Beschluss vom 17.06.2004 -
BVerwG 9 B 25.04ECLI:DE:BVerwG:2004:170604B9B25.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.06.2004 - 9 B 25.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:170604B9B25.04.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 25.04

  • OVG Rheinland-Pfalz - 21.01.2004 - AZ: 9 C 11010/03.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juni 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter
am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r und Prof. Dr. R u b e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Flurbereinigungsgericht für Rheinland-Pfalz und das Saarland) vom 21. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Auch unter Berücksichtigung ihres Schriftsatzes vom 15. Juni 2004 haben die Kläger keinen Zulassungsgrund dargelegt.
1. Die Sache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Beschwerde hält zunächst die Frage für klärungsbedürftig, unter welchen Voraussetzungen eine Wirtschaftseinheit vorliegt. Ihr gelingt es aber nicht aufzuzeigen, dass sich diese Frage in einem Revisionsverfahren stellen würde, obwohl das Flurbereinigungsgericht sie unter Hinweis auf die Rechtskraft seines Urteils vom 21. Oktober 1997 - 9 C 11209/96.OVG - als nicht entscheidungserheblich behandelt hat. Die Frage nach den Voraussetzungen für die Annahme einer Wirtschaftseinheit hätte sich demnach nur dann gestellt, wenn die Rechtssache vom Flurbereinigungsgericht anders entschieden worden wäre, nämlich ohne Rückgriff auf die Rechtskraftwirkung der genannten Vorentscheidung.
Die Beschwerde greift die Erwägungen zur "Rechtskrafterstreckung" zwar als rechtsfehlerhaft an, vermag aber auch in diesem Zusammenhang eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzuwerfen. Das gilt insbesondere für die von der Beschwerde formulierte weitere Frage, die wie folgt lautet:
"Liegt ein rechtswidriger Ermessensfehl- bzw. -nichtgebrauch dann vor, sofern im Falle der Umsetzung einer Änderungsmitteilung des Grundbuchamtes während eines Flurbereinigungsverfahrens gegenüber einer Erbengemeinschaft in einem Nachtrag Änderungen im Flurbereinigungsplan an Parzellenzuteilungen vorgenommen werden, ohne erneute Prüfung, ob die jeweiligen davon betroffenen Eigentümer wertgleich abgefunden sind. Stellt dieser Ermessensfehl- oder –nichtgebrauch in diesem Falle einen Verstoß gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze im Sinne der §§ 133, 157 BGB sowie gegen die Rechtskraftlehre dar?"
Hiermit wenden sich die Kläger dagegen, dass sich aus dem Urteil vom 21. Oktober 1997, obwohl dort "zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen", nach Ansicht des Flurbereinigungsgerichts ergibt, dass "auch die Abfindung der Kläger in Wirtschaftseinheit rechtskräftig gebilligt" worden ist (UA S. 11). Damit werden aber von der Beschwerde lediglich den konkreten Einzelfall betreffende Fragen aufgeworfen, die auch nicht dadurch verallgemeinerungsfähig werden, dass die Beschwerde die vom Flurbereinigungsgericht tragend gemachte Überlegung zur Rechtskraftwirkung mit dem Hinweis auf allgemeine Auslegungsgrundsätze und die Rechtskraftlehre in Zweifel zieht.
2. Die Beschwerde kann auch nicht mit ihrer Divergenzrüge (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) durchdringen.
Eine Abweichung von dem im Verfahren 9 C 11209/96.OVG auf die Beschwerde der Kläger hin ergangenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1998 - BVerwG 11 B 9.98 - wird von der Beschwerde nicht dargelegt, weil sie nicht aufzeigt, dass das Flurbereinigungsgericht in einem von ihm aufgestellten Rechtssatz einem der vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Rechtssätze widerspricht. Um einen solchen Widerspruch aufzuzeigen, reicht es nämlich nicht aus, dass die Beschwerde lediglich rügt, das Flurbereinigungsgericht sei in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu fehlerhaften Ergebnissen gelangt oder die Anwendung der dort aufgestellten Rechtssätze sei zumindest fehlerhaft unterblieben.
3. Auch die von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
Eine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht oder des Anspruchs auf rechtliches Gehör wird mit der wörtlichen Wiedergabe der klägerischen Schriftsätze aus der Vorinstanz nicht dargelegt. Die Kläger hatten im Gegenteil bereits in ihrer Klagebegründung vom 8. August 2003 ihren Standpunkt deutlich gemacht, dass bei der Abfindung fehlerhaft auf die angebliche Wirtschaftseinheit abgestellt worden sei. Von daher ist es nicht nachvollziehbar, warum die Kläger - obwohl sie anwaltlich vertreten waren - meinen, in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2004 hierzu nicht ausreichend Gehör gefunden zu haben. Das gilt ebenso für den in der Klageerwiderung vom 11. September 2003 vom Beklagten formulierten Standpunkt, die Bindung an das rechtskräftige Urteil vom 21. Oktober 1997 stehe einer erneuten Prüfung der streitigen Frage der Wirtschaftseinheit entgegen. Es wäre Sache der Kläger gewesen, in der mündlichen Verhandlung ggf. auch Beweisanträge zu stellen. Der nachgereichte Schriftsatz vom 27. Januar 2004 wird von der Beschwerde anscheinend deswegen zitiert, um den Eindruck zu erwecken, für das Flurbereinigungsgericht habe die Verpflichtung bestanden, den Klägern durch Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit zu geben, solche Beweisanträge oder zumindest ergänzende Ausführungen nachzuholen. Dabei wird aber übersehen, dass die Möglichkeit, nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zu beschließen, im revisionsgerichtlich nicht überprüfbarem Ermessen der Tatsacheninstanz liegt und zumindest im Falle der Versäumnis einer Antragstellung auch unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs ein Anspruch auf Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung ausscheidet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2001 - BVerwG 9 B 50.01 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95).
Soweit die Beschwerde darüber hinaus einen Verstoß gegen den Grundsatz der richterlichen Überzeugungsbildung (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) rügt, wird dies von ihr mit einer angeblich unzulässigen Überdehnung der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 21. Oktober 1997 begründet. In Wirklichkeit wird insoweit demnach kein Verfahrensfehler, sondern eine Verletzung materiellrechtlicher Normen geltend gemacht, ohne dass diesbezüglich ein Zulassungsgrund vorliegt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.