R. in den folgenden ca. 50 Minuten folgende SMS:
„Der hat seinen hässlichen Schwanz rausgeholt und ich sollte den in Mund nehmen. dann wollte der mich anfummeln. Ekel mich. kann nicht ins Bett. der ist da.“ (1:04 Uhr)
„Ich werde nicht schlafen. habe fast geheult und gebettelt, er soll das lassen, aber dann hat er sich vor mir einen gewichst und wollte, dass ich schlucke.“ (1:12 Uhr)
„Mich umbringen! Ganz ehrlich, ich kann nachts seit langem nicht mehr schlafen. wache so oft auf: (du kannst doch eh nix machen!“ (1:29 Uhr)
„Ich gehe jetzt hoch und lege mich in meinen Schlafsack. Wenn er es noch mal versucht, zieht er seine Bluse aus. Habe Angst! Na ja, gute Nacht.“ (2:02 Uhr)

28 Im Zeitraum zwischen 1:00 und 2:00 Uhr suchte der Zeuge R. einmal die außerhalb des Hauses befindliche Toilette auf, wobei er die sich ebenfalls kurz im Hof aufhaltende Zeugin Bl. traf. Eine Unterredung zwischen beiden fand jedoch nicht statt. Kurz nach 2.00 Uhr legte sich die Zeugin Bl. wieder im Raum 2 schlafen. Zuvor hatte sie den Zeugen R. gebeten, hin und wieder nach ihr zu schauen, was dieser bis ca. 3.00 Uhr auch zweimal tat. Im abgedunkelten Raum tauschte die Zeugin Bl. weitere SMS aus. Dies störte den Soldaten, da er das Geräusch der eingehenden SMS hören konnte. Weil er nicht mehr schlafen konnte, verließ er gegen 3.00 Uhr den Raum und begab sich in den Gefechtsstand, in dem er sich bis ca. 5.30 Uhr aufhielt. Nachdem er die Zeugin Bl. geweckt hatte bzw. sie wecken ließ, machte man sich dienstfertig und begab sich gegen 6.00 Uhr mit dem Fahrzeug „Wolf“ in die Stadt O.. Um 7.16 Uhr erhielt der Zeuge R. von der Zeugin Bl. eine weitere SMS mit folgendem Inhalt: „Allerdings. konnte nit mehr senden. Hab geschlafen, heute morgen waren flecken im bett. Sind jetzt getrocknet. Will nicht wissen, was passiert ist.“ Zwei Tage später erzählte die Zeugin Bl. dem Zeugen Bä., sie sei vom Soldaten sexuell belästigt worden. Im Wesentlichen gab sie dabei das Geschehen, so wie in ihren SMS an den Zeugen R. geschildert, wieder. Der Zeuge Bä. riet ihr, ohne selbst etwas unternehmen zu wollen, den Vorfall zu melden. Später wurden auch die Zeugin Te. und der Zeuge Ko., die damalige Vertrauensperson der Mannschaften, von den Geschehnissen unterrichtet. Die Zeugin Bl. bat den Zeugen Ko., den Vorfall nicht zu melden, zumindest aber überließ sie ihm die Entscheidung darüber. Weil sich der Zeuge Ko. zur Meldung „von Amts wegen“ verpflichtet fühlte, teilte er den Sachverhalt am darauffolgenden Tag dem gemeinsamen Vorgesetzten mit.

29 Hinsichtlich des Geschehens, das sich im Raum 2 zwischen etwa 0.40 Uhr und 1.00 Uhr in der Nacht vom 2. zum 3. April 2005 ereignete, hat die Zeugin Bl. ausgesagt, der Soldat habe sie, als er in den Raum gekommen sei, angesprochen und direkt vor ihrem Gesicht gestanden. Er habe sie sofort aufgefordert, ihn auf den Mund und auf sein Glied zu küssen. Als sie, die Zeugin, dem nicht nachgekommen sei, habe er seine Hose halb heruntergelassen, sein Geschlechtsteil mit der Hand hervorgeholt und direkt vor ihrem Gesicht masturbiert. Dabei habe er sie erneut mehrmals aufgefordert, ihn auf das Glied zu küssen. Ihr, der Zeugin, sei dies höchst unangenehm gewesen und sie habe sich geekelt. Um den Soldaten von weiterem Handeln abzuhalten, habe sie vorgegeben, dass jemand die Treppe heraufkomme. Der Soldat habe dann seine Hose hochgezogen und sei zur ca. eineinhalb Meter vom Bett entfernten Tür gegangen. Er habe gehorcht, um festzustellen, ob jemand komme. In diesem Zeitraum von ca. 10 bis 15 Sekunden habe sie mit dem neben ihrem Kopf abgelegten Handy an den Zeugen R., der sich im Gefechtsstand befand und dessen Handynummer sie gespeichert hatte, folgende SMS verfasst und versendet: „Bitte helf mir. liege im Bett. heule rum. der lt belästigt mich.“ Als der Soldat bemerkt habe, dass sich niemand vor der Tür befand, habe er Anstalten gemacht zurückzugehen, worauf die Zeugin, weil sie mit dem Verfassen der SMS noch nicht fertig gewesen sei, ihm noch einmal bedeutet habe, dass jemand kommen könne. Daraufhin habe der Soldat wiederum kurz nachgehorcht und sei erst dann zum Bett der Zeugin zurückgegangen. Er habe seine Hose erneut heruntergelassen und die Zeugin aufgefordert, ihn auf sein Geschlechtsteil zu küssen. Nachdem sie sich umgedreht und angefangen habe zu weinen, habe der Soldat von ihr abgelassen und sich in sein Bett gelegt.
Ferner hat die Zeugin in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, es sei im Vorfeld der Tat, im Januar oder spätestens im Februar 2005, zu einem zweiten einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Soldaten und ihr im Aufenthaltsraum der Staffel gekommen. Der Soldat habe sich im Vorfeld mit ihr per SMS verabredet, sich an einem Abend gegen 20.00 Uhr mit ihr zu treffen. Sie sei dabei davon ausgegangen, dass es zu Intimitäten kommen würde. Der Soldat habe sie vor dem Aufenthaltscontainer der Staffel, für den er einen Schlüssel hatte, erwartet, habe das dort befindliche Vorhängeschloss geöffnet und zusammen mit der Zeugin den Raum betreten. Dort hätten sich u.a. ein Fernseher, ein Tisch, Sessel und ein Sofa befunden. Beide hätten sich dort ca. eine Stunde lang aufgehalten und den Geschlechtsverkehr vollzogen.

30 Diese den Soldaten belastenden Aussagen der Zeugin Bl. waren in weiten Teilen nachvollziehbar. Im Zuge ihrer mehrfachen außergerichtlichen und gerichtlichen Einlassungen blieb sich die Zeugin bezüglich der Schilderung des Kerngeschehens weitgehend treu. Durchgängig hat sie ausgesagt, der Soldat sei, als sie in der besagten Nacht vom 2. auf den 3. April 2005 im Bett gelegen habe, zu ihr gekommen, habe sie mündlich aufgefordert, ihm einen Kuss auf den Mund und einen „Gute-Nacht-Kuss“ auf sein Glied zu geben, habe dann die Hose heruntergezogen und an seinem Glied manipuliert.

31 Der Soldat hat jedoch bestritten, die Zeugin Bl. in der Nacht vom 2. auf den 3. April 2005 sexuell belästigt zu haben. Er habe sich, ohne jeden Hintergedanken, nur deswegen auf die Stube der Zeugin begeben, weil er die lauten Schnarchgeräusche eines österreichischen Soldaten nicht habe ertragen können. Er sei im Raum 2 von der Zeugin Bl. sinngemäß gefragt worden, ob sie „so etwas Schönes“ wie in der Silvesternacht nicht noch einmal wiederholen wollten. Da er diese Aufforderung nicht als Angebot zum sofortigen Geschlechtsverkehr, sondern als eine allgemeine Fragestellung aufgefasst habe, habe er ausweichend entgegnet, dass er es zwar schön gefunden habe, er es aber nicht mehr wiederholen wolle. Daraufhin habe sich die Zeugin „mürrisch“ zur Seite gedreht. Er habe den Eindruck gehabt, dass ihr seine Antwort nicht gefallen habe. Er habe sich in sein Bett gelegt und die Zeugin Bl. aufgefordert das Licht zu löschen. Als diese dem nicht nachgekommen sei, sei er aufgestanden und habe das Licht ausgemacht. Er habe schon damals den sexuellen Kontakt zur Zeugin Bl. in der Silvesternacht bereut und sei auch heute der Meinung, dass sein Verhalten nicht richtig gewesen sei. Er habe sich geschämt und deshalb Abstand davon genommen, die intime Beziehung seinem Vorgesetzten, dem er ansonsten voll vertraute, zu melden. Erschreckt hätten ihn auch die disziplinaren Konsequenzen, die ein ihm bekannter Kompaniechef habe erleiden müssen, weil er eine sexuelle Beziehung zu einer Untergebenen aufgenommen hatte. Deshalb habe er in der Folgezeit alles versucht, der Zeugin aus dem Weg zu gehen und nur in Gegenwart Dritter mit ihr zusammenzutreffen. Er habe deshalb die Zeugin auch nicht als seine Kraftfahrerin auf der Patrouille einsetzen wollen. Am Abend des 2. April 2005 habe er aber seine Einheit alarmieren müssen, da nicht auszuschließen gewesen sei, dass sich in dem von ihr zu kontrollierenden „Serbenviertel“ ein sicherheitsrelevanter Vorfall ereignet hatte. Er sei später völlig übermüdet, aber dennoch so „aufgekratzt“ gewesen, dass er überhaupt nicht darüber nachgedacht habe, in dieser Nacht mit der Zeugin alleine im Raum zu sein. Es sei dort lediglich zu dem von ihm geschilderten kurzen Gespräch gekommen, dessen Inhalt der Zeugin Bl. nicht gefallen habe. Darum habe sie ihm wohl „eins auswischen wollen“ und nicht bedacht, welche Folgen daraus entstehen könnten.

32 Der Soldat hat auch bestritten, dass es im Januar/Februar 2005 oder danach zu einem zweiten Geschlechtsverkehr mit der Zeugin Bl. gekommen sei. Die Zeugin sage diesbezüglich die Unwahrheit. Es sei unmöglich gewesen, im abseits der Staffelräume gelegenen Aufenthaltsraum der Staffel unbemerkt intim werden zu können. Der Container habe so nahe an einem Weg gelegen, dass jeder Vorbeigehende leicht in ihn habe hineinblicken können. Zudem habe sich der Schlüssel für diesen Bereich im Geschäftszimmer der Staffel befunden, sodass man ihn nicht unbeobachtet habe an sich nehmen können. Ferner befände sich im Eingangsbereich des Containers ein Bewegungsmelder, durch den sich beim Betreten Licht eingeschaltet hätte, sodass es sofort aufgefallen wäre, wenn sie sich dort aufgehalten hätten. Im Übrigen hätten sich im Aufenthaltsraum oft Kameraden aufgehalten, um fernzusehen oder Video-Spiele zu spielen.

33 Diese Einlassungen des Soldaten sind wenig glaubhaft. Sie können ihm jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit widerlegt werden.

34 Die mangelnde Glaubhaftigkeit der Einlassungen des Soldaten ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass er hinsichtlich seines Verhältnisses zur Zeugin Bl. erkennbar nicht die Wahrheit gesagt hat. Nach der Überzeugung des Senats ist nämlich davon auszugehen, dass es, entgegen den Bekundungen des Soldaten, nach der Silvesternacht 2004/2005 im Januar/Februar 2005 zu einem zweiten Geschlechtsverkehr mit der Zeugin Bl. kam. In der Berufungshauptverhandlung hat die Zeugin dies zwar erst nach zweimaliger intensiver Nachfrage eingeräumt. Das begründet Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit. Die diesbezüglich von ihr zu Protokoll gegebenen konkreten, anschaulichen und detailreichen Schilderungen der Ereignisse an diesem Abend sind jedoch dennoch glaubhaft. Dies gilt auch für die Beschreibung der in Rede stehenden Örtlichkeiten im Feldlager P. Der Soldat ist diesen nicht konkret entgegengetreten, sondern hat sich auf wenig glaubhafte allgemein gehaltene Schutzbehauptungen beschränkt. Die Einlassung des Soldaten, es sei unmöglich gewesen, im Aufenthaltsraum der Staffel unbeobachtet sexuellen Kontakt zu haben, ist widerlegt. Tatsächlich war es nach den vom Senat festgestellten Gesamtumständen für den Soldaten und die Zeugin relativ leicht möglich, dort unbemerkt intim zu werden. Der Aufenthaltsbereich war zwar am Tage für Jedermann zugänglich. Bis ca. 19.00 Uhr hielt sich dort ein Posten auf, anschließend wurde der Bereich mit einem Vorhängeschloss verschlossen und der Schlüssel im Geschäftszimmer der Staffel hinterlegt. Jeder Staffelangehörige war aber berechtigt, den Schlüssel an sich zu nehmen und sich damit jederzeit Zutritt zum Aufenthaltsraum zu verschaffen. Der Soldat hat auf mehrfaches Befragen hin eingeräumt, dass es für ihn kein Problem gewesen sei, in den Besitz des Schlüssels zu kommen. Selbst wenn dies ein im Geschäftszimmer befindlicher Kamerad bemerkt hätte, hätte dieser daran nichts Ungewöhnliches gefunden, da der Aufenthaltsraum gelegentlich für Videospiele und Fernsehen auch innerhalb der Verschlusszeiten von Staffelangehörigen genutzt wurde. Niemanden hätte es daher gewundert, wenn gegen 20.00 Uhr in diesem Bereich Licht eingeschaltet worden wäre. Wie die Zeugin Bl. bekundet hat, habe der Geschlechtsverkehr ohnehin nach 20.00 Uhr im Dunkeln stattgefunden. Somit wäre es auch schwierig gewesen, das Geschehen von außen durch das Fenster zu beobachten. Ferner dürfte den Soldaten eine theoretisch bestehende Entdeckungsmöglichkeit nicht von seinem Vorhaben abgeschreckt haben. Schon in der Silvesternacht war er das Risiko eingegangen, beim Intimverkehr jederzeit durch den im Raum befindlichen Hauptfeldwebel Sch. beobachtet werden zu können. Zudem hatte sich der Soldat zu diesem Zeitpunkt, Ende Januar/Anfang Februar 2005, nachweislich noch nicht von der Zeugin Bl. abgewandt. Er selbst hat eingeräumt, nach dem Geschlechtsverkehr in der Silvesternacht sei es zum Austausch intimer SMS gekommen, was für einen Fall auch vom Zeugen R. bestätigt worden ist. Gegen die Einlassung des Soldaten spricht auch, dass die Zeugin Te. wiederholt, konkret und widerspruchsfrei bestätigt hat, im angegebenen Zeitraum Januar/Februar 2005 mit der Zeugin Bl. über ein bevorstehendes Treffen mit dem Soldaten gesprochen zu haben. Als die Zeugin Bl. zurückgekommen sei, habe sie angedeutet, mit dem Soldaten erneut intim geworden zu sein; das Gesicht der Zeugin Bl. sei leicht errötet gewesen.

35 Wenig glaubhaft sind die Einlassungen des Soldaten noch aus weiteren Gründen. Bezüglich des Kerngeschehens ist es für den Senat schwer nachvollziehbar, warum der Soldat in der Nacht vom 2. auf den 3. April 2005 ohne zu zögern den Raum 2 des Hauses I als Schlafplatz wählte, obwohl er wusste, dass sich dort nur die Zeugin Bl. aufhielt. Nach eigenen Angaben hatte er nach dem ersten Geschlechtsverkehr in der Silvesternacht 2004/2005 bis zum Zeitpunkt des angeschuldigten Vorfalls stets peinlich genau darauf geachtet, mit der Zeugin Bl. nicht alleine zu sein. Obwohl der Soldat also - aus Angst vor persönlichen Nachteilen - über einen relativ langen Zeitraum immer wieder versucht haben will, der Zeugin Bl. auszuweichen und nur in Anwesenheit Dritter mit ihr zusammen zu sein, stellte er nun ohne Not alle bisherigen Bedenken hinten an und begab sich ausgerechnet in die sehr verfängliche Situation, mit der ihm damals direkt unterstellten Zeugin alleine in einem Raum zu übernachten. Seine diesbezügliche Einlassung, er sei übermüdet gewesen und nach der Alarmierung der Einheit wegen eines möglichen Vorfalls im „Serbenviertel“ so in Anspruch genommen worden, dass er sich keine Gedanken darüber gemacht habe, überzeugt nicht. Nachdem der Soldat von der Patrouille zurückgekommen und die Alarmierung beendet worden war, hielt er sich noch ca. 20 Minuten rauchend im Gefechtsstand auf. Er ging dann in den Schlafraum 1, holte seine Sachen und informierte seine Kameraden über seine Absicht, nun im Raum 2 schlafen zu wollen. Er hatte genügend Zeit, sich über die Situation Gedanken zu machen. Zudem war er nicht gezwungen, im Raum 2 zu übernachten, da anderweitige Ausweichmöglichkeiten vorhanden waren. Das Haus II verfügte ebenfalls über zwei Schlafräume. Auch dort wäre der Soldat in einem Notfall augenblicklich erreichbar gewesen. Schließlich schlief er in dieser Nacht ohnehin nicht, sondern stand bereits um 3.00 Uhr wieder auf und verblieb bis zum Wecken im Gefechtsstand.

36 Ferner spricht gegen die Einlassung des Soldaten, dass die Zeugin Bl. nachweislich mehrere SMS an den Zeugen R. sendete, die das dem Soldaten zur Last gelegte Verhalten relativ genau beschreiben. Die erste SMS erhielt der Zeuge R. um 0.41 Uhr. Es handelte sich dabei um einen Hilferuf der Zeugin Bl., wonach sie der Soldat gerade belästige - also zu einem Zeitpunkt, als die Zeugin Bl. sich nachweislich zusammen mit dem Soldaten im Raum 2 des Hauses I aufhielt. Auch die Aussage des Zeugen R., wonach die Zeugin Bl., als sie ca. 20 Minuten später wieder in den Gefechtsstand heruntergekommen sei, verängstigt und verstört gewirkt habe, indiziert das Vorliegen eines für sie „unerfreulichen Ereignisses“. In den weiteren zwischen dem Zeugen R. und der Zeugin Bl. bis ca. 2.02 Uhr ausgetauschten vier SMS, legte diese zwar bruchstückhaft, jedoch relativ detailliert dar, was sich im Raum 2 ereignet haben soll. Die Einlassung des Soldaten, die Zeugin Bl. habe sich dies ausgedacht, weil sie über die Zurückweisung weiteren Geschlechtsverkehrs verärgert gewesen sei, ist wenig glaubhaft. Nach eigenen Angaben ist er davon ausgegangen, die Zeugin Bl. wolle nicht sofort Geschlechtsverkehr haben, sondern sei nur daran interessiert gewesen, zu erfahren, ob dies zu einem späteren Zeitpunkt möglich wäre. Seine ablehnende Antwort sei höflich formuliert und nicht zwingend als „abschließend“ zu verstehen gewesen. Wenn dem so war, hätte es näher gelegen, den Soldaten nicht zu verärgern, sondern sich im Gegenteil weiterhin „gut“ mit ihm zu stellen, um das angestrebte Ziel möglicherweise später doch noch erreichen zu können. Gegen eine ungerechtfertigte Belastungsabsicht der Zeugin spricht auch, dass ihr die Zeit dafür gefehlt haben dürfte, sich den anschließenden Geschehensablauf ausgedacht zu haben. Weil es durch die Zeugin Bl. nie zu einer Meldung des Vorfalls kam, hätte sie, sofern sie den Soldaten ungerechtfertigterweise belasten wollte, in wenigen Minuten vorausplanen müssen, dass andere Kameraden ihren Schilderungen Glauben schenken und anschließend ihrerseits tätig werden würden. Dementsprechend hätte sie wollen und voraussehen müssen, dass der Zeuge R. trotz der von ihr versandten „Hilferuf-SMS“ „still“ hielte und die erst später informierten Zeugen Te., Ko. und Bä. ihrer ausdrücklich erklärten Bitte, den Vorfall nicht zu melden, zuwiderhandeln würden. Zudem spricht gegen ein geplantes Vorgehen, dass die Zeugin Bl. nicht wissen konnte, dass der Zeuge R. ihre um 0.41 Uhr versandte SMS erst wesentlich später lesen würde. Sie hätte im Gegenteil damit rechnen müssen, dass dieser ihr sofort zu Hilfe kommen würde, womit der Plan aber gescheitert wäre. Auch die äußeren Umstände sprechen für eine Täterschaft des Soldaten. Er war mit der Zeugin Bl. allein im Raum. Die im benachbarten Unterkunftsraum befindlichen beiden Österreicher und der Hauptgefreite D. schliefen fest. Die Zeugin Bl. war dem Soldaten in sexueller Hinsicht nicht unbekannt; sie hatten im Vorfeld miteinander einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt. Somit ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Soldat in der Nacht vom 2. auf den 3. April 2005 die sich ihm bietende Gelegenheit nutzte und versuchte, einen dritten Intimverkehr einzufordern. Das diesbezügliche Risiko war für ihn als gering einzuschätzen, da er durchaus damit rechnen konnte, die Zeugin würde auch ein weiteres Mal ihr Einverständnis erteilen. Zumindest musste der Soldat nicht davon ausgehen, die Zeugin Bl. würde den Vorfall melden. Auch die Einlassung der Verteidigung, die Ausübung des Sexualverkehrs im Raum 2 sei viel zu „gefährlich“ gewesen, da im Gefechtsstand andere Kameraden anwesend und die Wände nicht schalldicht gewesen seien, vermag nicht zu überzeugen. Bereits in der Silvesternacht 2004/2005 ließ sich der Soldat nicht davon abschrecken, während neben ihm ein Kamerad schlafend im Bett lag, den Geschlechtsverkehr mit der Zeugin Bl. zu vollziehen. Auch beim zweiten intimen Kontakt im Aufenthaltsraum der Staffel bestand nach Angaben des Soldaten die Möglichkeit der Entdeckung. Darum ist nicht auszuschließen, dass der Soldat in O. ein vergleichbares Risiko ein drittes Mal auf sich nahm. Insbesondere musste er, sofern er anfangs eine Einwilligung der Zeugin Bl. in den Intimverkehr erwartet hatte, aufgrund der Erlasslage, die dies zumindest außerhalb des Dienstes nicht untersagt, mit keinen oder zumindest nicht mit erheblichen dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen.

37 Trotz der dargelegten, für eine Täterschaft des Soldaten sprechenden Anhaltspunkte und Umstände ist im Rahmen der Gesamtwürdigung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel dennoch nicht gänzlich auszuschließen, dass der Soldat die Tat, zumindest so wie angeschuldigt, nicht beging.

38 Nicht ausräumbare vernünftige Zweifel am Wahrheitsgehalt der den Soldaten belastenden Aussagen der Zeugin Bl. liegen vor allem in deren Aussageverhalten und ihrer daraus resultierenden mangelnden Glaubwürdigkeit begründet. Die Tatsache, dass die Zeugin Bl. den Senat in der Berufungshauptverhandlung bewusst belogen hat, lässt sie nicht in dem Maße glaubwürdig erscheinen, wie es für eine letztlich auf ihren Aussagen basierende Verurteilung des Soldaten notwendig gewesen wäre. In der Verhandlung vor dem Truppendienstgericht hat die Zeugin Bl. erstmals bekundet, im Januar/Februar 2005 sei es zwischen ihr und dem Soldaten zu einem zweiten Geschlechtsverkehr gekommen. Sie hat dabei angegeben, sie habe diese Tatsache in der ersten Vernehmung durch den Disziplinarvorgesetzten nicht erwähnt, da sie ihr unangenehm gewesen sei, wolle aber nun aussagen, um ihre ins Wanken geratene Glaubwürdigkeit zu erhöhen. In der Berufungshauptverhandlung, nachdem die Zeugin mehrfach zur Wahrheit belehrt worden war, hat sie hingegen zunächst bekundet, nach Silvester 2004/2005 habe kein weiterer Geschlechtsverkehr mit dem Soldaten stattgefunden. Trotz des Vorhalts ihrer vor dem Truppendienstgericht davon abweichenden Aussage hat die Zeugin Bl. jedoch weiter den zweiten Intimverkehr sinngemäß mit den Worten abgestritten, es stimme nicht und sie könne sich nicht daran erinnern, dieses vor dem Truppendienstgericht zu Protokoll gegeben zu haben. Erst auf den nachdrücklichen Hinweis des Senats, durch die Aussage der Zeugin Te., die im Laufe der Berufungshauptverhandlung noch vernommen werde, könne unter Umständen der Nachweis eines zweiten Intimkontakts erbracht werden, hat die Zeugin Bl. eingeräumt, es sei im Januar oder Februar 2005 tatsächlich zu einem weiteren Geschlechtsverkehr mit dem Soldaten gekommen. Somit steht fest, dass die Zeugin ausweislich ihrer eigenen Angaben bewusst vor Gericht zunächst die Unwahrheit gesagt hat. Zwar muss nicht jede Lüge eines Zeugen automatisch zu einem vollständigen Verlust seiner Glaubwürdigkeit führen. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende unwahre Aussage zwar das Kerngeschehen nicht direkt betrifft, es aber zumindest mittelbar berührt. Sowohl bei dem zweiten Geschlechtsverkehr als auch bei der angeschuldigten Tat handelt es sich um intime Kontakte zwischen der Zeugin Bl. und dem Soldaten während desselben Einsatzes und unter ähnlich gelagerten äußeren Umständen. Der Frage, ob und wie oft es vor dem angeschuldigten Ereignis zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr kam, kommt insofern eine indizielle Bedeutung für ihre Glaubwürdigkeit zu, als daraus Rückschlüsse für die Bewertung der Persönlichkeit und der grundsätzlichen Verhaltensweisen der Beteiligten gezogen werden können. Folglich kann der Senat nicht ausschließen, dass eine Zeugin, die trotz Nachfrage und Vorhalts früherer einschlägiger Aussagen vorsätzlich über eine den konkreten Fall tangierende Tatsache falsches Zeugnis ablegt, nicht auch in Bezug auf das Kerngeschehen nicht in vollem Umfang die Wahrheit gesagt hat.
Zudem hat die Zeugin Bl. weitere Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit dadurch begründet, dass sie, obwohl ihre durchaus von einer gewissen Originalität und Individualität geprägten Einlassungen ansonsten nicht auf einen Belastungseifer schließen ließen, immer dann bemüht gewesen ist, neue, den Soldaten belastende Umstände „nachzulegen“, wenn sie vermutet hat, sonst unglaubwürdig zu wirken. So hat sie, solange sie davon ausgegangen ist, das Verschweigen des zweiten Intimverkehrs sei ihr nicht nachzuweisen, diesen nicht offenbart. Erst als sie befürchten musste, die Lüge könne im Rahmen einer noch folgenden Zeugenvernehmung offenkundig werden, hat sie sich berichtigt. Auf den Vorhalt, für das Verfassen der „Hilferuf-SMS“ an den Zeugen R. nur sehr kurze Zeit zur Verfügung gehabt zu haben, hat sie in der Berufungshauptverhandlung erstmalig ausgesagt, sie habe dem Soldaten, nachdem er kurz an der Treppe gehorcht habe und zu ihr zurückkehren wollte, erneut bedeutet, etwas gehört zu haben, worauf dieser wieder zur Tür und erst danach zur ihr zum Bett zurückgegangen sei. Somit sei ihr genügend Zeit für die Versendung der SMS geblieben. Ferner hat sie - nach dem genauen Tatverlauf befragt - nicht hinreichend bestimmt darlegen können, wo der Soldat zum Zeitpunkt der vorgeblichen Tatausführung an ihrem Bett gestanden hat. Stattdessen hat sie erstmalig und spontan angegeben, den Geruch, der vom Geschlechtsteil des Soldaten ausgegangen sei, „noch genau in der Nase zu haben“.
Diese letztere Einlassung begründet aber auch in der Sache Zweifel an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage. Die Zeugin Bl. hat bekundet, die schmalere Frontseite ihres ca. 2 m langen Bettes mit einer Feldbluse und die Längsseite zur Hälfte mit einer Pferdedecke verhängt zu haben. Sie habe dabei mit dem Oberkörper hinter der Decke gelegen. Wiederholt, auch auf Nachfrage, hat sie angegeben, sie habe sich nur zur Seite gedreht und sofort den Soldaten erkannt, der direkt vor ihrem Gesicht gestanden habe. Ihre Darstellung des Tatgeschehens, insbesondere ihre Aussage, sie habe den Geruch seines Geschlechtsteils noch genau in der Nase, wäre aber nur nachvollziehbar, wenn sich die körperlich große Zeugin Bl., die im unteren Etagenbett lag, weit nach vorne aus dem Bett heraus gebeugt oder die Pferdedecke entfernt bzw. zur Seite geschoben hätte. Hätte die Zeugin Bl. sich, wie sie immer wieder angegeben hat, lediglich zur Seite gedreht, hätte sie auf die Pferdedecke geschaut, sodass sich der Soldat bzw. dessen Geschlechtsteil unmöglich direkt vor ihrem Gesicht hätte befinden können. Trotz Hinweises auf die Widersprüchlichkeit ihrer Aussage hat die Zeugin Bl. daran festgehalten. Sie war sich sicher, dass die Decke nicht abgenommen worden war, hat sich aber auch nicht daran erinnern können, ob diese zur Seite geschoben wurde. Auf weitere Nachfrage hat sie erklärt, dass man die Decke sicher hätte wegschieben „können“, ob es so war, wisse sie nicht. Die Zeugin Bl. wirkte in diesem Moment unsicher, sagte ausweichend und abwartend aus und vermochte nicht zwischen tatsächlich Geschehenem und von ihr lediglich Vermutetem zu unterscheiden. Offensichtlich bemüht, sich nicht weiter in Widersprüche zu verstricken, hat sie es zunehmend vermieden sich festzulegen; stattdessen hat sie mehrfach Fragen mit Gegenfragen „beantwortet“. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass die Zeugin Bl. durch tatsächlich gegebene Erinnerungslücken verunsichert gewesen sein könnte, lassen sich aufgrund der Widersprüchlichkeit und Lückenhaftigkeit des von ihr mehrfach geschilderten Tatverlaufs sowie ihres diesbezüglichen Aussageverhaltens letzte Zweifel an der Täterschaft des Soldaten nicht ausräumen.

39 Schließlich liegen nach Auffassung des Senats weitere Umstände vor, die zumindest geeignet sind, Zweifel am Wahrheitsgehalt der belastenden Aussagen hervorzurufen. Fraglich bleibt zunächst, ob die Zeugin Bl. die „Hilferuf-SMS“ von 0.41 Uhr in dem ihr zur Verfügung stehenden kurzen Zeitraum, von ihr selbst mit 15 Sekunden eingeschätzt, faktisch überhaupt schreiben und versenden konnte. Das Bett der Zeugin Bl. befand sich ca. 1,5 m von der Tür entfernt. Demnach musste der Soldat, als er nachsehen wollte, ob jemand die Treppe hochkam, lediglich zwei bis drei Schritte machen. Dafür benötigte er allenfalls 2 bis 3 Sekunden. Unterstellt, er habe noch weitere 5 Sekunden an der Tür zur Treppe gehorcht und sei weitere 2 bis 3 Sekunden später wieder bei der Zeugin gewesen, hätte er ca. 10 bis 15 Sekunden für diesen Vorgang gebraucht. Selbst wenn er, wie die Zeugin Bl. behauptet hat, noch einmal kurz zur Tür zurückgekehrt sein sollte, oder erneut an der Tür verweilt hätte, dürfte es insgesamt nicht länger als 20 bis 30 Sekunden gedauert haben, bis er wieder vor dem Bett der Zeugin stand. In dieser Zeit hätte die Zeugin ihr neben dem Kopf abgelegtes Handy in die Hand nehmen, einen aus 12 Worten bestehenden Text schreiben, die Telefonnummer des Zeugen R. suchen, die SMS versenden und dabei vermeiden müssen, vom Soldaten „ertappt“ zu werden. Letztlich lässt sich allerdings nicht mit hineichender Sicherheit feststellen, wie viel Zeit die Zeugin Bl. tatsächlich zur Verfügung hatte, um den Text zu verfassen und zu versenden, sodass eine Überprüfung ihrer praktischen Fähigkeiten im Umgang mit dem Mobiltelefon in der Hauptverhandlung wenig sinnvoll gewesen wäre.

40 Wenig nachvollziehbar ist zudem, dass sich die Zeugin Bl. gegen 2.00 Uhr, nachdem sie sich per SMS mit dem Zeugen R. über die vorgebliche Tat des Soldaten ausgetauscht hatte, erneut in den Raum 2 begab, in dem sich der Soldat noch immer befand. Kurz zuvor hatte sie dem Zeugen R. geschrieben: „Ich gehe jetzt hoch und lege mich in meinen Schlafsack. Wenn er es nochmals versucht, zieht er seine Bluse aus. Habe Angst! Na ja, gute Nacht.“ Hätte sie Angst vor dem Soldaten gehabt und hätte sie sich von seinem Handeln nachhaltig betroffen gefühlt, wäre es zumindest naheliegend gewesen, sie wäre im „sicheren“ Gefechtsstand geblieben oder hätte sich ins Haus II begeben. Zudem schlief sie, nachdem sie in den Raum 2 zurückgekehrt war, sofort ein, was weniger auf eine Ängstlichkeit hindeutet, sondern mehr für eine gewisse Unbekümmertheit der Zeugin angesichts des von ihr bekundeten Vorverhaltens des Soldaten und ihrer dadurch möglicherweise ausgelösten Ängste spricht.

41 Ferner werden Zweifel am Wahrheitsgehalt der Bekundungen der Zeugin Bl. dadurch begründet, dass sie mit dem Zeugen R. ausschließlich per SMS kommunizierte. Sofern man der Zeugin glaubte, sie habe nicht in Gegenwart der anderen Kameraden, wie z.B. dem Zeugen Op., über den Vorfall reden wollen, bleibt ungeklärt, warum sie nicht mit dem Zeugen R., den sie um Hilfe ersucht hatte, nach draußen ging, um sich mit ihm zu unterhalten. Sie hat dafür keine plausible Erklärung zu geben vermocht. Nach Aussage des Zeugen Op. bestand dazu jederzeit die Möglichkeit und es wäre auch nicht auffällig gewesen, etwa unter dem Vorwand, rauchen oder die Toilette benutzen zu wollen, auf den Hof zu gehen. Zudem trafen sich beide vor dem Gebäude ohnehin, als der Zeuge R. die Toilette aufsuchte, nutzten aber auch diese Gelegenheit nicht zur Erörterung des Vorgefallenen.

42 Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme vermag der Senat bei einer Gesamtwürdigung der den Soldaten be- und entlastenden Beweismittel und Umstände nicht die im Sinne des § 261 StPO erforderliche Gewissheit von der Täterschaft des Soldaten zu gewinnen. Denn insgesamt verbleiben aus den dargelegten Gründen trotz der den Soldaten erheblich belastenden Umstände nicht ausgeräumte vernünftige Zweifel daran, dass der Soldat die ihm in der Anschuldigungsschrift zur Last gelegte Tat begangen hat. Da andere Beweismittel zum Nachweis des angeschuldigten Verhaltens nicht ersichtlich sind, ist der Soldat daher nach dem gemäß Art. 20 Abs. 1 und 3 GG (Rechtsstaatsgebot) auch im Wehrdisziplinarrecht geltenden (stRspr, siehe auch Urteile vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 <375> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214 und vom 16. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252 <insoweit nicht veröffentlicht>) rechtsstaatlichen Zweifelssatz („in dubio pro reo“) von dem Vorwurf eines Dienstvergehens freizusprechen.

43 Da die Berufung des Soldaten damit Erfolg hatte, sind die Kosten des Verfahrens gemäß § 139 Abs. 1 Satz 1 WDO und die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen gemäß § 140 Abs. 1 WDO dem Bund aufzuerlegen.