Beschluss vom 17.10.2002 -
BVerwG 5 B 20.02ECLI:DE:BVerwG:2002:171002B5B20.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.10.2002 - 5 B 20.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:171002B5B20.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 20.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 14.12.2001 - AZ: OVG 2 A 187/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Oktober 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. R o t h k e g e l und Dr. F r a n k e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Der in der Russischen Föderation lebende Kläger zu 1 und seine Kinder, die Kläger zu 3 - 5, sind nach den im Kriege eingebürgerten Eltern des Klägers zu 1 deutsche Staatsangehörige (vgl. den am 22. März 1998 von der Freien und Hansestadt Hamburg erteilten Staatsangehörigkeitsausweis, Bl. 118 der Verwaltungsakte). Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Kläger einschließlich der Klägerin zu 2, der Ehefrau des Klägers zu 1 und Mutter der Kläger zu 3 - 5, aufgrund ihres 1991 gestellten Antrages einen Aufnahmebescheid nach altem oder nach neuem Recht, eine Übernahmegenehmigung oder - mit Blick auf die nach Antragstellung eingetretenen, für sie nachteiligen Rechtsänderungen - die Feststellung der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches verlangen können.
Das Verwaltungsgericht hat die Klagen, die mit dem Hauptantrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß §§ 26, 27 BVFG in der bis 31. Dezember 1992 geltenden Fassung und mit Hilfsanträgen auf die Erteilung eines Aufnahmebescheides gemäß § 27 Abs. 1 BVFG derzeitiger Fassung auf die Erteilung einer Übernahmegenehmigung zur Familienzusammenführung gemäß § 94 BVFG (in der bis 31. Dezember 1992 geltenden Fassung) bzw. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides vom 27. August 1992 gerichtet waren, abgewiesen. Da die Kläger das Aussiedlungsgebiet noch nicht verlassen hätten, komme für das Aufnahmebegehren die Anwendung des Bundesvertriebenengesetzes nur in der Fassung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes in Betracht; darin liege kein Verstoß gegen Verfassungsrecht. Der Kläger zu 1 erfülle nicht die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG. Es könne nicht festgestellt werden, dass er zum jetzigen Zeitpunkt die deutsche Sprache umfassend beherrsche und in flüssiger Form - entsprechend seiner Herkunft und seinem Bildungsstand - spreche. Im Antragsvordruck sei angegeben, dass er die deutsche Sprache lediglich verstehe; in den ergänzenden Angaben des Vaters des Klägers zu 1 zum Sprachvermögen sei angegeben, dass der Kläger zu 1 Deutsch "wenig" verstehe und "nur einzelne Wörter" spreche. Bei seiner Zeugenvernehmung vor der Kammer habe der Vater des Klägers zu 1 erklärt, bei seinen Kindern sei "alles Russisch zugegangen", "etwas Deutsch" hätten sie aber gesprochen. Dem Antrag auf Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers zu 1 habe nicht entsprochen werden müssen, da der Sachverhalt durch die schriftlichen Angaben sowie durch die Zeugenerklärung geklärt sei und der Kläger zu 1 auch ohne Anordnung des persönlichen Erscheinens am Termin zur mündlichen Verhandlung hätte teilnehmen können. Auch ein Anspruch des Klägers zu 1 auf Einbeziehung in den Aufnahmebescheid seines Vaters scheide aus, da dieser das Aussiedlungsgebiet bereits vor dem 1. Januar 1993 verlassen habe. Die Kläger zu 3 - 5 erfüllten wegen der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Vaters, des Klägers zu 1, zwar die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BVFG, doch habe der Kläger zu 1 ihnen mangels eigener Sprachkenntnisse die deutsche Sprache nicht im erforderlichen Maße vermitteln können. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Erteilung einer Übernahmegenehmigung sei als Klageänderung mangels Sachdienlichkeit unzulässig; insoweit fehle es bereits an einem verwaltungsverfahrensrechtlichen Antrag und dem erforderlichen Vorverfahren. Unzulässig sei auch der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 27. August 1992. Die zu Ungunsten der Kläger eingetretene Änderung der Rechtslage sei schon vor Klageerhebung erfolgt, so dass ein Feststellungsinteresse nicht anzuerkennen und für den erstrebten Schadensersatz die unmittelbare Anrufung des Zivilgerichts zumutbar sei.
Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Kläger könnten nach dem nunmehr geltenden Recht keinen Aufnahmebescheid beanspruchen und hätten auch keinen Anspruch, so gestellt zu werden, als ob ihnen ein Aufnahmebescheid bis zum 31. Dezember 1992 erteilt worden wäre. Etwaige Nachteile aus einer - unterstellt - rechtswidrigen Entscheidung des Bundesverwaltungsamtes seien ausschließlich im Wege des Staatshaftungsrechts geltend zu machen; davon abgesehen enthalte der Aufnahmeantrag keine erheblichen Hinweise auf einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Vater des Klägers zu 1 vor 1945.
Die Voraussetzungen der Erteilung eines Aufnahmebescheides nach der derzeit geltenden Gesetzesfassung des Bundesvertriebenengesetzes (Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1993, BGBl I S. 829, zuletzt geändert durch das Spätaussiedlerstatusgesetz vom 30. August 2001, BGBl I S. 2266) seien nicht erfüllt, da der Kläger zu 1 die deutsche Sprache nicht in einer Weise beherrsche, die ihn befähige, ein einfaches Gespräch in Deutsch zu führen (§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Sprachvermögen des Klägers zu 1, denen auch im Berufungsverfahren kein neuer Tatsachenvortrag entgegengestellt worden sei, und aufgrund des gesamten Akteninhalts sei davon auszugehen, dass der Kläger zu 1 nur "einzelne Wörter" bzw. "wenig" spreche und nicht in der Lage sei, ein einfaches Gespräch auf Deutsch zu führen. Der Maßstab eines einfachen Gesprächs setze zumindest voraus, dass ein Gespräch in Rede und Gegenrede in ganzen Sätzen über Bereiche des täglichen Lebens möglich sei. Da die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Sprachvermögen des Klägers zu 1 nicht substantiiert bestritten worden seien, habe der Senat keinen Anlass, hierzu Zeugen oder den Kläger zu 1 persönlich zu laden, um ihn selbst zu hören; es sei nicht dargelegt, dass er über die bisherigen Angaben hinausgehende Sprachkenntnisse verfüge, und es habe ihm freigestanden, zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu erscheinen. Einer Anordnung des persönlichen Erscheinens habe es hierzu nicht bedurft. Einer Aufenthaltsgenehmigung hätten die Kläger zu 1 und 3 - 5 als deutsche Staatsangehörige nicht bedurft.
Die hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch.
Die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wirft als klärungsbedürftig die Frage "der Anwendung des neuen oder alten Rechts im Falle von deutschen Staatsangehörigen oder Vertriebenen" auf und macht geltend, der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) verbiete es, für den schon 1991 gestellten Aufnahmeantrag der Kläger, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit nachgewiesen hätten, die ungünstigen Rechtsänderungen (namentlich durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz und spätere Gesetze) zugrunde zu legen. Die Fragen der Anwendung neuen oder alten Rechts sind, wie den Prozessbevollmächtigten der Kläger aus zahlreichen anderen Verfahren (vgl. etwa Beschluss des Senats vom 26. Juni 2002 - BVerwG 5 B 19.02 -) bekannt ist, revisionsgerichtlich geklärt (zur Maßgeblichkeit der durch das Spätaussiedlerstatusgesetz vom 30. August 2001, a.a.O., geschaffenen Rechtslage für noch nicht abgeschlossene Verfahren vgl. die Urteile des Senats vom 12. März 2002 - BVerwG 5 C 2.01 u.a. -); ebenfalls geklärt ist, dass das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot der Einführung der teilweise strengeren Kriterien für die Beurteilung der deutschen Volkszugehörigkeit nach dem 31. Dezember 1923 geborener Personen durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2094) nicht entgegensteht (vgl. BVerwGE 99, 133 <136>). Es bedarf auch nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens um zu klären, dass dies auch für deutsche Staatsangehörige gilt, die für die Einreise keines Aufnahmebescheides bedürfen, eine Aufnahme als Vertriebene aber nur noch unter den Voraussetzungen der für sie geltenden Änderungen des Bundesvertriebenengesetzes erwirken können. Das Gebot effektiver Rechtsschutzgewährung verleiht auch keinen weitergehenden Schutz vor Rechtsänderungen während des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens. Rechtsgrundsätzlich bedeutsame Fragen weiterreichender Art werden von der Beschwerde nicht vorgetragen. Der Behauptung, die deutsche Staatsangehörigkeit der Kläger zu 1 und 3 - 5 habe bereits im Verwaltungsverfahren festgestanden, steht die nicht mit beachtlichen Revisionsrügen angegriffene Feststellung der Vorinstanz entgegen, der Aufnahmeantrag enthalte keine erheblichen Hinweise auf einen Wechsel der Staatsangehörigkeit des Vaters des Klägers zu 1 vor 1945; bei allen einschlägigen Fragen sei als Staatsangehörigkeit lediglich "russisch" angegeben.
Die mit Blick auf die Nichtanhörung von Zeugen sowie die Ablehnung der Parteivernehmung der Kläger erhobene Aufklärungs- und Gehörsrüge lässt es schon an der erforderlichen Darlegung fehlen, welche weiteren konkreten Angaben von welchen Personen noch zu erwarten gewesen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 GKG.