Beschluss vom 18.03.2004 -
BVerwG 1 B 16.03ECLI:DE:BVerwG:2004:180304B1B16.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.03.2004 - 1 B 16.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:180304B1B16.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 16.03

  • Hamburgisches OVG - 04.10.2002 - AZ: OVG 4 Bf 37/96.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. März 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die in erster Linie auf Verfahrensfehler durch Verletzung der Aufklärungspflicht infolge der Ablehnung von hilfsweise gestellten Beweisanträgen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die behaupteten Aufklärungsmängel sind schon nicht in einer Weise dargelegt, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.
Die Beschwerde beanstandet zunächst, der auf die psychische Erkrankung der Klägerin zu 2 bezogene, in der Berufungsverhandlung hilfsweise gestellte Beweisantrag 5 werde im Berufungsurteil "nicht umfassend abgehandelt". Dieser auf die Gefahr einer Retraumatisierung bei der Rückkehr in die Türkei abstellende Beweisantrag werde "zu eng verstanden, wenn lediglich auf menschenrechtswidrige Verhöre bzw. übliche (normale) polizeiliche Vernehmungen abgestellt" werde. Der Beweisantrag beziehe "(bei genauer grammatischer Betrachtung) die Gefahr der Re-Traumatisierung und der lebensbedrohlichen Gesundheitsgefährdung generell auf die Rückkehr in die Türkei", was sich auch aus den Angaben der Klägerin zu 2 in der Verhandlung vor dem Berufungsgericht ergebe, sie könne im Falle ihrer Abschiebung gut daran denken, sich das Leben zu nehmen. Der angebotene sachverständige Zeuge W. hätte auf Befragen erläutert, dass die "mit der Rückkehr in die Türkei verbundene Konfrontation der Klägerin zu 2 mit ihrem Heimatstaat und dessen uniformierten Funktionsträgern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Re-Traumatisierung und lebensbedrohlicher Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geführt hätte". Damit wird der behauptete Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nicht schlüssig bezeichnet. Das ergibt sich zum einen bereits daraus, dass der Wortlaut des Hilfsbeweisantrags in der Beschwerdebegründung nicht mitgeteilt wird, obwohl ohne dessen Kenntnis nicht beurteilt werden kann, ob die zur Grundlage der Verfahrensrüge gemachten Behauptungen zutreffen. Auch wenn man den Hilfsbeweisantrag im Wortlaut heranzieht und berücksichtigt (vgl. Niederschrift über die Berufungsverhandlung mit Anlage, GA S. 209 ff., 227 und 230), ist der behauptete Aufklärungsmangel des Berufungsgerichts nicht schlüssig vorgetragen. Die Beschwerde sieht nämlich eine fehlerhafte Behandlung ihrer Beweisanregung darin, dass das Berufungsgericht das Beweisthema nicht ausgeschöpft und der in dem Beweisantrag bei richtiger Auslegung enthaltenen Behauptung nicht nachgegangen sei, dass sich die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei "nicht (lediglich) vor polizeilichen Verhören in der Türkei" fürchte, "sondern dass vielmehr die mit der Rückkehr in die Türkei verbundene Konfrontation der Klägerin zu 2 mit ihrem Heimatstaat und dessen uniformierten Funktionsträgern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Re-Traumatisierung und lebensbedrohlicher Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geführt hätte". Von einer derart ausgelösten Gesundheitsgefährdung der Klägerin war indessen weder im Wortlaut des Beweisantrags noch in den zitierten Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Berufungsgericht die Rede. Insoweit bezieht die Beschwerde eigene Schlussfolgerungen und in der Formulierung des Beweisthemas nicht zum Ausdruck kommende Beweisbehauptungen in ihre Rüge ein, ohne überzeugend darzulegen, dass sich dem Berufungsgericht diese Interpretation des Beweisantrags und insoweit auch eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. Nur darauf hätte im Übrigen die Rüge eines Verfahrensfehlers durch unterlassene Aufklärung entgegen der in dem Hilfsbeweisantrag enthaltenen Beweisanregung gestützt werden können. Die weiteren, im Berufungsurteil umfangreich ausgeführten Ablehnungsgründe (UA S. 56 bis 58) greift die Beschwerde nicht an. Soweit die Beschwerde die im Beweisantrag angebotene "Vernehmung" des Dr. W. als Angebot eines sachverständigen Zeugen behandelt, verkennt sie im Übrigen, dass Dr. W. nach dem Inhalt des Beweisantrags keine in sein (sachverständiges) Wissen gestellte Tatsachen bekunden, sondern eine sachverständige Prognose zur Entwicklung des Gesundheitszustands der Klägerin bei einer Rückkehr in die Türkei - also ein Sachverständigengutachten - erstatten sollte; hierauf kommt es indessen für die Beurteilung der Verfahrensrichtigkeit der getroffenen Entscheidung des Berufungsgerichts nicht an, weil der Beweisantrag 5 bei zutreffender Würdigung als Anregung zur Einholung eines entsprechenden (medizinischen) Sachverständigengutachtens hätte verstanden werden können.
Eine Verletzung des Verfahrensrechts ist auch mit der weiteren Rüge nicht schlüssig dargetan, das Berufungsurteil nehme "lediglich beiläufig" zu dem Beweisantrag 6 Stellung und bezeichne ihn als unzulässigen Beweisermittlungsantrag; eine "weitere Aufklärung und eine Bestätigung der Beweisbehauptung hätten die angebotenen Beweismittel" indessen erbracht. Die Beschwerde verkennt insoweit, dass die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags als unzulässiger Beweisermittlungsantrag an sich prozessrechtlich zulässig ist und nicht mit der Behauptung als prozessrechtswidrig angegriffen werden kann, die Einholung der beantragten Beweise hätte zu einem anderen Beweisergebnis geführt, ohne darzulegen und auszuführen, weshalb der Beweisantrag nicht als unzulässiger Beweisermittlungsantrag im Sinne des Prozessrechts angesehen werden durfte. Soweit die Beschwerde die Ablehnungsbegründung des Berufungsgerichts, es gebe keine Hinweise auf eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen (UA S. 45), inhaltlich damit angreift, dass die vorgelegten "Krankenhausberichte an den weiterbehandelnden Arzt gerichtet sind und es keinerlei Notwendigkeit gab, in ihnen zur Erwerbsfähigkeit Stellung zu nehmen", verschweigt sie die der in Bezug genommenen Passage unmittelbar nachfolgenden Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach dem Kläger in einem Teil der Krankenhausberichte "lediglich eine zweiwöchige Schonung empfohlen" werde und in einem anderen Bericht "ebenfalls keine Einschränkungen" enthalten seien. Insoweit geht die Rüge schon angesichts dieser tatrichterlichen Begründung ebenfalls fehl.
Soweit die Beschwerde schließlich - hinsichtlich der Klägerin zu 3 - als grundsätzlich bedeutsam (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Frage ansieht, "ob ein als Minderjähriger nach Deutschland gekommener Asylbewerber nach Eintritt seiner Volljährigkeit ins Heimatland abgeschoben werden kann, wenn das Verfahren der Eltern wegen § 53 AuslG fortgeführt wird", wird eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts nicht aufgezeigt. Die damit der Sache nach angesprochene Frage, ob die im Laufe des Verfahrens volljährig gewordene Klägerin zu 3 unter Umständen auch alleine in die Türkei abgeschoben werden dürfte, obwohl sie dort - nach Meinung der Beschwerde - "keinerlei Existenzmöglichkeiten" hätte, betrifft in erster Linie die dem Tatsachengericht vorbehaltene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und die Gefahrenprognose. Im Übrigen befasst sich die Beschwerde auch nicht damit, dass das Berufungsgericht ausgeführt hat (UA S. 59), die Klägerin zu 3 habe Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG "nicht vorgetragen". Die aufgeworfene Frage stellt sich im Übrigen auch deshalb nicht, weil das Verfahren der Eltern zu § 53 AuslG - infolge der Unbegründetheit der zuvor behandelten Verfahrensrügen sowie nach der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sach- und Rechtslage - nicht weiter zu führen ist.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.